Tribute-Dance-Inferno für Maxi Jazz: Faithless live im Wiener Gasometer

Es war die Zeit der exzessiven Festivals und der tagelangen Raves Mitte der 90er, als ein britischer Dance-Track Pate für diese Szene stand. Die zündende Hook Line: „I can´t get no sleep“, gefolgt von treibenden Techno-Beats, die die im Party- und Drogen-Rausch losgelösten Clubber scheinbar endlos durch die ekstatischen Nächte begleiteten. „Insomnia“ hieß der Track, produziert vom Londoner Kollektiv Faithless, bestehend aus dem Rapper Maxi Jazz, Ayalah Deborah Bentovim aka DJ Sister Bliss und Studio-Mastermind Rollo. Die 24 Hour-Party People-Hymne zählt heute zu den Top 5 Dance Tracks ever und beförderte die Band in den Rave-Olymp, und das obwohl die Schlaflosigkeit in den Lyrics eigentlich auf Zahnschmerzen basierte und nicht auf einer Overdose an Ecstasy-Tabletten. 

 

Faithless veröffentlichten 7 Studio Alben, zahlreiche Remix-Compilations und 17 Top 40-Singles bzw. verkauften mehr als 20 Millionen Tonträger, ein neues Album unter dem Arbeitstitel „Champion Sound“ soll 2025 erscheinen. Rapper Maxi Jazz ist nicht mehr an Bord, er verstarb vor 2 Jahren am 22. Dezember 2022 nach längerer Krankheit.

 

Faithless beschlossen 2024 wieder on Tour zu gehen, die Show sollte gleichzeitig ein Tribut an den großartigen ehemaligen Frontmann sein. „Maxi won´t be there with us, but he´ll be there in spirit. I really hope people are going to get stuck in the dance and really lose themselves in the music, because that´s what people have always done at a Faithless Gig“, so Sister Bliss in einem Interview mit DJ Mag. Die Elektronikkünstlerin hat nicht zu viel versprochen. Die aktuelle Faithless-Tour, die die englische Formation auch ins Gasometer nach Wien brachte, ist nicht nur eine Verneigung vor dem ehemaligen Sänger, sondern auch eine Reverenz an die internationale Rave- und Club Culture. 

 

Geboten wird eine temporeiche Mixtur aus Live-Show und DJ-Sounds, untermalt mit grellen Light-Effects (unter der Regie von Jean Michel-Jarre-Arrangeur Jvan Morandi), Faithless-Clips und hedonistischen Party-Videos. Die Band besteht aus insgesamt 7 Mitgliedern, neben Sister Bliss und den beiden Sängern Amelie Fox und Nathan Ball noch aus einem Bassisten, einem Gitarristen, einer Percussionistin und einem Drummer. Ertönen Textfragmente wie „This is my church. This is where I heal my hurts. For tonight. God is a DJ“, dann erscheint Maxi Jazz groß auf dem Video-Screen hinter der Band. Vor der Stage, egal ob in Brighton, Milan, Amsterdam oder Wien, ekstatisch tanzende Konzertbesucher mit Hands in the Air und leicht versteckter Melancholie aufgrund der Erinnerung an die wilden Zeiten von früher.

 

Den Schuss bittersweet symphony steuert die junge Sängerin Amelia Fox bei, die bereits beim Rollo Armstrong-Solo-Projekt R Plus die Vocals übernahm. Bezaubernd die zwischen der Lust am Solo-Leben und dem Nachtrauern über eine glückliche Sommer-Beziehung schwankende Trip-Hop-Ballade „Crazy English Summer“ (2001), düster-elektronisch das Joy Division-Cover „Love will tear us apart“, trancig-progressiv das Cover „Dawn of the Dead“ der Newcomerin Leena Punks. Groovige Highlights aus Sister Bliss´ DJ-Gigs dürfen nicht fehlen: „Yeke Yeke“, Jaydees „Plastic Dreams“, Gat Decor´s „Passion“ oder das Ibiza House Anthem „Music is the Answer“, live gesungen von Amelia Fox und visuell dekoriert mit Club-Videos von der balaerischen Party-Insel. 

 

Der Londoner Sänger Nathan Ball liefert eine fragile Version des Gnarls Barkley-Hits „Crazy“ und präsentiert Tracks aus dem letzten veröffentlichten Faithless-Album „All Blessed“ („Synthesizer“, „This Feeling“). Höhepunkte der Show waren aber klarerweise die Mega-Hits von Faithless mit den Vocals von Maxi Jazz: Die erste Single „Salva Mea“ und „Insomnia“, die bereits im ersten (!) Drittel zu hören waren, „God is a DJ“ und als Final Track vor den Zugaben der aus dem Jahr 2001 stammende Track „We come 1“ in einer Extended Version. Ein traditioneller „Song of Unity“ der Band, die fast 30 Jahre nach der Gründung noch immer besteht. Auch der letzte Song des Abends bleibt in der Family: „Thank you“, im Original von Dido. Und die ist die prominente Schwester von Producer Rollo Armstrong. Gesungen wird diese in einer Drum & Bass-Version von Amelia Fox, die ehemalige Schulfreundin von Rollos Sohn. Witzige Anekdote.

 

Man darf gespannt sein, in welcher Richtung sich der neue Sound von Faithless entwickeln wird, verträumt-poppiger (wie der erstmals präsentierte Track „Phone Number“) oder wieder hypnotisch-undergroundiger. Die Bedeutung von Faithless für die elektronische Musik kann aber keiner mehr streitig machen. Laut einem Mixmag-Ranking der „Greatest Dance Bands of All Time“ belegten Faithless hinter Prodigy, Daft Punk und den Chemical Brothers Platz 4, und das mehr als zu Recht.