Parlamentsbilanz 2024: Von Informationsfreiheit, Baumhaftung bis verschärftem Tierschutz

Am 24. Oktober 2024 fand die konstituierende Nationalratssitzung statt, deren Zusammensetzung auf der Nationalratswahl vom 29. September basierte. Was viele nicht erwarteten: Die schwarz-grüne Regierungskoalition mit der gegen Ende schon verblassenden Trademark „das beste aus eiden Welten“ hielt bis zum Ende der fünfjährigen Legislaturperiode und konnte sogar mit einem Rekord aufwarten. Laut Parlamentskorrespondenz wurden seit den 70ern innerhalb einer Gesetzgebungsperiode nie mehr als 900 Gesetzesbeschlüsse verabschiedet. Im abgelaufenen Parlamentsjahr 2023/24 waren dies 214, einige wichtige fielen auch in das reformtechnisch nicht unproblematische Wahljahr.

 

Informationsfreiheit

 

So beschloss der Nationalrat mit der verfassungsrechtlich notwendigen Zweidrittelmehrheit endlich das Aus der Amtsverschwiegenheit, die seit 1925 (!) in der Verfassung steht. Ab September 2025 haben die Bürger ein Recht auf Information gegenüber dem Staat. Öffentliche Stellen sind außerdem verpflichtet, Informationen von allgemeinem Interesse wie in Auftrag gegebene Gutachten, Studien und Verträge zu veröffentlichen. Diese „proaktive Informationspflicht“ gilt allerdings nicht bei Gemeinden unter 5.000 Einwohnern (das sind rund 40 % der Bevölkerung). In diesem Fall müssen Interessenten individuelle Anfragen an die Gemeinden stellen, die innerhalb von vier Wochen beantwortet werden müssen. Gerade in kleinen Ortschaften, wo „jeder jeden kennt“, ein psychischer Hemmschuh für Bürger, Aktivisten und Bezirksjournalisten. 

 

Baumhaftung

 

Neu geregelt wurde im ABGB die Baumhaftung. Bis zum 1. Mai 2024 galt hier eine Beweislastumkehr. Bei Schäden, die durch das Umstürzen von Bäumen oder das Herabfällen von Ästen entstanden, musste der Baumbesitzer nachweisen, dass ihn keine Schuld trifft. Dies führte zu zahlreichen „Angstschnitten“ vor allem in den Ballungsräumen. Gemäß dem neuen § 1319 b ABGB muss nun der Geschädigte nachweisen, dass der Halter des Baumes die erforderliche Sorgfalt vernachlässigt hat. Die individuelle Sorgfaltspflicht hängt dabei u.a. vom Standort, der Größe oder der Zumutbarkeit von Prüfungs- und Sicherungsmaßnahmen ab. 

 

Psychotherapieausbildung

 

Akademisiert wird als letzter eigenverantwortlich tätiger Gesundheitsberuf die Psychotherapieausbildung. Ab 2026 wird an Universitäten und Fachhochschulen ein zweijähriger Masterstudiengang mit insgesamt 500 Ausbildungsplätzen angeboten. Voraussetzung für die Zulassung ist ein fachlich einschlägiges Bachelorstudium bzw. die Berechtigung zur Ausübung bestimmter Berufe. Diese inkludieren u.a. Psychologie, Medizin, Sozialpädagogik, psychosoziale Beratung und diplomierte Gesundheits- und Krankenpflege.

 

Lehramtsstudien

 

Neu konzipiert wurden im Rahmen eines Hochschulrechtspakets die Lehramtsstudien. In Anpassung an das Bologna-Modell dauern bei der Primarstufe ab 2025/26, bei der Sekundarstufe (verkürzt) ab 2026/27 die Bachelorstudien 3 Jahre, die Masterstudien 2 Jahre. In der Sekundarstufe kann künftig ein Fächerbündel statt zweier Unterrichtsfächer oder eines Unterrichtsfachs und einer Spezialisierung absolviert werden. 

 

Digitalisierungspaket

 

Für die Schulen selbst wurde von der schwarz-grünen Koalition ein Digitalisierungspaket beschlossen (inkl. digitale Zeugnisse und Schülerausweise). An allgemeinbildenden höheren Schulen wird die vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) durch eine abschließende Arbeit ersetzt. Das Format kann dabei frei gewählt werden, beispielsweise als Podcast, Multimediaprodukt, Skulpturen, Videoreportage oder empirische Erhebung.

 

Pflegepaket

 

Beschlossen wurde kurz vor der Sommerpause auch ein neues Pflegepaket. Im wesentlichen geht es dabei um eine Kompetenzenerweiterung für diplomiertes Pflegepersonal, Pflegefachassistenten und Heimhelfer. So dürfen ab September 2025 Angehörige des gehobenen Dienstes selbstständig Arzneimittel in den Bereichen Nahrungsaufnahme, Körperpflege und Pflegeintervention weiterverordnen. Heimhelferinnen dürfen künftig u.a. auch Blutdruck, Puls und Temperatur messen.

 

Tierschutz

 

Mehr als 400.000 Bürger unterstützten 2021 das Tierschutzvolksbegehren, deren Forderungen teils bei der schwarz-grünen Tierschutzgesetznovelle umgesetzt wurden. So wurde nicht nur das Qualzuchtverbot bei Heimtieren verschärft, sondern auch neue Tatbestände der Tierquälerei bei Vögeln und Reptilien hinzugefügt. Ab 1. Juli 2026 müssen Halter von Hunden, Amphibien, Reptilien und Papageienvögel einen verpflichtenden Sachkundenachweis absolvieren. Dieser erfolgt durch einen Kurs im Ausmaß von mindestens 4 Unterrichtseinheiten bzw. – bei Hunden – durch eine zusätzliche zweistündige Praxiseinheit.

 

Verbandsklage auf Schadenersatz

 

Neu eingeführt wurde aufgrund der Umsetzung einer EU-Richtlinie die Verbandsklage auf Schadenersatz. Eine Alternative für die in der Praxis angewandten „Sammelklage österreichischer Prägung“, bei der Einzelansprüche an diverse Rechtsträger abgetreten werden. Verbraucherschutzeinrichtungen können bei einer Unterstützung von mindestens 50 Verbrauchern Unternehmen auf Schadenersatz oder auf Unterlassung klagen. Zuständig ist für alle Verbandsklagen in erster Instanz das Handelsgericht Wien. Man darf gespannt sein, wie dieses neue Klageformat in Zukunft genützt werden wird.

 

Erhöhung des Verteidigungskostenersatzes

 

Balluch, Strache, Chorherr: Drei prominente Fälle, aber nur die Spitze des Eisberges von Angeklagten, die trotz eines Freispruchs in einem Gerichtsprozess vor dem Privatkonkurs bzw. finanziellen Problemen standen. Grund: Die hohen Anwaltskosten. Durch einen einstimmigen Beschluss im Nationalrat wurde jetzt endlich der staatliche Verteidigungskostenersatz bei Freisprüchen erhöht bzw. bei Einstellung von Ermittlungsverfahren eingeführt. Im Schöffen- und Geschworenengerichtsverfahren beträgt der Pauschalhöchstsatz jetzt 30.000 Euro (eine Versechs- bzw. Verdreifachung), im Einzelrichterverfahren am Landesgericht 13.000 Euro (Vervierfachung) und im bezirksgerichtlichen Verfahren 5.000 Euro (Verfünffachung). Bei längeren bzw. komplexeren Verfahren kann der Betrag um die Hälfte, bei extremem Umfang sogar auf das Doppelte erhöht werden. Wird das Verfahren eingestellt, beträgt der Verteidigungskostenbeitrag maximal 6.000 Euro (inkl. Erhöhungsmöglichkeiten). Im Justizbudget wurden dementsprechend die Mittel für den Kostenersatz verdreißigfacht. 

 

Sicherstellung von Datenträgern

 

Eine wichtige Gesetzesnovelle wurde bereits durch den neuen Nationalrat im Dezember 2024 beschlossen, und zwar die Sicherstellung von Datenträgern (wie Handys, PC´s, Laptops,…). Die ursprünglichen Paragraphen wurden durch den VfGh aufgrund eines Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz und das Recht auf Privatleben als verfassungswidrig erklärt und traten mit 1.1. 2025 außer Kraft. Voraussetzung für die Sicherstellung von Datenträgern ist ab sofort eine richterliche Bewilligung. In dieser muss festgelegt werden, welche Datenkategorien und Dateninhalte zu beschlagnahmen sind und welcher Zeitraum davon umfasst ist. Sonderregelungen bestehen bei Gefahr im Verzug oder bei Zusatzfunden. Wie sich diese mit höherem zeitlichem Aufwand verbundenen neuen Bestimmungen in der Praxis bewähren, wird man sehen.