Sie gilt als eine der berühmtesten Szenen in der Filmgeschichte: Anita Ekberg als blondes Filmstarlet Sylvia, das stolzierend im römischen Trevi-Brunnen den Boulevardjournalisten Marcello Rubini (gespielt von Marcello Mastroianni) verführen will. Zum sehnsuchtsvollen Kuss unter den Wasserfontänen kommt es allerdings in letzter Sekunde – warum auch immer – nicht. „La Dolce Vita“ heißt der dazugehörige Film, eines der Meisterwerke des Star-Regisseurs Federico Fellini, der dabei in einem fast dreistündigen Epos die römische High Life-Schickeria der 60er porträtiert.
Overtourism
Das süße Leben ist auch eines der Gründe, warum rund 35 Millionen Besucher alljährlich in die wunderschöne Hauptstadt Italiens strömen. Ob sie das dort erleben, ist eine andere Sache. Denn der Overtourism hat – ohne kriegerische Gegenwehr (wie zu Zeiten Cäsars und Augustus) – die Stadt Rom erobert, der trotz wirtschaftlicher Prosperität (meist für andere) den Einheimischen zu schaffen macht. Laut dem Verband „Roma Ricera Roma“ erreichen täglich etwa 700 Reisebusse Rom, Rund 200 Sightseeing-Busse fahren durch die römische Innenstadt, 300 Shuttle-Busse bringen die Touristen zu den Flughäfen.
Instagram-Mania
Im Zentrum wohnen immer weniger Römer, traditionelle Verkaufsläden und Handwerksbetriebe werden aufgegeben und stattdessen durch Bed & Breakfast-Quartiere, Ferienwohnungen und seelenlose Mini Markets abgelöst. Vor den Touristen-Hot Spots tummeln sich organisierte Reise-„Fußtruppen“ im Gleichschritt, Segways und E-Scooter. Die meisten Besucher sind ausgestattet mit Smartphones und Handy-Sticks (die dort auch massenhaft von nervenden Verkäufern angeboten werden). Selfies und Instagram-Shots für die daheimgebliebene, vermeintliche Freundesschar sind ja schon längst mehr als das Tüpfelchen auf dem I, wenn nicht das wichtigste Element jedes Reisetrips.
Wobei natürlich eines zu beachten ist. Die höchst attraktiven Sehenswürdigkeiten Roms im historischen Zentrum sind allesamt einen Besuch wert, und Postings in den sozialen Medien verstärken (zumeist) nicht nur die Kreativität und die digitale Kommunikationsfähigkeit des einzelnen, sondern sind auch eine unbezahlte Werbung für die urbanen Metropolen. Alleine die Dosis macht es.
Trevi-Brunnen
Der Fontana di Trevi, erbaut in den Jahren 1732-1762 nach Plänen des Architekten Nicola Salvi, zeigt in der Mitte den Meeresgott Oceanus, umringt von zahlreichen Fabelwesen und allegorischen Figuren. Er ist 26 Meter hoch und 49 Meter breit und stilistisch dem Barock zuzuordnen. Der Wasserverbrauch des Trevibrunnens beträgt 80 Millionen Liter pro Tag, das Wasser stammt vom ältesten Äquadukt Roms, der Acqua Virgine. Weiterhin populär ist der Volksbrauch, eine Münze mit der rechten Hand über die linke Schulter in den Brunnen zu werfen. Dies soll Glück bringen, könnte ab 2025 allerdings auch kostenpflichtig werden. Aufgrund des großen Andrangs vor dem Becken diskutiert die Stadtverwaltung über eine Eintrittsgebühr von 2 Euro für Touristen.
Pantheon
Bereits seit Juli 2023 müssen Besucher des Pantheons einen Eintritt von 5 Euro bezahlen, um das unter Kaiser Hadrian 128 n. Chr. fertiggestellte Bauwerk zu betreten. Der Menschenandrang blieb dessen ungeachtet weiterhin hoch. Das im Jahr 609 zur christlichen Kirche umgeweihte Pantheon besteht aus einer Säulenvorhalle und einem kreisrunden Zentralbau mit Loch in der ehemals größten Kuppel der Welt. Es gilt als eines der Prachtbauten römischer Architektur.
Spanische Treppe
Ein weiterer Hot Spot der römischen Altstadt ist die Spanische Treppe, die eigentlich „Scalinata di Trinita die Monti“ heißt. Der deutsche Name stammt von der darunterliegenden Piazza di Spagna, der römische von der am Hügel thronenden Kirche Santa Trinita dei Monti, die einst vom bebauten Zentrum durch einen stark bewachsenen Abhang getrennt war. So beschloss die Stadt 1723 auf Drängen des damaligen Papstes, eine Treppe mit insgesamt 136 Stufen zu errichten. Einst ließen sich die Einheimischen und Touristen auf der Spanischen Treppe nieder, um zu chillen, zu flirten oder eine Flasche Wein zu trinken. Seit 2019 ist dies aufgrund eines Erlasses des Stadtrats verboten. Wer sich auf historische Monumente setzt, muss seitdem 450 Euro Strafe bezahlen. Die 2016 um 1,5 Millionen Euro renovierte Spanische Treppe hat deswegen von ihrer Popularität nichts verloren. Sie zählt zu den beliebtesten Instagram-Motiven Roms und ist gleichzeitig Startpunkt für eine garantiert nicht billige Shopping-Tour Richtung Via Condotti oder einen Abstecher in ehemalige Künstlerlokale (wie dem Caffe Greco).
Piazza del Popolo
Wer die Spanische Treppe erfolgreich erklommen hat, kann abseits der Touristenmassen eine Wanderung durch die grüne Oase Roms, die Villa Borghese (inkl. Kunstgalerien), unternehmen oder über den Pincio-Hügel Richtung Piazza del Popolo spazieren. Die Aussichtsplattform bietet eine perfekte Aussicht auf die Silhouette Roms (inkl. Petersdom) und auf den weiträumigen „Volksplatz“ mit den „Zwillingskirchen“ Santa Maria in Montesanto und Santa Maria dei Miracoli und seinem über 3300 Jahre alten von Augustus importierten Obelisken. Ein weiterer wunderschöner Platz Roms ist die Piazza Navona, deren Eyecatcher, die drei Brunnen, derzeit leider hinter Bauzäunen versteckt sind. So wie viele andere Monumente, Plätze und Straßen Roms auch.
Heiliges Jahr 2025
2025 ist das alle 25 Jahre konstituierte Heilige Jahr der katholischen Kirche unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“. Aus diesem Anlass investiert die Stadt Rom eine Summe von 4 Milliarden Euro in die Infrastruktur, damit die zu erwartende Besucher-Rekordanzahl auf den ersten Blick von der „Ewigen Stadt“ schwärmt. Die Fremdenverkehrs-Experten sollten sich aber gleichzeitig Gedanken machen, wie sie die Touristenströme splitten und das ursprüngliche Lebensgefühl der Stadt aufrechterhalten können. Sonst existiert das römische Dolce Vita bald nur mehr in den Filmcasinos der Stadt…