„Favourite Darkness“: Anton Corbijn-Ausstellung im Kunstforum Wien

„Favourite Darkness“ heißt die erste Einzelausstellung des niederländischen Fotografen und Regisseurs Anton Corbijn in Wien. Klingt irgendwie nach einem Depeche Mode-Titel. Nahe dran, die Wortzeile „in your favourite darkness“ findet man tatsächlich in ihrem 90er-Hit „In your Room“. Und der läuft in einer Dauerschleife auf einem TV-Screen, als Hintergrundbeschallung zu einem phänomenal unter dem Mondlicht tanzenden Dave Gahan-Epigonen. In einem separaten Depeche Mode-Raum (mit Konzertfotos, kunstvollen Presseshots, Plattencover und Andrew Fletcher-In Memoriam Visuals), der kompakt die fast 40jährige Zusammenarbeit zwischen Corbijn und der britischen Elektronik-Formation widerspiegelt. 

 

NME-Shots

 

Das erste Depeche Mode-Video „A Question of Time“ drehte Corbijn 1986 unter Low Budget-Bedingungen in Amerika, die ersten Fotoaufnahmen lagen allerdings noch weiter zurück. Corbijn war seit Ende der 70er Cheffotograf beim Londoner NME (New Musical Express) und veröffentlichte dort (und im Londoner Monatsmagazin „The Face“) coole Schwarz-Weiß-Fotos der größten Stars der Pop-, New Romantics- und Punkszene: David Bowie im Lendenschurz, Nina Hagen gemeinsam mit der nackten Slits-Punk-Ikone Ari Up (das Plakatmotiv der Ausstellung), U2-Sänger Bono Vox, Kraftwerk, Johnny Rotten und natürlich Joy Division im U-Bahn-Abgang. Ian Curtis bzw. der Rest der Band schauen dabei in unterschiedliche Richtungen. Eine mysteriöse Vorahnung: Sänger Ian Curtis beging 1980 ein Jahr später – einen Tag vor der geplanten Tournee – Selbstmord, Joy Division transformierten zur (erfolgreichen) Wave-Band New Order. Zu sehen sind diese prickelnden Classic Shots im Raum 2 der Ausstellung.

 

Direkt im Eingangsbereich des Kunstforums hat der niederländische Fotograf seine Lieblingspics platziert, darunter eine (ausnahmsweise farbige) Aufnahme der Creatures, Bilder von Nelson Mandela und dem niederländischen König Willem-Alexander und ein „One Way“-Shot des leider schon verstorbenen Filmstars Philip Seymour Hoffman, mit dem Corbijn den Film „A Most Wanted Man“ drehte. Zwischen den Säulen wurde ein Self-Porträt des Kult-Fotografen aus den wilden Londoner Years aufgehängt.

 

Cemeteries

 

Im zentralen Raum des Kunstforums werden eindrucksvolle Gegenüberstellungen zwischen den Ikonen der Popszene und der Kunstgeschichte gezeigt. „Cemeteries“ nennt sich die Foto-Serie über religiöse Skulpturen, die Corbijn 1982/83 auf den Friedhöfen von Wien, Paris, Venedig, Genua und Mailand kreiert hat. Kongenial dazu passen seine Celebrity-Aufnahmen, bei denen die Künstler wie Heilige dargestellt werden: Natürlich inklusive Dave Gahan, der vor allem beim Album „Songs of Faith and Devotion“ mit dieser Thematik gespielt hat, Courtney Love, Skin, Bryan Ferry, Nick Cave oder die Band Arcade Fire, die in cooler Black & White-Ästhetik das „letzte Abendmahl“ ins 21. Jahrhundert torpedierten. Diese Motive seien allerdings nicht absichtlich in dieser Art und Weise entstanden, sondern rein intuitiv, so Corbijn.

 

Musikvideos

 

In einem verdunkelten TV-Room wird eine Auswahl der besten Videoclips Corbijns präsentiert. Natürlich vertreten Depeche Mode mit „Enjoy the Silence“ und „Ghosts again“. „I soon started to realise that the visuals and their music went really well together“, so Corbijn, der nicht nur die Videoclips und Fotos der Band arrangiert, sondern auch deren (Konzert)-Filme (zuletzt „Global Spirit Tour“ und den Fan-Streifen „Spirits in the Forest“) und die Stage-Visuals konzipiert. In den 80ern und 90ern arbeitete Corbijn auch eng zusammen mit der irischen Formation U 2, er führte Regie u.a. für deren Clips „Pride“, „One“ und „Please“ und schoss die Fotos für „The Joshua Tree“ und „Achtung Baby“. Im Video-Repertoire der Ausstellung weiters zu sehen: Clips von Joy Division („Atmosphere“), The Killers, Arcade Fire, Coldplay, Herbert Grönemeyers und Nirvana („Heart Shaped Box“, 1994 ausgezeichnet mit zwei MTV-Video Awards).

 

Females

 

Corbijn wird manchmal oberflächlich nur mit männlichen Protagonisten in Verbindung gebracht. Dies widerlegt der vorletzte Raum der Ausstellung „Favourite Darkness“, in dem ausschließlich Bilder von weiblichen Popstars, Models und Schauspielerinnen publiziert werden: Siouxsie Sioux, Sängerin der Rock-Band Siouxsie & The Banshees und später der Creatures (eine der Lieblingsmotive Corbijns), Kim Wilde, Kate Bush, Gwyneth Paltrow oder die kürzlich verstorbene Marianne Faithfull. Im Gegensatz zu Fotografen wie Newton oder Lindbergh setzt Corbijn auf natürliche Sexualität, unorthodoxe Posen und eine subtile Verletztlichkeit der Frauen. 

 

Painters

 

Der letzte Raum der Ausstellung ist unter dem Titel „Inwards and Onwards“ den Malern und Malerinnen gewidmet. Seit den 90ern fotografiert Corbijn bildende Künstler verschiedenen Genres in ihren Ateliers, darunter Gerhard Richter, die britische Porträtmalerin Lynette Yiadom-Boakye oder Marlene Dumas. Mit der südafrikanischen Künstlerin hat Corbijn außerdem zwischen 1998 und 2000 die „Stripping Girls“ in Amsterdam abgelichtet.

 

Kinofilme

 

„Favourite Darkness“ ist bis 29. Juni 2005 im Kunstforum zu sehen. Parallel dazu laufen Filme von Corbijn im Gartenbaukino, darunter der Joy Division-Film „Control“ (mit dem brillierenden Sam Riley als Ian Curtis), „The American“ (mit George Clooney), „A Most Wanted Man“, „Life“ und „Squaring the Circle“. Für Fans gibt es neben zahlreichen Katalogen und You Tube-Musikvideos noch eine auf DVD veröffentlichte Filmdokumentation unter dem Titel „Anton Corbijn Inside Out“. Check it out…