Fomo Sapiens: 34 Essays von Valerie Huber über die nicht gerade heile Welt!

Multiple Krisen, Social Media Overdose, Depressionen, Perspektivlosigkeit,… - Vor allem junge Menschen fühlen sich in jeder Hinsicht überfordert und kommen mit ihrem Leben nicht mehr zurecht. Die Schauspielerin und Sängerin Valerie Huber, mit derzeit 29 Jahren ein Mitglied dieser Generation, hat über die gegenwärtige Situation ein Buch mit insgesamt 34 Essays geschrieben. Die Erstpräsentation fand im Thalia-Mariahilf vor vollen Besucherrängen statt.

 

Der Titel des Buchs - „Fomo Sapiens“ – „Verpassen wir die heile Welt?“ – zielt direkt auf die psychische Grundstimmung der Menschen ab. FOMO = „Fear of missing out“ – die Angst, etwas zu verpassen, egal ob es sich jetzt um eine coolere Party, einen süßeren Freund oder einen Beruf mit mehr Work-Life-Balance handelt. Die Folgen liegen auf der Hand: Stress, Dauergereiztheit, Niedergeschlagenheit. Und das in einer „Brave New World“, in der junge Menschen bis zu 10 Stunden täglich (!) in ihre Smartphones starren anstatt sinnvolleren Tätigkeiten nachzugehen. Valerie Huber nimmt sich hier persönlich gar nicht aus, bietet aber befreiende Alternativen. Man solle im Moment leben und wieder Freude an simplen kleinen Dingen haben, in die Natur gehen, Bäume umarmen, Sport machen, Yoga, Meditation, auch Urlaub alleine, um sich selbst besser kennenzulernen. Dem düsteren FOMO-Schlagwort setzt sie das chillige JOMO entgegen: „Joy of Missing out“ so frei nach dem Motto: Man muss nicht bei jeder Party live dabei sein.

 

Gesellschaftskritik und Feminismus dürfen in Hubers erstem Buch nicht fehlen. Die Autorin spricht von einem „Kulturschock“, als sie nach einem Afrika-Aufenthalt als UNICEF-Ehrenbeauftragte direkt zu den elitären Filmfestspielen von Cannes düste. Es sei auch schwer erklärbar, dass Reiche zehntausende Euro für eine Opernball-Loge beim Fenster hinausschmeißen, während andere sich nicht einmal die Miete leisten können. In punkto Feminismus fürchtet sie einen konservativen Backlash. In der Filmindustrie habe sich die Lage für Frauen ein wenig verbessert. Allerdings erfüllen weiterhin rund 50 Prozent der Filme nicht den 1985 von der Autorin und Cartoon-Zeichnerin Alison Bechdel entwickelten „Bechdel“-Test. Ein „Durchgefallen“ blüht dann, wenn im gesamten Film nicht mindestens zwei Frauen vorkommen, die über etwas anderes reden als über Männer.

 

Klimakrise, Kinderarmut, Kapitalismus oder Chancenungleichheit sind weitere wichtige Themen im Buch. Valerie Huber, Tochter eines Entwicklungsökonomen, hat ihre Kindheit in Uganda und in der Elfenbeinküste verbracht und kritisiert immer wieder die Ausbeutung der afrikanischen Bevölkerung. Anstatt den Hunger in der Welt zu beseitigen werde von den führenden Industrienationen Geld in Waffen investiert. Sie fordert u.a. Reichensteuern, ein bedingungsloses Grundeinkommen, Reparationszahlungen an Afrika und weltweiten Klimaschutz. Leider geht derzeit alles – verstärkt durch den Trump-Sieg - in die falsche Richtung. 

 

Im Gespräch mit der Moderatorin Ingrid Rehusch bestätigt Huber, dass sie in gewisser Weise in einer Bubble lebe. Den Rechtspopulismus betrachtet sie als „nicht salonfähig“. Dass das Buch vor allem in den Regalen jener Leser und Leserinnen landen wird, die eine liberale, soziale und weltoffene Einstellung zum Leben haben, steht wohl außer Streit. Jene, die es eigentlich lesen sollten, werden weiterhin in den Echokammern der Verschwörungstheoretiker, Fake News-Verbreiter und Nationalisten verharren.