Frankfurt hat heute das aktiv gepflege Image einer Finanz- und Bankenmetropole, die beeindruckende Skyline mit ihren in Deutschland einzigartigen Wolkenkratzern gilt als Wahrzeichen der Stadt. Einst in den 80ern war die Stadt am Main allerdings auch Vorreiter in der elektronischen Musik.
The Sound of Frankfurt
„The Sound of Frankfurt“ war eine weltweit bekannte Marke, die sich stilistisch in den Bereichen Techno, Hi-NRG und Acid House bewegte. In einem Plattenladen unter dem Frankfurter Hauptbahnhof verkaufte ein gewisser Andreas Thomalla, später unter dem Namen Talla2XLC einer der Szenegrößen, importierte Vinylscheiben unter der Trademark „Techno“. Ab Mitte der 80er jettete die Party Generation (noch) nicht nach Berlin, sondern nach Frankfurt in die legendären Clubs Dorian Gray, Cocoon und Omen. Exzessive Nights bis weit nach Morgengrauen waren dort garantiert unter der Fittiche von DJ Sven Väth, der mit „Electrica Salsa“ auch die internationalen Charts stürmte und mit den späteren Snap-Schöpfern Michael Münzing und Luca Anzilotti das Label Logic Records gründete. Dort, wo das Omen bis 1998 jedes Wochenende tausende ausgeflippte Raver anlockte, steht heute eine Armada von Wolkenkratzern, der Techno Sound im nunmehrigen Businessviertel ist nur mehr ein Relikt der Vergangenheit.
Opening
Sven Väth, der kürzlich seinen 60. Geburtstag feierte, ist allerdings weiterhin groß im Geschäft. Und so war es keine Überraschung, dass der Kult-DJ bei der Eröffnung des MOMEM in Frankfurt eine prominente Rolle spielte. Die Idee zur Errichtung des Museum of Modern Electronic Music entstand bereits im Jahre 2011, (erst) am 6. April 2022 wurde das Museum direkt unter der Hauptwache (einem ehemaligen Gefängnis) eröffnet. Das formelle Opening fand – so frei nach dem Motto „God is a DJ“ – in der Paulskirche statt. Sven Väth selbst war nicht nur die erste Sonderausstellung unter dem Titel „It´s simple to tell what saved us from hell“ gewidmet, er zelebrierte auch die dazugehörige Rave-Party vor der Hauptwache in der Frankfurter Innenstadt vor über 3000 Techno-Fans.
„Italo Disco – Never stop Dancing“
Die aktuelle Sonderausstellung ist dem Italo Disco gewidmet. Ein Genre, das mehr mit Deutschland zu tun als man glauben könnte. Im hessischen Merenberg gründete Bernhard Mikulski das legendäre Zyx-Label, auf dem zahlreiche Italo Tracks und die kultigen Italo Boot-Mix-Compilations veröffentlicht wurden. Das MOMEM blickt in seiner Exhibition „Italo Disco – Never stop Dancing“ auf die großen Stars und Hits der 80er zurück, auf Ryan Paris Verneigung vor dem „Dolce Vita“, Rafs „Self Control“ (das durch das Laura Branigan-Cover auch weltweit die Charts stürmte), „Easy Lady“ Spagna, My Mine´s Electro-Hymne „Hypnotic Tango“, Righeiras „Vamos a la playa“ (das sich textlich eigentlich mit den Folgen der Umweltverschmutzung und eines Atomkrieges beschäftigte) oder die mit ihren weiblichen Reizen nicht geizende Sabrina Salerno („Boys“). Die Kuratoren wählten als optische Darstellung von der Wand hängende Pools, auf denen die Biographien, Fotos, Anekdoten und Kopfhörer (zum Lauschen der Tracks) platziert wurden. Dass der Italo Disco still alive ist, zeigen die Konterfeis von erfolgreichen Artists wie dem Grammy-Gewinner Tino Piontek (aka Purple Disco Machine), DJ Perel, Gerd Janson oder Mochakk, die den Italo-Spirit an den zeitgenössischen Club-Sound adaptiert haben.
Milestones
Und damit sind wir schon im Epizentrum des Museum of Modern Electronic Music, einer dunklen Halle mit Neon Lights und Fotoprojektionen, die mit ihrem Minimalismus an kleine Techno-Clubs erinnert, in denen man ekstatisch bis zur Erschöpfung bis weit in den Morgengrauen durchtanzen kann. Kopfhörer baumeln von der Decke und liefern den Soundtrack für die Rave Night im Museum. „Milestones – Favourite Club Tracks 1985-2020“ nennt sich diese Ausstellung am „Main Floor“ des MOMEM, die selektierten 50 Tracks stammen aus einer Kompilierung der Top 20 von rund 60 renommierten DJ´s: Luciano, Purple Disco Machine, Monika Kruse, Miss Kittin, Roger Sanchez, DJ Hell oder Laurent Garnier, um nur einige zu erwähnen, die im MOMEM mit Charts, Biographie und Shots über den DJ-Pults vertreten sind. Per Screen können die Besucher über ihre Lieblingstracks abstimmen. Im November 2024 führten im Overall Ranking die französischen Elektroniktüftler Daft Punk mit „Around the World“ vor der Trainspotting-Hymne „Born Slippy“ (Underworld) und dem auf der Twin Peaks-Titelmelodie basierenden Techno-Hit „Go“ Mobys. Die Plätze 4 und 5 belegten Tiga & Zyntherius mit dem „Sunglasses at Night“-Minimal-Cover und Love Parade-Legende Mark Spoon mit „The Age of Love“.
Shoot your Shot
Whatever happens in Clubs stays in Clubs: Ein populärer Slogan, der in einer No-Foto- und No-Video-Policy in den heiligen Hallen des exzessiven Nightlifes (wie im Berghain, dem Watergate oder der Grellen Forelle) mündete. Die Festivals und großen Clubs (a la Ibiza) sehen dies anders und überlassen diese Entscheidung den Party People selbst. Gratis-Promotion in den sozialen Medien bringt außerdem neue Gäste. Im Frankfurter MOMEM verstärken Foto-Projektionen bekannter Fotografen die Club-Atmosphäre. Mit dabei u.a. der französische Fotograf Wesley Triber, der mit analogen Fotos die Flüchtigkeit des Moments erfassen will, der Australier Simon Burstall (der in den 90ern eine Abschlussarbeit über die Rave Generation publiziert hat) oder die deutsche Fotografin Sandra Mann, die ihre „Nightlife“-Series auf zwei gegenüberliegenden Stoffflächen installiert hat. An düstere Corona-Zeiten erinnert ein Foto einer grünhaarigen Clubberin mit weißer Schutzmaske, tanzend im künstlichen Nebel.
Nicht zu kurz kommen im MOMEM auch die Elektronik-Freaks. Im Machine Room sind zahlreiche elektronische Musikgeräte ausgestellt, die auf die Techno-, House- und Rave-Szene einen wesentlichen Einfluss ausgeübt haben, darunter der Roland TR-808, der Roland TR-707 oder der Sequential Pro-One. Massenhaft Vinyl-Scheiben und Fashion-Gimmicks laden obendrein zum Merchandising ein.
Berlin kämpft derzeit mit einem Club-Sterben (u.a. aufgrund gestiegener Kosten und geänderter Ausgehgewohnheiten), in Frankfurt wurde einst auch mehr getanzt als Geld angehäuft. Die Zeiten für elektronische Musik sind allerdings weiterhin rosig, und zwar nicht nur für eine Retrospektive im Museum. Dazu reicht ein Zitat-Verweis auf die Techno-Pioniere Kraftwerk. „Electronic Music is the Heartbeat of the 21st Century, a Fusion of Art and Technology“…