Was ist los in unseren Schulen? – Thalia-Buchpräsentation von Schuldirektor Christian Klar

Personalmangel, Überbelastung, Burn Out, schwierige Arbeitsbedingungen aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse und steigender Gewalt und Aggression in den Schulen. Wiens Pflichtschullehrer gingen im Oktober wieder einmal auf die Straßen, und das sicher nicht zum letzten Mal. „Was ist los in unseren Schulen?“ – Das fragt sich seit einigen Jahren auch der Floridsdorfer Mittelschuldirektor (und ÖVP-Politiker) Christian Klar, der über dieses Thema ein spannendes Buch mit zahlreichen Beispielen aus seiner beruflichen Praxis geschrieben hat. Die Buchpräsentation fand im Thalia-Wien Mitte unter der Moderation seines Freundes (und Schauspielers) Albert Fortell statt…

 

„Die Schule ist ein Spiegelbild der späteren Gesellschaft“, das ist eines der prägenden Zitate des Lehrers und Autors Christian Klar. Die von ihm geschilderten Fälle stellen dabei ein dringliches Alarmzeichen dar, die Zustände an unseren Schulen rigoros zu ändern. Da geht es um einen Afghanen, der mit 13 noch in der 1. Klasse Mittelschule sitzt und seine Mitschüler unterdrückt. Nach einer Suspendierung wird er im Rahmen eines Sonderprojekts auf ein Segelschiff mit vier anderen verhaltensauffälligen Jugendlichen und psychologischen Einzelbetreuern verfrachtet. Dass er einmal arbeiten wird, damit rechnet keiner. Ein Tschetschene bekommt nach einigen Schlägereien wieder lerntechnischen Aufwind. Plötzlich aber fehlt er in der Schule, auf Facebook wird er von Bekannten entdeckt, er kämpft jetzt für den IS in Syrien. 

 

Islamisierung

 

Die stark steigende Islamisierung in den Wiener Schulen sieht Christian Klar als Hauptproblem. Sie wird auch durch die Statistiken über die religiösen Bekenntnisse evident, wenn man die Zahlen von 2016 und 2023 vergleicht. Im Jahr 2016 waren in den Volksschulen noch die Katholiken mit 31 % vor den Muslimen (mit 28 %) führend. Diese Zahlen haben sich im Schuljahr 2023/24 radikal verändert: 35 Prozent haben in den Volksschulen jetzt bereits ein islamisches Religionsbekenntnis, nur mehr 21 Prozent sind katholisch, 26 Prozent sind ohne Bekenntnis. In den Wiener Mittelschulen sind die Zahlen laut Klar noch extremer: Dort haben die Muslime mit 47,6 % gegenüber den Katholiken (14,5 %) eine klare Mehrheit. 

 

Verändert hat sich auch die persönliche Einstellung der muslimischen Jugendlichen zum Islam. Mädchen sind, beeinflusst durch Influencerinnen aus den sozialen Medien oder „Klassenleader“, stolz darauf, ein Kopftuch zu tragen. Die Lehrer fühlen sich teils machtlos gegen diverse Forderungen der Schüler (z.B. nach einem Gebetsraum) und werden durch das Bildungsministerium oder die Bildungsdirektionen weder inhaltlich noch psychisch gestärkt.

 

Kriminalität

 

Problematisch ist auch die steigende Kriminalität an den Schulen. Laut einer Statistik des Innenministeriums hat sich die Anzahl der Straftaten von 2021 auf 2023 von 962 auf 1932 vergrößert. Bei den strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben erhöhte sich die Zahl von 289 auf 722, über 1000 Straftaten sind Vermögensdelikte. Christian Klar berichtet in seiner Buchpräsentation von einem Zwischenfall in seiner Schule, bei der ein Mädchen plötzlich aus der Klasse gestürmt ist und in einer anderen Klasse ein Mädchen niedergeschlagen hat. Grund: Ein Facebook-Posting mit dem Text „Susi fickt mit Achmed“. Heute gilt in dessen Mittelschule während des Unterrichts ein Handyverbot, um derartige Auseinandersetzungen zu verhindern. 

 

Kein Deutsch in den Communities

 

Über 1/3 der Erstklässler in Wien gelten als außerordentliche Schüler, die wegen mangelnder Deutschkenntnisse dem regulären Unterricht nicht folgen können. 2/3 davon sind Kinder, die in Österreich geboren wurden bzw. bereits einen Kindergarten besucht haben. Für Christian Klar keine Überraschung. In einem Buchauszug unter dem Titel „Ich habe keine Nummer, bin der einzige Österreicher“ beschreibt er eine Anekdote über eine Fußball-Klassenmannschaft, deren Mitglieder aus verschiedenen Nationalitäten bestehen. Kommunikation untereinander haben sie allerdings nicht, nach dem Unterricht geht´s zurück in die einzelnen Communities, in denen daheim kein einziges Wort Deutsch gesprochen wird. Österreichische Nachrichten werden überhaupt nicht konsumiert, stattdessen lasse man sich durch Tik Tok berieseln oder schalte den arabischen Sender Al Jazeera ein.

 

Die Missstände in den österreichischen Schulen beschränken sich laut den Recherchen von Klar nicht nur auf Wien, sondern auf alle Ballungsräume mit erhöhtem Migrantenanteil (wie Linz, Wels, St. Pölten oder Graz). Man müsse daher progressiv gegensteuern und sich um den Opfer- statt den Täterschutz kümmern. Jedes Kind habe das Recht auf eine „positive Schule“, und es sei indiskutabel, dass einzelne Schüler das soziale Klima in der Klasse zerstören. 

 

Klar fordert neben einem Verbotsgesetz für den Islam und einem Grundkurs in islamischer Lehre für einschlägige Berufsgruppen (wie Lehrer, Politiker, Polizisten oder Journalisten) klare Richtlinien in der Schule. Wir leben in einem demokratischen, liberalen Land, die Grundsätze habe jeder zu akzeptieren, der sich in Österreich aufhält. Voraussetzung dafür ist eine selbstbewusste Kommunikation, egal, ob es sich um die Rolle der Frau, das Essen oder um Konflikte mit Andersgläubigen handelt. Ansonsten entgleitet uns nicht nur das Schulsystem, sondern das gesamte gesellschaftliche Leben. 

 

Denn die Schüler von heute sind die Gesellschaft von morgen, so Klar, der klar ausspricht, was sich viele denken. Ein spannendes Buch mit einem dringenden Appell an die Politik, Religions- und Schulprobleme nicht mehr länger hinter vorgehaltener Hand zu diskutieren.

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Kinderschutzkonzept und Risikoanalysen – Die neue Schulordnung 2024

Buben und Mädchen saßen in getrennten Sitzreihen. Die Schulaufseher entschieden über den Übertritt in ein Gymnasium. Der Unterricht begann im Winter um 8 Uhr morgens und dauerte bis 11 Uhr, im Sommer von 7 bis 10 Uhr, nachmittags ganzjährig von 14 bis 16 Uhr. Während der Erntezeit wurde der Unterricht für 3 Wochen ausgesetzt. In den Sommermonaten bestand für 9 bis 13jährige gar keine Schulpflicht, damit sie bei landwirtschaftlichen Arbeiten mithelfen konnten. Einige Auszüge aus der ersten „allgemeinen Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen“ des Jahres 1974 unter Maria Theresia. 2024 wurde vom Wissenschaftsminister per Verordnung eine neue Schulordnung mit Gültigkeit ab 1. September 2024 beschlossen. Und auch diese ist – wie ihr historisches Vorbild – von umstrittenen Bestimmungen nicht gefeit.

 

Kinderschutzkonzept

 

Komplett neu sind die Regelungen über den Kinderschutz. Jede Schule hat im Laufe des aktuellen Schuljahres 2024/25 ein Kinderschutzkonzept zu erstellen. Dieses soll u.a. enthalten Maßnahmen zum Schutz der Schüler vor physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt, eine Risikoanalyse, Verhaltensregeln zur Vermeidung von potentiellen Gefahrensituationen, Gewalt, Mobbing, Diskriminierung oder Ausgrenzung und Regelungen über den Umgang mit möglichen Fällen von Gewalt. Das Kinderschutzkonzept KANN (nicht MUSS – eine Kritik des Netzwerks Kinderrechte) im Schulforum oder Schulgemeinschaftsausschuss (denen Schulleitung, Lehrer, Eltern- und Schülervertreter angehören) behandelt werden.

 

Risikoanalyse

 

Die Risikoanalyse basiert auf der Situation im örtlichen Umfeld der jeweiligen Schule, der Ausstattung des Schulweges, der Zugänglichkeit des Schulgeländes, Gefahren durch die Nutzung digitaler Kommunikation und den Erfahrungen der jeweiligen Schule. 

 

Kinderschutzteam

 

Zusätzlich ist ein Kinderschutzteam aus mindestens zwei von der Schulleitung verschiedenen Personen zu bestellen, die diese Funktion drei Jahre lang (mit einmaliger Möglichkeit der Wiederbestellung) ausüben sollen. Zweifel bestehen seitens des aus 53 Organisationen bestehenden Netzwerks Kinderrechte hinsichtlich der Verfügbarkeit von Ressourcen im bereits jetzt überlasteten Schulsystem und der Bestellungsmodalitäten für das Kinderschutzteam. Kritisiert werden vor allem die Nichtanführung von Qualifikationen für diese wichtigen Funktionen und die rigide Bestellungsdauer. 

 

Aufenthaltsrecht in der Schule

 

§ 2 der neuen Schulordnung regelt in einer ziemlich restriktiven Form, welche Personen berechtigt sind, sich in der Schule aufzuhalten. Darunter fallen naturgemäß Schüler, Lehrer und zusätzliches Personal bzw. Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (wie das Rote Kreuz). Eltern dürfen sich nur dann in der Schule aufhalten, wenn sie ein rechtliches Interesse haben (z.B. bei Sprechstunden oder beim Tag der Offenen Tür). Ein Punkt, den die Elternvertretungsorganisationen heftig kritisieren. Sie fordern, dass die Eltern auch dann ein Aufenthaltsrecht haben sollen, wenn sie ihr Kind abholen oder im Rahmen des Elternvereins tätig sind. 

 

Öffnungszeiten

 

Proteste seitens der Elternverbände der Pflichtschulen und mittleren und höheren Schulen gibt es auch bezüglich der Öffnungszeiten der Schulen. Laut Schulordnung müsse die Schule erst 15 Minuten vor Beginn des Unterrichts geöffnet werden, man lasse die Schüler sozusagen im Regen oder im Schneegestöber stehen. Die Schulleitung hat bezüglich einer Regeländerung die alleinige Entscheidungsgewalt. Dies gilt auch für die Zeit zwischen dem Vormittags- und Nachmittagsunterricht und für die Zeit nach Beendigung des Unterrichts oder einer Schulveranstaltung. Die Elternvereine fordern daher eine Adaptierung der Öffnungszeiten je nach Bedarf und eine verpflichtende Behandlung im Schulforum bzw. im Schulgemeinschaftsausschuss.

 

Alkohol und Tabak

 

Der Konsum von Alkohol ist während des Unterrichtstages und bei Schulveranstaltungen untersagt. Das Rauchverbot auf dem Schulgelände wurde in der neuen Schulordnung auf „gleichzuhaltende Erzeugnisse“ (wie Nikotinbeutel oder tabakfreie Snus) erweitert. Die Formulierung, dass Schüler am Unterricht oder an den Schulveranstaltungen „in einer den jeweiligen Erfordernissen entsprechenden Kleidung“ teilnehmen sollen, lässt viele Interpretationen offen.

 

Erziehungsmittel

 

„Früher war’s für’n Lehrer leichter. Das Rohrstaberl hat regiert. War ein Schüler frech. Dann (au!) er hat niemand mehr sekkiert. Heute hat's der Lehrer schwer. Strafen darf er nimmermehr“ – Stefan Weber, anarchistisches Aushängeschild von Drahdiwaberl und ehemaliger AHS-Lehrer in seinem Song „Plöschberger“. Tja, die einstigen Strafen nennt man heute „Erziehungsmittel“ und inkludieren die Aufforderung, die Zurechtweisung, die Erteilung von Aufträgen zur nachträglichen Erfüllung versäumter Pflichten, ein Gespräch mit dem Schüler oder der Schülerin (eventuell unter Beiziehung der Erziehungsberechtigten) und eine Verwarnung. Das Klassenbuch von einst existiert auch heute noch und dient wie früher zur Protokollierung des Fernbleibens und des verspäteten Eintreffens. Ärztliche Bestätigungen müssen binnen fünf Unterrichtstagen ab Verlangen vorgelegt werden, ansonsten liegt ein „Fernbleiben ohne Rechtfertigung“ vor.

 

Betretungsverbote für schulfremde Personen

 

Sanktionen können auch gegen schulfremde Personen ausgesprochen werden. Vor allem bei Eltern oder nahen Verwandten des Kindes könnten sich hier rechtliche Konflikte ergeben. Laut den Erläuterungen stellt zwar ein kurzfristiges Betreten der Schule keinen Aufenthalt dar. Musterbeispiel: Eine Mutter, die ihrem Kind das Federpennal oder eine Jacke nachbringt. Graubereiche können sich hier leicht ergeben, denn bei fehlender Aufenthaltsberechtigung kann die betreffende Person durch die Schulleitung bzw. durch Ordnungskräfte von der Schule verwiesen werden. Die Schulleitung kann laut § 15/2 der neuen Schulordnung obendrein Personen OHNE Angabe von Gründen das Betreten der Schule für bis zu einem Monat (bzw. im Wiederholungsfall bis zu einem Semester) untersagen. Ob diese Regelung einer Beurteilung durch den VfGH standhält, erscheint mehr als fragwürdig.

„Wider die Verrohung“: Buchpräsentation von Ingrid Brodnig in der Wiener Faktory!

„Wer am lautesten und aggresivsten auftritt, bekommt am meisten Reichweite“: So steht es am Klappentext des neuen Buchs von Ingrid Brodnig, „Wider die Verrohung“, das sie kürzlich in der Faktory-Buchhandlung in Wien präsentierte. 

 

Sic est, und zwar vor allem in den sozialen Medien. Die Wahrscheinlichkeit für „moralische Empörung“ steigt im Internet, das haben Untersuchungen im Vergleich zu TV, Radio und Print-Produkten nachgewiesen. Die Digital-Expertin, Autorin (u.a. „Hass im Netz“, „Lügen im Netz“ und „Übermacht im Netz“) und Standard-Kolumnistin erläutert in ihrem neuesten Werk verschiedenste Strategien gegen Eskalationen in der persönlichen und virtuellen Diskussion, untermauert durch internationale Experimente und Tests renommierter wissenschaftlicher Institute.

 

False Polarization

 

Eines der Standard-Vokabel: „False Polarization“. Laut einer TikTok-Untersuchung in den USA posten 25 Prozent der Erwachsenen 98 (!) Prozent der Videos. Was mit anderen Worten bedeutet: Eine Minderheit publiziert in den sozialen Medien mit Vehemenz ihre Meinungen und Botschaften und sorgt dadurch für eine verzerrte Wahrnehmung der Polarisierung, die so in der Realität gar nicht existiert.

 

Rage Bait

 

Ein weiterer Begriff, der immer wieder auftaucht, ist „Rage Bait“: Wut als aktivierende Emotion, die sowohl die Politiker als auch die Journalisten nützen, um die Reichweite ihrer Äußerungen zu vergrößern. Banale Ereignisse werden – inklusive Faktenverzerrung – dazu verwendet, um Menschen im Internet aufzustacheln. In Österreich wurde behauptet, dass die Stadt Wien Kindergartensymbole an der Garderobe verbieten wolle, in Deutschland, dass die Gesellschaft für Ernährung den Konsum von Fleisch einschränken wolle. In beiden Fällen handelte es sich bloß um Empfehlungen, die von den Medien („Nur noch eine Currywurst pro Monat für jeden!“, so die „Bild“) und den Politikern (Markus Söder) falsch dargestellt wurden. Die Klicks waren den Postern sicher, die Richtigstellung dagegen erreicht den Großteil der User nicht. Ein Problem des fehlenden Korrektivs, das Brodnig sehr bedauert. Ebenso wie die Diskussion über Garderobesymbole statt die wahren Probleme der Kindergärten (Personalmangel, Arbeitsbedingungen, Gruppengrößen,…) in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu hieven.

 

Strategien gegen rassistische Postings

 

Der Schweizer Wissenschaftler Dominik Hangartner untersuchte mit seinem Team, welche Techniken gegen rassistische Tweets am besten funktionieren. Humor und die Erinnerung an Konsequenzen (weil Freunde oder Familienmitglieder es sehen könnten) zogen eine geringe Resonanz nach sich. Wirksamer dagegen war die Betonung von Empathie. Die Verfasser wurden darauf angesprochen, dass ihre Postings die Adressaten (beispielsweise Ausländer oder Flüchtlinge) verletzen könnten. Immerhin 8 Prozent der Personen löschten die Tweets nach diesem Appell. Brodnig erwähnt in diesem Zusammenhang den Begriff des „Kama Muta“ („von Liebe bewegt“ – aus dem indischen Sankrit). Nicht nur Wut oder Zorn, sondern auch liebevolle und gemeinschaftsfördernde Botschaften können die Aufmerksamkeit der Menschen aktivieren. Eine Methodik, die die US-Präsidentschaftskandidatin und Trump-Herausforderin Kamala Harris in ihrem Repertoire hat.

 

Achtsam wütend

 

Wut ist für die Autorin von vornherein nichts Negatives, sie kann auch helfen, Missstände zu beseitigen. Man sollte allerdings – wie sie in ihrem Buch beschreibt – „achtsam wütend“ sein und dabei einige Kriterien beachten. Man sollte, bevor man seine Wut in zornige Postings transformiert, prüfen, ob der betreffende Vorfall überhaupt wahr ist, und dann sollte man sich persönlich die Frage stellen, ob es sich überhaupt lohnt, eine Debatte darüber zu führen und es sich nicht um einen lächerlichen Nebenschauplatz handelt (siehe: Symbolbilder in der Kindergartengarderobe). Die Kommunikationswissenschaftler Whitney Phillips und Diane Grimes empfehlen in diesem Konnex, den eigenen Körper zu scannen und anhand diverser physischer Reaktionen (wie dem Zusammenpressen der Zähne oder der Verspannung) die Intensität der eigenen Emotionen zu eruieren. 

 

Strafrecht

 

Abseits von sanften Strategien und Tricks bleibt manchmal keine andere Möglichkeit als das Strafrecht in Anspruch zu nehmen. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, einschlägige Delikte wie gefährliche Drohung, üble Nachrede, Cybermobbing oder Verhetzung gelten virtuell in gleicher Weise wie im realen öffentlichen Raum. Brodnig hat dazu eine interessante Studie aus der Schweiz parat. Die Soziologin Lea Stahel und der Statistiker Sebastian Weingartner haben 70 Personen kontaktiert, die wegen Online-Kommentare polizeilich angezeigt wurden. 4 davon stimmten einer Befragung zu und gaben zu, dass sie sich seit der Anzeige beim Posten von heiklen Äußerungen zurückhalten. Nicht die inhaltliche Einsicht war allerdings der Grund, sondern die Vermeidung negativer Konsequenzen in der Zukunft.

 

„Man sollte beim Verfassen von Beiträgen immer daran denken, dass hinter dem Adressaten der Postings ein Mensch mit all seinen Gefühlen und Werten steckt“, so die Autorin abschließend bei der Buchpräsentation. Ein weiterer Baustein, um das labile gesellschaftliche Klima zu verbessern.

Strafprozessrecht: Endlich Erhöhung des Verteidigungskosten-Ersatzes bei Freisprüchen

„Vom Regen in die Traufe“ – So konnte man bis dato die Situation beschreiben, wenn Angeklagte bzw. Beschuldigte zwar freigesprochen wurden, aber durch die hohen Verteidigungskosten in finanzielle Probleme gerieten. Der Tierschützer Martin Balluch, der ehemalige Grün-Politiker Christoph Chorherr oder Ex-Vizekanzler Heinz Christian Strache stehen hier nur als Pate für zahlreiche Nicht-Promis, die durch Gerichtsprozesse in den Privatkonkurs schlitterten. Die Rechtslage hat sich nun für Freigesprochene durch eine von allen Parteien unterstützte Novelle der Strafprozessordnung endlich verbessert.

 

Rückwirkend ab 1. Jänner 2024 gewährt der Bund auf Antrag jetzt nicht nur einen Kostenbeitrag zum Hauptverfahren 

(§ 393a), sondern auch zum Ermittlungsverfahren (§ 196a StPO). Außerdem wurden – bei einer Verdreißigfachung (!) des Budgets - die Pauschalbeträge immens erhöht. Der Höchstbetrag bei Schöffen- und Geschworenengerichtsverfahren beträgt nun 30.000 Euro (vorher: 5.000 bzw. 10.000 Euro), bei Einzelrichterverfahren am Landesgericht 13.000 Euro (statt 3000 Euro) und bei Hauptverfahren vor dem Bezirksgericht 5.000 Euro (vorher: 1.000 Euro). Beim bloßen Ermittlungsverfahren beträgt der Höchstbetrag 6.000 Euro.

 

Zusätzlich wurde sowohl bei der Kostenerstattung im Ermittlungs- als auch im Hauptverfahren ein Mehrstufensystem eingeführt. Im Hauptverfahren kann beispielsweise der Kostenbeitrag bei längerer Dauer der Hauptverhandlung (ab ca. 10 Verhandlungstagen) um die Hälfte überschritten werden. Bei einem extremen Umfang des Verfahrens kann der Kostenbeitrag auf das Doppelte erhöht werden. Kriterien sind hier u.a. die Dauer der Hauptverhandlung und der Umfang des Akteninhalts. Zu berücksichtigen sind hier alle Phasen des Strafverfahrens, also vom Ermittlungs-, Haupt- bis zum Rechtsmittelverfahren.

 

In den Erläuterungen wird ausführlich dargelegt, dass laut VfGH kein verfassungsrechtlicher Anspruch des Angeklagten auf Ersatz der Verteidigungskosten bestehe bzw. der Gesetzgeber hier einen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum hat. Ersetzt werden außerdem nicht alle Verteidigungskosten, sondern nur ein durch einen Einzelrichter festgelegter Betrag (der die tatsächlichen Kosten unterschreitet). In bestimmten Fällen ist – wie bisher – ein Ersatzanspruch ausgeschlossen, zum Beispiel dann, wenn der Angeklagte den Verdacht selbst vorsätzlich herbeigeführt hat oder die Tat im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen hat.  

„Dog Days bite back“: Ausstellung von Umweltaktivist Oliver Ressler im Belvedere 21

„Dog Days bite back“: So lautet der scharfzüngige Titel der Ausstellung des Künstlers und Umweltaktivisten Oliver Ressler im Belvedere 21. Der Foto-Teaser zeigt einen aggressiven, zähnefletschenden Hund vor einer brennenden Landschaft. Eine Metapher, die sogar durch ein Zitat gestützt ist. „The Dog days of summer are not just barking, they are biting“, so der UNO-Generalsekretär Antonio Guterres im Vorjahr anlässlich des heißesten Sommers der Messgeschichte.

 

Die Foto-Montage ist eine von 18 Fotografien auf einer Wand, die mit kurzen Botschaften und intensiver Bildtechnik den Ernst der Lage widerspiegeln. „Arctic permafrost ist less permanent than its name suggests“, „More than half of the world´s original forests have already disappeared“, „Every round trip on flights from New York to London costs the Arctic three more square meters of ice“ oder „The last time there was as much carbon dioxide in the atmosphere as there is today humans didn´t exist“ sind bei weltweiten Umwelt-Demos oder als Memes in den sozialen Netzwerken state of Art. Die Anti-Lobautunnel-Motive waren unter der Trademark „Die Wüste lebt“ bereits Gegenstand einer Ausstellung im Museumsquartier. 

 

Der 1970 in Knittelfeld geborene und in Wien lebende Ressler, der neben zahlreichen Einzelausstellungen an über 400 Gruppenausstellungen (u.a. an der Documenta 14 in Kassel, im Reina Sofia Madrid oder im Centre Pompidou Paris) teilnahm, verwendet als künstlerische Ausdrucksformen nicht nur Fotos und Collagen, sondern auch Installationen und die Filmtechnik. Einige seiner bis dato 42 Filme sind auch im Belvedere 21 zu sehen. 

 

„Anubumin“ (= „Nacht“ auf Nauruisch) aus dem Jahre 2017 zeigt – in Zusammenarbeit mit der australischen Filmemacherin Zanny Begg – die Geschichte der pazifischen Insel Nauru, die nach einem Raubbau an den Bodenschätzen zuerst zur Steueroase und dann zum australischen Auffanglager für Flüchtlinge mutierte. 4 Whistleblower, getarnt als Ärzte und Pflegerinnen, berichten in dem Film über die katastrophalen Zustände auf der Insel. Die Vierkanal-Videoinstallation „Occupy, Resist, Produce“ (2014-2018) wiederum wirft einen Blick auf engagierte Arbeitskämpfe in besetzten Fabriken Mailand, Roms, Thessalonikis und Gemenos während der Wirtschaftskrise 2007. 

 

„Climate Feedback Loops“, zuletzt auch beim Donaufestival 2023 in der Kunsthalle Krems zu sehen, zeigt die immer stärker werdende Eisschmelze in der Arktis rund um die Insel Svalbard zwischen der Nordküste Norwegens und dem Nordpol, die zu einem Auftauen der Permafrostböden und zum Entweichen des Treibhausgases Methan in die Atmosphäre führt. Klimarückkopplungseffekte, die nur durch Dekarbonisierung und eine radikale Änderung der Klimapolitik verhindert werden können.

 

Im Video „Carbon and Captivity“ thematisiert Ressler die umstrittene neue Technologie „Carbon Capture and Storage“ (CSS), bei der CO2 im Boden oder im Meeresgrund dauerhaft gelagert werden soll. Eine kostenintensive Methode, die mit Gefahren (beispielsweise durch Erdbeben) verbunden ist und von Ölkonzernen gefördert wird. Mitten im Ausstellungsraum hängt dazu kongenial die „Oil Spill Flag“, die Nationalflagge Norwegens, versehen mit einem schwarzen Ölfleck. Sie zeigt symbolhaft die Ambivalenz der aktuellen Tendenzen der Bekämpfung der Klimakrise: Norwegen gilt zwar als Protagonist der Dekarbonisierung der Wirtschaft, finanziert diese aber laut Ressler durch Erdölförderung.

 

In der Fotoarbeit „The Economy is wounded, let it die“, benannt nach einem Spruch aus den Pariser Studentendemonstrationen, zeigt Ressler zwei überladene Containerschiffe in Seenot. Eine scharfe Kritik Resslers an den Schiffs-Transportexzessen aus dem globalen Süden, die durch die Schwerölverbrennung ökologische Katastrophen auslösen.

 

Die Klimaaktivisten werden in Resslers Ausstellung repräsentiert durch die „New Model Army“, vier verkleideten Schaufensterpuppen mit zündenden Slogans. „Coal Kills“ zeigt in Form eines wandfüllenden Digitaldrucks eine Blockade des zweitgrößten Kohlehafen Europas, Amsterdam, durch die Gruppierung Code Rood. Direkt daneben platziert ist ein bei Demonstrationen oft eingesetzter Tripod, versehen mit Bohrköpfen aus der Erdölindustrie.

 

Oliver Ressler zeigt in seiner Exhibition einen Überblick über seine bisherigen Werke, chronologisch beginnend mit seinem Gemälde „Green House“ aus dem Jahre 1994. Die ökologische Zukunft schimmert allerdings in all seinen Nuancen herein, ob jetzt bei den Fotografien (mit seinen düsteren Fakten und Prophezeiungen) oder bei seiner Werkserie „Reclaming Abundance“, bei der der Aktivist Infrastrukturanlagen (wie den Flughafen Graz, die Skiflugschanze Kulm oder das Gas- und Dampfkraftwerk Mellach) visuell ins CO2-neutrale Zeitalter in das Jahr 2050 versetzt. Dass es bereits fünf Minuten nach 12 ist, wird nach dem Besuch dieser Ausstellung kaum jemand verneinen. Zusätzliche Infos bieten die Website und der YouTube-Kanal von Oliver Ressler. Check it out…

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StVO-Novelle: Einfachere Einführung von Tempo 30 in Städten und Gemeinden!

2022 ereigneten sich rund 65 Prozent aller Verkehrsunfälle mit Toten oder Verletzten im Ortsgebiet. 109 Personen verunglückten dabei tödlich, laut Verkehrsministerin Gewessler „werde im Schnitt alle 20 Minuten ein Mensch, der im Ortsgebiet unterwegs ist, im Verkehr verletzt“.  Als Hauptursachen gelten neben „Unachtsamkeit“ und „Vorrangverletzung“ die „nichtangepasste Geschwindigkeit“. Durch die kürzlich im Parlament beschlossene 35. StVO-Novelle existiert nun ab 1. Juli 2024 eine einfachere gesetzliche Grundlage für Städte und Gemeinden, durch Temporeduzierungen die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern.

 

Gemäß dem neuen § 43/4 a StVO kann „die Behörde in Ortsgebieten in Bereichen mit besonderem Schutzbedürfnis die erlaubte Höchstgeschwindigkeit (von generell 50 km/h) verringern, sofern die Maßnahme zur Erhöhung der Verkehrssicherheit insbesondere von Fußgängern oder Radfahrern geeignet ist.“ Als Bereiche werden – demonstrativ aufgezählt – Schulen, Kindergärten, Freizeiteinrichtungen, Krankenhäuser und Senioreneinrichtungen genannt. Ein „besonderes Schutzbedürfnis“ ist gemäß den Erläuterungen vor allem dann gegeben, wenn diese vorrangig von Kindern, Jugendlichen, alten Menschen oder Menschen mit Behinderungen frequentiert werden. Darunter fallen Spielplätze oder sportliche Einrichtungen für diese Personengruppen, nicht allerdings Vereinslokale für „nichtprivilegierte“ Erwachsene.

 

Liegen die oben genannten Voraussetzungen vor, dann kann die zuständige Behörde eine Temporeduzierung auf 30 km/h vornehmen. Bis dato waren dazu teure Gutachten notwendig, die die Geschwindigkeitsbeschränkungen legitimieren mussten. Zusätzlich hat die Gemeinde aufgrund der StVO-Novelle die Möglichkeit, selbst Radarkontrollen durchzuführen (sofern das Land eine Übertragungsverordnung erlässt). Bedarf nach erweiterten Verkehrskontrollen besteht auf jeden Fall. Laut einer Messung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit im Jahr 2022 fuhren 72 Prozent (!) der freifahrenden PKW in einer Tempo 30-Zone mehr als die erlaubten 30 km/h.

 

Der Verkehrsclub VCÖ (Mobilität mit Zukunft) betrachtet die Tempo 30-Einführung im Ortsgebiet als klare Verbesserung der Lebensqualität und der Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum. Das Risiko tödlicher Verletzungen für Gehende sinke bei Kfz-Unfällen bis zu 75 Prozent. Die Temporeduktion hat auch zur Folge, dass der Radverkehr steigt (zuletzt nachgewiesen in Bilbao und Lille). Außerdem sinkt neben der Luftschadstoffbelastung auch die Lärmbelastung für die Einwohner: Der Dauerschallpegel soll sich um durchschnittlich drei Dezibel reduzieren, was das menschliche Ohr wie eine Halbierung der Verkehrsmenge wahrnimmt.

 

Warum angesichts dieser positiven Auswirkungen weiterhin gesetzliche Voraussetzungen für die Temporeduktion normiert sind, ist eigentlich nicht ganz nachvollziehbar. Der VCÖ fordert in seinem Maßnahmenkatalog dementsprechend, dass Städte und Gemeinden OHNE Einschränkungen und Hindernisse Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit umsetzen können und im Ortszentrum, in Wohngebieten und vor Schulen verpflichtend Tempo 30 eingeführt wird. Die von ÖVP, Grüne und Neos beschlossene StVO-Novelle ist insofern zwar ein Schritt in die richtige Richtung, geht allerdings noch nicht weit genug…

Anzahl der jungen Drogentoten steigt: Experten fordern Ausbau der ambulanten Angebote!

Der aktuelle österreichische Drogenbericht verheißt nichts Gutes. Auch wenn die meisten Indikatoren in Richtung stabile Lage weisen, steigt die Anzahl der drogenbezogenen Todesfälle weiter. Während im Jahr 2018 154 Menschen an einer tödlichen Überdosis starben, wurden im Rahmen einer stetig nach oben zeigenden Kurve 2022 bereits 248 Drogentote verzeichnet. Brisant: Auch der Anteil der jüngeren Verstorbenen (unter 25) ist im Steigen begriffen: Von 18 % im Jahr 2018 auf aktuell 27 %.

 

Diese traurigen Tendenzen vor allem im Zusammenhang mit minderjährigen Drogentoten ziehen die Forderungen von Eltern und politischen Parteien nach sich, die aktuelle Gesetzeslage zu verschärfen. Eltern haben derzeit keine rechtliche Möglichkeit, den drogensüchtigen Sohn oder die substanzenabhängige Tochter ohne deren Zustimmung in eine Drogentherapie zu stecken. Klare Grenzen werden durch das Verfassungsrecht vorgegeben. Laut dem „Bundesverfassungsgesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit“ ist ein Freiheitsentzug allein aufgrund einer Suchterkrankung nicht zulässig. Dementsprechend enthält das 1991 beschlossene (einfache) Unterbringungsgesetz keinerlei derartige Maßnahmen. Eine Zwangsanhaltung Drogensüchtiger (egal welchen Alters) in einer psychiatrischen Anstalt ist nur dann möglich, wenn entweder eine Eigengefährdung (wie bei Suizidgefahr) oder eine Fremdgefährdung vorliegt und eine andere ärztliche Behandlung (außerhalb einer psychiatrischen Abteilung) nicht gewährleistet werden kann.

 

„Zwang und Rechtsbeschränkung sind nicht der geeignete Weg, um einem Süchtigen zu helfen. Erfahrungsgemäß sind Betreuung und Behandlung nur dann erfolgversprechend, wenn der Süchtige FREIWILLIG an der Therapie und der Rehabilation mitwirkt“, so stand es bereits in den Erläuterungen zum Sachwalterrecht im Jahr 1981. „Soweit der Minderjährige entscheidungsfähig ist, darf er nur mit seiner Einwilligung behandelt werden“, so heißt es im Unterbringungsgesetz. Diese Entscheidungsfähigkeit wird im Zweifel bereits bei mündigen Minderjährigen, also bei ab 14jährigen, vermutet. 

 

Drogensüchtige Kinder können also nicht gegen ihren Willen zu einer Entzugstherapie gezwungen werden. Eine juristische Ausgangslage, die viele verzweifelte Eltern frustriert, allerdings mit der Wissenschaft im Einklang steht. Laut Experten sei zwar eine körperliche Entgiftung gegen den Willen der Betroffenen möglich, der Erfolg der restlichen Therapie ist aber von der Motivation und der Freiwilligkeit des Süchtigen abhängig. Ein erneuter Drogenkonsum nach der körperlichen Entgiftung berge zusätzlich die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Überdosierung, da der Körper diese Mengen dann nicht gewöhnt ist.

 

Der Neurologe Stefan Rudasch empfiehlt Eltern bei Therapieverweigerung, Rat bei Fachärzten und Psychiatern einzuholen und eine Selbsthilfegruppe für Angehörige psychisch Erkrankter zu besuchen. Außerdem sollten die Eltern sich über die verschiedenen Drogenarten informieren und mit dem Kind trotz aller Konflikte ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Dann sind die Chancen höher, dass das Kind einer Therapiebehandlung zustimmt. Eine Therapie selbst ist allerdings noch keine Garantie, dass der Entzug erfolgreich ist. Langzeitprogramme in den USA und Deutschland haben gezeigt, dass gerade einmal 20 bis 40 Prozent der Abhängigen clean bleiben.

 

Armut, Arbeitslosigkeit, psychische Erkrankungen aufgrung der unsicheren Weltlage, Isolation, Zukunftsängste,… - Es besteht begründete Gefahr, dass in den nächsten Jahren vermehrt junge Menschen in die Drogenfalle kippen. Der Verein VertretungsNetz, der sich für den Schutz von Grundrechten für Menschen mit psychischer Erkrankung einsetzt, fordert in seinem Maßnahmenkatalog einen Ausbau von ambulanten Angeboten, mobiles Hometreatment, mehr Kassentherapieplätze und Tageskliniken bzw. stationäre Therapieangebote in Spezialkliniken. Desto früher der persönliche Kontakt zu einem Suchtkranken hergestellt werden kann, desto höher die Chancen, dem lebensgefährlichen Drogenabsturz zu entgehen.

Kampf gegen Angstschnitte: Neue Baumhaftung ab 1. Mai 2024!

Der Umweltschutz als Grund für eine Novellierung des Schadenersatzrechts im ABGB, das kommt nicht jeden Tag vor. Der Nationalrat hat in seiner März-Session einstimmig (!) eine Änderung des Haftungsrechts bei Bäumen beschlossen. Herangezogen wurde bei Schäden durch das Umstürzen eines Baumes bis dato die Bauwerkehaftung des § 1319 ABGB, die mit einer Beweislastumkehr des Halters verbunden war. Dies hatte zur Folge, dass viele Baumeigentümer Angst vor einem Schadenseintritt hatten und daher bereits bei geringsten Risiken Bäume im öffentlichen Raum fällten bzw. zerschnitten. Am 1. Mai 2024 tritt nun der § 1319 b ABGB in Kraft, der diese analoge Anwendung beseitigt und Haftungserleichterungen nach sich zieht.

 

Der neue Paragraph wird dann angewendet, wenn „durch das Umstürzen eines Baumes oder durch das Herabfallen von Ästen ein Mensch getötet oder an seinem Körper oder seiner Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt wird“. Andere Schadensfälle (wie z.B. der Sturz eines Arbeiters vom Baum oder der Anprall eines stürzenden Schifahrers gegen einen Baum) werden unter diese Bestimmung nicht subsumiert. 

 

Der Halter des Baumes (also der Eigentümer oder der Pächter des Grundstücks) haftet in den genannten Fällen für den Ersatz des Schadens, wenn er diesen durch Vernachlässigen der erforderlichen Sorgfalt bei der Prüfung und Sicherung des Baumes verursacht hat. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage gelten die allgemeinen Regelungen über die Beweislast, d.h. der Geschädigte muss nachweisen, dass der Baumhalter die erforderliche Sorgfalt vernachlässigt hat.

 

Die entsprechenden Sorgfaltspflichten des Baumhalters werden im Absatz 2 konkretisiert. So sind diese insbesondere vom Standort, der damit verbundenen Gefahr, der Größe, dem Wuchs und dem Zustand des Baumes sowie von der Zumutbarkeit von Prüfungs- und Sicherungsmaßnahmen abhängig. Die Sorgfaltspflichten bei Bäumen neben Kinderspielplätzen oder auf stark frequentierten Verkehrswegen sind naturgemäßer höher als bei Bäumen im Hinterhof oder außerhalb des Siedlungsraumes. 

 

Die ABGB-Novelle gilt nicht für Bäume in Wäldern. Dort gilt weiterhin § 176 Forstgesetz. Seit der Öffnung der Wälder für alle im Jahr 1975 haften Waldeigentümer und sonstige an der Waldbewirtschaftung mitwirkende Personen nur mehr für Forststraßen und öffentliche Wege. Wird ein Schaden auf Wegen durch den Zustand des danebenliegenden Waldes verursacht, so haften die betreffenden Personen nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. 

 

„Durch die Haftungserleichterung können sogenannte Angstschnitte, die oft in den Ballungsräumen vorgekommen seien, der Vergangenheit angehören“, so die Justizministerin Zadic in der Nationalratssitzung. Auch die Erläuterungen zum neuen Paragraphen betonen ausführlich den ökologischen Wert und die Gemeinwohlwirkung von Bäumen, von der Temperaturabsenkung (durch Verdunstung und Beschattung), der Reduzierung des Treibgaseffekts bis hin zu luftverbessernden Wirkungen und dem Schutz des Bodens vor Erosion.

 

Scharfe Kritik erhebt die Obfrau des Verbraucherschutzvereins, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, gegen die einstimmig beschlossene Novellierung der Baumhaftung. Aufgrund der Beweislastumkehr werde es kaum mehr Schadenersatzansprüche geben. Man argumentiere mit dem Schutz von Bäumen, die Spur des Geldes führe aber zur Versicherungswirtschaft, die sich viel Geld aus dem Titel der Haftpflicht erspare. Die Zeit wird weisen, ob sie Recht hat.

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16 Fußballfelder täglich: Stopp dem exzessiven Bodenverbrauch in Österreich!

„Die unendliche Geschichte“, als Buchlektüre und Kinoverfilmung immer ein Vergnügen, in der Politik und im Umweltschutz dagegen Unverständnis, Beklemmung und Wut zugleich. Eines jener Themen, das seit Jahrzehnten von wechselnden Regierungen sträflich vernachlässigt wird, ist der Bodenverbrauch in Österreich. Und das, obwohl bereits in der Nachhaltigkeitsstrategie 2002 (!) von der damaligen Bundesregierung festgelegt wurde, dass bis 2010 (!) maximal 2,5 Hektar pro Tag zu verbrauchen sind. 

 

„Der Weltraum, unendliche Weiten, wir schreiben das Jahr 2024“, und die aktuellen Zahlen sollten eigentlich jeden umweltbewussten Österreicher auf die Straße treiben. So werden derzeit täglich (!) in Österreich 11,5 Hektar Fläche verbaut, das entspricht einer Größe von 16 Fußballfeldern. Der jährliche Zuwachs an Flächenverbrauch betrug 2022 43,7 km2, davon 23,9 versiegelt (und somit komplett wasserundurchlässig). Die Folgen des hohen Bodenverbrauchs sind ebenso bekannt wie wissenschaftlich anerkannt: Die Kühlfunktion des Bodens geht verloren, Überschwemmungen und Trockenheit steigen, zubetonierte Flächen sorgen vor allem in den Städten für neue Hitzerekorde, die Artenvielfalt der Tiere und Pflanzen sinkt, und immer mehr Gebiete werden der Lebensmittelversorgung entzogen. Trotz dieser Negativeffekte dreht sich die gefährliche Spirale weiterhin in die falsche Richtung.

 

Shopping Center

 

Einer der Faktoren für den hohen Bodenverbrauch sind die zahlreichen Shoppingcenter und Gewerbeparks an den Stadträndern, die gleichzeitig dafür verantwortlich sind, dass die Ortskerne sowohl wirtschaftlich als auch sozial aussterben und vor allem die Einwohner kleinerer Ortschaften ohne periodische Öffi-Verbindungen auf das Auto angewiesen sind. Österreich hat die höchste Anzahl an Supermärkten pro 100.000 Einwohner in der EU, die Versorgungsdichte liegt laut Wirtschaftskammer bei 60 Geschäften pro 100.000 Einwohner, in Deutschland beträgt diese vergleichsweise 40, in Italien und Frankreich nur 28.

 

Österreich weist weiters mit rund 14 Metern Straße pro Kopf eines der dichtesten Straßennetze Europas auf. Alle Straßen zusammen ergeben 127.500 Kilometer, das sind mehr als drei Erdumrundungen am Äquator.

 

In den letzten 40 Jahren gingen laut Greenpeace durch Verbauung landwirtschaftliche Flächen in der Größe des Burgenlandes verloren. Und das, obwohl aktuell 40.000 Hektar Gebäudeflächen leerstehen. Dieser Wert entspricht – man kann es kaum fassen - der Gesamtfläche der Bundeshauptstadt Wien.

 

Diese hier genannten Fakten wurden schon in zahlreichen Publikationen veröffentlicht, in Medien, egal ob analog oder digital, verbreitet, im Rahmen von Volksbegehren und Demonstrationen postuliert. Trotzdem reagiert die Politik nicht angemessen, vermutlich ferngesteuert durch Wirtschaftskonzerne (die sich auf der grünen Wiese das große Geld erhoffen), Auto-Lobbyisten und potentielle Einfamilien-Häuslbauer. Das Schielen auf Wählerstimmen alleine kann es nicht sein, denn laut einer Umfrage des Market-Instituts kritisieren 82 Prozent der Österreicher die grassierende Bodenverbauung für Shoppingcenter, Straßen, Industrie und Immobilien. 

 

Petition

 

Die progressiven Kräfte werden daher auch nicht müde, Initiativen gegen die Bodenvernichtung in Österreich zu starten. In einer Petition mit dem Titel „Stoppt die Bodenversiegelung“ fordert Greenpeace eine Reduktion des Bodenverbrauchs auf 2,5 Hektar pro Tag bis spätestens 2030 und einen Verbauungsstop natürlicher Boden ab 2040. Viele weitere Maßnahmen liegen auf der Hand und müssten von den zuständigen Polit-Gremien nur umgesetzt werden. 

 

Maßnahmen

 

Zumindest zur Einführung einer Leerstandsabgabe steht derzeit eine Gesetzesnovelle der türkis-grünen Bundesregierung in Begutachtung, verbunden werden sollte diese mit einer österreichweiten Leerstands-Datenbank und einer gesetzlichen Festlegung, dass Baulandwidmungen nur dann genehmigt werden dürfen, wenn in einer Gemeinde keine angemessenen Innenentwicklungspotentiale (im Sinne von Baulücken, Brachflächen oder Ausbaumöglichkeiten) vorliegen. Die Kommunalsteuer sollte verpflichtend zwischen den umliegenden Gemeinden geteilt bzw. an ökologische Kriterien gekoppelt werden. „Gegenwärtig werden ja bauwütige Gemeinden mit ihren Gewerbeparks über die Kommunal- und Grundsteuer belohnt“, so die Steuerexpertin Margit Schratzenstaller. Gleichzeitig sollten Förderprogramme für kleine Lebensmittelgeschäfte in den Ortszentren gestartet werden, damit die Einwohner weiterhin in ihrem Wohnbereich einkaufen können und das soziale und kommunikative Leben in den Dörfern nicht ausstirbt.

 

Die Lage ist ernst, es ist bereits seit einigen Jahrzehnten fünf Minuten nach 12. Das „Perpetuum Mobile“ der Bodenvernichtung muss endlich gestoppt werden. Eine Win-Win-Alternative für das Klima, den Umweltschutz, die Lebensmittelversorgung, die Tier- und Pflanzenwelt, den grünen Tourismus und das gesellschaftliche Leben in den liebenswürdigen und noch lebenswerten Gemeinden und Dörfern Österreichs.

Baustelle Elementarpädagogik: Zeit für eine offensive Kindergarten-Reform!

"Das Leben anzuregen - und es dann frei entwickeln zu lassen - hierin liegt die erste Aufgabe des Erziehers“, ein Zitat der italienischen Reformpädagogin Maria Montessori. Eine wesentliche Rolle spielt in der frühen Kindheit – neben den Eltern – die Elementarpädagogik. Warum in Österreich gerade diese wichtige Institution sowohl finanziell als auch gesellschaftlich zu wenig gewürdigt wird, ist einfach nur unverständlich. Seit Jahrzehnten versuchen zahlreiche Initiativen, eine Verbesserung der Situation zu erreichen. Von der Politik wurde zuletzt eine „Kindergartenmilliarde“, erstreckt auf mehrere Jahre, beschlossen. Nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein.

 

Caritas, NeBÖ (Netzwerk elementare Bildung Österreich), Educare, Diakonie Österreich, die Kinderfreunde Wien und einige weitere Vereine und Organisationen präsentierten im Jänner eine Petition mit zehn zentralen Forderungen, die zugleich die Mängel im Kindergartenwesen gnadenlos aufdecken. Vergleicht man beispielsweise die europäischen Budgets für die Elementarpädagogik, dann fällt auf, dass Österreich mit seinen 0,7 Prozent des BIP weitabgeschlagen ist. Federführend sind vor allem die skandinavischen Länder, die rund 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die frühkindliche Bildung ausgeben. Im Vorzeigeland Dänemark hat jedes Kind ab dem Alter von 26 Wochen sogar einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung bis zum Schulalter.

 

Barcelona-Ziel

 

Österreich dagegen hinkt dem sogenannten „EU-Barcelona-Ziel“ aus dem Jahr 2002 (!) hinten nach. Dort wurde vereinbart, dass bis 2010 ein Drittel der Kleinkinder (unter 3) Kinderbetreuungseinrichtungen besuchen sollten. In Österreich beträgt dieser Wert im Jahr 2023 (!) 29,9 Prozent. Für 2030 wurde ein neuer Zielwert von 31,9 Prozent festgelegt. Die höchsten Werte erreicht hier Wien (42 %) vor dem Burgenland und Vorarlberg. Bei den älteren Kindern beträgt die Quote 

94,7 Prozent. Verpflichtend ist zwar das letzte Kindergartenjahr, aber es existiert kein Recht der Eltern auf freie Auswahl des Kindergartens (was die Initiatoren der Petition gleich im Punkt 1 kritisieren). 

 

Zuständigkeit

 

In Österreich ist die Zuständigkeit für die Elementarpädagogik zersplittert. Das Kindergartenwesen ist Landessache, was bedeutet, dass in jedem Bundesland unterschiedliche Regelungen bezüglich Ausbildung, Kosten, Betreuungsschlüssel, Gehalt,… gelten. Die Proponenten der Petition fordern daher, dass die Elementarpädagogik Bundessache wird und in die Kompetenz des Bildungsministeriums fällt. Ziel ist ein einheitliches Bundesrahmengesetz mit Mindeststandards in elementaren Bildungseinrichtungen und Horten und die Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung.

 

Gratiskindergarten

 

Die Kindergärten, Kindergruppen und Horte müssen für alle Kinder in Österreich kostenlos und ganztags angeboten werden. Das ist derzeit überhaupt nicht der Fall. Während in Wien, Burgenland und – seit Herbst 2023 – in Kärnten ein ganztägiger Gratis-Kindergarten (mit Ausnahme der Verpflegung) offeriert wird, besteht in den anderen Bundesländern Kostenpflicht mit unterschiedlich hohen Beträgen. In Niederösterreich wurde erst 2022 die Gebührenpflicht für den Vormittag aufgehoben, die Nachmittagsbetreuung ist  – ebenso wie in Oberösterreich -  weiterhin zu bezahlen. In der Steiermark sind sowohl Vormittag als auch Nachmittag kostenpflichtig, es bestehen allerdings einkommensabhängige Befreiungen und Staffelungen.

 

Öffnungszeiten

 

Ähnlich uneinheitlich sind die Öffnungszeiten. Laut aktuellen Zahlen besuchen nur rund 50 Prozent der Kinder über 3 Jahren und 60 Prozent der Kleinkinder sogenannte „VIF-konforme Einrichtungen“, die eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf garantieren. Darunter versteht man Kindergärten, die wöchentlich mindestens 45 Stunden, täglich 9,5 Stunden und jährlich 47 Wochen geöffnet sind. Vor allem im ländlichen Bereich werden diese Werte kaum erreicht und machen – ohne familiäre oder externe Hilfe – eine Vollzeitberufstätigkeit beider Elternteile schwer möglich.

 

Betreuungsschlüssel

 

Die Kinderbetreuung sollte auf wissenschaftlichen Standards beruhen. Laut Experten sollte der Betreuungsschlüssel zwischen 1:3 (bei Kindern unter 3) und 1:7 (bei Kindern über 3) liegen. In Österreich sind diese Werte derzeit unerreichbar, es existieren teilweise Gruppen bis zu 25 Kindern. Das sind Größenverhältnisse, die es den Elementarpädagoginnen schwierig machen, sich den individuellen Bedürfnissen der Kinder zu widmen und ihre theoretisch erworbenen Kenntnisse praktisch umzusetzen. Eine Studie der Universität Klagenfurt geht davon aus, dass mit verbesserter Strukturqualität bis zum Jahr 2030 rund 20.200 qualifizierte Fachkräfte fehlen.

 

Verbesserung der Arbeitsbedingungen

 

Gefordert werden neben einem bundesweiten, fairen Gehaltsschema für alle Berufsgruppen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Organisation. So steigen laut Susanna Haas, einem Vorstandsmitglied von EduCare, „Elementarpädagogen oftmals aus, weil die Arbeitsbedingungen nicht passen und das Berufsfeld nicht dem entspricht, was sie in der Ausbildung vermittelt bekommen haben“. Mindestens 25 Prozent der Arbeitszeit sollen daher einer Vorbereitungszeit dienen, die u.a. für die Planung in der Gruppe, Elterngespräche, Standortentwicklung und interne Evaluierungen genützt werden soll. Wie in Schulen sollen Führungskräfte in Kindergärten und Horten für ihre Arbeit freigestellt werden. Zusätzlich ist Unterstützungspersonal für die Verwaltung, hauswirtschaftliche und handwerkliche Arbeit vonnöten.

 

Ausbildungsoffensive

 

Österreich ist nur eines von zwei europäischen Ländern, in denen die Ausbildung von Kindergartenpädagogen nicht an Hochschulen und Universitäten stattfindet, sondern auf der Sekundarstufe. Bei den aktuellen Ausbildungsangeboten zeigt sich ein deutliches Ost-West-Süd-Gefälle. Während in Wien den Berufsaspiranten zahlreiche Ausbildungsmöglichkeiten offenstehen (von der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik bis hin zu Kollegs für Erwachsene und Fachhochschulen), gibt es in den restlichen Bundesländern viel weniger Offerte. Folge daraus ist auch eine Abwerbung der Fachkräfte aus der Bundeshauptstadt.

 

Die Proponenten der Petition fordern weiters ein Anhörungsrecht von Fachleuten vor der Beschlussfassung einschlägiger Gesetze und Verordnungen bzw. ein unabhängiges Institut zur Entwicklung und Evaluierung von Qualitätsstandards für Kindergärten und Horte.

 

Die Petition kann noch bis Mitte März unterstützt werden. Eine wichtige Akzentsetzung für die nächste Bundesregierung, die diese wissenschaftlich anerkannten, notwendigen Forderungen in die Tat umsetzen sollte. Denn elemantare Bildung ist tatsächlich viel MEHR wert…

 

https://www.openpetition.eu/at/petition/online/elementare-bildung-ist-mehr-wert-kindergartenbraucht

Neue politische Parteien: Zumindest die Gründung ist ein Kinderspiel!

Laut einer Linzer Market-Umfrage fordern 41 Prozent, dass es eine grundlegende Änderung des politischen Systems geben sollte. Bei Kanzlerumfragen unter den Spitzenkandidaten der politischen Parteien belegt seit Monaten „NIEMAND“ unangefochten Platz 1. Laut dem aktuellen Demokratie-Monitor fühlen sich 56 Prozent der jungen Menschen zwischen 16 und 26 im Parlament nicht repräsentiert. Nicht die einzigen Alarmzeichen in der politischen Landschaft Österreichs. Was sind die Alternativen? Den Kopf in den Sand stecken und den Anteil der Nichtwähler radikal erhöhen (und damit auf sein Wahlrecht verzichten), jener Partei das Votum geben, die mit lautstarken Protesten gegen das Establishment und einfachen, niemals realisierbaren „Lösungen“ einen Wutbürger-Tsunami entfachen will (auf keinen Fall) oder vielleicht sich selbst einer neuen politischen Bewegung anschließen, die - unabhängig von einem trägen Funktionärsapparat und selbstgefälligen Lobbyisten - innovative Visionen und Werte vertritt? Zumindest der erste Schritt ins kalte Wasser, die Gründung einer politischen Partei, ist einfacher als man landläufig denkt.

 

Die einschlägigen Vorschriften dazu finden sich im zuletzt wieder novellierten Parteiengesetz 2012. „Die Existenz und die Vielfalt politischer Parteien sind wesentliche Bestandteile der demokratischen Ordnung der Republik Österreich“, so die Verfassungsbestimmung im § 1. Insofern ist die Gründung einer politischen Partei frei, „sofern bundesverfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt ist“. Darunter fällt zum Beispiel das Verbot der Gründung nationalsozialistischer Organisationen. 

 

Für die Gründung einer politischen Partei ist gemäß § 1/4 eine Satzung zu beschließen und beim Innenministerium zu hinterlegen. Mit der Hinterlegung der Satzung erlangt die Partei die Rechtspersönlichkeit. Die Mindestinhalte für die Satzung: Angaben über die Organe der Partei und deren Vertretungsbefugnis, die Rechte und Pflichten der Mitglieder, die Gliederung der Partei und ein Verfahren zur freiwilligen Auflösung der Partei. 

 

Als Organe der Partei sind obligatorisch vorgesehen: ein Leitungsorgan (das seit 2024 nach demokratischen Grundsätzen legitimiert sein muss), eine Mitgliederversammlung (oder eine repräsentative Delegiertenversammlung) und ein Aufsichtsorgan. Welche politischen Inhalte die Partei vertreten will, muss in den Satzungen nicht genannt werden. Im Gegensatz zu Deutschland, wo die politischen Parteien zusätzlich ein schriftliches Programm vorlegen müssen.

 

Neu eingeführt wurde ein Parteienregister, das die Namen der Parteien, die vertretungsbefugten Personen und die jeweils aktuelle Fassung der Satzung zu enthalten hat. Mit Stand Jänner 2024 gibt es laut Parlaments-Website 1312 registrierte politische Parteien in Österreich. Darunter befinden sich nicht nur die im Nationalrat oder den Landtagen aktuell vertrenenen Parteien (wie SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne oder Neos), sondern auch ehemalige Wahlparteien (wie das BZÖ, das Team Strache oder Links) und regionale Wahlparteien (wie das Team Kärnten oder die Liste Dinkhauser). Prominent vertreten ist auch die Bierpartei von Dominik Wlazny, der nach dem zweimaligen Antritt in Wien (bei der Nationalratswahl 2019 und der Gemeinderatswahl 2020) nun bundespolitische Ambitionen hegt. Rund 90 Prozent der politischen Parteien treten kaum in Erscheinung und tragen teils skurrile Namensbezeichnungen. Siehe die Partei für sexuelle Ausschweifungen (P.S.A.), das Hausfrauenkartell oder die Autonom revolutionär subversiv chaotische Hacklerpartei (A.R.S.C.H.-Partei).

 

Um bei einer politischen Wahl anzutreten, muss man allerdings nicht den Status einer politischen Partei nachweisen. Hier reicht es aus, als sogenannte „wahlwerbende Partei“ zu kandidieren. Bestes Beispiel im Jahr 2013: Die Neos, die bei ihrem erstmaligen Antritt als Wahlplattform (gemeinsam mit dem Liberalen Forum und den Julis) angetreten sind. Bei einer Nationalratswahl sind dementsprechend für jedes Bundesland Landeswahlvorschläge zwischen dem Stichtag und dem 58. Tag vor dem Wahltag einzubringen, wobei sich die Kandidatur auch auf einzelne Bundesländer beschränken kann. Voraussetzung für eine Kandidatur sind eine bestimmte Anzahl von Unterstützungserklärungen pro Bundesland, bundesweit insgesamt 2600. Oder wahlweise die Unterstützung von drei Mitgliedern des Nationalrates (was bei neuen Bürgerbewegungen eher nicht anzunehmen ist). Bei einem bundesweiten Antritt ist zusätzlich ein Bundeswahlvorschlag zu erstellen, der zur Teilnahme am 3. Ermittlungsverfahren berechtigt.

 

Wer tatsächlich in den Nationalrat einziehen will, muss seit einer NRWO-Novelle des Jahres 1992 eine Sperrklausel von 4 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen überwinden. Alternative: Ein Grundmandat in einem Regionalwahlkreis, das allerdings bisher noch nie erreicht wurde. Eine schwierige Angelegenheit vor allem für neue politische Bewegungen. 

 

Die 4-Prozent-Hürde gilt als rechtlich umstritten, sie verletzt eigentlich das Prinzip der Gleichheit jeder Wahlstimme. Und der eigentliche Zweck ihrer Regelung, eine Verhinderung der Zersplitterung des Parlaments in viele Kleinparteien, ist nicht ganz nachvollziehbar. Denn eigentlich kann eine Meinungsvielfalt im höchsten Plenum des Staates nur positiv sein. Derzeit bestimmen zumeist die Klubobmänner und Klubobfrauen der „arrivierten“ Parteien, wann die Mandatare ihrer Fraktionen die Hände zu heben haben bzw. wann nicht. Klubzwang in Reinkultur. Wer sein an sich „freies Mandat“ entgegen der Parteilinie ausübt, kann sich nur eines sicher sein. Dass er bei der nächsten Nationalratswahl nicht mehr auf dem Wahlvorschlag aufscheint…

Jugend-Demokratie-Monitor: 56 Prozent fühlen sich im Parlament nicht repräsentiert!

Die Young Generation hat sich nicht gerade den günstigsten Zeitpunkt ausgesucht, um unbeschwert, lebenslustig und zielbewusst erwachsen zu werden. Krisen en masse von den Nachwehen der Corona-Pandemie bis hin zu Krieg mitten in Europa und zu einer Rekordinflation, die viele Familien in finanzielle Nöte stürzt. Die aktuelle politische Klasse dient weder als intellektueller noch als moralischer Rückhalt. Freunderlwirtschaft, Korruption, Abgehobenheit und Inkompetenz sowohl hinsichtlich der Bewältigung der Krisen als auch der Auswahl relevanter Themen dominieren die politische Szene. Und das ist keineswegs Schwarzmalerei, wenn man die aktuelle SORA-Umfrage „Junge Menschen & Demokratie in Österreich 2023“ betrachtet. Die Ergebnisse sind in ihrer Brisanz und Eindeutigkeit eine Abrechnung mit der gegenwärtigen politischen Kultur.

 

Politische Selbstwirksamkeit

 

Befragt wurden 343 junge Menschen zwischen 16 und 26 Jahren mit Wohnsitz in Österreich, und zwar im Zeitraum vom 30. August bis zum 12. Oktober 2023, einerseits per Telefon-, andererseits per Online-Interview. Die zunehmenden finanziellen Probleme und der damit eingehende Zukunftspessismus zeigen sich auch in der Umfrage. So gehen 33 Prozent davon aus, dass sich in den nächsten 12 Monaten die Lebensumstände verschlechtern werden, bei prekär lebenden Jugendlichen sind es sogar 49 Prozent. In direktem Konnex damit steht das Interesse an der Politik. Bereits die letzten Wahlen haben gezeigt, das immer mehr ökonomisch schwächere Bürger in das Nichtwähler-Lager abgleiten. Die aktuelle SORA-Umfrage verstärkt diesen Trend: Nur mehr 44 Prozent der Jugendlichen glauben 2023, dass sie etwas bewirken können, wenn sie sich politisch beteiligen. 2021 betrug dieser Wert noch 53 Prozent. Bei Jugendlichen mit geringem Haushaltseinkommen sind es nur mehr 36 Prozent.

 

Repräsentation im Parlament

 

Das Parlament, das diese Umfrage in Auftrag gegeben hat, wird ebenfalls mit wenig berauschenden Werten konfrontiert. So fühlen sich 56 Prozent der jungen Menschen im Parlament wenig oder gar nicht repräsentiert, bei Jugendlichen mit finanziellen Sorgen sind dies sogar 67 %. Vor der Corona-Pandemie waren die Werte deutlich besser (2019: 27 Prozent), seitdem hat keine Erholung mehr stattgefunden. 

 

Vertrauens-Index

 

Beim Vertrauens-Index führen unter den jungen Menschen die Polizei (66 %), das Justizsystem (58 %) und die Behörden (50 Prozent). Auch hier schneiden die politisch besetzten Gremien schlecht ab. Dem Parlament vertrauen nur 41 Prozent der Befragten (2020: 55 %), der Bundesregierung gar nur 39 Prozent (2020: 51 %). Ein Viertel der jungen Menschen (24 %) fühlt sich durch gar keine politische Partei vertreten. 

 

Soziale Medien Informationsquelle Nr. 1

 

Erhoben wurde in der SORA-Analyse auch, wie sich die jungen Menschen über Politik informieren. Hier sind die sozialen Medien bereits die am häufigsten genutzte Informationsquelle. 58 % informieren sich zumindest einmal pro Woche in den Social Media, ein Anstieg von 24 Prozent gegenüber 2018 (34 %). Facebook, vor einigen Jahren noch klare Nr. 1, liegt 2023 nur mehr abgeschlagen auf Platz 4. Das am häufigsten genutzte Medium bei den Jugendlichen ist die Foto- und Videoplattform Instagram (64 %), dahinter Tik Tok (32 %) und die Messengerdienste (inkl. WhatsApp) mit 26 Prozent.

 

Bei den klassischen Medien liegen die Zeitungen, egal ob print oder online, mit 50 % voran. 42 Prozent der jungen Menschen informieren sich per YouTube über politische Themen, 40 % über das Radio und 38 % über das Fernsehen. Die traditionellen Medien werden prozentuell häufiger von Menschen mit mehr finanziellen Ressourcen und höherer formaler Bildung konsumiert. 

 

Politische und zivilgesellschaftliche Partizipation

 

Die politische Partizipation der jungen Menschen wird großteils in Form von Wahlen vorgenommen. Immerhin 70 Prozent haben in den vergangenen fünf Jahren ihre Stimme bei einer Wahl abgegeben. Desto geringer das Einkommen und die Bildung, desto geringer die Wahlbeteiligung. Eine Analyse, die sich mit der Gesamtbevölkerung deckt und den negativen Effekt hat, dass gerade die Sorgen und Nöte des unteren Einkommensdrittels von den Parteien strategisch ignoriert werden.

 

61 Prozent haben sich in der Schule, in der Arbeit und in der Nachbarschaft für ein Thema eingesetzt, 35 Prozent bei Vereinen und Bürgerinitiativen mitgearbeitet. In konstantem Rahmen bewegt sich die Teilnahme an Demonstrationen (2023: 30 %). Nur 13 Prozent haben bei einer politischen Partei oder einer Interessenvertretung mitgearbeitet. 

 

Politische Bildung und Medienkompetenz

 

Schlecht bewertet wurde von den jungen Menschen die schulische politische Bildung. So berichten 59 Prozent der Befragten, dass sie in der Schule nicht gelernt haben, wie man politische Debatten führt. 52 (!) Prozent wurden zu wenig über ihre Rechte als Bürger aufgeklärt. Fast die Hälfte wurde nicht ausreichend über die Möglichkeit, sich am politischen Geschehen zu beteiligen, informiert. Nur 51 Prozent wissen nach der Schule, wie Politik in Österreich funktioniert. Auch die Medienkompetenz wird in den Schulen zu wenig vermittelt: 52 Prozent fühlen sich zu wenig informiert, wie die Qualität von politischen Informationen in den Medien beurteilt werden kann. Und das in Zeiten von Fake News, Informationsüberflutung durch soziale Medien und politischer Propaganda.  

 

Zukunft

 

Es ist zu befürchten, dass sich die Werte in den nächsten Jahren noch verschlechtern werden. Und daran sind nur bedingt die jungen Menschen selbst schuld. Die schlechtesten Vorbilder für Demokratie und politische Partizipation sind die Politiker selbst. In den politischen Führungsetagen sitzen großteils Parteibuch-Funktionäre, die ohne besondere Kompetenz und Ausbildung in ihre im Vergleich zur Bevölkerung hochbezahlten Ämter gehievt wurden. Es zählen Lobbyismus und Parteidisziplin statt Visionen und Wertvorstellungen. Die aktuellen Strafverfahren und Untersuchungsausschüsse sind die besten Beispiele für den moralischen Verfall der politischen Szene. 

 

Wichtige Themen wie Klimaschutz, Bildung, Vermögensumverteilung, leistbares Wohnen, faire Bezahlung für systemerhaltende Berufe oder Kindergrundsicherung werden aus parteitaktischen Gründen jahrzehntelang vertagt, verzögert und verhindert. Direktdemokratische Instrumente wie Volksbefragungen werden kaum genutzt bzw. landen als erfolgreiche Volksbegehren nach einer Behandlung im Nationalrat in der historischen Parlamentskorrespondenz. 

 

Wen wundert es da noch, dass sich immer mehr junge Menschen von der Politik nicht mehr vertreten fühlen?

Gewalt ist niemals eine Lösung: Gewaltschutz in Österreich

„Ich hoffe, dass derartige Bilder im öffentlichen Raum zu groß sind, um übersehen zu werden und die Menschen dazu bringen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen“, Gottfried Helnwein bei der Eröffnung der temporären Ausstellung „Gegen Gewalt“ im Wiener Ringturm. Der renommierte Künstler verwies dabei auf seine beiden Kunstwerke „My Sister“, die das Gesicht eines blutverschmierten Mädchen zeigen und die in einer 3000 m2-Version auf zwei Gebäudeseiten des Ringturms platziert wurden.

 

Die erschreckenden Fakten liefert die Ausstellung gleich beim Eingang. So hat jede dritte Frau in Österreich zwischen 18 und 74 ab dem Alter von 15 Jahren körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt. In Partnerschaften wurden 16,4 % (rund 514.000 Frauen) Opfer von körperlicher und/oder sexueller Gewalt, 36,92 % wurden mit psychischer Gewalt konfrontiert. Außerhalb von Partnerschaften haben 863.000 Frauen und Mädchen (26,61 %) Gewalt erfahren, jede fünfte Frau wurde gestalkt. 

 

Die Zahl der Femizide ist 2023 bereits auf 25 (Stand: 10. November) angestiegen. Laut einer Studie des Instituts für Konfliktforschung, die die Frauenmorde zwischen 2016 und 2020 untersuchte, waren in 74 Prozent die Partner bzw. Ex-Partner die Täter. Bei 30 Prozent der Fälle war bereits eine Gewaltvorgeschichte aktenkundig, rund ein Viertel der Opfer hat den gewalttätigen Partner bereits angezeigt. Es besteht akuter Handlungsbedarf, und das obwohl das Gewaltschutzrecht erst 2019 novelliert wurde und eigentlich breite Akzeptanz findet.

 

Betretungs- und Annäherungsverbot

 

Das österreichische Gewaltschutzrecht besteht aus Einzelbestimmungen verschiedenster Rechtsvorschriften. Das polizeiliche Vorgehen gegen Gewalt in der Familie und gegen gefährliche Angriffe wird im Sicherheitspolizeigesetz geregelt. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes können gemäß § 38 a SPG ein Betretungs- und Annäherungsverbot aussprechen. Dem Gefährder ist es dann untersagt, die Wohnung samt einem Umkreis von hundert Metern zu betreten. Weiters darf er sich dem Gefährdeten im Umkreis von 100 Metern nicht annähern. Eine genaue Festlegung des Schutzbereiches ist dadurch nicht notwendig, da sich dieser mit der gefährdeten Person bewegt. Seit 1. Jänner 2022 wird zusätzlich ein vorläufiges Waffenverbot ausgesprochen. Die Polizei überprüft mindestens einmal innerhalb der ersten drei Tage die Einhaltung des Verbots und hat die Gewaltschutzzentren zu informieren, die seit 1997 in jedem Bundesland eingerichtet wurden. 

 

Das Betretungs- und Annäherungsverbot endet grundsätzlich zwei Wochen, bei Einbringung von einstweiligen Verfügungen gemäß §§ 382 b-d Exekutionsordnung spätestens vier Wochen nach der Anordnung. Werden diese einstweiligen Verfügungen allerdings vom Bezirksgericht bewilligt, dann können die Maßnahmen bei Gewalt in der Wohnung bis zur Dauer von 6 Monaten (in den anderen Fallkonstellationen bis 1 Jahr) bzw. zur rechtskräftigen Beendigung eines damit verbundenen Verfahrens (wie einer Scheidung) verlängert werden. Die einstweiligen Verfügungen können auch ohne vorheriges Einschreiten der Polizei beantragt werden. Bei Minderjährigen können diese Anträge bei Gefährdung des Kindeswohls auch von der Kinder- und Jugendhilfe gestellt werden. 

 

Einstweilige Verfügungen

 

§ 382 b EO regelt den Schutz vor Gewalt in Wohnungen und umfasst den Auftrag, die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung zu verlassen und ein Verbot der Rückkehr. § 382 e gewährleistet einen allgemeinen Schutz vor Gewalt. Das Gericht kann dabei auf Antrag dem Gefährder verbieten, sich an bestimmten Orten aufzuhalten, sich dem Antragsteller oder bestimmten Orten zu nähern bzw. Kontakt mit dem Antragsteller aufzunehmen. Die sogenannte „Stalking-EV“ gemäß § 382 d EO schützt Personen vor Eingriffen in die Privatsphäre, u.a. durch das Verbot der Verfolgung der gefährdeten Partei, das Verbot jeglicher Kontaktaufnahme (inkl. SMS, Anrufe, E-Mails) oder das Verbot, Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches weiterzuverbreiten. 

 

Gewaltpräventionsberatung

 

Neu eingeführt wurden durch das Gewaltschutzgesetz 2019 nicht nur Fallkonferenzen bei Hochrisikofällen, sondern auch die verpflichtende Gewaltpräventionsberatung. Der Gefährder hat binnen fünf Tagen ab Anordnung des Betretungs- und Annäherungsverbotes eine Beratungsstelle für Gewaltprävention zu kontaktieren. Binnen weiterer 14 Tage ab Kontaktaufnahme hat eine Beratung stattzufinden, die derzeit mit einer Dauer von 6 Stunden festgelegt ist. Wird diese Verpflichtung nicht eingehalten, droht – ebenso wie bei Verstößen gegen das Betretungs- und Annäherungsverbot – eine Geldstrafe bis zu 2500 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 5000 Euro.

 

Unabhängig von diesen Maßnahmen können Gewaltopfer die Täter natürlich auch polizeilich (oder direkt bei der Staatsanwaltschaft) anzeigen. Gewaltopfer haben außerdem gemäß der Strafprozesordnung Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung. Die Frauenhelpline gegen Gewalt (0800 222 555) ist rund um die Uhr kostemlos erreichbar.

 

Mangelnde Strafverfolgung

 

Im Jahr 2022 wurden 14.643 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen, rund 88 Prozent betrafen Männer. Der Anstieg gegenüber 2021 (13690) wird nicht mit einer Gewaltzunahme, sondern mit einer höheren Sensibilisierung der Bürger erklärt. Um die Gewaltspirale in unserer Gesellschaft einzudämmen, muss allerdings an noch zahlreichen anderen Rädern gedreht werden. Experten fordern beispielsweise mehr Annäherungsverbote bei Stalking und Cyber-Stalking und mehr Kontaktverbote bei Anrufen und Textnachrichten. Kontaktverbote sollten strenger kontrolliert werden, bei Verstößen Festnahmen angeordnet werden. Die Beratungsstellen wünschen sich eine rechtliche Möglichkeit, proaktiv Kontakt mit Gefährdern aufnehmen zu können. 

 

Die GREVIO (eine ExpertInnengruppe des Europarats für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt) lobt zwar das österreichische Gewaltschutz-System, kritisiert aber die mangelnde Strafverfolgung der Gewalttäter. Viele Fälle werden durch Diversion (anstatt einer strafrechtlichen Verurteilung) beendet, außerdem gäbe es Probleme bei polizeilichen Ermittlungen und der Beweiserhebung im Ermittlungsverfahren.

 

Informationskampagnen

 

Die Neos forderten zuletzt in einem parlamentarischen Entschließungsantrag eine strukturelle Erhebung aller bestehenden Gewaltschutzeinrichtungen von Bund, Länder und Gemeinden. Und das nicht unbegründet, verliert man doch aufgrund der zahlreichen singulären Interventionsstellen, Opferschutzeinrichtungen und Beratungsstellen leicht den Überblick über das Gesamtkonzept. Zumindest eine Informationskampagne für Frauen und Mädchen wurde einstimmig im Parlament beschlossen. Verbessert werden muss auch die juristische Information für alle Beteiligten. So waren zuletzt Streitigkeiten über die Obsorge und das Besuchsrecht Grund für gewaltsame Auseinandersetzungen, die bei rechtzeitiger Aufklärung der Rechtslage vielleicht verhindert hätten werden können.

 

Mehr Geld für Frauenberatungsstellen

 

Das Frauenbudget wurde für das Jahr 2024 um 9,3 Millionen Euro auf 33,6 Millionen Euro aufgestockt. Davon fließen 13,6 Millionen Euro in die Frauen- und Mädchenberatungsstellen. „Wir wollen einen 100-prozentigen Flächendeckungsgrad. Künftig soll es daher in jedem Bezirk entsprechende Einrichtungen geben“, so die Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP). Außerdem sollen gerichtsmedizinische Gewaltambulanzen eingerichtet werden, die mittels professioneller Spurensicherung die Verurteilungsrate erhöhen sollen. 

 

StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt

 

„StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt“ nennt sich ein in Hamburg entwickeltes Konzept, das auf Nachbarschaftsebene versucht, Gewalt in den Familien zu verhindern. Dazu zählen nicht nur regelmäßige Frauen- und Männertische und Informationskampagnen zur Sensibilisierung gegen Gewalt und patriarchale Strukturen, sondern auch das Mittel der „paradoxen Intervention“. Ergeben sich Hinweise auf einen Gewaltausbruch in einer Wohnung, sollen die Nachbarn unmittelbar eingreifen, indem sie an der Tür anläuten und durch eine harmlose Frage wie „Können Sie mir etwas Milch“ borgen“ zur Deeskalierung der Lage beitragen. In Österreich wird dieses Konzept derzeit in Wien-Margareten praktiziert.

 

Fazit

 

Es gibt also verschiedenste Anknüpfungspunkte und Handlungsebenen, um Gewalt in unserer Gesellschaft zu bekämpfen. Dass die Gewaltspirale radikal reduziert werden muss, steht außer Frage, wenn man sich die aktuellen Zahlen, innerhalb und außerhalb von Partnerschaften, betrachtet. Diese Zahlen sollten auch der Gradmesser für die Erfolgswirksamkeit der alternativen Konzepte sein, denn einzelne Femizide (die oftmals auch unerwartete Kurzschlussreaktionen darstellen) wird man schwer verhindern können.

Gleichbehandlungsrecht: Kein Ende der Diskriminierung für Homosexuelle in Österreich!

Homosexuelle haben es nicht leicht in unserer Gesellschaft. Die Mieten vor allem in den urbanen Ballungsräumen steigen und steigen, und dann kann es noch vorkommen, dass zwei Männer oder zwei Frauen gemeinsam eine Wohnung beziehen wollen und dann vom Vermieter aufgrund ihrer sexuellen Orientierung abgelehnt werden. Eine Taxifahrt verweigert, oder das Küssen in der Therme von einem Bademeister untersagt wird. Alles Fälle, mit denen die Gleichbehandlungsanwaltschaft in den letzten Jahren konfrontiert wurde. Der juristische Missstand, besser gesagt politische Skandal, liegt darin, dass die aufgrund ihrer Homosexualität diskriminierten Personen dagegen rechtlich nichts unternehmen können.

 

In Österreich sind Homosexuelle gemäß dem aktuellen Gleichbehandlungsgesetz nur in der Arbeitswelt geschützt. Dies betrifft die Arbeitsverhältnisse an sich (Bewerbung, Einstellung, Bezahlung, Beförderung, Arbeitsbedingungen, Beendigung,…), Praktika, Jobberatungen, Berufsausbildung, Weiterbildung, die Mitwirkung in Interessensvertretungen oder die Unternehmensgründung. Außerhalb der Arbeitswelt erfasst der Diskriminierungsschutz derzeit nur die Gründe „Geschlecht“ und „ethnische Zugehörigkeit“. Eine Erweiterung auf Alter, Weltanschauung und sexueller Orientierung, das sogenannte „Levelling Up“, wird seit Jahrzehnten (!) von der Gleichbehandlungsanwaltschaft, NGO´s und linken Parteien gefordert, allerdings von der rechtskonservativen Mehrheit im Parlament verweigert.

 

Der beschränkte Diskriminierungsschutz hat nicht nur negative Auswirkungen für die Diskriminierten, sondern auch für das Image Österreichs als weltoffenes, liberales und touristenfreundliches Land. Homosexuelle werden laut einer SORA-Studie (2019) dreimal so oft diskriminiert wie Heterosexuelle. So erlebten laut der EU-Grundrechtsagentur im letzten Jahr 35 Prozent der befragten LGBTIQ-Personen Diskriminierungen außerhalb der Arbeitswelt, 7 % bei der Wohnungssuche, 21 % in Bars oder Restaurants, 10 % in Geschäften. 

 

Im Ranking der ILGA, des europäischen Dachverbands der Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen-, Trans- und Intersexorganisationen, fiel Österreich innerhalb eines Jahres von Platz 14 auf Platz 19 (Top Five: Malta vor Belgien, Dänemark, Spanien und Island). Nur 49 % der von der Ilga vorgeschlagenen Menschenrechte entsprechen der österreichischen Rechtslage. Die Hauptforderungen: Die Anerkennung der selbstbestimmten Geschlechtsbestimmung ohne vorhergegangener medizinischer Diagnose, das Verbot von medizinischen, nicht notwendigen Eingriffen an intersexuellen Minderjährigen und eben die Erweiterung des Diskriminierungsschutzes auf den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. 

 

Die skurrile Situation besteht hier insoferne, als auf Landesebene diese Lücken bereits gefüllt würden. So kann man sich aufgrund der Antidiskriminierungsgesetze der Länder gegen Diskriminierungen im Zusammenhang mit privaten Zimmervermietern wehren, bei Vorfällen in Hotels (die in die Kompetenzverteilung des Bundes fallen) dagegen nicht. Eine allgemeine, unmittelbar geltende EU-Richtlinie wurde von der EU-Kommission bereits 2008 vorgeschlagen, sie wird seitdem aber im Europäischen Rat blockiert.

 

Im Oktober 2023 brachte die SPÖ wiederholt einen Antrag auf Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes ein, dieser wurde wieder vertagt. Inklusive der Stimmen der Grünen, die aufgrund der Regierungskoalition mit der ÖVP gegen ihre eigenen Interessen votierten. Egal, ob Gleichbehandlung, Bildung, Sozialrecht, Umverteilung (durch Erbschafts- oder Vermögenssteuern), Klimaschutz, Bodenverbrauch,… - Eine Änderung der politischen Verhältnisse in Richtung Modernität, Gerechtigkeit und Fairness wird nur mit einer linksliberalen Mehrheit abseits der rechtskonservativen Altparteien ÖVP und FPÖ erreicht werden können. Hoffentlich droht nicht das Gegenteil…

Reiches, armes Österreich: 353.000 Kinder armuts- oder ausgrenzungsgefährdet!

„Was heißt, ein Kind kriegt in Österreich keine warme Mahlzeit?“ Es gibt ja McDonalds, dort koste der Hamburger nur 1,40 (Anm.: vor der Preiserhöhung), plus Pommes Frites nur 3,50 Euro. „Und jetzt behauptet wirklich einer ernsthaft, wir leben in einem Land, wo die Eltern ihrem Kind dieses Essen nicht leisten können?“ Ein schlechter Scherz eines schlechten Kabarettisten, dann könnte man wenigstens darüber noch mitleidig schmunzeln. Tatsächlich stammt dieses Zitat vom türkisen Bundeskanzler Nehammer, der sich mit seinem Monatsgehalt von 23.440 Euro brutto wohl einen Hamburger-Speicher zulegen könnte, um wie Dagobert Duck in seinem Geldmammon dort herumzukraulen. Ein armseliger Tiefpunkt österreichischer Politik, und das beim Thema Kinderarmut, über das jeder Volksvertreter eigentlich Bescheid wissen müsste, Dies gilt insbesondere für einen Regierungschef, in dessen Regierungsprogramm im Kapitel Armutsbekämpfung der Satz „Kein Kind darf in Österreich zurückgelassen werden“ verankert ist.

 

22 % der Kinder armuts- oder ausgrenzungsgefährdet

 

Laut den aktuellen EU-SILC-Zahlen für das Jahr 2022 sind in Österreich rund 1.555.000 Personen (17,5 %) armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. 353.000 (22 %) davon sind Kinder und Jugendliche unter 18. 14,8 % der Bevölkerung (= 1.314.000 Menschen) sind armutsgefährdet und leben unter der Armutsgefährdungsschwelle von aktuell 1392 Euro, davon sind 316.000 Kinder und Jugendliche (19 %). Gäbe es keine Sozialleistungen in Österreich, dann würde sich der Prozentsatz an armutsgefährdeten Jugendlichen auf 36 Prozent (591.000) erhöhen. Besonders betroffen sind Kinder in Ein-Eltern-Haushalten (32 %) und Mehrkindhaushalten (29 %). 

 

Materielle und soziale Deprivation

 

104.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind materiell und sozial depriviert und können aufgrund der finanziellen Situation ihrer Eltern nicht am gesellschaftlichen Leben adäquat teilhaben. So gibt es in Haushalten von 123.000 Kindern Zahlungsrückstände, 363.000 Kinder leben in einem Haushalt, der unerwartete Zahlungen in einer gewissen Höhe nicht finanzieren kann. Für 78.000 Kinder ist es nicht möglich, sich ausgewogen zu ernähren bzw. jeden zweiten Tag Fisch, Fleisch oder eine vergleichbare vegetarische Alternative zu konsumieren. 175.000 Kinder wohnen in feuchten Wohnungen, 7 Prozent der Kinder unter 16 (103.000) können sich eine Teilnahme an mit Kosten verbundenen Freizeitaktivitäten nicht leisten. 27.000 Kinder können an kostenpflichtigen Schulveranstaltungen nicht teilnehmen und haben dadurch Probleme bei der ohnehin schwierigen Integration in eine Klassengemeinschaft. Zahlen und statistische Erhebungen im neuntreichsten Land Europas, die schockieren und zum Nachdenken anregen, aber sicher kein Anlass sind für zynische Scherze im politischen Freundeskreis.

 

Die türkis-grüne Regierung hat zwar die Sozial- und Familienleistungen valorisiert und einen in Relation zur Teuerung vergleichsweise geringen Sonderzuschuss von 60 Euro für sozial bedürftige Eltern beschlossen, die Malus-Seite ist aufgrund der konservativen Vorherrschaft in der Koalition allerdings bei weitem länger. So wurden im Regierungsprogramm neue Unterhaltsgesetze und ein parlamentarischer Unterausschuss „Armutsbekämpfung“ vereinbart, beides ist ein Jahr vor den nächsten Nationalratswahlen reine Makulatur.

 

Säumigkeit beim Aktionsplan gegen Kinderarmut

 

Die EU hat 2021 eine „Europäische Garantie für Kinder“ gestartet, durch die Kinder bis 2030 kostenlosen Zugang zu Betreuung, Bildung, gesunde Mahlzeiten, Gesundheitsversorgung und angemessenen Wohnraum erhalten sollen. Die österreichische Regierung hätte bis 15. März 2022 der EU einen nationalen Aktionsplan vorlegen sollen, ist allerdings bis dato damit säumig. Nur Rumänien und Lettland sind ebenso in Verzug wie Österreich.

 

Kindergrundsicherung

 

Und natürlich existiert da noch das u.a. von der Volkshilfe konzipierte Modell der Kindergrundsicherung. Statt der aktuellen Familienbeihilfe und dem Kinderabsetzbetrag soll jedes Kind zumindest 285 Euro monatlich erhalten, je nach Haushaltseinkommen steigen die Beträge bis maximal 872 Euro pro Kind. Laut Michael Fuchs vom Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung würde die Kindergrundsicherung rund 4,6 Milliarden Euro kosten, die Armutsgefährdung würde in der Gesamtbevölkerung auf 8,6 Prozent sinken, die Kinderarmut sogar auf 2,8 Prozent.

 

Man kann davon ausgehen, dass mit rechten und konservativen Parteien ein derartiges Modell nicht umgesetzt werden wird. Es liegt daher auch in der Verantwortung der Wähler, bei der nächsten Nationalratswahl für eine klare Änderung der politischen Verhältnisse zu sorgen. Denn Kinderarmut hat in einem reichen Land wie Österreich nichts verloren. 

AK-Studie: Hohe Teuerungsrate bei Schulartikeln für Tafelklassler!

Die Kosten für den Unterricht in einer Privatschule sind unterschiedlich. Die Bandbreite reicht von 60 Euro monatlich bis hin zu mehreren hundert Euro. Zum Glück gibt es öffentliche Schulen, die „nichts kosten“. Eine naive und leider falsche Hypothese. Denn nicht erst seit der Rekordinflation werden alljährlich vor allem finanzschwächere Eltern mit einer Lawine von Ausgaben konfrontiert, die ein tiefes Loch in das Haushaltsbudget bohren.

 

Bei verschränkten Ganztagsschulen sind Unterricht und betreute Lern- und Freizeit bis zur Kernzeit kostenlos, danach werden in Wien pauschal 118 Euro pro Semester verrechnet. Das Mittagessen ist in Wien seit Herbst 2023 auch für offene Ganztagsschulen gratis, für die schulische Betreuung am Nachmittag werden 7,10 Euro pro Tag verrechnet. Bei geringem Familieneinkommen können die Eltern um eine Ermäßigung ansuchen.

 

Verteuerung im Fachhandel und bei Handelsketten

 

Die Arbeiterkammer hat Ende Juni eine Studie über die Preise von 50 Schulutensilien für Tafelklassler durchgeführt. Die Preiserhebung fand in 15 Papier-Fachgeschäften und bei 5 Handelsketten (Pagro, Libro, Thalia, Interspar, Müller) statt. Die Ergebnisse sind kaum verwunderlich. Gegenüber dem Vorjahr verteuerten sich die Schulartikel bei den Handelsketten um durchschnittlich 9,6 Prozent, im Papier-Fachhandel um 6,3 Prozent. Die Preise im Papier-Fachhandel sind dabei im Durchschnitt um 10,5 Prozent höher als bei den Handelsketten, 13 der untersuchten 50 Produkte waren im Fachhandel billiger.

 

Preisunterschiede

 

Erstaunlich sind einige Preisunterschiede zwischen den einzelnen Geschäften. Im Fachhandel kosten beispielsweise die Pelikan Tintenpatronen zwischen 1,30 und 2,40 Euro, ein Preisunterschied von 84,6 Prozent. Bei den Handelsketten beträgt dieser sogar 99 Prozent. Der Uhu-Klebestift „Stic“ kostet in den 15 untersuchten Fachhandelsgeschäften zwischen 1,69 und 4,10 pro Stück, ein Preisunterschied von 142,6 (!) Prozent. Bei den Handelsketten beträgt der höchste Angebotspreis „nur“ 3,19 Euro. Auch die Standard-Quart-Hefte mit 20 Blatt unterliegen im Fachhandel einer gewaltigen Preisspanne zwischen 1,15 und 2,90 Euro (Preisunterschied: 152,2 Prozent). 

 

Schultaschen-Sets

 

Untersucht wurden auch sogenannte Schultaschen-Sets, die aus mehreren Artikeln zusammengesetzt sind. Die billigste gefüllte Schultasche kostete dabei im Fachhandel durchschnittlich 177,54 Euro, bei den Handelsketten 91,60 Euro. Die Preise für die teuerste gefüllte Schultasche betrugen durchschnittlich 195,60 (Handelsketten) bzw.  259,77 Euro (Fachhandel). Der billigste „Mix“ kostete 49,99 Euro, der teuerste 299 Euro.

 

Schulkostenstudie

 

Laut der letzten Schulkostenstudie (die während der Corona-Krise 2021 erhoben wurde) betrugen die Gesamtausgaben für Volksschule und Unterstufe 1400 Euro, für die Oberstufe 1690 Euro. Eine aktuelle Schulkostenstudie ist aktuell in Arbeit. Man kann aufgrund der Teuerungskrise und den zusätzlichen starken Preiserhöhungen der Unternehmer davon ausgehen, dass die Kosten für die Eltern in die Höhe schnellen. So stieg laut AK-Nachhilfebarometer 2023 die Nachhilfe im Vergleich zum Vorjahr um 18,4 % an. Im Schuljahr 2022/2023 gaben die Eltern insgesamt 121,6 Millionen Euro für private Nachhilfe aus, das sind 720 Euro pro Kind.

 

https://www.oliverplischek.at/2023/09/11/finanzielle-belastung-schule-121-6-millionen-euro-nachhilfekosten-pro-jahr/

 

Finanzieller Support

 

Wie sieht es aus mit der finanziellen Unterstützung für die Eltern von Schulkindern? Im Rahmen der Aktion „Schulstartklar“ erhalten Mindestsicherungs- und Sozialhilfempfänger Gutscheine im Wert von 150 Euro. Außerdem erhalten alle Eltern von Kindern zwischen 6 und 15 das Schulstartgeld des Bundes in Höhe von 105,80 Euro. Dieser im Rahmen der Familienbeihilfe ausbezahlte Betrag wurde seit seiner Einführung im Jahr 2011 um 5,8 Euro erhöht, was laut Momentum Institut einem Wertverlust von rund 30 Prozent entspricht. Eine allgemeine Kindergrundsicherung, die vor allem armutsgefährdeten Familien helfen soll, finanziell über die Runden zu kommen, wird seit Jahren u.a. von der Volkshilfe gefordert, allerdings von den rechtskonservativen Parteien abgelehnt. 

 

Laut dem Sozialexperten der Diakonie Österreich, Martin Schenk, leben 52.000 Volksschulkinder und 81.000 Unterstufen-Kinder in einkommensarmen Haushalten. Und das sind Zahlen vor der Rekordinflation. Es ist Zeit zu handeln.

WWF-Report 2023: 16 Fußballfelder Bodenverbrauch täglich in Österreich!

„Zukunft für alle – Handelt jetzt!“: Das war das Motto des weltweiten Klimastreiks am 15. September 2023 in Österreich. In Wien beteiligten sich mehr als 20.000 Klimaaktivisten an der Demonstration, darunter viele Kinder und Jugendliche, aber auch Wissenschaftler, NGO´s (wie Greenpeace oder Amnesty International), die Parents for Future oder die Omas gegen Rechts. Die Forderungen reichten vom Beschluss eines neuen Klimaschutzgesetzes (hier ist die türkis-grüne Bundesregierung bereits rund 1000 Tage in Verzug) und des Erneuerbare Wärme-Gesetzes, dem Aus für fossile Energieträger, der Abschaffung umweltschädlicher Subventionen bis hin zu einer Bodenschutz-Strategie. In diesem Bereich hat der WWF mit dem Bodenreport 2023 neue, brisante Fakten geliefert, die eigentlich jeden vernünftigen Politiker zum sofortigen Handeln animieren sollten.

 

Bodenverbrauch und Versiegelungsgrad

 

So betrug der heimische Bodenverbrauch in den letzten 3 Jahren (2019-2021) durchschnittlich 11,3 Hektar pro Tag. Dies entspricht der Fläche von 16 (!) Fußballfeldern. Und das, obwohl im türkis-grünen Regierungsprogramm ein Maximal-Wert von 2,5 Hektar pro Tag für 2030 festgelegt wurde. Dramatisch sind auch die Versiegelungs-Grade: 41 Prozent des beanspruchten Bodens sind mit einer wasserundurchlässigen Schicht aus Beton oder Asphalt überzogen, was bedeutet, dass der Boden kein CO2 aus der Atmosphäre mehr langfristig speichern kann. Im Jahr 2021 betrug der Versiegelungsgrad sogar unfassbare 58 Prozent, die davon betroffene Fläche von 21 km2 ist höher als jene des Wörthersees. 

 

Überschwemmungen und Hitzeinseln

 

Die Folgen dieses immensen Bodenverbrauchs sind in jeder Hinsicht schädlich für das Klima, die Sicherheit und die Gesundheit in Österreich. Bei Regenfall kann der verbaute Boden kein Wasser mehr aufnehmen, welches dadurch oberirdisch abrinnt und die Gefahr von Überschwemmungen erhöht. Umgekehrt entstehen durch die Bodenversiegelung unerträgliche Hitzeinseln vor allem in den Städten. Am Wiener Naschmarkt wurden im August 2023 auf der „Parkplatzwüste“ 69 Grad gemessen. Eine unzumutbare gesundheitliche Belastung insbesondere für Senioren, Kinder und Hunde. 

 

Aufteilung nach Sektoren

 

Bundesländer-Spitzenreiter beim Bodenverbrauch ist die Steiermark (3,1 Hektar pro Tag) vor Oberösterreich (2,3 Hektar) und Niederösterreich (2,1 Hektar). Laut Statistik Austria ist der Bodenverbrauch in Österreich seit 2001 um 27,9 Prozent gestiegen, die Bevölkerung dagegen nur um 10,9 Prozent. Insgesamt wurden in Österreich bis dato 5804 km2 verbaut (was 1/5 des nutzbaren Siedlungsraumes entspricht), 46 Prozent betreffen Bauflächen (2657 km2), 36 Prozent Verkehrsflächen (2083 km2) wie Autobahnen, Straßen, Parkplätze und Bahnflächen. Der Rest wird aufgeteilt zwischen Betriebsflächen (671 km2) und Erholungs- und Abbauflächen (393 km2).

 

Zersiedelung der Ortsgebiete

 

Eine der Hauptursachen für den hohen Bodenverbrauch ist die Zersiedelung in den ländlichen Regionen, und das, obwohl es laut Umweltbundesamt mindestens 40.000 Hektar an ungenutzten Gebäuden und Gewerbeflächen gibt. Eine bundesweite Leerstands-Datenbank wurde trotz Fixierung im Regierungsprogramm bis dato nicht eingerichtet. Während die Ortszentren immer mehr aussterben, werden an den Ortsrändern riesige Gewerbeparks und Fachmärkte (inkl. Parkplätzen) gebaut. Man spricht vom unrühmlichen „Donut-Effekt“, der die Autoabhängigkeit in diesen Gebieten immens erhöht. Die Anzahl und Fläche der Fachmarktzentren hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt, laut einer Branchenstudie existieren aktuell 280 Fachmärkte mit einer Verkaufsfläche von 6,4 Millionen Quadratmetern. Mit über 1,5 Quadratmetern Einkaufsfläche pro Kopf liegt Österreich europaweit auf Platz 3 hinter Belgien und den Niederlanden.

 

Zeit für eine Mobilitätswende

 

Auch beim Straßenverkehr ist Österreich leider negativer Vorreiter. Das Straßennetz besteht aus rund 128.000 Kilometern, das sind 14,3 Meter Straße pro Person. Deutschland und die Schweiz weisen nur rund 10 Meter pro Kopf auf. Laut Umweltbundesamt ist ein Kilometer, der mit einem Diesel- oder Benzin-betriebenem Auto zurückgelegt wird, über 15 mal so klimaschädlich, wie ein Kilometer mit der Bahn. Es ist daher längst Zeit für eine echte Mobilitätswende Richtung Fuß-, Rad- und Bahnverkehr. Die Statistik lässt allerdings wenig hoffen. So wurden in Österreich seit 1995 230 Bahnstationen und 655 Bahnkilometer stillgelegt, und das vor allem in den regionalen, autoabhängigen Regionen.

 

Maßnahmen

 

Die Maßnahmen zur Senkung des Bodenverbrauchs liegen allesamt auf dem Tisch, die jeweilige Regierung – gewählt wird spätestens wieder im Herbst 2024 – muss sie nur umsetzen. Der WWF und Fridays for Future fordern primär ein Bodenschutzgesetz und einen Bodenschutz-Vertrag zwischen Bund, Länder und Gemeinden, in dem die Reduktionsziele verbindlich festgelegt werden. Raumordnungspolitisch zweifelhafte Umwidmungen (wie aktuell das „Mini-Dubai“ in Grafenwörth) können durch eine teilweise Verlagerung der Kompetenzen von den Gemeinden in Richtung Länder verhindert werden. Eingeführt werden sollte ein interkommunaler Finanzausgleich, der die Kommunalsteuer unter den benachbarten Gemeinden verteilt und nicht gänzlich der Ortschaft zuteilt, in der ein Projekt verwirklicht wird. 

 

Kritisiert werden vom WWF auch die zu hohen Schwellenwerte der Umweltverträglichkeitsprüfung und die klimaschädlichen Subventionen, die laut WIFO bis zu 6 Milliarden Euro jährlich ausmachen. Alle Gesetze und Verordnungen sollten verpflichtend auf ihre Folgen für das Klima, die Biodiversität und den Bodenverbrauch geprüft werden. 

 

Es ist fünf Minuten nach 12. Zeit zu handeln. Es geht um unsere Umwelt, unsere Tiere und Pflanzen und schlussendlich um die Lebensqualität unserer Bürger.

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Finanzielle Belastung Schule: 121,6 Millionen Euro Nachhilfekosten pro Jahr!

„Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir“ lautet ein bekannter Motivationsspruch für die nicht immer motivierten Schüler und Schülerinnen, von denen gerade rund 97.000 „Tafelklassler“ ihren ersten Schultag absolvierten. Auch diese werden bald erkennen, dass das Lernen sich – trotz des Steigens von verschränkten Ganztagsschulen und offenen Schulen mit Nachmittagsbetreuung – nicht auf den Standort Schule selbst beschränkt.

 

Wie die Arbeiterkammer im Rahmen ihres Nachhilfebarometers erhoben hat, ist für viele Kinder der Schulbesuch ohne Unterstützung der Eltern oder externe Nachhilfe kaum möglich. So werden 78 Prozent der Kinder bei den Hausaufgaben und beim Lernen beaufsichtigt, bei knapp einem Viertel trifft dies täglich zu. 

 

Bei 30 Prozent der Schüler muss zusätzlich ein privater Nachhilfeunterricht organisiert werden, sei es bezahlt oder unbezahlt in Form einer schulischen Gratisnachhilfe. 17 Prozent der Schüler, das sind in Zahlen rund 167.000 (!), erhalten eine bezahlte Nachhilfe, deren Kosten sich im Zuge der Teuerungskrise ebenfalls erhöht haben. Laut dem AK-Stichproben-Preismonitor bei 29 Nachhilfe-Instituten wird Einzelunterricht zwischen 25 und 60 Euro pro Stunde angeboten (Durchschnitt: 37 Euro), die Kosten für Gruppenunterricht betragen zwischen 6,33 und 41,50 Euro (Durchschnitt: 22 Euro).

 

Nachhilfequoten nach Schulstufen

 

Die höchsten Nachhilfequoten weist die AHS-Oberstufe auf: Dort erhalten 44 Prozent (plus 5 Prozent) der Schüler Nachhilfe, 30 Prozent davon bezahlt. Stark im Steigen mit plus 9 Prozent sind die Werte bei der NMS, hier erhalten 39 Prozent der Schüler Nachhilfe, davon 18 Prozent bezahlt. In der AHS-Unterstufe werden 33 Prozent der Schüler mit Nachhilfeunterricht unterstützt, 22 Prozent davon bezahlt. Selbst 17 Prozent der Volksschüler werden von externer Nachhilfe nicht verschont, 6 Prozent davon bezahlt. Bei der bezahlten Nachhilfe handelt es sich großteils um konventionelle Nachhilfe, Online-Nachhilfe wird nur von 3 Prozent der Schüler genutzt.

 

Fächer

 

Bei den Nachhilfe-Fächern liegt Mathematik an der Spitze. Deutsch-Nachhilfe benötigen vor allem Volksschüler. Der Grund liegt laut Arbeiterkammer vor allem an der Einführung der Deutsch-Förderklassen und der Sprachstandsfeststellung, aufgrund derer vor allem Migranten veranlasst werden, ihre Kinder in Nachhilfekurse zu stecken.

 

121,6 Millionen Euro Nachhilfekosten pro Jahr

 

Insgesamt gaben die Familien im Schuljahr 2022/23 121,6 Millionen Euro für private Nachhilfe aus, das sind um 18,9 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Die durchschnittlichen Kosten betrugen 720 Euro pro Schulkind, um 90 Euro mehr als im Vorjahr (630 Euro). Die Eltern von 20 Prozent der Schüler (rund 200.000) hätten sich gerne Nachhilfe oder mehr Nachhilfestunden gewünscht, konnten sich diese allerdings nicht leisten. Kein Wunder, leben doch laut Armutskonferenz-Gründer Martin Schenk 50.000 Volksschüler und 81.000 Unterstufenschüler in einkommensschwachen Haushalten. 52 Prozent der Eltern fühlen sich durch die bezahlte Nachhilfe finanziell belastet, die Zahlen sind im Vergleich zum Vorjahr (48 Prozent) im Steigen und dürften durch die Rekordinflation weiter ansteigen. 

 

Wie man diesen negativen Trend stoppen kann? Laut Arbeiterkammer u.a. durch beitragsfreie Ganztagsschulen, eine Schulfinanzierung nach dem AK-Chancenindex (bei dem die Mittelzuweisung vom Unterstützungsbedarf der Schüler abhängt) und durch Förderung der Mehrsprachigkeit.

Reiserecht: Pauschalreisen vs. Individualreisen

Club-Exzesse auf der spanischen Party-Insel Ibiza, ein Road-Trip durch Australien, Island-Hopping auf den griechischen Inseln, eine Woche Strand-Urlaub am Mittelmeer, eine Kultur- und Bildungsexkursion durch Frankreich oder Spanien per Bahn. Die Reiseziele und –motivationen können unterschiedlicher nicht sein. Und selbst die komplexesten Hotel-Flug-Miete-Kombinationen können durch das Internet und diverse Buchungsplattformen persönlich zusammengestellt werden. Läuft die Reise allerdings nicht plangemäß, dann kann die in den letzten Jahrzehnten gewonnene Flexibilität in ein blaues Wunder münden. 

 

Im Juli 2018 trat zwar im EU-Raum die sogenannte „Pauschalreiserichtlinie“ in Kraft. Diese betrifft – wie der Name schon sagt – allerdings nur Pauschalreisen und nur in beschränktem Ausmaß „verbundene Reiseleistungen“. Individualreisen, die seit der Entstehung von Online-Diensten einen immensen Boom erleben, sind davon nicht betroffen und unterliegen einem bei weitem geringeren Rechtsschutz.

 

Unter „Pauschalreise“ versteht man eine Kombination aus mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen (wie Beförderung, Unterbringung, Vermietung von Kraftfahrzeugen,…) für den Zweck derselben Reise. In der Regel werden diese Leistungen von einem Unternehmer (dem Reiseveranstalter) auf Basis eines einzigen Vertrages erstellt. Ein Spezialfall einer Pauschalreise liegt bei einer „Click-Through-Buchung“ vor, bei der nach einer ersten Buchung innerhalb von 24 Stunden die Daten der Reisenden an einen zweiten Vertragspartner übermittelt werden. Ansonsten liegt trotz Buchung auf dem selben Portal eine „verbundene Reiseleistung“ vor.

 

Bei verbundenen Reiseleistungen ist der Reisende zwar gegen die Insolvenz des Reisevermittlers abgesichert, ansonsten gelten aber die Privilegien für Pauschalreisen nicht. So sind Pauschalreisende gegen die Insolvenz des Reiseveranstalters abgesichert. Preiserhöhungen sind gemäß § 8 PRG nur dann zulässig, wenn dies im Vertrag ausdrücklich vorgesehen und gleichzeitig eine Preissenkung festgelegt ist. Ab dem 20. Tag vor der Abreise besteht ein absolutes Reisepreiserhöhungsverbot. 

 

Der Reisende kann jederzeit ohne Angabe von Gründen vom Pauschalreisevertrag zurücktreten, hat dann aber in der Regel Stornogebühren zu zahlen, die sich zumeist – wie in den ARB 1992 – nach dem zeitlichen Abstand zum Reisetermin richten. Bei unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umständen ist keine Entschädigung zu leisten, der Reisende hat Anspruch auf volle Erstattung der für die Pauschalreise getätigten Zahlungen. Ist die Rückbeförderung nicht möglich, hat der Reiseveranstalter die Kosten für die notwendige Unterbringung des Reisenden für einen Zeitraum von höchstens drei Nächten zu tragen. Darüber hinaus besteht eine Beistandspflicht insbesondere bei der Informationsbereitstellung über Gesundheitsdienste oder Behörden bzw. bei der Herstellung von Fernkommunikationsverbindungen und bei der Suche nach Ersatzreisearrangements. Bei Vertragswidrigkeiten hat der Reisende Anspruch auf eine angemessene Preisminderung, angemessenen Schadenersatz und und bei Erheblichkeit auf angemessenen Ersatz der entgangenen Urlaubsfreude. Hier besteht eine Mitteilungspflicht seitens des Reisenden, deren Unterlassung als Mitverschulden angerechnet werden kann.

 

Der Pauschalreisende kann diese Ansprüche alle gegen den Reiseveranstalter geltend machen. Individualreisende, die ihren Urlaubstrip selbst zusammenstellen, haben es da um einiges schwerer. Hier bestehen Verträge mit unterschiedlichen Vertragspartnern, bei denen zumeist ausländisches Recht gilt, und zwar in der Regel jenes, in dem das Hotel oder die Fluglinie ihren Sitz hat. Die Stornierungsmöglichkeiten richten sich nach der individuellen Vereinbarung mit dem Hotel. Bei Flugreisen gilt zumindest die EU-Fluggastrechteverordnung, die bei allen innerhalb der EU startenden Flüge (unabhängig vom Hauptsitz der Airline) und bei allen in der EU landenden Flüge aus Drittstaaten greift (sofern die Airline ihren Hauptsitz in der EU hat).

 

Bei Insolvenzen bestehen überhaupt keine Absicherungen für Individualreisende. Gehen Hotel oder Fluglinie pleite, dann können die Reisenden nur ihre Forderungen im Insolvenzverfahren geltend machen, die zumeist nur mit einer geringen Quote befriedigt werden. 

 

Die mangelnde rechtliche Absicherung von Individualreisen steht konträr zur Entwicklung des Tourismusmarktes. Laut einer aktuellen ADAC-Tourismusstudie buchen aktuell rund 71 Prozent eine Individualreise. Es ist höchste Zeit, die Rechte der Reisenden zu verbessern und die Hotels und Fluglinien stärker in die Pflicht zu nehmen.

The Right Choice: Her mit der Wiedereinführung der Erbschaftssteuer!

„Tax us. It is the right choice. It´s the only choice. Humanity ist more important than our money.“ Mit diesen klaren Worten hat das internationale Netzwerk „Millionaires for Humanity“ in einem Brief an verschiedene Regierungen um höhere Steuern für Milliardäre und Millionäre gebeten. Prominentestes Mitglied in Österreich: Marlene Engelhorn, eine Millionenerbin, die sich mittels zahlreicher Aktionen, Publikationen und öffentlicher Auftritte für Vermögens- und Erbschaftssteuern in der Alpenrepublik einsetzt. In einem Land, in dem das reichste ein Prozent der Bevölkerung rund 40 Prozent des Vermögens besitzt, während die ärmsten 50 Prozent gerade über einmal 2,5 Prozent verfügen.

 

Tatsächlich gab es in Österreich bereits beide Formen der Besteuerung. Die Vermögenssteuer, die jährlich rund 500 Millionen Euro einbrachte, wurde 1994 abgeschafft. Die Erbschafts- und Schenkungssteuer wurde 2007 mit Wirkung ab dem 1. August 2008 durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Der Grund lag darin, dass die Bewertungsvorschriften für Grundstücke gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen hatten. Der Steuersatz betrug in der Steuerklasse 1 (Ehegatten, Kinder) zwischen 2 und 15 %, in der höchsten Steuerklasse 5 (ferne Verwandte und Dritte) zwischen 14 und 60 Prozent. Eine neue Regelung wurde mangels Einigung der damaligen Regierungsparteien SPÖ und ÖVP nicht getroffen, stattdessen wurde u.a. das Grunderwerbsteuergesetz geändert, das ab 1. Jänner 2016 den Verkehrswert als Bemessungsgrundlage heranzieht.

 

Die extrem ungleiche Vermögensverteilung sollte allerdings jetzt Motiv sein, eine Erbschaftsssteuer wiedereinzuführen, die einerseits zu einer steuerlichen Entlastung der Arbeitseinkommen als auch zur Finanzierung wichtiger Initiativen in Bildung, Pflege und Armutsgefährdung (v.a. von Kindern) verwendet werden soll. In 18 von 27 EU-Ländern (inkl. Deutschland, Frankreich und Italien) gibt es aktuell eine Erbschaftssteuer, ebenso in den USA, Japan oder der Schweiz. Im EU-weiten Vergleich betragen die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer zwischen 0,2 % und 0,7 % des BIP, das wären nach den Berechnungen des Momentum Instituts in Österreich zwischen 850 Millionen und 3,3 Milliarden Euro jährlich.

 

Politische Überzeugungsarbeit muss allerdings seiten der Entscheidungsträger geleistet werden. Laut einer aktuellen Umfrage befürworten derzeit nur 48 Prozent die Einführung einer Erbschaftssteuer. Vor allem die Häuslbauer fürchten die Erbschaftssteuer wie der Teufel das Weihwasser, und das obwohl nur rund 2 Prozent der Erben von der Steuer betroffen sein werden. Abgesehen davon, dass 7 von 10 Personen überhaupt nichts erben, gehen alle einschlägigen Modelle von einem Freibetrag von mindestens 1 Million Euro aus, unter dem überhaupt keine Erbschaftsssteuer anfällt. Beträgt die Höhe der Erbschaft beispielsweise 1,2 Millionen Euro, dann wird nur der Wert über 1 Million Euro besteuert. Bei einem Steuersatz von 25 Prozent wären das 50.000 Euro. Die SPÖ hat diesbezüglich ein progressives Steuertarif-Modell konzipiert: Ab fünf Millionen Euro soll der Steuersatz 30 Prozent, ab 10 Millionen Euro 35 Prozent betragen.

 

„Wieso ist es der Alleinerzieherin mit Teilzeitjob zumutbar, dass sie auf ihr geringes Einkommen mindestens 20 Prozent zahlt, und jemand wie ich bekommt ein Vermögen geschenkt? Einfach so. Null Prozent Steuern.“, so das Credo der Millionenerbin Marlene Engelhorn. Und auf die „Standard“-Frage: „Wie viel Geld möchten Sie besitzen?“ „Gerade so viel, dass ich meine Grundbedürfnisse gut abdecken kann und die eine oder andere Freude“. Wenn die Nationalratsabgeordneten genauso denken würden, dann sollte einer Erbschaftssteuer nichts mehr im Wege stehen. Bei einigen Fraktionen ist dies allerdings leider sehr zu bezweifeln…

Gegen Spekulation: Bundesweite Leerstandsabgabe für freistehende Wohnungen!

Laut Statistik Austria stiegen die Mietpreise im privaten Sektor seit 2010 um 50 Prozent, in Wien sogar um 61 Prozent. Dafür verantwortlich ist nicht nur die hohe Nachfrage nach Wohnungen in den Städten und die immer größer werdende Anzahl von befristeten Mietverträgen (die bereits 2/3 der Neuabschlüsse ausmachen), sondern auch die Spekulationsmotive der Eigentümer. Freistehende Wohnungen werden nicht vermietet, sondern gehortet und gewinnen durch die Marktpreisentwicklungen ständig an Wert. Eine Möglichkeit, diese Tendenzen umzukehren, wäre eine sogenannte Leerstandsabgabe.

 

Tatsächlich gibt es in drei österreichischen Bundesländern bereits eine „Leerstandsabgabe light“. In der Steiermark und in Salzburg handelt es sich um eine „Kann-Bestimmung“, in Tirol dagegen sind die Gemeinden verpflichtet, die Leerstandsabgabe umzusetzen. Sie betrifft dort – mit zahlreichen Ausnahmebestimmungen (wie zeitnahem Eigenbedarf, Verwendung für berufliche Zwecke oder fehlende Gebrauchstauglichkeit) Wohnungen, die über einen durchgehenden Zeitraum von mindestens 6 Monaten nicht als Wohnsitz verwendet werden. Die Höhe beträgt je nach Nutzfläche und Region zwischen 10 und 215 Euro pro Monat. In der Steiermark beträgt die „Wohnungsleerstandsabgabe“ maximal 10 Euro pro m2 Nutzfläche pro Monat, wobei die Höhe der Abgabe für eine Wohnung mit 100 m2 Nutzfläche im Kalenderjahr 1000 Euro nicht überschreiten darf. In Salzburg wurde ein Stufenmodell entwickelt, das zusätzlich noch zwischen „Neubau“ (Wohnungen mit einem Alter von bis zu 5 Jahren) und „älteren Wohnungen“ unterscheidet.

 

Warum diese länderspezifischen Leerstandsabgaben so gering ausfallen, liegt an der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung. Die Länder und Gemeinden dürfen zwar eigene Abgaben erheben, allerdings „dürfen diese nicht eine Intensität entwickeln, dass sie den Abgabepflichtigen wirtschaftlich zu einem bestimmten Verhalten zwingen“, so ein Gutachten des Rechtsanwalts Thomas Walzel für das Land Tirol. Denn dann würde dies in den Kompetenztatbestand „Volkswohnungswesen“ fallen, der dem Bund vorbehalten ist. So wurde bereits im Jahr 1985 eine zu hohe Leerstandsabgabe in Wien durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben. 

 

Die rot-pinke Wiener Stadtregierung forderte kürzlich in einem offiziellen Brief an die Bundesregierung die Umsetzung einer Leerstandsabgabe. Rechtlich wäre dies einfach. Der Nationalrat kann selbst eine Leerstandsabgabe beschließen oder die Zuständigkeit an die Länder verschieben. Die aktuelle Bundesregierung lehnt dies allerdings ab. Die fadenscheinigen Argumente: Der Leerstand sei schwer nachzuweisen bzw. drohe die Gefahr der Kalkulation in den Mietpreisen. In anderen Städten (wie in Zürich, Kopenhagen oder Toronto) funktioniert das System. Dort sind die Immobilienbesitzer sogar verpflichtet, Leerstand verpflichtend zu melden, sonst drohen empfindliche Strafen. 

 

Eine bundesweite Leerstandsabgabe würde – trotz Umgehungsversuchen – garantiert das Angebot an freien Wohnungen vergrößern und dadurch die Mietpreisentwicklung senken. Allerdings ist sie nur ein Mittel, um den Wohnungsmarkt unter Kontrolle zu bringen. Das wichtigste Instrument ist die Abschaffung der Befristungen bei Mietverträgen mit Immobilienunternehmen und gewerblichen Vermietern. Die Befristungen erzeugen nicht nur eine psychische Belastung bei den Mietern, die der ständigen Angst ausgesetzt sind, nach drei Jahren wieder umziehen zu müssen, sondern sind – aufgrund der rechtlich zulässigen (!) Mietpreiserhöhungen nach jeder Verlängerung bzw. nach jedem Abschluss mit einem Neumieter – der größte Preistreiber am Wohnungsmarkt.

Regenbogenparade 2023: LGBTIQ-Community fordert vollen Diskriminierungsschutz!

„Sunshine, Peace, Happiness“ – So kann man die Stimmung auf der 27. Regenbogenparade in Wien bezeichnen, die mit 98 Teilnehmergruppen und mehr als 300.000 Besuchern zu der zweitmeistfrequentierten Parade aller Zeiten zählt. Die erste Regenbogenparade fand 1996 zwischen Oper und Universität Wien statt, mit gerade einmal 25.000 Besuchern. Als Vorbild diente laut Mitbegründer Andreas Brunner New York, dort wo auch der Christopher Street Day seinen Ursprung hatte. Am 27. Juni 1969 leisteten Homosexuelle und Transgender im Lokal Stonewall Inn erstmals Widerstand gegen die Polizeigewalt und die grassierenden Diskriminierungen. Daraus resultierten weltweite Demonstrationen der LGBTIQ-Bewegungen am sogenannten „Christopher Street Day“, in Österreich hat sich die Trademark „Regenbogenparade“ durchgesetzt, die eben nicht nur Party, Tanzen und Lebensfreude widerspiegelt, sondern auch eine politische Demonstration ist.

 

„Together we rise“ war das Motto der diesjährigen Parade, die wie immer – andersrum – entgegen der Fahrtrichtung der 5,2 km langen Ringstraße führte und eine breite Palette an unterschiedlichen Teilnehmergruppen enthielt: Von den LGBTIQ-Protagonisten (wie der Hosi Wien, der Türkis Rosa Lila Villa, dem Gay & Fetisch-Verein LMC Vienna, der Queer Base, der Aids Hilfe Wien oder der Szene-Ikone Conchita „Spreading Happiness“), politischen Parteien und Interessensvertretungen (wie der SoHo, den Grünen Andersrum, den Neos, dem ÖGB oder dem ÖAMTC), Wiener Clubs (wie dem Why Not gemeinsam mit der Felixx Bar, dem Techno-Epizentrum Exil, dem O-Club als Veranstalter der offiziellen Pride Night oder dem Werk) bis hin zu Banken, Softwareunternehmen, Getränke- und Schokoladefirmen, die die Parade augenscheinlich auch als Promotion für ihre Produkte verwenden. Ob dort die Firmenpolitik tatsächlich so divers, tolerant und anti-diskriminierend geführt wird oder die Identifikation mit der LGBTIQ-Bewegung nur der Umsatzsteigerung dient, das sei dahingestellt. Der linksgerichtete Verein Funke dürfte ebenfalls seine Zweifel haben. Deren Motto bei der Parade: „Gegen Pinkwashing – Für den Sturz des Kapitalismus!“

 

Im Mittelpunkt der politischen Message des Pride Month und der Parade steht der volle Diskriminierungsschutz für die LGBTIQ-Community. Laut einer europäischen Studie aus dem Jahr 2020 erfuhren 43 Prozent aller Befragten persönlich Diskriminierung oder Belästigung wegen ihrer sexuellen Orientierung, 21 Prozent fühlten sich am Arbeitsplatz trotz des EU-weiten Schutzes diskriminiert, 11 Prozent der Homosexuellen wurden sogar innerhalb der letzten 5 Jahre körperlich oder verbal angegriffen.

 

Österreich ist dabei keinesfalls Vorreiter, sondern liegt aufgrund des fehlenden Diskriminierungsschutzes nur auf Platz 20 (!) des Länderrankings der Ilga Europe. Während die Bürger im Bereich der Arbeitswelt aufgrund von sechs Diskriminierungsgründen (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion bzw. Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung) geschützt sind, existiert im Privatleben KEINEN Schutz aufgrund der sexuellen Orientierung, der Religion und Weltanschauung bzw. des Alters. Hauptanwendungsbereich ist der „Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum“. Heißt fallspezifisch, dass Lokalbesitzer Homosexuelle aufgrund ihrer sexuellen Orientierung aus ihrem Wirtshaus oder Beisl schmeißen dürfen oder Vermieter offen Schwule, Lesben oder Transgender als Mieter ablehnen dürfen, ohne rechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Skurrile Fälle nennt das von der Hosi Wien publizierte Positionspapier „Levelling Up“. So ist ein Kellner als Arbeitnehmer in einem Lokal geschützt vor der Homophobie des Besitzers, nicht dagegen die Gäste. Eine HTL-Schülerin ist geschützt, da die HTL als Berufsausbildung gilt, nicht dagegen eine Gymnasiastin, da Bundesschulen nicht unter den Diskriminierungsschutz fallen. Eine weitere Kuriosität in diesem Zusammenhang: Die Gleichbehandlungsgesetze der neun Bundesländer enthalten alle einen vollen Diskriminierungsschutz, dieser gilt aber natürlich nur für deren Kompetenzbereiche.

 

Die LGBITQ-Community fordert daher – neben der Erweiterung des Schutzgrundes „Geschlecht“ um Geschlechtsidentität, Geschlechtsmerkmale und Geschlechtsausdruck – ein bundesweit einheitliches Gleichbehandlungsgesetz, das einen vollen Diskriminierungsschutz für queere Personen enthält. Zuletzt wurde dies von der ÖVP 2015 – trotz einer fertigen rot-schwarzen Regierungsvorlage – abgelehnt. Eine rechtliche Situation, die für Schwule, Lesben und Transgender untragbar ist. Man darf gespannt sein, ob sich nach der nächsten Nationalratswahl neue Mehrheiten ergeben. Ein #Schutzfüralle – so der Hashtag – ist längst fällig…

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Mietrecht: Weg mit den befristeten Mietverträgen!

Die Befristung von Mietverträgen wurde im Jahr 1994 im Rahmen des neuen Richtwertmietgesetzes eingeführt. Das damalige Ziel war, Studierenden für die Dauer ihres Studiums ein befristetes Wohnen zu ermöglichen. Die erste schwarz-blaue Regierung fixierte dann mit der Wohnrechtsnovelle 2000 den Status Quo und damit zahlreiche Nachteile, Belastungen und Erschwernisse für Mieter mit befristeten Verträgen, deren Anzahl in den letzten Jahren ständig gestiegen ist. 

 

So gab es 2021 bereits über 347.000 befristete Mietverträge im privaten Segment, bei neuen Verträgen sind bereits drei von vier befristet. Diese sind laut Arbeiterkammer um etwa 130 Euro pro Monat teurer als unbefristete. 

 

Gemäß § 29 Mietrechtsgesetz muss die Vertragsdauer von befristeten Mietverträgen mindestens 3 Jahre betragen, der Vertrag muss außerdem schriftlich abgeschlossen werden. Ansonsten liegt ein unbefristeter Mietvertrag vor. Eine Höchstdauer wurde nicht festgelegt. Der Mieter hat auf jeden Fall das unverzichtbare und unbeschränkbare Recht, den Mietvertrag nach Ablauf eines Jahres zum Monatsletzten gerichtlich oder schriftlich unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zu kündigen. Was de facto heißt, dass er zumindest 16 Monate an den Vertrag gebunden ist. 

 

Diese Regelung ist weniger ein Problem, als die Folgen, die sich aus der Befristung der Mietverträge ergeben. Zulässig ist beispielsweise ohne Einschränkung eine Kette von befristeten Mietverträgen zwischen denselben Vertragsparteien. Dabei hat der Vermieter die Möglichkeit, zwischen den Kettenverträgen den Hauptmietzins anzuheben. Eine Erhöhung, die zumeist die gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Indexierungen oder Wertsicherungen von unbefristeten Verträgen bei weitem übersteigt.

 

Durch die Befristung wird der Mieter erpressbar gemacht. Dieser hat sich – meistens mit Familie und Kindern – in seiner Wohnung gemütlich gemacht, hat ein soziales Umfeld, Arbeitsplatz, Schule und Kindergärten in der Nähe und hat keine Lust nach 3-5 Jahren wieder auszuziehen, inklusive Suchaufwand, psychischer Belastung bzw. Umzugs- und Maklerkosten. Und muss damit de facto alle Nachteile auf sich nehmen. So gibt es zahlreiche Mieter, die die Betriebskostenabrechnungen nicht überprüfen oder auf den gesetzlich vorgeschriebenen Befristungsabschlag von 25 Prozent verzichten (um den Vermieter ja nicht zu verärgern). Laut Arbeiterkammer wurden im Jahr 2020 in den rund 90.000 befristeten vermieteten Altbaumieten 123 Millionen Euro zuviel an Hauptmietzins bezahlt, eine Überzahlung von durchschnittlich 1600 Euro pro Wohnung. 

 

Verstärkt wird die Lage der befristeten Mieter aktuell noch durch die stark steigenden Lebenshaltungs-, Energie- und Wohnkosten. Politisches Ziel kann daher nur eine Novellierung des Mietrechtsgesetzes mit einer fast gänzlichen Abschaffung der Befristungen sein. Die Arbeiterkammer und die SPÖ fordern ein Befristungsverbot für Immobilienkonzerne und nicht-gemeinnützige Bauträger, bei privaten, nicht gewerblichen Vermietern könnte Deutschland als Vorbild herangezogen werden. Dort existieren bereits seit dem Jahr 2001 sogenannte „befristete qualifizierte Zeitmietverträge“. Die Gründe für eine Befristung sind gesetzlich normiert und müssen ausdrücklich im Mietvertrag erwähnt werden. Dazu zählen die bevorstehende Eigennutzung des Vermieters oder eines seiner Angehörigen, die Renovierung des Mietobjektes und die Überlassung als Werkswohnung. 

 

Ein System, das sich bewährt hat und den Mieter vor rechtlicher und faktischer Unterlegenheit gegenüber dem Vermieter und einem Leben in dauernder Unsicherheit schützt. Weg daher mit den Befristungen so schnell wie möglich!

Katastrophales Zeugnis für die Sozialhilfe: Zurück zur Mindestsicherung!

„Das Gesetz ist mittlerweile eine einsturzgefährdete Ruine, was für jene problematisch ist, die sich noch in dieser Ruine befinden“, Martin Schenk von der Armutskonferenz. Gemeint ist das von Türkis-Blau beschlossene Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, das am 1. Juni 2019 in Kraft getreten ist und die Ärmsten der Armen mit zahlreichen Schlechterstellungen und Schikanen konfrontiert.

 

Die Länder hatten die Verpflichtung, innerhalb von 7 Monaten Ausführungsgesetze zu erlassen. Tatsächlich ist dies bis dato (!) erst in 6 Ländern durchgeführt worden (NÖ, OÖ, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Vorarlberg, in Wien nur in Teilbereichen). Während die zuvor geltende Mindestsicherung auf dem Prinzip von Mindeststandards basierte, wurden durch das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz Höchstsätze normiert. Zahlreiche Kann-Bestimmungen lassen den Ländern weite Spielräume, die teils ein menschenwürdiges Leben ohne Armut (absichtlich?) nicht mehr ermöglichen. 

 

Im Jahr 2023 haben Alleinlebende und Alleinerziehende einen Anspruch auf Sozialhilfe von maximal 1.054 Euro. Für Paare beträgt der Maximalbetrag 1.475 Euro. Diese Beträge werden 12mal jährlich gewährt. Die degressive Staffelung für minderjährige Kinder wurde – wie die Verknüpfung der Sozialhilfe mit Sprachkenntnissen („Arbeitsqualifizierungsbonus“) – bereits im Dezember 2019 durch den VfGH aufgehoben. 

 

Novelle 2022

 

Im Jahr 2022 erfolgten durch die türkis-grüne Regierung einige Erleichterungen für die Sozialhilfempfänger. So werden betreute Wohngemeinschaften, Obdachloseneinrichtungen und Frauenhäuser nicht mehr zwingend als „Haushaltsgemeinschaft“ subsumiert. Dies hat zur Folge, dass die Sozialhilfe nicht mehr mit maximal 70 Prozent limitiert wird. Das Pflegegeld wird nicht mehr auf die Sozialhilfe angerechnet, die Wohnbeihilfe allerdings weiterhin, in Zeiten der Rekordinflation und der enorm gestiegenen Mieten und Betriebskosten ein extremer finanzieller Malus für die Betroffenen.

 

Aufhebung des Sachleistungszwangs

 

Am 15. März 2023 wurde eine weitere Schikane des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes aufgehoben. Bis dahin durften Länder erhöhte Wohnbeiträge nur als Sachleistungen erbringen. Darunter fällt insbesondere die direkte Überweisung des Geldes an den Vermieter oder den Stromlieferanten, was für den Sozialhilfempfänger eine besondere Stigmatisierung und Erniedrigung darstellt. Dies widerspricht laut VfGH dem Gleichheitsgrundsatz und ist daher sachlich nicht gerechtfertigt. 

 

Im Jahr 2020 wurden insgesamt 260.114 Personen durch die Mindestsicherung und Sozialhilfe unterstützt. 52 Prozent waren weiblich, 48 Prozent männlich. Der Anteil der Kinder lag mit 37 Prozent über jenem der Frauen (34 %) und Männer (29 %). Die monatliche Mindestsicherungshöhe betrug durchschnittlich 365 Euro. Die Sozialhilfe macht derzeit gerade einmal 0,9 % der Gesamt-Sozialausgaben aus, bezogen auf das Gesamtbudget der Republik nur 0,4 %. 

 

Sozialhilfe-Studie

 

Die von der Armutskonferenz im Herbst 2021 durchgeführte Erhebung zur Sozialhilfe ergab desaströse Resultate. Befragt wurden 103 Teilnehmer, die beruflich Sozialhilfeempfänger unterstützen, darunter (überwiegend) Sozialarbeiter, Juristen, Pädagogen, Psychologen, Soziologen und NGO-Mitarbeiter.

 

Die Aussage „Die Sozialhilfe ist ein geeignetes Mittel, um die Armut zu bekämpfen“ erhielt dabei mit 3,5 (!) noch die beste (!) Bewertung des allgemeinen Fragenblocks. Nur 10,6 % der Teilnehmer sehen in der Sozialhilfe eine Verbesserng der Situation armutsbetroffener Menschen im Vergleich zur bedarfsorientierten Mindestsicherung. Kritisiert werden die nicht einheitlichen Standards (durch die weiten Spielräume der Länder) und das Fehlen wichtiger Verfahrensbestimmungen (wie die Verpflichtung eines schriftlichen Bescheides). Die Aussage „Durch die Einführung der Sozialhilfe wird schneller und effizienter Hilfe gewährt“ erhielt die katastrophale Bewertung von 4,27. Die gröbsten Verschlechterungen liegen laut der Erhebung bei den Härtefällen, der Unterstützung fürs Wohnen, den Geld- und Sachleistungen und den Verfahrensregeln. „Es scheint, dass der optimierte Ressourceneinsatz darauf ausgerichtet ist, durch eine möglichst komplizierte Verfahrensgestaltung, die Non-Take-Up Rate zu erhöhen bzw. Menschen von der Inanspruchnahme der Sozialhilfe auszuschließen“, so im Wortlaut der Studie.

 

19 Punkte für eine neue Mindestsicherung

 

Es wundert daher nicht, dass die Armutskonferenz (ein Netzwerk sozialer Hilfsorganisationen) zahlreiche Reformvorschläge erarbeitet hat, um die Situation der Ärmsten der Bevölkerung zu verbessern. So sollte die „neue Mindestsicherung“ die tatsächlichen ortsüblichen Wohn- und Energiekosten (inkl. der Anmietungs- und Ausstattungskosten) übernehmen. Berücksichtigt werden sollten auch Kreditrückzahlungen im Zusammenhang mit der Wohnraumschaffung, Unterhaltszahlungen, laufende Ausgaben für die Begleichung von Miet- und Energiekostenrückständen und Ratenzahlungen im Rahmen eines Schuldenregulierungsverfahrens. 

 

Eingeführt werden sollte ein Rechtsanspruch auf Sonderbedarfe, die beispielsweise durch Erkrankung oder besondere Lebenslagen entstanden sind. Die Mindeststandards sollten sich nach der Armutsgefährdungsschwelle (aktuell: 1392 Euro monatlich) orientieren. Das System der „vorrangigen Leistungen Dritter“ muss dahingehend verändert werden, dass Unterhaltsforderungen nicht mehr generell als Einkommen gewertet werden. Dies hat derzeit zur Folge, dass volljährige Behinderte, die bei ihren Eltern leben, keine Leistungen mehr erhalten, oder Unterhaltsberechtigte ihre Forderungen gegen Dritte gerichtlich geltend machen müssen, bevor sie Anspruch auf Sozialhilfe haben.

 

Gefordert wird außerdem eine effektive Sofort- und Überbrückungshilfe, aufgrund derer die Behörde bei Notlagen von Amts wegen handeln muss. Die Verfahrensbestimmungen sind zu vereinfachen und sollen den Sozialhilfeempfängern zugutekommen. Die Entscheidungsfrist sollte von 3 Monaten auf ein Monat reduziert werden, bei Anträgen auf die (zahlreichen) Kann-Bestimmungen sollte zwingend eine schriftliche Entscheidung mit Begründung ausgestellt werden. Anstatt Monatsbescheiden sollten Quartalbescheide die Regel sein, bei Dauerleistungsbeziehern ohne Einsatz der Arbeitskraft (wie Älteren, Kranken oder Behinderten) sollte ein Jahresbescheid ausgestellt werden.

 

In dieselbe Kerbe schlägt die Volkshilfe, die – durch die enorm gestiegenen Lebenshaltungs-, Miet- und Energiekosten – eine Armutswelle befürchtet und eine Existenzsicherungsgarantie mit bundeseinheitlichen Mindestgrenzen fordert. Der Caritas-Chef Landau kritisiert nicht nur die Höchstsätze für Sozialhilfeempfänger, sondern sorgt sich auch um das Wohl der Kinder (Stichwort: Kindergrundsicherung!) und der älteren Generation. „Es kann nicht sein, dass sich Mindestpensionisten nach einem arbeitsreichen Leben um Lebensmittelhilfe anstellen müssen!“ 

 

Eine Reform der Sozialhilfe ist im sechstreichsten EU-Staat unabdingbar, bei gleichzeitig qualifizierter Migrations- und restriktiver Flüchtlingspolitik (um hier von vornherein keine falsche Hoffnungen zu wecken). Vermögens- und Erbschaftssteuern oder progressive Kapitalertragsteuern dürfen dabei kein Tabu sein, um allen Bürgern in unserem Heimatland ein menschenwürdiges Leben ohne Armut und ohne Defizite zu ermöglichen.

Schuldenfalle Bürgschaften: SPÖ-Antrag auf Haftungsübernahme nur bis zur eigenen Bonität!

„Bürgen sollst du würgen“ lautet ein nicht gerade sympathisches Sprichwort, das allerdings leider oft der Wahrheit entspricht. Wer eine Bürgschaft eingeht, verpflichtet sich, die fremde Schuld zu übernehmen, wenn der Hauptschuldner die vereinbarte Leistung nicht erbringt.

 

Besonders gefährlich ist die oft vereinbarte Bürgschaft als „Bürge und Zahler“, die sogenannte Solidarbürgschaft. Hier haben die Gläubiger die Wahl, ob sie bei Zahlungsverzug den Hauptschuldner oder sofort den Bürgen in Anspruch nehmen, und das sogar ohne Mahnung des Hauptschuldners. Bei einer Ausfallsbürgschaft dagegen wird der Bürge erst subsidiär beansprucht, wenn der Hauptschuldner nicht zahlen kann oder nicht auffindbar ist. 

 

Vor allem junge Familien planen zu Beginn ihrer Ehe oder ihrer Lebensgemeinschaft teure Investitionen für die Zukunft und schließen in diesem Zusammenhang Kreditverträge ab, bei denen der Partner als zusätzliche Sicherheit – scheinbar ohne Risiko – eine notwendig schriftliche Bürgschaftserklärung abgibt. Zumeist ohne fundierte rechtliche Beratung, wobei diese ohnehin nicht ernstgenommen würde, man schwebt ja gemeinsam auf Wolke 7.

 

Das bittere Erwachen kommt dann, wenn der Ernstfall eintritt und der Bürge vom Gläubiger in Anspruch genommen wird. Besonders Frauen sind laut der Schuldnerberatung davon betroffen. Mehr als 21.000 Frauen haben 2021 Rat bei der Schuldnerberatung gesucht, der durchschnittliche Schuldenbetrag betrug 48.000 Euro. Als Gründe für die Überschuldung wurden neben Arbeitslosigkeit (bzw. Einkommensverschlechterung) und dem Umgang mit Geld die Scheidung bzw. Trennung genannt. 

 

11 Prozent der betroffenen Frauen nannten als besondere Kategorie die Schuldenfalle der Bürgschaften. Viele Frauen bürgten als „solidarische Partnerin“ für den Kredit ihres Ehemannes oder Lebensgefährten und mussten dann – nach Ende der Beziehung – feststellen, dass sie weiterhin für dessen Schulden haften. In Einzelfällen gibt es zwar einige Exit-Strategien (wie ein grobes Missverhältnis zwischen der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bürgen und der Höhe der Haftung oder die zu beweisbare Abgabe der Bürgschaftserklärung in einer Zwangslage oder aufgrund der Abhängigkeit vom Hauptschuldner), die zu einem Erlass oder zu einer Reduzierung der Haftung führen können. Der Regelfall sieht allerdings anders aus.

 

Die SPÖ hat daher im Nationalrat einen Entschließungsantrag eingebracht, um diese leichtsinnigen Schuldenfallen von vornherein zu verhindern. Die Haftungsübernahme als Bürge soll mit der persönlichen Bonität beschränkt werden. Einkommenslose Haushaltsangehörige dürften dann überhaupt nicht mehr herangezogen werden. Ein Vorschlag, der bereits seit Jahren von der Schuldnerberatung gefordert wird. Der Ball liegt jetzt im Parlament…

Umverteilungs-Studie: Breite Mehrheit für Vermögensteuern und geringere Steuern für Arbeitnehmer!

„Reicher Mann und armer Mann standen da und sah’n sich an. Und der arme sagte bleich, wär ich nicht arm, wärst du nicht reich“, das hat der berühmte deutsche Dramatiker Bertolt Brecht bereits 1934 formuliert. Und er konnte damals bei weitem nicht ahnen, wie sich innerhalb von 90 Jahren die Ungleichheit in der Gesellschaft galoppartig weiterentwickelt. 

 

Aktuell verdienen die obersten 20 Prozent der Einkommensbezieher rund viermal so viel wie die untersten 20 Prozent, die ATX-Vorstände erhielten 2018 das 64fache des Medianlohns. Noch extremer sind die Relationen beim Vermögen: Das reichste 1 Prozent besitzt rund 40 Prozent des Nettovermögens, die unteren 50 Prozent nur 3 Prozent. Durch die Corona-Pandemie und die Inflationskrise haben sich die finanziellen Verhältnisse für die ärmere Bevölkerung noch weiter verschlechtert, während die Vermögenden noch reicher geworden sind.

 

Warum die Politik nicht gegensteuert? Forscher gehen davon aus, dass durch die emsige Arbeit der Lobbyisten Wirtschaftsinteressen (in Verbindung mit Wettbewerbsvorteilen und Arbeitsplatzsicherheiten) in den Vordergrund gerückt werden. Gerne wird von den „Mächtigen“ auch behauptet, dass „die Bürger keine stärker umverteilende Politik“ wollen. Hier handelt es allerdings um einen Trugschluss, wie die aktuelle SORA-Studie „Umverteilung – So denken die Vielen“ zeigt.

 

Repräsentative Studie

 

Befragt wurden im Rahmen einer repräsentativen Studie 2000 Menschen ab 16 Jahren mit Wohnsitz in Österreich. Die Interviews wurden zwischen dem 26. Juli und dem 25. September 2022 durchgeführt. Im Mittelpunkt standen dabei die Haltung der Menschen zur Einkommens- und Vermögensverteilung und die Bewertung ausgewählter Maßnahmen in den Bereichen Steuern, Arbeit und Soziales. Zwecks Analyse von Unterschieden je nach Einkommen wurden die Menschen in drei Klassen unterteilt, die oberen Klassen (= obersten 10 Prozent mit einem äquivalisierten Nettohaushaltseinkommen von mindestens 3370 Euro), die Mittelklassen (= die folgenden 40 Prozent) und die unteren Klassen (= unteren 50 Prozent mit einem N.-Einkommen unter 1950 Euro).

 

Einkommens- und Vermögensverteilung ungerecht

 

Die Ergebnisse sprechen eine eindeutige Sprache: So sind 69 Prozent der Österreicher davon überzeugt, dass die Einkommensverteilung ungerecht ist. Noch höher ist der Wert mit 71 Prozent bei der Vermögensverteilung. Die absolute Mehrheit wird in allen drei Klassen erzielt, bei den oberen Klassen ist sie etwas geringer ausgeprägt.

 

Erschütternd sind eigentlich die Ergebnisse über die Bewertung des politischen Systems, die mit der zunehmenden Ungleichheit in der Gesellschaft im Zusammenhang stehen: 75 Prozent der Interviewten gaben an, dass „das politische System wenig bzw. gar nicht gut funktioniert“, die Politik wird von rund 80 Prozent für die krassen Einkommensunterschiede zwischen Arm und Reich verantwortlich gemacht.

 

80 Prozent für geringere Steuern auf Arbeit

 

Spannend für die künftige Entwicklung Österreichs sind auch die Resultate bezüglicher diverser politischer Maßnahmen, die aus dem Regierungsprogramm 2020, Oppositionsvorschlägen und Positionspapieren von Interessensvertretungen selektiert wurden. So votieren 80 Prozent für eine Senkung der Steuern für Arbeitnehmer und für eine Senkung der Steuern auf Lebensmittel. Letztere Maßnahme wurde in Österreich – trotz des Vorbilds vieler europäischer Staaten – sogar im Rahmen der Inflationskrise von der türkis-grünen Bundesregierung abgelehnt.

 

2/3-Mehrheit für Vermögenssteuern

 

65 Prozent der Befragten sind für die Einführung einer Vermögenssteuer, 55 Prozent für eine Erhöhung der Steuern auf Unternehmensgewinne und 48 Prozent für die Einführung einer Erbschaftssteuer für große Erbschaften. Warum dieser Wert vergleichsweise gering ist, könnte auf die Angst oder Unsicherheit der Bürger zurückzuführen sein, dass sie davon betroffen sind. Paradebeispiel: Die Vererbung von Einfamilienhäusern oder Eigentumswohnungen an die Söhne und Töchter, die allerdings bei nahezu allen Modellen unter den Freibeträgen (500.000 – 1 Million Euro) liegt.

 

Höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen

 

Im Politikfeld Arbeit sprachen sich 88 Prozent der Befragten für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in besonders anstrengenden Berufen und 87 Prozent für Lohnerhöhungen in Branchen mit niedriger Bezahlung aus. Mehr als 80 Prozent fordern Richtlinien für Unternehmen, damit Ältere bis zur Pension gesund arbeiten können. Eine Mehrheit goutiert mehr Geld für Umschulungen und mehr Unterstützung für Arbeitslose, allerdings auch strengere Bestimmungen. 55 Prozent sind gegen eine dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes, das derzeit ohnehin nur 55 Prozent des täglichen Nettoeinkommens beträgt. Grund vermutlich die subjektiv zu gering empfundene Differenz zwischen Arbeitseinkommen und Arbeitslosengeld bzw. Mindestsicherung, die allerdings durch eine geringere Besteuerung der Arbeit verbreitert werden könnte. Mehrheitlich abgelehnt wird auch eine Erleichterung der Einwanderungsbestimmungen, um Arbeitskräfte ins Land zu holen.

 

Verbesserung der Bildungschancen

 

Im sozialen Bereich fordern 81 Prozent eine Verbesserung der Bildungschancen bei schlechteren Startbedingungen, 77 Prozent mehr Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Armut und rund 70 Prozent dauerhaft mehr Geld für Familien und die Mittelschicht. Während sich die Mehrheit (61 Prozent) für einmalige Zahlungen für arbeitslose und armutsgefährdete Menschen in Ausnahmesituationen ausspricht, wird die Erhöhung der Sozialhilfe (42 Prozent Zustimmung, 36 Prozent Ablehnung, Rest keine Meinung) eher zwiespältig gesehen. 

 

Breite Mehrheit für Umverteilung

 

Betrachtet man die Ergebnisse dieser Studie als Gesamtresümee, besteht seitens der Bevölkerung eine breite, klassenunabhängige Unterstützung für Umverteilungs-Maßnahmen, egal, ob es sich um Steuersenkungen für Beschäftigte, die Einführung einer Vermögenssteuer, Lohnerhöhungen für niedrig bezahlte Branchen (wie Elementarpädagogik, Pflege, Gastro, Verkauf), mehr Geld für Familien oder die Verbesserung des Bildungssystems handelt. 

 

Dass es sich hier vorwiegend um Themen handelt, die mit dem Programmen und der Leitlinien der Sozialdemokratie kohärent sind, liegt auf der Hand. Bei der nächsten Nationalratswahl sollte man – mit Selbstbewusstsein und mentaler Stärkung durch diese Studie – eine zielgerichtete Kampagne konzipieren und klar darlegen, wie sich das Leben in Österreich durch diese Umverteilungsmaßnahmen für alle verbessern kann. Es dürfen nicht weitere Elfmeter im gegnerischen, konservativ-neoliberalen Tor versenkt werden…

Armuts-Studie: Dringender Bedarf nach Kindergrundsicherung und konsumfreien Räumen!

Es sind Zahlen und Fakten, die im viertreichsten Land der EU gleichzeitig traurig und zornig machen. In Österreich waren 2021 – also noch mitten in der Corona-Pandemie und vor der Inflationskrise – 368.000 Kinder und Jugendliche armutsgefährdet. Würde man diese nebeneinanderstellen, ergäbe das laut Volkshilfe eine Menschenschlange von Wien nach Klagenfurt. Betroffen sind vor allem Kinder in Ein-Eltern-Haushalten, Mehr-Kinder-Haushalten, Kinder von Langzeitsarbeitslosen und Familien, bei denen eine Person eine Behinderung oder eine chronische Erkrankung aufweist.

 

Die Zeiten haben sich für diese Personengruppen jetzt noch drastisch verschlechtert. Die Inflation lag 2022 bei 8,6 Prozent, bei Energie (36,8 Prozent) und Lebensmittel noch weit höher. Betroffen sind hier vor allem die unteren Einkommensbezieher, da diese auf die Grundbedürfnisse des Lebens nicht einfach verzichten können. Jede zweite armutsgefährdete Person gibt drei Viertel ihres Einkommens alleine für Wohnkosten aus.

 

Armutsgefährdung

 

Als armutsgefährdet gilt laut einer EU-Definition jemand, der in einem Haushalt lebt, dem weniger als 60 Prozent des Nettomedianeinkommens (2021: 2484 Euro) zur Verfügung steht. Die Armutsgefährdungsschwelle beträgt dementsprechend bei 2 Erwachsenen und 1 Kind aktuell 2467,8 Euro, bei 2 Kindern 2879 Euro, bei Alleinerziehenden und 1 Kind 1782,3, bei 2 Kindern 2193,6 Euro. 

 

Telefonbefragung

 

Die GÖG (Gesundheit Österreich GmbH) hat gemeinsam mit der Volkshilfe und Fachkräften der Sozialen Arbeit zwischen 21. Februar und 13. März 2023 eine nichtrepräsentative Telefonbefragung bei von Armut betroffenen Eltern durchgeführt. Befragt wurden 103 Haushalte, die bereits bei einem Existenzsicherungs-Projekt der Volkshilfe mitgewirkt haben. 80 % davon waren weiblich, 61 % alleinerziehend, 39 % erhielten die bedarfsorientierte Mindestsicherung. Der Fragebogen enthielt 40 Fragen über die Wohn- und Lebensbedingungen, die psychischen Belastungen und den Schutz der Kinder vor Kälte in armutsbetroffenen Familien. 

 

Wohnverhältnisse

 

Die Mängel in den Wohnungen reichen von undichten Fenstern, einer energieintensiven Heizung, schlecht isolierten Böden bis hin zu Schimmel und Feuchtigkeit. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass sie aufgrund der explodierenden Heizkosten ihre Kinder nur eingeschränkt vor Kälte in der Wohnung schützen können. 

 

Die Heizkosten sind allerdings nicht die einzigen Sorgen, die die armutsgefährdeten Haushalte belasten. Dazu kommen noch die steigenden Kosten für Essen, Verkehr, Schule, aber auch die mangelnde Unterstützung durch die Politik. Gleich 41 % fühlen sich von den Volksvertretern im Stich gelassen.

 

Trotz der finanziellen Probleme wurde mehrheitlich aber mehr geheizt, wenn die Kinder gefroren haben. Als Alternative mussten die Kinder warme Kleidung (inkl. Straßenwinterkleidung wie Mäntel und Jacken) anziehen, warme Getränke trinken, Wärmeflaschen verwenden oder warm duschen. 

 

Einschränkungen für Kinder

 

Die steigenden Energiekosten führten innerhalb der Familie allerdings dazu, dass andere Bedürfnisse der Kinder eingeschränkt werden mussten. Dies betrifft vor allem Freizeitaktivitäten, Gewand, Essen und soziale Kontakte. So mussten u.a. auch die Betreuungskosten für den Kindergarten oder die Nachmittagsbetreuung eingespart werden, um über die Runden zu kommen.

 

Öffentlicher Raum

 

Der öffentliche Raum wird von einem Viertel der Familien genutzt, um die Kinder aufzuwärmen. Beliebte Orte sind vorwiegend Einkaufszentren, Geschäfte, Cafes, Büchereien und Schwimmbäder, aber auch wärmere Wohnungen von Bekannten, Verwandten und Freundinnen. Der Hauptgrund, warum diese Räume nicht öfter genutzt werden, liegt an den teuren Eintrittspreisen. Müdigkeit, teurer Sprit, mangelnde Zeit aufgrund der Arbeit, keine Angebote in der Umgebung oder eine Abneigung der Kinder sind weitere Gründe. Die befragten Haushalte wünschen sich in diesem Zusammenhang vor allem öffentliche (Indoor)-Spielplätze, kostenlose warme Räume, Büchereien und Gemeindezentren. Bedenklich: Jede fünfter bzw. jeder 10. Haushalt gab an, dass ein Bedarf nach warmer Kleidung bzw. Winterschuhen besteht.

 

Kindergrundsicherung

 

Die politischen Lösungsalternativen liegen auf der Hand. Von seiten der Infrastruktur müssen konsumfreie Räume geschaffen werden, die laut der Armutsforschung nicht nur gegen Kälte schützen, sondern auch soziale Teilhabe ermöglichen und Einsamkeit und Isolation verhindern. Bundesweit sollte endlich eine Kindergrundsicherung eingeführt werden, die sich an den monatlichen Kinderkosten orientiert. Ein von der SPÖ unterstütztes Modell der Volkshilfe liegt vor. Sollte sich dafür im Parlament keine Mehrheit finden, dann ist Österreich noch ärmer dran als bisher. In jeder Hinsicht.

 

https://www.volkshilfe.at/fileadmin/user_upload/Media_Library_Kinderarmut/News_Artikel/2023/01_Kaelte/GOEG_2023_MultipleBelasungen_Winter22-23-VH.pdf

Transparenz und Qualifikation statt Parteipolitik: 50 Vorschläge der „Initiative Bessere Verwaltung“

„In den Ministerien arbeiten teilweise Personen, die noch vor 2 Jahren in einer Vorlesung von mir waren“, Verfassungsrechtler Dr. Heinz Mayer im Polit-Podcast „Ganz offen gesagt“. Alleine im Bundeskanzleramt sitzen laut einer SPÖ-Anfrage 104 PR-Mitarbeiter, in allen 14 Kabinetten rund 250 Personen, meist ohne Fachkompetenz und Lebenserfahrung mit lediglich einem Atout, dem richtigen Parteibuch. In Deutschland dagegen sind die Kabinette mit hochqualifizierten Beamten belegt. Ein untragbarer Zustand, und beileibe nicht der einzige in der Bundesverwaltung.

 

16 renommierte Proponenten, darunter auch Mayer selbst, Irmgard Griss, Clemens Jabloner, Oliver Scheiber und Judith Kohlenberger, haben daher die „Initiative Bessere Verwaltung“ gestartet und – subsumiert unter 7 Kategorien – 50 Vorschläge für eine moderne, transparente und digitale Verwaltung erstellt. Die Neuordnung der Bundesministerien ist dabei eines der Kernelemente. Die Zahl der Mitarbeiter in den Kabinetten soll auf 6 Personen reduziert werden. Voraussetzung ist eine entsprechende Qualifikation, eine Doppelverwendung in den Kabinetten und den Ministerien soll verboten werden. Damit soll der derzeitige Usus verhindert werden, dass Personen aufgrund ihres Parteibuchs in den Kabinetten Karriere machen und dann in den Ministerien die fachlich qualifizierten, unprotegierten Beamten verdrängen. 

 

Im Bundeskanzleramt soll eine strategische Koordinationsstelle errichtet werden, um Steuerungsdefizite zwischen den Ressorts bzw. zu den Ländern auszugleichen. Bei diversen Verhandlungen sollen Städte und Gemeinden gleichberechtigt eingebunden werden. 

 

Ein immenser Kritikpunkt sowohl bei den Flüchtlingsbewegungen 2015 als auch bei der Covid-Pandemie und der Inflationskrise war das schlechte Krisenmanagement der Bundesregierung. Hier plädieren die Proponenten u.a. für eine systematische Auswertung aller vorhandenen Informationsquellen, die Einbeziehung von Wissenschaft, Wirtschaft und NGO´s in Früherkennungssysteme und eine klare Kommunikation der politischen Strategien in Krisen. Das Krisenmanagement soll von politischen Interventionen abgeschirmt werden. Ein Regierungskoordinator soll bestellt werden, der verantwortlich ist für die Umsetzung der strategischen Ziele und Prioritäten und für die Leitung der Krisenkommunikation.

 

Das Amtsgeheimnis soll endlich durch ein Informationsfreiheitsgesetz abgelöst werden. Studien und Gutachten, die durch die Verwaltung mit Steuergeld in Auftrag gegeben wurden, sollen verpflichtend publiziert werden und nicht hinter dem Vorhang verschwinden, weil sie ein „parteipolitisch nicht konformes“ Ergebnis hervorgebracht haben. Eine zentrale Whistleblowerstelle soll Bundesbediensteten und Bürger die Möglichkeit geben, Missstände unmittelbar zu melden. Wie in Deutschland soll eine Geschäftsordnung der Bundesregierung beschlossen werden, die die Zusammenarbeit zwischen dem Bundeskanzler und dem Bundesministern regelt. 

 

Die Mühlen der Partei-Politik mahlen leider (viel) langsamer als die der unabhängigen Vordenker. Und so dürften noch einige Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vergehen, bis wir in Österreich eine transparente, moderne und top-organisierte Verwaltung haben…

„Housing First“: Wie man Obdachlosigkeit sozial und würdevoll bekämpft!

Immer wieder taucht es bei Volksbegehren oder im Forderungskatalog von engagierten NGO´s auf, das Grundrecht auf Wohnen. Man wird ja wohl noch träumen dürfen. Denn die Fakten sprechen eine andere Sprache. In Europa schlafen ca. 700.000 Personen auf der Straße, in Deutschland allein gelten rund 178.000 Menschen als obdachlos oder wohnungslos, in Österreich ca. 20.000. Wobei diese Zahlen allerdings mit einer enormen Dunkelziffer behaftet sind.

 

Ethos-Richtlinien

 

Als obdachlos gilt nach den ETHOS-Richtlinien jemand, der im öffentlichen Raum lebt oder in Notschlafstellen die Nacht verbringt. Zu den Wohnungslosen zählen Menschen, die in Übergangswohnheimen, zeitlich befristeten Unterkünften, Herbergen oder Frauenhäusern übernachten. Nicht von diesen Definitionen umfasst sind daher die Fälle verdeckter Wohnungslosigkeit. Das sind beispielsweise Personen, die bei Familienmitgliedern oder Freunden nächtigen. Dazu gehören vermehrt wohnungslose Frauen, die in der offiziellen Statistik „nur“ 31 Prozent ausmachen und die aufgrund fehlender Angebote keine andere Wahl haben als bei Bekannten (mit teils nicht ungefährlichen Motiven) zu schlafen.

 

Gründe der Obdachlosigkeit

 

Die Gründe für die Obdachlosigkeit sind vielfältig und basieren laut Amnesty International auf einem Zusammenspiel von strukturellen Problemen (wie Armut, prekärer Arbeit, dem Fehlen leistbaren Wohnraums und geschlechtsspezifischer Gewalt) und persönlichen Schicksalsschlägen. Der Fonds Soziales Wien hat 2016 eine Befragung mit 2500 Obdachlosen durchgeführt: 42 % der Personen wurden arbeitslos und konnten die Miete nicht mehr zahlen, 32 % hatten eine Trennung bzw. Scheidung hinter sich, 26 % gingen zu leichtsinnig mit dem Geld um, und rund 20 % verloren die Wohnung aufgrund einer psychischen oder physischen Erkrankung. 

 

Hürden

 

Dass Obdachlose durch den Sozialstaat ausreichend aufgefangen werden, ist allerdings ein Irrglaube. Es existieren zahlreiche bürokratische und persönliche Hürden, von der Antragstellung von Unterstützungsleistungen, mangelnden Informationen, einem labyrinthartigen System-Wirrwarr bis hin zu sprachlichen Defiziten. Bestimmte Personengruppen sind außerdem per Gesetz vom Zugang zur Wohnungshilfe ausgeschlossen. Ein Anspruch auf Wohnungslosenhilfe für österreichische Staatsbürger (und Gleichgestellte) besteht in Wien beispielsweise nur dann, wenn man in Wien obdachlos geworden ist. Föderalismus-Irrsinn auf dem Rücken der Ärmsten der Armen.

 

Werden diese Kriterien nicht erfüllt, stehen nur Notunterkünfte zur Verfügung, für die ein finanzieller Beitrag (!) zu leisten ist und die man tagsüber wieder verlassen muss. Dabei handelt es sich vorwiegend um Mehrbettzimmer und Schlafsäle, was vor allem Frauen und Personen aus der LGBTIQ-Community abschreckt. Haustiere, zumeist die einzigen Begleiter der Gestrandeten, sind in vielen Notschlafstellen verboten.

 

Housing First in Finnland

 

Finnland geht hier einen ganz anderen Weg. Unter dem Motto „Housing First“, einem in New York Mitte der 90er entwickelten Konzept, müssen Obdachlose nicht den gesamten bürokratischen Dschungel durchwaten und ihre „Wohnfähigkeit“ beweisen, sondern bekommen als erstes sofort eine Wohnung. Die entsprechenden Heimstätten, sowohl Wohneinheiten als auch Einzelwohnungen, werden von Stiftungen zur Verfügung gestellt. Der Obdachlose ist Mieter der Wohnung, die Miete wird vom Staat bezahlt. Sozialleistungen wie medizinische und psychologische Betreuung und Hilfe bei behördlichen Anträgen werden freiwillig (!) angeboten und sind keine Voraussetzung dafür, dass die Wohnung bezogen werden kann. Es bietet sich damit für den Wohnungslosen eine zweite Chance im Leben, ohne sein Gesicht zu verlieren. 

 

Anspruch auf diese Wohnungen haben allerdings nur finnische Staatsbürger, andere Personengruppen (wie EU-Ausländer oder Drittstaatsmigranten) dürfen nur in Notunterkünften übernachten und Geld verdienen beim Verkauf von Obdachlosenmagazinen. Zumindest für die eigenen Staatsangehörigen hat sich das System sowohl sozial als auch finanziell bewährt. Zwischen 75 und 90 Prozent der ehemaligen Obdachlosen wohnen laut diverser Studien weiterhin in ihren neuen Wohnungen, und laut einer Fallstudie haben sich die Kosten pro Person bis zu 15.000 Euro jährlich reduziert, und zwar vor allem in den Bereichen Gesundheit, soziale Dienstleistungen, Rechtssystem und Polizei. 

 

Österreich

 

„Housing First“-Angebote gibt es vereinzelt auch schon in Österreich, allerdings nicht eingebettet in ein globales System wie in Finnland, wo diese vorbildliche Sozialpolitik unabhängig von den jeweiligen Regierungskoalitionen kontinuierlich durchgezogen wird. „In Finnland ist Konsens, dass Wohnungslosigkeit in einem so reichen Land eine Schande ist“, so der deutsche Soziologe Volker Busch-Geertsema. Diese Maxime kann man nur unterschreiben.

 

In Österreich dürfte man in sozialen Belangen (negativ) abgebrüht sein. Im viertreichsten Land der EU werden die Reichen immer reicher, während gleichzeitig 1,3 Millionen Menschen (inkl. 370.000 Kinder) armutsgefährdet sind. Die Lösungen (wie Vermögens- und Erbschaftssteuern, Kindergrundsicherung, Mietpreisbremsen,…) liegen alle auf dem Tisch, sie werden aber politisch nicht umgesetzt. Das lässt in der aktuellen Teuerungskrise, die die Anzahl der Delogierungen in die Höhe schnellen lassen wird, nichts Gutes erwarten…

UN-Kinderrechts-Report: „Nachhilfebedarf“ für Österreich bei Bildung, Gesundheit und Armutsbekämpfung.

„Man darf nicht verlernen, die Welt mit den Augen eines Kindes zu sehen (Henry Matisse). 

 

Die Erwachsenen haben dementsprechend nicht nur die gesetzliche, sondern auch die aus tiefstem liebenden Herzen kommende Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass es den Kindern und Jugendlichen gutgeht und dass sie in allen Lebensbereichen bestmöglich aufwachsen. Diverse Rechte der Kinder sind umfassend geregelt in der UN-Kinderrechtskonvention, die von allen UN-Mitgliedstaaten außer den USA ratifiziert wurde. Österreich gehört zu den Erstunterzeichnerstaaten im Jahre 1990, bei der Umsetzung der Kinderrechte ist die Alpenrepublik in wichtigen Teilen aber säumig, wie der letzte Report des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes im Jahr 2020 zeigt.

 

Dieser alle 5 Jahre erscheinende Bericht begrüßt zwar die Harmonisierung der Jugendschutzgesetze der Bundesländer, die Einrichtung des Kinderrechte-Boards oder das Gewaltschutzgesetz (mit den Betretungs- und Annäherungsverboten für Gefährder innerhalb einer Schutzzone von 100 Metern), zeigt aber auch schonungslos die Defizite Österreichs in den Bereichen der Bildung, der Gesundheitsversorgung und der kaum vorhandenen Partizipation der Kinder an der Umsetzung der Ziele und Programme.

 

Kinder- und Jugendhilfe

 

2018 wurde die Kinder- und Jugendhilfe in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder übertragen. Der UN-Ausschuss befürchtet in diesem Zusammenhang eine uneinheitliche Anwendung der Rechtsvorschriften. Trotz verschiedener Aktionspläne bestehe in Österreich keine umfassende Strategie zur Umsetzung der Kinderrechte, als Alternative wird ein ständiges Koordinationsgremium mit diesbezüglichen Kompetenzen und Ressourcen vorgeschlagen.

 

Ehemündigkeit

 

Der UN-Ausschuss fordert Österreich auf, die Ausnahmen für das Ehemündigkeitsalter von 18 Jahren zu streichen. Nach aktueller Rechtslage können in Österreich Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren unter bestimmten Voraussetzungen (Reife, Volljährigkeit des Partners, Zustimmung des gesetzlichen Vertreters) eine Ehe schließen.

 

Klimaschutz

 

Bei allen legislativen Verfahren sollen die Auswirkungen der Gesetze auf das Kindeswohl eingeschätzt werden. Im besonderen nennt der UN-Ausschuss die in Österreich im Vergleich zur Rest-EU eher schleißige Klimaschutzpolitik und ihre Folgen für die Gesundheit der Kinder. So ist der Sektor Verkehr für rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich, in den letzten 20 Jahren hat dieser fünfmal so stark zugenommen wie im EU-Schnitt. 

 

Recht auf Gehör

 

Der UN-Ausschuss fordert die formelle rechtliche Verankerung der Meinung des Kindes, konkret ein Recht des Kindes auf Gehör in allen Gerichts- und Verwaltungsverfahren, die verpflichtende Bestellung eines Kinderbeistandes bei Verfahrensstreitigkeiten zwischen den Eltern (wenn keine Einigung erzielt wurde und bei Gewalt gegen eine der Betreuungspersonen) und die Ausweitung des Systems der „kinderanwaltlichen Vertrauensperson“ auf alle Kinder in öffentlichen Einrichtungen (inkl. Wohnheime, Internate, psychiatrische Einrichtungen, Asylheime,…).

 

Cybermobbing und Grooming

 

Kinder müssen geschützt werden vor physischer und psychischer Gewalt. Insofern müssen Strategien und Kampagnen konzipiert werden, um den Missbrauch und die Vernachlässigung von Kindern zu bekämpfen. Bei Strafverfahren muss eine angemessene therapeutische Begleitung gewährleistet werden. Neue Formen der Internet-Kriminalität wie Cybermobbing und Grooming müssen adäquat verfolgt werden. Die dazugehörigen Straftatbestände wurden in Österreich bereits umgesetzt. Und das nicht ohne Grund. So wurden laut einer HBSC-Studie bereits 1/3 der befragten Schüler u.a. durch E-Mails, WhatsApp, Postings oder Anrufe belästigt.

 

Alternative Betreuung

 

Bezüglich Kindern, die nicht in einem familiären Umfeld aufwachsen können, fordert der UN-Ausschuss bundesweite Qualitätsstandards für alternative Betreuungsformen, die gleichzeitig auch für Kinder nichtösterreichischer Abstammung gelten. Vor allem die Diskriminierungen unbegleiteter, älterer Flüchtlingskinder bezüglich Unterstützung und Höhe der Tagessätze sind abzustellen. Für alle unbegleiteten und von ihren Familien getrennten Flüchtlinge soll sofort nach der Ankunft ein gesetzlicher Vertreter bestellt werden. 

 

Inklusives Bildungssystem

 

Der Nationale Aktionsplan Behinderung (inkl. der Einrichtung inklusiver Modellregionen) wird seitens der UN goutiert. Nicht vorhanden sei aber ein umfassender Plan in allen Bundesländern, die Barrierefreiheit von öffentlichen Gebäuden, öffentlichen Verkehrsmitteln, Schulen und Spielplätzen sei weiterhin unzureichend. Dringend urgiert wird die Stärkung der inklusiven Bildung in Regelschulen und die Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems mit qualifiziertem Lehrpersonal, angepassten Lehrplänen und Unterrichtsmaterialien.

 

Kinderarmut

 

In Österreich, dem viertreichsten Staat der EU, sind derzeit 368.000 Kinder (23 %) armuts- und ausgrenzungsgefährdet. Dies betrifft vor allem Kinder in Haushalten mit mehr als drei Kindern, in Ein-Eltern-Haushalten und in Migranten-Haushalten. Unter diesen Umständen kann man von Chancengleichheit nicht mehr sprechen, eines der Kernprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention. Die UN-Experten fordern einen „bundesweit einheitlichen Mindestlebensstandard“, der durch die zuletzt dezimierte, unterschiedliche Sozialhilfe in den Ländern nicht erfüllt ist. Österreich sollte zusätzlich eine Kindergrundsicherung einführen, die sich an den aktuellen monatlichen Kinderkosten orientiert. 

 

Gesundheitsversorgung

 

Immense Kritik und Besorgnis äußert der UN-Ausschuss über die gesundheitliche Grundversorgung der Kinder, vor allem hinsichtlich der Behandlung von psychischen Erkrankungen (wie Angstzuständen, Depressionen oder Essstörungen). Das zeigen leider auch aktuelle Zahlen, die sich durch die Corona-Krise noch deutlich verschlechtert haben. Laut eines deutschen interministeriellen Berichtes sind noch immer 73 Prozent der Kinder psychisch belastet, in Österreich gaben bei einer Befragung der Med-Uni Wien und der Donau-Uni Krems 16 Prozent der Jugendlichen an, suizidale Gedanken zu haben. Und das gerade zu einem Zeitpunkt, als das Ausmaß der klinischen Infrastruktur schon fast an fahrlässiger Gesundheitsgefährdung grenzt. Gemäß einer Bedarfsplanung sollte es in Österreich 890 Betten für die Kinder- und Jugendpsychiatrie geben, tatsächlich waren es 2020 349. Ähnlich schlechte Zahlen existieren bei Ambulatorien und Kassenordinationen.

 

Immer problematischer wird auch die Zwei-Klassen-Medizin bei den Kindern. Von den insgesamt 609 Kinder-Praxen haben laut Verein KIB children care nur rund 250 einen Kassenvertrag. Zahlreiche Kassenärzte gehen in den nächsten Jahren in Pension, in den ländlichen Regionen sind Kassenstellen unbesetzt, die immer höhere Anzahl von Wahlärzten können sich vor allem ärmere Haushalte kaum leisten. 

 

Bildung

 

Im Zenit des Berichts steht das österreichische Bildungssystem. Gefordert wird - unabhängig von ihrem sozioökonomischen Status - ein gleichberechtigter Zugang aller Kinder zu einer unentgeltlichen und hochwertigen Grund- und Sekundarschulbildung. Die Entscheidung über die weitere Schullaufbahn der Kinder soll hinausgezögert werden. Das sind Wunschvorstellungen, die nur durch eine Revolution innerhalb des heimischen Schulsystems durchgeführt werden könnten. Stichworte: Gesamtschule bis 14, Erweiterung der verschränkten ganztägigen Schulformen und ein Chancen-Index für Brennpunktschulen. In Hamburg werden die finanziellen Mittel nach dem sozialen Status der Schüler verteilt, in Österreich wurde jetzt wenigstens ein Pilot-Projekt unter dem Motto „100 Schulen – 1000 Chancen“ gestartet. Den Run auf die nicht billigen Privatschulen werden derartige Initiativen aber nicht verhindern. 

 

Nicht speziell erwähnt im UN-Bericht wurden die Kindergärten. Auch diese müssen strukturell und finanziell aufgewertet werden. Österreich verwendet 0,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Krippen, Kindergärten und Vorschule, Länder wie Schweden und Norwegen rund zwei Prozent. Die Probleme reichen von hohen Betreuungsschlüsseln, schlechten Arbeitsbedingungen, mangelnder Bezahlung (und damit zu wenig Personal) bis zu mangelhafter Infrastruktur. Man darf davon ausgehen, dass die Elementarpädagogik beim nächsten periodischen Bericht des UN-Ausschusses 2025 an prominenter Stelle aufscheint. Denn es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung, keine Bildung. 

Nicht einklagbar: UN-Kinderrechts-Konvention muss in den Verfassungsrang!

172.015 Bürger haben das Kinderrechte-Volksbegehren unterzeichnet, das kürzlich in einer Nationalratssitzung behandelt wurde. Die darin von den Proponenten geforderten fünf Maßnahmen bedürfen laut deren Ausführungen „aufgrund ihrer überfälligen Umsetzung keiner gesonderten Begründung“. Tatsächlich stellen die Forderungen nur die Spitze des Eisberges dar.

 

Forderungen des Kinderrechte-Volksbegehrens

 

Die Unterstützer des Volksbegehrens fordern eine „signifikante und nachhaltige Erhöhung des Kinderbetreuungsgeldes“ und die Umsetzung einer staatlichen Unterhaltsgarantie. Derzeit greift der Unterhaltsvorschuss nicht in allen Fällen. Kein Anspruch besteht dann, wenn der Unterhaltsbetrag vom zahlenden Elternteil nicht eingefordert werden kann, beispielsweise bei Insolvenz oder dauernder Arbeitsunfähigkeit. In Schulen fordern die Unterzeichner des Volksbegehrens die tägliche Turnstunde und regional bezogenes, kostenloses Schulessen. Auf der Wunschliste steht auch ein Bundesverfassungsgesetz mit einem Importverbot von „Produkten, die Kinderarbeit im Produktionsprozess oder der Lieferkette aufweisen“. 

 

Als globalen Punkt Nr. 1 fordern die Proponenten die „vollständige Verankerung der UN-Kinderrechtskonvention im Verfassungsrang“. Dies hätte zur Folge, dass die darin genannten Rechte von Kindern und Jugendlichen vor dem Verfassungsgerichtshof eingeklagt werden könnten. Dies ist derzeit nicht der Fall. 

 

UN-Kinderrechtskonvention

 

Das „Übereinkommen über die Rechte des Kindes“ (kurz: UN-Kinderrechtskonvention) trat am 2. September 1990 in Kraft. Alle UN-Mitgliedstaaten mit Ausnahme der USA sind dieser Konvention beigetreten, die in insgesamt 54 Artikeln die Rechte von Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr enthält. 

 

Österreich hat die UN-Konvention bereits 1990 unterzeichnet. Allerdings wurde diese 1992 im Nationalrat nicht (wie die Europäische Menschenrechtskonvention) als Verfassungsgesetz, sondern nur als einfaches Bundesgesetz ratifiziert. Die darin inkludierten Kinderrechte können daher nicht unmittelbar eingeklagt werden. Das im Jahr 2011 beschlossene „Bundesverfassungsgesetz über die Rechte der Kinder“ enthält nur einige wenige, allgemeine Punkte wie „Anspruch auf Schutz und Fürsorge, Verbot von Kinderarbeit, Recht auf Partizipation oder „Diskriminierungsverbot von Kindern mit Behinderung“, die teils noch mit einem Gesetzesvorbehalt eingeschränkt werden können.

 

Keine Individualbeschwerde für Kinder in Ö

 

Unterzeichnet am 28. Februar 2012, aber nicht ratifiziert seit nunmehr 11 Jahren wurde von Österreich das 3. Zusatzprotokoll über ein Individualbeschwerdeverfahren für Kinder. Österreichische Kinder bzw. Dritte (bei Zustimmung der Kinder) haben daher NICHT die Möglichkeit, bei mutmaßlichen Verstößen gegen die Konvention eine Individualbeschwerde beim UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes einzuleiten. Derartige Verfahren können von beigetretenen Staaten initiiert werden, wenn der nationale Instanzenzug ausgeschöpft ist. Der Ausschuss kann eine Vertragsverletzung feststellen und dem Staat Vorschläge zur Behebung des Streits übermitteln.

 

UN-Bericht

 

Österreich hat als Vertragspartei der Konvention allerdings die Verpflichtung, die dort enthaltenen Kinderrechte einzuhalten bzw. umzusetzen. Alle fünf Jahre erfolgt eine Überprüfung durch den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes, die mit einem detaillierten Bericht abgeschlossen wird. Der zuletzt 2020 editierte Bericht enthält zwar auch einige positive Kritiken, die Liste der Mängel ist allerdings um einiges länger.

 

Als positiv begrüßt der Ausschuss den Beschluss des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2013, die Novelle des Jugendgerichtsgesetzes 2015, die Einrichtung des Kinderrechte-Boards und die Harmonisierung der Jugendschutzgesetze der Bundesländer im Jahr 2019, die den Verkauf von alkoholischen Getränken an Kinder unter 16 verbieten. Auf der Habenseite steht auch die Novellierung des Gewaltschutzgesetzes, aufgrund dessen Betretungs- und Annäherungsverbote für Gefährder im Umkreis von 100 Metern verhängt werden können.

 

Fehler im System

 

Rund 40 Punkte (mit zahlreichen Unterpunkten) beschäftigen sich allerdings mit Mängeln im österreichischen System, die mit direkten Aufforderungen und Empfehlungen seitens des Kinder-Ausschusses verbunden sind. Sie reichen von einer fehlenden Gesamtstrategie, einer uneinheitlichen Anwendung der Rechtsvorschriften in den Ländern, Aufforderung zur Verfolgung von Cybermobbing und Grooming, fehlenden Qualitätsstandards bei alternativer Betreuung bis hin zu gravierenden Defiziten in den Bereichen „Kinder mit Behinderung“, „Gesundheitliche und soziale Grundversorgung“ und „Bildung“. Es darf bezweifelt werden, dass diese Mängel bis zum nächsten periodischen Bericht der Bundesregierung (im September 2025) rechtzeitig beseitigt werden.

SUV-"Stadtpanzer": Bedrohung für Klima, Verkehrssicherheit und Kinder!

Klimaaktivismus derzeit auf allen Fronten. Im Mittelpunkt einer europaweiten Kampagne stehen derzeit die immer größer und  häufiger werdenden „Sport Utility Vehicles“, kurz „SUV´s“, von den Gegnern auch als „Stadtpanzer“, „Chelsea Tractors“ oder „Super Unnecessary Vehicles“ bezeichnet. Alleine in Deutschland wird jährlich bis rund zwei Milliarden Euro für Werbung investiert, um die zumeist im Ü30-Alter befindliche Zielgruppe für das vermeintliche Status-Symbol zu begeistern. Gemäß der Maxime „Ban Fossil Ads“ waren die Aktivisten u.a. in London, Berlin und Paris Frankfurt unterwegs und „hijackten“ SUV-Werbeplakate mit Totenköpfen, Luftverschmutzungs-Logos und Aufschriften wie „Add Climate Breakdown“ und „Catastrophe Climatique Garantie“. 

 

SUV-Höchststand bei den Neuwagenzulassungen

 

Ob diese Aktionen etwas bewirken, ist allerdings leider zweifelhaft. Denn der Trend geht in eine Gegenrichtung. Laut dem Verkehrsclub Österreich (VCÖ) erreichte der Anteil der SUVs bei den Neuwagenzulassungen im Vorjahr mit 43 Prozent einen Höchststand.  Dieser Anteil hat sich seit 2005 verfünffacht (8 %) bzw. seit 2015 verdoppelt. Insgesamt wurden 92.387 SUVs und Geländewagen neu zugelassen, die meisten davon mit 17.163 in Wien. Und das, obwohl bei weitem nicht nur der Klimaschutz gegen den SUV-Hype spricht.

 

Erhöhtes Sterbe- und Verletzungsrisiko für Unfallgegner

 

Die SUVs zerstören durch ihre in die Breite und Höhe gehende Karosserie nicht nur das urbane Stadtbild, sondern bergen eine enorme Unfallgefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer. Laut der deutschen Unfallforschung ist das Risiko, bei einem Unfall mit einem SUV schwer oder tödlich verletzt zu werden, für die Fahrer kleinerer Autos viermal (!) höher als für SUV-Fahrer. PKW-Insassen werden mehr als doppelt so oft schwer verletzt. Bei erhöhter Geschwindigkeit des SUVs besteht kaum eine Überlebenschance. Der Grund liegt darin, dass die leichteren Fahrzeuge den Großteil der Energie des Zusammenpralls auffangen. Laut dem deutschen Bundesverkehrsministerium hat sich die Zahl der Unfälle mit SUVs und Geländewägen seit 2011 mehr als verdoppelt.

 

Höchste Gefährdung für Kinder

 

Internationale Untersuchungen haben eindeutig ergeben, dass auch bei Radfahrern und Fußgängern das Verletzungsrisiko und die Schwere der Verletzungen bei einem Unfall mit einem SUV weit höher sind. So ist die Wahrscheinlichkeit für Fußgänger, bei einem Unfall mit einem SUV zu sterben, um 50 Prozent höher als bei einem Zusammenstoß mit einem anderem PKW. Gerade die Kinder tragen das größte Verletzungsrisiko, denn diese werden aufgrund der überdimensionalen Größe der SUVs am Rumpf oder Kopf getroffen. 

 

Eine Studie der Universität Wien über das Verhalten von SUV-Fahrern in der Innenstadt von Wien sorgt für zusätzliche Angst unter den Familien. SUV-Besitzer fahren zwar nicht unbedingt schneller, halten sich aber weniger an die Verkehrsvorschriften. Sie fahren häufiger über rote Ampeln, sind häufiger nicht angeschnallt und halten häufiger ein Mobiltelefon in der Hand. Psychologen erklären dies mit einem stärkeren Sicherheitsgefühl durch die erhöhte Sitzposition. Weniger schmeichelhaft der Autodesigner Paolo Tumminelli: „Das SUV ist das Fahrzeug des Eskapismus für die breite Masse. Es strahlt jene Potenz aus, mit der sich Fahrer für jede Lage gut gerüstet fühlen. Diese neigen dazu, riskanter zu fahren, weil sie das Gefühl haben, in einer Burg zu sitzen.“

 

Höherer CO2-Ausstoß

 

Die Organisation Greenpeace hat bereits 2019 in ihrer Broschüre „Ein dickes Problem – Wie SUVs und Geländewagen das Klima und unsere Städte ruinieren“ eindeutig dargelegt, wie stark der CO2-Ausstoß durch die „Stadtpanzer“ erhöht wird. Die einfache Rechnung: Je schwerer ein Fahrzeug bzw. je höher die Motorleistung, desto höher der Treibstoffverbrauch und desto höher der CO2-Wert. 2018 betrug das Durchschnittsgewicht neu zugelassener PKWs in Deutschland 1515 kg, das von SUVs 1628 Kilogramm. 

 

Direkt proportional ist ebenso der Zusammenhang zwischen dem Treibstoffverbrauch und dem CO2-Ausstoß. Der höhere Verbrauch bei SUVs resultiert aus der Fahrzeughöhe und der größeren Stirnfläche, die zu höherem Luftwiderstand führt. Laut Bundesverkehrsministerium werden mit SUVs jährlich auch größere Strecken zurückgelegt als mit anderen Fahrzeugen (16.600 km vs. 14.000 km).

 

Straßenverkehr Hauptemittent

 

So ist es eigentlich kein Wunder, dass die Verkehrsemissionen europaweit weiterhin steigen. In Deutschland ist der Verkehr der einzige Sektor, in dem die Emissionen seit 1990 nicht gesunken sind. In Österreich, das mit einem Straßennetz von 127.500 Kilometern (oder drei Erdumrundungen am Äquator) ausgestattet ist, war der Sektor Verkehr im Jahr 2018 sogar für rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich, der Energieverbrauch des Verkehrs stieg zwischen 2000 und 2018 um enorme 37 Prozent (EU: 7,7 Prozent).

 

SUV-Restriktionen

 

Auch wenn die meisten Politiker, Wirtschaftslobbyisten und SUV-Protagonisten den Klimaschutz anscheinend auf die leichte Schulter nehmen, die Klima-Uhr hat die „5 Minuten vor 12“ bereits überschritten. Und es liegen für alle Themengebiete wissenschaftlich begründete Expertisen auf dem Tisch. In Sachen „SUV-Restriktion“ reichen die Vorschläge von höheren Parkgebühren für SUVs, der kompletten Verbannung klimaschädlicher Fahrzeuge aus den Innenstädten, einem Verbot der Zulassung als Dienstwagen bis hin zu höherer Besteuerung und einer radikalen Produktions-Einstellung von SUVs. Dass zumindest bei letzterer Initiative die Autoindustrie bereits ihre Lobbyisten aufwärmen lässt, steht wohl außer Frage…

Ortskerne und Böden in Not: Shopping Center innerhalb von 20 Jahren verdoppelt!

Krapfen und Donuts essen wohl die meisten gerne. Betrachtet man die beiden Süßwaren allerdings als Symbole für die Verbauung Österreichs, dann vergeht einem zumindest bei den Donuts der Appetit. Der WWF bezeichnet in seinem Bodenreport 2021 die Verbauung der Ortsränder als „Donut-Effekt“. Ein wirklich treffender Vergleich. Statt einer attraktiven Füllung in der Mitte (wie bei den Krapfen) „gleichen Ortschaften in Österreich zunehmend Donuts, außen ein Ring, in der Mitte ein großes Loch“.

 

Die Ortskerne sterben immer mehr aus: Wirtshäuser, Greissler und Vereinslokale schließen, größere Gastronomen und Unternehmer verlegen ihre Betriebe an den Stadtrand, die Straßen und Gassen im Zentrum sind menschenleer, die Kommunikation der Stadt- und Dorfbewohner untereinander geht verloren. Und damit auch die Lebensfreude und der Spirit.

 

244 Shopping Center

 

An der Peripherie dagegen boomen die Shopping Center. Laut dem aktuellen SC-Report gibt es in Österreich 244 Shopping Center mit über 8700 Shops. Die vermietbare Fläche beträgt rund 4,2 Millionen (!) m2, davon 3,4 Millionen für den Handel. Im Europavergleich liegt Österreich mit 1,6 Quadratmeter Einkaufsfläche pro Kopf im europäischen Spitzenfeld, seit dem Jahr 2000 haben sich die Shopping Malls, Fachmärkte und Outlet Center mehr als verdoppelt. Der Hauptgrund für die weiterhin steigende Zersiedelung und Bodenversiegelung Österreichs. 

 

Ein Ende dieser Tendenz ist trotz der immens negativen Auswirkungen auf das Klima, die Tier- und Pflanzenwelt und das Ortsleben nicht abzusehen. Obwohl im aktuellen türkis-grünen (!) Regierungsprogramm ein Zielwert von 9 km2 Bodenverbrauch jährlich festgelegt wurde, betrug alleine der Wert für Betriebsflächen im Jahr 2021 11 km2. 

 

Ein Drittel CO2-Emissionen durch den Verkehr

 

Damit in Verbindung stehen die weiterhin hohen Werte für den Straßenbau (2021: 4,4 km2). Shopping Center an der Peripherie werden großteils mit Privat-Autos angesteuert, die für die Umwelt horrible Kettenreaktion bleibt nicht aus. So war der Sektor Verkehr laut dem Klimaschutzbericht 2020 für rund ein Drittel (!) der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, der Straßenverkehr hatte 2019 mit 2,65 Tonnen CO2 die zweithöchsten Pro-Kopf -Emissionen der EU. 

 

Die wissenschaftlichen Fakten liegen auf der Hand, ebenso ein Konglomerat an Lösungsvorschlägen. Wer nicht reagiert, sondern sich von den Wirtschaftskonzernen und den einschlägigen Interessensvertretungen leiten lässt und falsche Prioritäten setzt, das sind die zuständigen Politiker auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene. 

 

Umweltverträglichkeitsprüfung

 

Klimaschützer fordern eine Herabsetzung der Schwellenwerte für die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Während in Deutschland eine UVP für Einkaufszentren ab 0,5 Hektar verpflichtend ist, in der Schweiz ab 0,75 Hektar, liegt der Schwellenwert in Österreich aktuell bei 10 (!) Hektar bzw. bei 1000 PKW-Parkplätzen. 

 

Über 40.000 Hektar Leerstand

 

Laut Schätzungen des Umweltbundesamtes verfügt Österreich über mindestens 40.000 Hektar Leerstand und Industriebrache. Dies entspricht der Fläche von Wien (414,6 km2). Anstatt eine bundesweite Leerstands-Datenbank einzurichten und diese Areale zu nützen wird neuer Boden versiegelt. Laut den Raumordnungsberichten wird obendrein ein Viertel des gewidmeten Baulandes nicht entsprechend der Widmung genutzt.

 

Interkommunaler Finanzausgleich

 

Viele Gemeinden freuen sich über die Errichtung von Shopping Centern auf ihrem Hoheitsgebiet, da die Kommunalsteuer direkt in das Gemeindebudget fließt und durchschnittlich ca. 11 Prozent des Gemeindebudgets ausmacht. Die Leidtragenden sind die Nachbargemeinden, deren Ortskerne aussterben und die von zusätzlichem PKW- und LKW-Verkehr geplagt werden. Eine alternative Lösung wäre laut WWF die Verpflichtung zu einem interkommunalen Finanzausgleich, im Rahmen dessen Gemeinden Standortentscheidungen gemeinsam verhandeln und die Einnahmen aus der Kommunalsteuer teilen.

 

Back to the City

 

Und natürlich muss eine österreichweite „Back to the City“-Strategie entwickelt werden, um den Wildwuchs an Shopping Centern an der Peripherie zu beenden und die Menschen wieder in die Ortskerne zu locken. Mit regionalen Angeboten, wichtigen Versorgungsbetrieben (für Kinder, Schüler, Familien, Pensionisten,…), der Verbesserung des öffentlichen Verkehrs, spannenden Events, Erdgeschoßzonen, verdichtetem Bauen und einem attraktiven, konsumfreien öffentlichen Raum, der zu Fuß und mit dem Rad erreichbar ist. Die Verwendung eines Autos zwecks täglichen Einkaufs und Shoppings soll die Ausnahme und nicht die Regel sein…

10 Hektar Verbauung pro Tag: Österreich ist Europameister im Bodenverbrauch!

"Die Wüste lebt" by Oliver Ressler, MQ März 2022
"Die Wüste lebt" by Oliver Ressler, MQ März 2022

„Finale, Finale, Europacupfinale“. Das skandierten einst die Rapid-Fans vor dem legendären Europacup-Finale 1996 in Brüssel, das der Wiener Traditionsclub knapp 1:0 gegen Paris St. Germain verlor. Jenes Team, das heute einer katarischen Aktiengesellschaft (Qatar Sports Investments) gehört und die mit den WM-Stars Messi, Mbappe und Neymar gespickt ist. In einer anderen „Disziplin“ hat es Österreich laut WWF und EU-Umweltbüro allerdings auf den Olymp geschafft: Die Alpenrepublik ist Europameister im Bodenverbrauch und in der Bodenversiegelung. Eine traurige Bilanz.

 

10 Hektar Bodenverbrauch pro Tag

 

So wurden im Jahr 2021 in Österreich pro Tag (!) 10 Hektar zusätzlich an Fläche beansprucht, im Durchschnitt der letzten 3 Jahre sogar 11,3 Hektar. Von den 10 Hektar Bodenverbrauch gingen 5,8 Hektar durch Versiegelung dauerhaft verloren. Dies bedeutet, dass der Boden mit einer wasser- und luftundurchlässigen Schicht überzogen wurde, wodurch der Boden nicht mehr biologisch genutzt werden kann. Der Versiegelungsgrad stieg in diesem Jahr von knapp über 40 auf 58 Prozent. 

 

36 km2 Bodenverbrauch pro Jahr

 

Im gesamten Jahr 2021 wurden 36 km2 Boden verbraucht, im Schnitt der letzten drei Jahre 41 km2. Dies entspricht der Fläche von Eisenstadt. Die Werte der jährlichen Flächeninanspruchnahme sinken zwar langsam, allerdings bei weitem nicht im geplanten Ausmaß. Laut dem türkis-grünen Regierungsprogramm 2020-2024 soll bis 2030 der jährliche Zuwachs auf 2,5 Hektar pro Tag bzw. 9 km2 pro Jahr sinken. Werte, die aufgrund der aktuellen Entwicklungen und Tendenzen mehr als unrealistisch sind.

 

Bau- und Betriebsflächen sind 2021 die Hauptfaktoren für den Bodenverbrauch. 21 km2 werden – mit leichtem Rückgang zum Vorjahr (23 km2) - beansprucht durch Bauflächen, 11 km2 stagnierend durch Betriebsflächen. Verringert hat sich die Nutzung von Flächen für Erholung, Rohstoff-Abbau, Bahn und Straßen. 

 

127.500 Kilometer Straßennetz

 

Abgesehen von einer Umklassifizierung (Forststraßen, die nach Schätzungen mehr als die Fläche des Bodensees ausmachen, werden seit 2015 der Kategorie Wald zugeordnet) zählt das österreichische Straßennetz – mit 15 Metern Straße pro Kopf – zu den dichtesten Straßennetzen Europas. Das gesamte Konglomerat aus Autobahnen, Schnellstraßen, Bundes-, Land- und Gemeindestraßen umfasst laut Verkehrsministerium eine Gesamtstrecke von 127.500 Kilometern, dies entspricht mehr als drei Erdumrundungen am Äquator. Der Verkehr macht 36 Prozent des gesamten Bodenverbrauchs aus und ist gleichzeitig laut Klimaschutzbericht 2020 für rund ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Trotzdem werden weiterhin Straßenprojekte jeglicher Art österreichweit geplant.

 

Folgen der Bodenversiegelung

 

Welche gravierenden Folgen der steigende Bodenverbrauch für die Menschen, die Tiere, Pflanzen, für unseren gesamten Lebensraum hat, schildert der aktuelle Bodenreport des World Wildlife Fund. So stehen bereits jetzt ein Drittel der heimischen Tier- und Pflanzenarten auf der Roten Liste der gefährdeten Arten, die immer weiter steigende Verbauung und die Zerschneidung durch Straßen führt zu einer Verhinderung deren Vermehrung. Laut einer Studie der Boku Wien gelten bereits 60 Prozent der heimischen Fischarten als gefährdet, einer der Hauptfaktoren die starke Verbauung der Flüsse durch Infrastruktur für Wasserkraftwerke und technischen Hochwasserschutz. Letzterer muss deshalb errichtet werden, weil weiterhin Häuser und Gewerbegebiete in Flussnähe errichtet werden.

 

Versiegelte Flächen verstärken weiters die Auswirkungen von Hochwasser, weil das Wasser nicht ausreichend versickern kann und daher oberirdisch abrinnt. Außerdem geht durch die Versiegelung die Funktion des Bodens als „Klimaanlage“ verloren. Statt einer Abkühlung der Luft durch die Wasserverdunstung entstehen vor allem in den Städten „Hitzeinseln“ mit Temperaturen bis über 60 Grad. 

 

Wer den letzten Sommer nicht nur für einen Sprung ins auch immer wärmere Meerwasser genützt hat, sondern auch für Städtetrips nach Madrid, Lissabon oder Rom, der kann darüber ein Lied singen. Und schimpft nicht über die Klimaaktivisten der „Last Generation“, sondern protestiert gegen die für die Klimakrise verantwortlichen Politiker, Wirtschaftslobbies und Industriekonzerne…

Höchster Quartals-Mieten-Anstieg ever: Her mit einer gesetzlichen Mietzins-Bremse!

Eine neue Erhebung der Statistik Austria spricht Klartext, was die betroffenen Bürger bereits seit Monaten in der Geldbörse spüren, die abgehobenen Politiker mit ihren fünfstelligen Monatsgehältern aber anscheinend noch immer nicht realisiert haben. Nicht nur die Energiekosten und die Lebensmittelpreise gehen durch die Decke, sondern auch die Wohnkosten.

 

Die durchschnittliche Miete (inkl. Betriebskosten) lag im 3. Quartal 2022 bei monatlich 8,8 Euro pro Quadratmeter und war damit 3,1 % höher als im 2. Quartal. Dies ist der höchste (!) Anstieg von einem Quartal auf das nächste seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2004. Im Vergleich zum Vorjahr, also dem 3. Quartal 2021, stieg die Miete um gleich 7 Prozent.

 

Richtwertmietzins

 

Die enormen Mieterhöhungen ziehen sich in unterschiedlicher Ausprägung durch alle Mietformen. Ca. 399.200 Haushalte unterliegen in Österreich dem Richtwertmietzins, darunter auch die Wiener Gemeindewohnungen. Das sind laut MRG Wohnungen, die vor 1953 errichtet wurden und für die nach dem 28. Februar 1994 ein Mietvertrag abgeschlossen wurde. Dieser Richtwert (der inklusive Zu- und Abschlägen zum tatsächlichen Mietzins führt), wird aufgrund gesetzlicher Vorschriften alle 2 Jahre angepasst, der Bundesgesetzgeber kann dies aber jederzeit ändern. 

 

So wurde 2021 aufgrund der Corona-Krise die Indexierung ausgesetzt, 2022 dagegen wurde durch eine Verordnung der grünen Justizministerin Zadic der Richtwert für alle 9 Bundesländer erhöht. Die Folge: Die Miete erhöhte sich laut Statistik Austria um 4,2 % gegenüber dem Vorquartal und um 5,7 % gegenüber dem Vorjahr. Die nächste Erhöhung droht bereits im April 2023, mit einer prognostizierten Erhöhung von 8,5 Prozent.

 

Die Vermieter sind allerdings nicht verpflichtet, diesen Richtwert (der eine Mietzinsobergrenze darstellt) auszuschöpfen. Dies hat das Justizministerium ausdrücklich klargestellt. Im Gegensatz zu Graz und Traiskirchen (die keine Mietzinsindexierungen vorgenommen haben) haben das Rote Wien und Linz die Mieten der Gemeindebaubewohner sofort nach Inkraftreten der Verordnung erhöht. Die Ausrede, dass man dieses Geld für Erhaltungsarbeiten brauche, geht ins Leere, da diese Kosten in den letzten Jahren bei weitem nicht so stark gestiegen sind wie die Mieten.

 

Kategoriemieten

 

Noch schlimmer erwischte es 2022 die Wohnungen, die dem Kategoriemietzins unterliegen. Das sind vorwiegend Altbauwohnungen, bei denen der Mietvertrag zwischen 1982 und 1994 abgeschlossen wurde. Hier erfolgt automatisch eine Erhöhung der Miete, wenn der Verbraucherpreisindex um mehr als 5 Prozent steigt. Insgesamt dreimal war dies 2022 der Fall, die Mieten stiegen damit in einem (!) Jahr um 17,5 Prozent.

 

Privater Sektor

 

Private Hauptmieten, bei denen aufgrund vertraglicher Wertsicherungsklauseln der Mietzins erhöht wird, stiegen im Vergleich zum Vorquartal um 3,4 % bzw. um 8 % gegenüber dem Vorjahr. Die durchschnittliche Miete beträgt hier bereits 10,3 Euro pro Quadratmeter. Laut Statistik Austria stiegen die Mietpreise im privaten Sektor seit 2010 um 50 Prozent, in Wien sogar um 61 Prozent. Dafür verantwortlich ist nicht nur die hohe Nachfrage nach Wohnungen in den Städten, sondern auch die grassierende Spekulation der Eigentümer und die immer größer werdende Anzahl von befristeten Mietverträgen, die vor allem junge Familien und Migranten finanziell und psychisch belasten.

 

Reaktionen im Ausland

 

Während die Energiekosten eine „importierte Inflation“ darstellen, gäbe es seitens der horrenden Wohnkosten verschiedenste Handlungsalternativen für die Politik. In Schottland wurden die Mieterhöhungen vorläufig ausgesetzt, in Spanien und Portugal wurde die jährliche Mieterhöhung mit zwei Prozent gedeckelt, in Frankreich mit maximal 3,5 Prozent. 

 

Gesetzliche Mietzinsbremse

 

Jeder fünfte Haushalt kann sich die Fixkosten nicht mehr leisten, „Essen oder Heizen?“ lautet die bittere Realität bei den ärmsten Familien. Im viertreichsten Land der EU sind 1,3 Millionen Bürger armutsgefährdet, davon rund 400.000 Kinder. Es ist Gefahr im Verzug. Das Parlament muss sofort seinen Winterurlaub beenden und für die nächsten Jahre eine gesetzliche Mietzinsbremse einführen. Sonst wird es in Österreich kalt und immer kälter…

Geringere Menge, gleicher Preis: Shrinkflation-„Tricks“ in den Supermärkten!

11 Goldbären weniger in der Packung von Haribo, die nur mehr 175 g (statt bisher 200 g) enthält. Nur mehr 11 statt 12 Würstchen in der Knabbernossi-Family-Pack oder die Packung Rama Original, die nur mehr 450 statt 500 Gramm wiegt. Das sind nur einige der vielen Beispiele für Shrinkflation, die in den letzten Wochen vom Verein für Konsumenteninformation, der Organisation „Foodwatch“ oder von der Arbeiterkammer publik gemacht worden sind.

 

„Shrinkflation“ – Ein Begriff, der sich aus dem englischen Wort Shrink (= schrumpfen) und dem Wirtschaftsvokabel Inflation zusammensetzt. Man versteht darunter eine Verkleinerung der Portionen bzw. der Füllmenge, um die Inflation zu verbergen. Oder mit anderen Worten: Man bezahlt für eine kleinere Menge denselben Preis oder manchmal sogar noch mehr als vor dem Ansteigen der Inflationsrate. Ein fast hinterlistiger Trick zu Lasten der Konsumenten, der - bei unterlassener Vorsicht – kräftig die Geldbörsen belasten kann.

 

Grundpreis

 

Tatsächlich feststellen kann man die Preissteigerungen nur durch einen Vergleich der Grundpreise, von denen viele Bürger vermutlich noch gar nicht gehört haben und die am Regal zwar verpflichtend, aber kaum sichtbar positioniert werden. Der Grundpreis sagt aus, wie viel ein Produkt bezogen auf eine bestimmte Menge (pro kg) oder ein bestimmtes Volumen (pro Liter) kostet. Die Anzahl der Kunden, die in den aktuellen stressigen und psychisch belasteten Zeiten die Grundpreise vergleichen, kann man vermutlich an einer Hand abzählen. 

 

Irreführende Geschäftspraktiken

 

Laut der VKI-Expertin Teresa Bauer sind irreführende Geschäftspraktiken gemäß dem BG gegen den unlauteren Wettbewerb strafbar. Voraussetzung dafür ist aber eine Täuschung des Konsumenten durch derartige Methoden, ohne die er die Kaufentscheidung nicht getroffen hätte. Es handelt sich dabei aber laut Bauer immer um gerichtliche Einzelfallentscheidungen.

 

SPÖ-Entschließungsantrag im Nationalrat

 

Es besteht daher Handlungsbedarf auf anderen Ebenen. Die SPÖ hat – in Übereinstimmung mit den Vorschlägen der Arbeiterkammer – einen Entschließungsantrag im Nationalrat eingebracht und fordert eine deutliche Sichtbarkeit und Lesbarkeit des Grundpreises und eine gesetzliche Regelung in Bezug auf Mogelpackungen (inklusive einer Festsetzung des Verhältnisses von Füllmenge und Luftanteil wie in Deutschland).

 

Genauso wie bei werbestrategischen Aufklebern (wie beispielsweise „20 Prozent mehr Inhalt“) sollen die Erzeuger weiters verpflichtet werden, die Änderung der Füllmenge auf der Produktverpackung anzugeben. Ob diese für den Konsumenten begrüßenswerte Initiative tatsächlich im Parlament umgesetzt wird, steht in den Sternen. Bis dahin „Augen auf“ bei der Shopping-Tour im Supermarkt: Denn „Kauf ist Kauf“…

Freigesprochen und pleite: Kein Anspruch auf vollen Ersatz der Anwaltskosten im Strafprozess

Es war eines der aufsehenerregendsten Verfahren der österreichischen Justizgeschichte. Beim sogenannten Tierschützerprozess wurden 13 Aktivisten wegen des Vorwurfs der Beteiligung an einer kriminellen Organisation angezeigt. Nach insgesamt 14 Monaten Verhandlung wurden der Hauptangeklagte Martin Balluch, Obmann des Vereins gegen Tierfabriken, und alle anderen Beschuldigten rechtskräftig freigesprochen. Bis auf einen geringen Entschädigungsbetrag mussten alle ihre Verteidigerkosten selbst zahlen.

 

Martin Balluch wurde konfrontiert mit rund 600.000 Euro Anwaltskosten und erhob eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich, die aber sowohl innerstaatlich als auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abgewiesen wurde. „Dem Staat ist es damit gelungen, einen idealistischen Tierschützer trotz erwiesener Unschuld in den Privatkonkurs zu treiben. Ein deutliches Zeichen an alle, die es wagen sollten, die Mächtigen im Land herauszufordern.“

 

Dem ehemaligen Vizekanzler HC Strache geht es nicht anders. Bereits sieben Verfahren wurden gegen ihn eingestellt, er sitzt aber jetzt bereits auf „mehreren 100.000 Euro Anwaltskosten“ (so Strache auf oe24.tv), die ihm bei weitem nicht ersetzt werden.

 

Grundlage für einen Ersatzanspruch ist der § 393a der Strafprozessordnung. Dieser besagt, dass der Angeklagte bei einem rechtskräftigen Freispruch oder einer Einstellung des Strafverfahrens nach Rücktritt der Staatsanwaltschaft einen Anspruch auf Erstattung der Verteidigerkosten hat, allerdings begrenzt auf einen sehr geringen Pauschalbetrag.

 

Dieser beträgt im Verfahren vor den Geschworenengerichten 10.000 Euro, vor Schöffengerichten 5.000 Euro, vor dem Einzelrichter eines Landesgerichts 3.000 Euro und vor dem Einzelrichter eines Bezirksgerichts 1.000 Euro. Peanuts bei Verfahren, die komplexe Sachverhalte umfassen oder jahrelang dauern. Für die Angeklagten ein finanzielles Himmelfahrtskommando.

 

Sowohl die Rechtsanwaltskammer als auch die Richtervereinigung plädieren schon lange dafür, dass dieser Pauschalbetrag auf zumindest 100.000 Euro angehoben wird. „Das Prozessrisiko im Strafverfahren sei deutlich höher als im Zivilprozess, wo die unterlegene Partei dem Sieger die Verfahrenskosten (weitgehend) ersetzen muss“, so der ehemalige RA-Präsident Rupert Wolff 2019 in einem Interview. 

 

2017 beschäftigte sich der Verfassungsgerichtshof mit dieser Rechtsfrage. Beschwerdeführer (mit Anwaltskosten teilweise über 200.000 Euro aus Wirtschaftsverfahren) machten geltend, dass die geltenden Regelungen gleichheitswidrig sein (da mittellose Beschuldigte einen Pflichtverteidiger zugestellt bekommen) und gegen das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums verstoßen. Der VfGH stellte allerdings fest, dass die Höhe des Ersatzanspruches im Ermessen des Gesetzgebers liege.

 

Wer hier wieder einmal säumig ist, ist die österreichische Politik, die das nötige Budget zur Verfügung stellen und eine Gesetzesnovelle konzipieren muss. Dass ein Unschuldiger aufgrund der Anwaltskosten vor der Vernichtung der Existenz und den Scherben seines Lebens steht, ist eines Rechtsstaats nicht würdig…

Neue § 15a-Vereinbarung für Kindergärten: Länder verhindern einheitliche Standards!

Von „Kindergartentanten“ spricht heute keiner mehr, und die Kindergärten haben schon längst nicht mehr den Ruf als „Aufbewahrungsstätten“. Und trotzdem genießt die für die Zukunft der Kinder so wichtige Elementarpädagogik bei weitem noch nicht die politische, budgetäre und gesellschaftliche Anerkennung, die ihr eigentlich zustehen sollte.

 

„Kindergartenmilliarde“ war das PR-Schlagwort, mit dem die türkis-grüne Regierungskoalition (und vermutlich hätten es andere Fraktionen nicht anders gemacht) die für die nächsten 5 Jahre geltende 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern präsentierte. Insofern fast eine Provokation, als Sozialpartner und IV diese Milliarde pro Jahr (!) forderten, das Forschungsinstitut Eco Austria sogar 1,6 Milliarden, um den Anschluss an die skandinavischen Vorbildländer zu schaffen. Tatsächlich aber beträgt der bis in das Jahr 2027 reichende Zweckzuschuss des Bundes nur 5 x 200 Millionen Euro.

 

Besuchspflicht

 

Davon entfallen 80 Millionen Euro auf die Besuchspflicht, die mindestens 4 Tage pro Woche und 20 Stunden umfasst. Die Länder verpflichten sich dabei, einen beitragsfreien Besuch sicherzustellen. Dies inkludiert allerdings nicht die Verabreichung von Mahlzeiten und die Teilnahme an Spezialangeboten, was Alleinerziehende, Mehrkinderfamilien bzw. einkommensärmere Familien bereits vor immense finanzielle Probleme stellen kann. Von einem zweiten verpflichtenden kostenfreien Kindergartenjahr ab 4 ist schon längst keine Rede mehr.

 

Ziele

 

Hauptziele der Zuschüsse sind der Ausbau der Kinderbetreuung, die frühe sprachliche Förderung, die Stärkung mathematisch-technischer und naturwissenschaftlicher Kompetenzen und die Förderung des musisch-kreativen, emotionalen, psychosozialen und physischen Entwicklungsstandes. Die Anzahl der außerordentlichen Schüler soll sich pro Bundesland bis zum Ende der Vereinbarungsperiode um mindestens 10 Prozent reduzieren. Derzeit haben bei Schuleintritt 18 Prozent der Kinder einen Sprachförderbedarf.

 

Betreuungsquote

 

Der EU-Rat legte 2002 (!) in den Barcelona-Zielen fest, dass bis 2010 33 % der unter 3jährigen elementare Bildungseinrichtungen besuchen sollen. Dieses Ziel wurde bis heute nicht erreicht, 2020 betrug die Betreuungsquote gerade einmal 27,6 %.  Bei den 3- bis 6jährigen liegen die Quoten weitgehend über dem EU-Wert von 90 Prozent, hier sollen vor allem „zur Beseitigung regionaler Defizite Anreize für die qualifizierte Ganztagesbetreuung geschaffen werden, die mit einer Vollbeschäftigung der Eltern vereinbar ist. Österreichweit erfüllen dies derzeit nur 55 Prozent der Kindergärten, in Wien allerdings 94 %.

 

Gruppengröße und Personal-Kind-Schlüssel

 

Der Plan der Regierung, bundesweite Mindeststandards für Gruppengröße und Betreuungsschlüssel festzulegen, ist am Widerstand der Länder gescheitert. Ein eklatantes Versagen der österreichischen Bildungspolitik. Denn dazu gibt es eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse, die einer Umsetzung bedürfen. 

 

Laut Experten sollte eine Gruppe höchstens 20 Kinder umfassen. Bei den unter 3jährigen sollten nicht mehr als 12 Kinder in einer Gruppe sein. Der Personal-Kind-Schlüssel, also die Anzahl der Pädagogen und Assistenten im Vergleich zur Anzahl der Kinder, sollte mindestens 1:10 betragen, d.h. bei höchstens 20 Kindern eine Pädagogin und eine Assistenzkraft. Bei Kindern unter 3 Jahren sollte eine Pädagogin bzw. ein Pädagoge nicht mehr als 6 Kinder betreuen (1:6). Wie sieht es derzeit in der Praxis aus? Österreichweit reicht der Betreuungsschlüssel bei den unter 3jährigen zwischen 1:3,5 und 1:7,5 bzw. bei den Älteren zwischen 1:10 und unhaltbaren 1:16,7. 

 

Arbeitsbedingungen

 

Ein Thema, das in der §15a-Vereinbarung überhaupt nicht tangiert wird, sind die Arbeitsbedingungen der Elementarpädagogen. Man fordert zwar ein flächendeckendes Betreuungsangebot, einen flächendeckenden Ausbau (inkl. Fokus auf noch unterversorgte Regionen) und eine Verlängerung und Flexibilisierung der Öffnungszeiten, vergisst aber dabei, dass man dazu motiviertes und qualifiziertes Personal braucht und die Rahmenbedingungen passen müssen. 

 

„So schlecht, wie ihr mich bezahlt, kann ich gar nicht arbeiten!“ stand auf einem Schild einer Demonstration der Kindergartenpädagogen im Herbst 2021. Und das Problem ist nicht nur die zu geringe Entlohnung, sondern auch die Arbeitssituation in den Kindergärten. Vom oft viel zu großen Personal-Kind-Schlüssel (der zu Stress, Druck und Überforderung führt) bis hin zur räumlichen Ausstattung der Kindergärten und zum fehlenden erwachsenengerechten Mobiliar. Viele Beschäftigte leiden nicht nur an emotionaler, psychischer Erschöpfung, sondern auch an Kreuzschmerzen, Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich und an Migräne. Nicht ausreichend sind auch die damit in Konnex stehenden Supervisionsangebote für Elementarpädagogen. 

 

Dies hat zur Folge, dass einerseits Elementarpädagogen frühzeitig in Pension gehen, andererseits viele junge Absolventen kurz nach der Ausbildung oder einem Praktikum den Kindergartenbetrieb wieder verlassen. „Derzeit würden österreichweit jährlich rund 2500 diplomierte Elementarpädagogen ausgebildet, die aber überwiegend nicht in den Beruf einsteigen oder nach kurzen Zeit wieder aussteigen. Es gibt keine deutlichere Rückmeldung an nicht passende Arbeitsbedingungen“, so Natascha Taslimi vom Netzwerk Elementare Bildung (NEBÖ) in einer APA-Aussendung.

 

Die (leichte) Erhöhung der finanziellen Mittel ist zwar ein richtiger Schritt, die wirklich „heißen“ Themen wurden aber nicht angepackt. Für die heranwachsenden Kinder eine grobe Fahrlässigkeit. Denn: Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung, keine Bildung (John F. Kennedy)…

Höhere Leistungsfähigkeit: Schlafforscher fordern Schulbeginn ab 10 Uhr!

Wer kann sich nicht an seine Schultage erinnern, als man um halb 7 von den Eltern aus dem Schlaf gerissen wurde, müde und abgespannt hastig frühstückte, dann unmotiviert Richtung Schule trottete und dort in den ersten Stunden nur unkonzentriert dem Unterricht folgen konnte?  Selbst schuld, zu lange Parties gefeiert oder zu lange in den Bildschirm gestarrt. Keineswegs.

 

Denn Schlafforscher zeigen schon seit langem in verschiedensten Studien, dass die Jugendlichen ab der Pubertät bis ca. 25 eine andere „innere Uhr“ aufweisen. Insgesamt wurden mehr als 20 Gene identifiziert, ein wesentlicher Faktor ist dabei das Alter. In der Pubertät verschiebt sich laut dem Schlafforscher Dr. Albrecht Vorster, dem Leiter des Swiss Sleep House im Universitätsklinik Bern, die Schlafphase um zwei Stunden nach hinten. 

 

Für die meisten Jugendlichen sind acht bis zehn Stunden Schlaf ideal für ihr Wohlempfinden und ihre Gesundheit. Beginnt dieser allerdings erst nach Mitternacht, dann sind die Jugendlichen aufgrund des frühen Schulbeginns (um 7.45 Uhr) unausgeschlafen und können ihre vollen Leistungen nicht entfalten. Dies betrifft nicht nur die Spätaufsteher („Eulen“), sondern auch die Frühaufsteher („Lerchen“).

 

Eine Studie der Uni Marburg mit über 8000 16- bis 25jährigen jungen Menschen kam zum Ergebnis, dass 62 Prozent sich tagsüber nicht ausgeruht und leistungsfähig fühlen. Hauptursache ein Schlafdefizit, das zu vermehrten psychischen Beschwerden, Herz-Kreislauf-Beschwerden und einem allgemeinen schlechteren Gesundheitszustand führt. In der Schul- und Uniphase hat dies zur Folge, dass sich Lerninhalte nicht gut ins Langzeitgedächtnis fügen und vor allem Spätaufsteher bei Klausuren in den ersten Schulstunden benachteiligt sind.

 

„Die Jugendlichen werden zur falschen Uhrzeit unterrichtet“, so Dr. Vorster in einem SWR3-Podcast. Man sollte daher den Schulbeginn auf 10 Uhr verlegen und stattdessen den Nachmittag für die Ausbildung der Schüler und Studenten reservieren. Die High School in Seattle hat den Schulbeginn zumindest auf 08.45 Uhr verschoben, die Schüler schlafen dadurch laut Studie 34 Minuten länger und sind im Unterricht wacher und aufmerksamer. Ein erster Schritt auch in Österreich?

Runter mit den Schulkosten: Durchschnittlich 1468 Euro pro Schulkind jährlich!

Laut Gesetz soll der Schulbesuch an einer öffentlichen Schule in Österreich kostenlos sein. Das klingt allerdings wie eine höhnische Provokation, wenn man die Schulkostenstudie der Arbeiterkammer aus dem Jahr 2021 durchblättert und deren Ergebnisse um die aktuelle Inflation von über 10 Prozent hochkalkuliert.

 

So gaben Familien im Schuljahr 2020/21 pro Schulkind 1468 Euro jährlich aus. Dieser Betrag untergliedert sich in Fixkosten von 641 Euro, laufenden Kosten von 457 Euro und Ausgaben in den Sommerferien von 371 Euro. Bezogen auf die einzelnen Ausbildungsstufen ergaben sich durchschnittlich 1381 Euro in der Volksschule, 1320 Euro in der Sekundarstufe 1 und 1688 Euro in der Sekundarstufe 2. Die Wiener Werte lagen noch um einiges höher: In der Bundeshauptstadt, in der die Armutsquote vergleichsweise höher als in den Bundesländern, lagen die durchschnittlichen Schulkosten pro Schulkind bei 2191 Euro (Volksschule), 1887 Euro (Sekundarstufe 1) und 1802 Euro (Sekundarstufe 2).

 

Die Fixkosten betreffen zwar nicht alle Elternteile, umfassen aber u.a. die Verpflegung (570 Euro), die Nachmittagsbetreuung ohne Verpflegung (935 Euro) oder kostenpflichtige Nachmittagskurse (545 Euro). 

 

Ermittelt wurde in der Umfrage auch, welche Einkommensbezieher hier besonders betroffen sind. Die Ergebnisse sind keine Überraschung: Es sind vor allem die Kleinverdiener (mit bis zu 2000 Euro Haushaltseinkommen), die unter den horrenden Schulkosten leiden. In dieser Einkommensklasse beträgt der Anteil der Schulkosten 14 Prozent. Und das in der aktuellen Situation bei der höchsten Inflationsrate seit den 50ern (!), einer radikalen Erhöhung der Mieten und der Gebühren.

 

Die SPÖ hat kürzlich im Nationalrat einen Antrag auf „kostenfreies, qualitativ hochwertiges Mittagessen für alle Kinder in elementarpädagogischen Einrichtungen und Schulen“ eingebracht, der vor allem den 368.000 armuts- und ausgrenzungsgefährdeten Kindern und Jugendlichen zugute kommen soll. Laut Volkshilfe betrifft dies vor allem Haushalte mit mehr als drei Kindern, Ein-Eltern-Haushalte und Haushalte ohne österreichische Staatsbürgerschaft.

 

Dieser Antrag wird wissenschaftlich untermauert durch eine Studie der Universitäten Lund und Stockholm, die besagt, dass kostenlose, hochwertige Mittagessen die Gesundheit fördern, eine wichtige soziale Dimension innehaben, die Bildung fördern und zu einem um drei Prozent höheren Lebenseinkommen führen. In Schweden oder Finnland wird bereits seit den 40ern ein kostenloses Schulmittagessen angeboten.

 

Dieser Vorschlag sollte – gemeinsam mit einer weiteren Reduktion der Schulkosten – so schnell wie möglich auf allen Bildungsebenen umgesetzt werden. Das Rote Wien könnte hier einmal Vorreiter sein und die ohnehin von der Teuerungswelle geplagten Wiener von den horrenden Schulkosten entlasten. Derzeit müssen die Eltern pro Schulkind an offenen Ganztagsschulen 4,13 Euro pro Tag für das Mittagessen und 6,10 Euro zusätzlich für die schulische Betreuung am Nachmittag bezahlen. Nicht nur in Tagen wie diesen ein immenser Kostenfaktor für die finanziell belasteten Eltern…

Jugendkultur-Studie 2022: Politische Parteien, Kirchen und Medien unten durch!

Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Rekordinflation, Klimawandel,…  -  Das Alltagsleben der österreichischen Kinder und Jugendlichen ist geprägt von einer multiplen Krisen-Situation. Stimmung und Motivation sind trotzdem nicht am Nullpunkt. So beschreibt es zumindest eine aktuelle repräsentative Jugendstudie der t-factory Trendagentur in Kooperation mit dem Institut für Jugendkulturforschung unter 1000 österreichischen 16- bis 29-jährigen. Titel: „Generation Z – Eine Krisengeneration lässt sich nicht unterkriegen!“

 

Die Jugendlichen wünschen sich vor allem materielle und finanzielle Sicherheit, als Basis für die Gründung einer eigenen Familie. Mehr als der absolute Top-Job steht die Work Life-Balance im Mittelpunkt. Dies geht einher mit einer aktuellen Deloitte-Studie, in der junge Arbeitnehmer sich vor allem flexible Arbeitszeiten, persönliche Entwicklungsmöglichkeiten und eine wertschätzende Unternehmenskultur wünschen.

 

Besorgt über die Zukunft äußern sich vor allem Jugendliche aus der mittleren und unteren Sozialhierarchie, hier vermehrt Frauen und Alleinerziehende, die aufgrund der aktuellen Teuerungsraten und der Erhöhung der Mieten und Gebühren Angst haben, sich die Lebenshaltungskosten nicht mehr leisten zu können und in den Privatkonkurs zu schlittern. 

 

Vor allem die Bildungsschichten fürchten den Klimawandel und sind zu 2/3 der Meinung, dass sich die Welt bereits am „kritischen Wendepunkt“ befindet. In der weltweiten Deloitte-Studie „Global Gen Z & Millennial survey“ glauben allerdings nur fünf Prozent der österreichischen Befragten, dass sich die Regierung ausreichend für die Bekämpfung der Klimakrise einsetzt. Für die Grünen ein Alarmzeichen, denn an sich sind vor allem die höher gebildeten Jugendlichen sehr umweltaffin und wollen – beispielsweise in Wien – zu 52 % auf das eigene Auto verzichten.

 

Viele sehnen sich laut dem Studienleiter Prof. Bernhard Heinzlmaier zurück nach der Wachstums- und Aufbruchsstimmung der 70er und 80er, als Jobs en masse auf Akademiker, Maturanten und Lehrlinge warteten und die Ausbildung nicht so verschult war im 21. Jahrhundert. „Die Jugend fühlt sich aus dem Wohlstandsparadies vertrieben“, so Heinzlmaier in der Ö1-Sendung „Punkt Eins“.

 

Von der Politik erwarten die Jugendlichen keine Hilfe. Die politischen Parteien (14 %) und die Medien (17 %) sind jene Institutionen, denen die befragten Jugendlichen am wenigsten vertrauen. Auch der Bundespräsident bekommt in dieser Statistik schlechte Werte. Nur 35 % haben Vertrauen in das direkt gewählte Staatsoberhaupt, sein kürzlich getätigter Rat an Jugendliche, die „Zähne zusammenbeißen“, dürfte die Werte noch weiter sinken lassen. 

 

An der Spitze des Vertrauens-Rankings stehen die Arbeiterkammer (56 %), die Polizei (54 %), die Wirtschaftskammer (48,1 %), das Bundesheer (46,4 %) und der ÖGB (40,1 %), also vorwiegend Organisationen, die sinnstiftende, nützliche und beratende Tätigkeiten für die Bürger verrichten. Schlechte Werte verzeichnen die Bundesregierung (22,7 %) und die Kirchen (mit rund 20 %-Zustimmung). „Die Religionsgemeinschaften haben bei der Jugend verspielt, weil sie belehrend statt dialogorientiert sind, sich als zu wenig adaptionsfähig erweisen und ästhetisch unzulänglich kommunizieren“, so Heinzlmaier.

 

Verbessert haben sich die individuellen Eltern-Kind-Verhältnisse. Man sieht sich wieder als „gemeinsame Einheit“, die sich für die berufliche und private Zukunft der Familie bzw. des Kindes einsetzt und versucht, den aktuellen sozialen und wirtschaftlichen Status aufrechtzuerhalten. 

 

Aufgrund der gestiegenen Asyl-Zahlen im 1. Halbjahr 2022 (über 31.000 Asylanträge) ist ein Wiederaufflammen des Migrations-Themas in Zukunft nicht auszuschließen. Eine Spaltung wie einst zwischen links und rechts sei hier nicht erkennbar, allerdings eine zwischen Öffnung und Schließung Österreichs. Aufgrund der aktuellen mit milliardenschweren Hilfszahlungen verbundenen Krisen sei derzeit eine Mehrheit der Jugendlichen für eine restriktive Asyl- und Zuwanderungspolitik.

 

2/3 der Befragten aus mittleren und unteren Bildungsschichten lehnten die coronabedingten Maßnahmen strikt ab. Dass diese – teils ohne wissenschaftliche Evidenz bzw. ohne fundierte Begründungen – von oben herab verhängt wurden, hat sicher auch zum Vertrauensverlust der beteiligten Organe beigetragen. So beklagen 56 Prozent der jungen Österreicher einen Demokratieverlust, und fast 70 Prozent meinen, dass es besser sei, bei heiklen Themen (wie Asyl, sexueller Orientierung oder Gendersprache) seine tatsächliche Meinung nicht offen auszusprechen. Für die Zukunft einer offenen, liberalen, kommunikativen Gesellschaft kein gutes Zeichen…

 

https://jugendkultur.at/generation-z/

EuGH-Urteil: Fluggastdatenspeicherung vor dem Aus ?!

Nach zwei Jahren Corona-Beschränkungen erholt sich – trotz Flugabsagen, Verspätungen, Streiks und Personalmangel – die Flugindustrie weltweit wieder. Im Hintergrund dieser Entwicklungen hat der Europäische Gerichtshof am 21. Juni 2022 ein epochales Urteil ausgesprochen, das für die Grund- und Freiheitsrechte der Flugpassagiere enorme (positive) Auswirkungen haben sollte.

 

Das Urteil bezieht sich auf die sogenannte PNR-Richtlinie, aufgrund der die EU-Mitgliedstaaten nationale Regelungen erlassen haben, in Österreich beispielsweise das BG über die Verarbeitung von Fluggastdaten zur Vorbeugung, Verhinderung und Aufklärung von terroristischen und bestimmten anderen Straftaten, kurz PNR-Gesetz. PNR steht für „Passenger Name Record“, also für die Buchungsdaten, die von den Fluggesellschaften gespeichert werden müssen. Für die Verarbeitung von Fluggastdaten ist die Fluggastdatenzentralstelle (Passenger Information Unit – PIU) beim Innenministerium eingerichtet.

 

Nichtigkeitsklage in Belgien

 

Die Ligue des droits humans (Liga für Menschenrechte) hat beim belgischen VfGH eine Nichtigkeitsklage gegen das nationale belgische Gesetz erhoben. Begründung: Das Gesetz verletze das Recht auf Achtung des Privatlebens und das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten. Der VfGH hat daraufhin dem EuGH 10 Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die die Auslegung der PNR-Richtlinie betreffen.

 

Die Große Kammer des EuGH hat zwar die Gültigkeit der PNR-Richtlinie bestätigt, die damit einhergehende Auslegung könnte aber zu einem Ende der Fluggastdatenspeicherung in Europa führen. 

 

Fluggastdaten

 

Als Fluggastdaten bezeichnet das österreichische Gesetz insgesamt 18 Unterpunkte, darunter Zahlungsinformationen, Reiseverlauf, Reisestatus, Sitzplatznummer, Gepäckangaben oder die Namensangaben von Mitreisenden. Ein klarer Widerspruch zum Urteil des EuGH, für den die Verarbeitung von Daten auf das „absolut Notwendige beschränkt werden muss“. Bezüglich der strafbaren Handlungen muss ein Konnex mit der Beförderung von Fluggästen gegeben sein, das PNR-Gesetz nennt u. a. auch Umweltkriminalität, Betrugsdelikte oder schwere Körperverletzung.

 

Die PNR-Richtlinie bezieht sich eigentlich auf Flüge zwischen EU-Staaten und Drittstaaten. Die meisten EU-Staaten (inkl. Österreich) haben den Anwendungsbereich aber auf ALLE Flüge innerhalb der EU erweitert. Der EuGH betrachtet dies als generell unzulässig, ausgenommen es liegen „konkrete Umstände für eine terroristische Bedrohung“ vor. 

 

Künstliche Intelligenz

 

Bezüglich der Vorabüberprüfung der PNR-Daten dürfen keine Technologien der künstlichen Intelligenz im Rahmen selbstlernender Systeme herangezogen werden, die keiner menschlichen Kontrolle unterliegen. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf die hohe Zahl „falsch positiver Ergebnisse“ in den Jahren 2018 und 2019. So wurden in Deutschland bei 94.098 verdächtigen Fluggästen gerade einmal 277 positive Treffer erzielt, eine „Erfolgsquote“ von 0,29 Prozent.

 

Speicherfrist

 

Als unverhältnismäßig betrachtet der EuGH die 5jährige Speicherfrist der PNR-Daten. Eine Frist von 6 Monaten erscheint laut EuGH angemessen, das ist jene Frist, ab der laut dem österreichischen PNR-Gesetz erst eine Depersonalisierung der Daten eintritt. Diese kann übrigens durch richterliche Genehmigung sogar rückgängig gemacht werden.

 

Fazit: Das EuGH-Urteil als Himmelfahrtskommando für die EU-Gesetzgebungsorgane und die EU-Mitgliedstaaten, die hier wieder einmal versucht haben, mit den unsäglichen Mitteln der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung in die Grund- und Freiheitsrechte unschuldiger Bürger einzugreifen. Und das, ohne tatsächliche Erfolge beim Kampf gegen den Terrorismus zu erzielen.

 

https://curia.europa.eu/juris/documents.jsf?num=C-817/19

"Die Wüste lebt" by Oliver Ressler: MQ-Fotoaktivismus gegen die Wiener Stadtstraße!

Junge Klimaaktivisten gegen die „Betonierer“ der Stadt Wien: Dieser Konflikt spitzt sich seit ein paar Monaten im Norden Wiens zu. Im September 2021 blockierten Gegner des Lobautunnels Eingänge zur Baustelle für die 460 Millionen Euro teure vierspurige Stadtstraße (die künftig Aspern mit Hirschstetten und der Südosttangente verbinden soll) und errichteten Protestcamps u.a. in der Hausfeldstraße. Im Epizentrum: Eine dreistöckige Holzpyramide.

 

Obwohl die Umweltministerin Leonore Gewessler dem Lobau-Tunnel aufgrund der Klimakrise eine Absage erteilte, bleibt die Stadt Wien beim Bau der Stadtstraße (die – was von den Demonstranten und anerkannten Verkehrsexperten bezweifelt wird - der Verkehrsentlastung der Seestadt dienen soll). Am 1. Februar 2022 erfolgte die polizeiliche Räumung, 48 Aktivisten wurden verhaftet, die Holzpyramide wurde durch Bagger zertrümmert. Parallel dazu wurden rund 380 Bäume gefällt. Die traurigen Bilder davon erschienen nahezu live auf allen sozialen Medien.

 

Der Künstler und Filmemacher Oliver Ressler, der bereits an über 400 Gruppenausstellungen (u.a. in Madrid, Paris oder Venedig) teilgenommen hat, hat zu diesem Thema in der MQ Art-Box eine Foto-Installation unter dem Titel „Die Wüste lebt“ konzipiert. Kernfrage: „Was wäre, wenn es gelingen würde, das als „Wüste“ bezeichnete Gelände nach den Vorstellungen der Klimaaktivisten umzugestalten?

 

In direktem Kontrast zu den kahlen, deprimierenden Betonflächen hat Ressler rund um die Holzpyramide eine Wald-Wiesen-Seen-Landschaft erstellt, in der sich jeder Mensch wohlfühlen würde: Mit Bio-Gemüsebau, Aufforstungen, selbstorganisierten sozio-ökologischen Initiativen und einem kreativen Kulturzentrum am Rande des Geländes mit Workshops zu ökologischen und sozialen Themen und Kulturprogrammen.

 

In der Foto-Montage ist die Stadtautobahn durch ihre Absenz präsent. „Denn die Siege der Klimagerechtigkeitsbewegung sind schwer zu sehen. Es sind die Autobahnen, die nie gebaut wurden; die Erdölförderanlagen, Kohlekraftwerke, Pipelines und Flughäfen, die diesem Planeten erspart bleiben. Es sind die Wälder, die nicht abgeholzt wurden, die Flüsse und Seen, die nicht vergiftet wurden“, so Oliver Ressler in einem eindrucksvollen Text auf der Fläche des Kunstprojekts.

 

 

Der politische Irrweg geht leider weiter. Am 5. April wurde – im Auftrag des staatlichen Autobahnunternehmens Asfinag – ein weiteres Protestcamp in der Hirschstettnerstraße geräumt. Dort, wo künftig die 3,2 km lange Stadtstraße in die Südosttangente münden soll. „Ein Relikt aus verkehrspolitischer Steinzeit“, so Global 2000 zu den Plänen der Stadt Wien.

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Schluss mit Massenkindhaltung: Personal fordert mehr Geld für Kindergärten!

„Die Elementarbildung stärkt die kognitiven, sprachlichen und akademischen Fähigkeiten von Kindern und trägt zum schulischen, sozialen und beruflichen Erfolg bei. Vor allem bei den unter 3jährigen und bei Kindern aus sozioökonomisch benachteiligten Familien hängen diese Effekte von der Qualität der Bildungseinrichtung ab“. Das besagt eine international anerkannte Meta-Studie von Melhuish & Co. aus dem Jahre 2015 und lässt eigentlich keine Zweifel offen. Sollte man glauben. In Österreich dürften diese Erkenntnisse noch nicht bei der hiesigen Politik angekommen sein.

 

Budgeterhöhung

 

Gerade einmal 0,7 % des BIP werden in der Alpenrepublik in die Elementarbildung investiert. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 0,9 %, die nordischen Bildungs-Vorzeigeländer weisen allerdings deutlich höhere Werte auf (Norwegen 2 %, Schweden 1,8 %, Dänemark 1,3 %). Das Netzwerk Elementare Bildung (NBÖ), eine Aktionsplattform (die aus zahlreichen Vereinen, Organisationen und Berufsgruppen besteht), fordert als ersten Schritt zumindest finanzielle Mittel in Höhe von 1 % des BIP, listet aber noch zahlreiche weitere Mängel im System der österreichischen Elementarpädagogik auf, die so schnell wie möglich beseitigt werden müssen.

 

Laut Statistik Austria gibt es in Österreich 8600 Kinderbetreuungseinrichtungen (4600 Kindergärten, 2400 Krippen, 1600 altersgemischte Einrichtungen), in denen rund 323.000 Kinder untergebracht sind. Diese unterliegen aber keinem einheitlichen Bundesgesetz, sondern – je nach Bundesland – unterschiedlichen Landesgesetzen und –verordnungen, die teils gewaltige Unterschiede bezüglich Strukturqualität, Ausbildung, Dienstrecht und Entlohnung aufweisen.

 

Dementsprechend variabel sind in den einzelnen Bundesländern auch die Betreuungsverhältnisse und durchschnittlichen Gruppengrößen, die bei unter Dreijährigen von 8 bis 16 bzw. bei älteren Kindern von 17 bis 23 reichen. Wissenschaftliche Studien fordern für die Altersgruppen der Unter-3jährigen eine Maximalgruppengröße von 8 Kindern und für Kinder zwischen 3 und 6 eine Höchstgrenze von 18 Kindern.

 

Pädagogen-Kind-Relation

 

Eine zweite wesentliche Größe der Strukturqualität ist die sogenannte „Pädagogen-Kind-Relation“, das ist jene Arbeitszeit, die die pädagogische Fachkraft unmittelbar in direkter Interaktion mit den Kindern verbringt. Diese sollte bei Kindern bis 3 maximal 1:4 und bei älteren Kindern maximal 1:9 betragen. Werte, die in vielen Kindergärten Österreichs (derzeit) eine Utopie darstellen und daher im Mittelpunkt der zahlreichen Demonstrationen der Elementarpädagogen stehen. Motto: „Schluss mit Massenkindhaltung!“

 

Die Aktivisten fordern weiters die Gewährung von 25 Prozent der Arbeitszeit als Vorbereitungszeit für die Elementarpädagogen. Darunter fallen Zeiten für die pädagogische Planung und Reflexion, Beobachtung, Dokumentation, Teamsitzungen, Elternkooperationen oder Qualitätssicherung. Der zeitliche Umfang dieser Tätigkeiten variiert zumeist nicht nur zwischen den Bundesländern, sondern auch bei den einzelnen Kinderbetreuungs-Trägern selbst, und sollte daher einheitlich geregelt werden.

 

Tertiäre Ausbildung

 

Kritisiert wird zu Recht auch die Ausbildung der Elementarpädagogen. Diese werden derzeit in fünfjährigen berufsbildenden höheren Schulen mit Matura auf das Berufsleben vorbereitet. „In einer Phase, in der sie sich selbst noch in ihrer mittleren und späteren Adoleszenz befinden“, so das NBÖ in einem aktuellen Folder. Österreich ist eines der letzten Länder Europas, in der es keine akademische Ausbildung für Elementarpädagogen gibt. Obwohl internationale Studien klar darauf hinweisen, dass eine „formale Professionalisierung durch einen tertiären Bildungsweg Kompetenzvorteile bringt“.

 

Regional unterschiedlich ist die Ausbildung für die Assistenzkräfte, die die Elementarpädagogen während des gesamten Tages unterstützen und oft auch als Vertretung die Gruppenführung übernehmen müssen. Seit 2015 wird ein dreijähriger Lehrgang für Assistenzpädagogik angeboten, das Aufgabengebiet inkludiert allerdings keine Verantwortung für pädagogische Entscheidungen.

 

Faire Gehälter

 

Neben der Verbesserung der Rahmenbedingungen und der Ausbildung müssen auch die Gehälter der Elementarpädagogen angehoben werden. Trotz der Wichtigkeit der frühkindlichen Bildung – zu keinem Zeitpunkt können laut neurowissenschaftlicher Studien Kinder so viel in so kurzer Zeit lernen – werden die Pädagogen und Assistenzkräfte unterdurchschnittlich entlohnt und liegen sogar unter dem Gehaltsniveau der Volksschullehrer. Dieser damit verbundene geringe Respekt der Gesellschaft vor den Leistungen des Personals führt nicht nur zu einer hohen Kündigungsquote, sondern auch zu einer großen Anzahl von ausgebildeten Elementarpädagogen, die nach der Matura nicht ins spezifische Arbeitsleben einsteigen, sondern die Universität besuchen oder in andere Branchen wechseln.

 

 

Kinder sind unsere Zukunft und brauchen die bestmögliche Fürsorge und Bildung bereits in den ersten Jahren ihres Lebens. Eine sofortige Budgeterhöhung auf zumindest 1 Prozent des BIP und eine Attraktivierung des Berufsfeldes der Elementarpädagogen können dabei nur die ersten Schritte sein. Dass diese Reformen nicht ohne jahrelange, bundesweite Proteste und Demonstrationen der Betroffenen in Angriff genommen werden, wirft ein bedenkliches Bild auf die politischen Visionen und Präferenzen Österreichs…

Der Rathausmann trägt eine rote FFP2-Maske – Keine "Freedom Days" in Wien!

„Due to this weekend’s announcement of continued Covid restrictions in Vienna, the Amy Mac Donald show at Gasometer on 11th March cannot happen as planned“. Eine weitere Konzert-Verschiebung in der endlosen Menge an Verlegungen, Verschiebungen und Absagen in der Bundeshauptstadt Wien, die alle etwas gemeinsam haben: Die Corona-Maßnahmen des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig, der seit nunmehr 2 Jahren die Gastro-, Tourismus-, Freizeit- und Eventwirtschaft mit einem sogenannten „Sonderweg“ quält.

 

Gemäß der bundesweiten Covid-19-Basismaßnahmenverordnung (§ 7) hat bei „Zusammenkünften von mehr als 50 Personen“ der Veranstalter einen Covid-19-Beauftragten zu bestellen und ein Covid-19-Präventionskonzept umzusetzen. Ansonsten gelten seit 5. März 2022 keine Einschränkungen mehr.

 

Anders in Wien: Dort gilt zusätzlich der zweizeilige § 8, der gewaltige Auswirkungen auf die Eventbranche hat: „Teilnehmer von Zusammenkünften haben in geschlossenen Räumen eine FFP2-Maske zu tragen!“ Diese Vorschrift gilt für ALLE Veranstaltungen und für ALLE Freizeit- und Kultureinrichtungen, also für Theater, Kinos, Kabaretts, Konzertsäle, Museen, Ausstellungen, Bibliotheken und Büchereien. Allerdings nur in Wien, nicht im gesamten Restösterreich. Hier werden nicht nur die 2 Millionen Wiener mit einer überschießenden Maskenpflicht schikaniert, sondern auch die zahlreichen Unternehmer, Veranstalter und Kulturbetriebe, deren Besucher in spe in die Bundesländer ausweichen und die dortigen Kulturangebote nützen. Eine Wettbewerbsverzerrung in Reinkultur. „Ich würde mir ein Konzert, wo ich die ganze Zeit eine Maske tragen muss, zehnmal überlegen“, so Nova Rock-Veranstalter Ewald Tatar. Dem ist nichts hinzuzufügen.

 

Unterschiedliche Vorschriften gelten auch in der Gastro- und Nachtgastronomie. Während im Rest-Österreich durch den „Freedom Day“ die Vorschriften – ähnlich wie in Schweden, Dänemark oder England – gefallen sind, gilt in Wien die 2 G-Regel. Und auch wenn das erste Wochenende in der Bundeshauptstadt gästemäßig ein großer Erfolg war, wichen viele jugendliche Wiener Nachtschwärmer ins Bar- und Club Life Niederösterreichs aus. Dort, wo tatsächlich wieder „wie damals“ gefeiert, getanzt und geflirtet werden kann. Ohne QR-Code, Grüner Pass und Ausweispflicht.

 

Nicht anders in der Tagesgastronomie. Auch hier gilt in Wien die 2 G-Regel. Mit einem „Luxus-Nachweis-Dessert für die Jüngsten. Während im Rest-Österreich die Altersgrenze für den „Nachweis einer epidemiologischen Gefahr“ bei 12 Jahren beginnt (bundesweit noch vorgeschrieben bei Kranken- und Altersheimen), liegt diese in Wien - ohne wissenschaftliche Evidenz – bei 6 Jahren. Wer als 7jähriger keinen gültigen Test in einem Wiener Restaurant oder Heurigen vorweisen kann, muss das Lokal verlassen. Die Gastro-Umsatzrückgänge der letzten beiden Jahre betrugen ja ohnehin „nur“ zwischen 40 und 60 Prozent (im Vergleich zum Jahr 2019).

 

Einen besonderen Appetizer liefert die rote Stadtregierung – von den „liberalen“ Neos hört man nicht einmal ein (politisches) Sterbenswörtchen – für Hotelgäste. Diese benötigen zwar keinen G-Nachweis, essen dürfen sie im Hotel allerdings nur dann, wenn sie einen 2G-Nachweis haben. Das hat schon kafkaeske Züge.

 

Nicht ungeschoren lässt der Wiener SPÖ-Bürgermeister den Handel. Dort gilt im Gegensatz zum Rest-Österreich weiterhin eine FFP2-Maskenpflicht. Während man im Media Markt Vösendorf oder im H&M der SCS ohne „Fetzen“ shoppen kann, muss man in den Wiener Partnerbetrieben die ganze Zeit die Atemschutzmaske tragen. Die Lust am Shopping wird den Wienern im März vergehen. Zumindest in Wien selbst. Laut diverser Statistiken der Handelskammern drohen bei Maskenpflicht Umsatzrückgänge bis zu 50 Prozent, vor allem im stationären Modehandel. Die Internet-Giganten Amazon, Zalando & Co. wird´s freuen. In der eigenen Wohnung (oder im benachbarten Niederösterreich) muss man beim genussvollen Gustieren der Fashion-Wear keine FFP2-Maske tragen. Und schwitzt auch nicht…

 

Diese nur für Wien geltenden härteren Maßnahmen sind normiert in der nicht nur sperrig klingenden „Wiener Covid-19-Basismaßnahmenbegleitverordnung“, die juristisch auf der bundesweit geltenden Covid-19-BasismaßnahmenVO basiert. Formell beschlossen wird diese von einer einzigen Person, dem Landeshauptmann und Wiener Bürgermeister Michael Ludwig. Eine demokratiepolitisch fragwürdige Lösung, greift diese doch – ohne parlamentarische und damit verbundene öffentliche Diskussion – in die wichtigsten Grund- und Persönlichkeitsrechte der Bürger ein. Eine rechtliche Alternative wäre eine Beschlussfassung in einer Sondersitzung des Landtages, bei der alle Parteien zu Wort kommen und in einer öffentlichen Debatte die verschiedensten Interessen ausgelotet werden. In diesem Zusammenhang wäre auch die Reaktion des SPÖ-Regierungspartners Neos spannend, dessen „liberale Trademark“ während der letzten Monate kaum mehr ersichtlich war.

 

Die SPÖ-Corona-Hardliner Ludwig und Hacker sollten sich mehr darauf besinnen, die Impfraten in der Bundeshauptstadt zu erhöhen anstatt die Bürger mit Tests, Maskenpflicht und Sonderregeln zu traktieren und ein immerwährendes gesellschaftliches Klima der Angst und Panik in der Millionenmetropole aufrechtzuerhalten. Wien ist Schlusslicht bei der Einhaltung der Impfpflicht, 16 Prozent verstoßen mit Stand 7. März gegen das Impfpflichtgesetz. Was aber noch wesentlicher und brisanter ist: Wien ist bei den vulnerablen, älteren Personen klarer Letzter im Bundesländervergleich. Nur 80 Prozent der 65-74jährigen, 87,3 der 75-84jährigen und 81,5 Prozent der über 84jährigen haben ein aktives Impf-Zertifikat. Und gerade diese Altersgruppen setzen sich bei fehlender Immunisierung einem erhöhten Gesundheitsrisiko aus.

 

 

Wien wurde 10mal zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt und ist eine von allen Altersgruppen weltweit geschätzte Tourismus- und Kulturmetropole. Die Trademark der „Stadt der Masken“ ist bereits – in positivem Sinne - an eine andere (Lagunen)-Stadt vergeben. Die SPÖ Wien sollte daher ihren wenig subtilen Widerstand gegen den Kurs der türkis-grünen Bundesregierung aufgeben und die Sonder-Maßnahmen so schnell wie möglich beenden. Tips dazu können Ludwig & Hacker ja von den sozialdemokratischen Regierungschefinnen in Schweden und Dänemark einholen. Stockholm und Kopenhagen sind immer eine Reise wert. Ebenso wie ein Wien ohne FFP2-Maskenpflicht, Teststationen und Zutrittskontrollen.

EU-Minimal-Umsetzung: Gewährleistungsnovelle seit 1. Jänner 2022 in Kraft!

Seit 1. Jänner 2022 gelten in Österreich neue Vorschriften für die  Gewährleistung, die auf alle neu abgeschlossenen Verträge anzuwenden sind. Grundlage sind die EU-Richtlinien Warenkauf 2019/771 und Digitale Inhalte 2019/770, die in Form des Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetzes (GRUG) in nationales Recht transformiert wurden. Für den Konsumenten unerfreulich ist die Tatsache, dass der an sich weite Spielraum der EU-Richtlinien nur minimal ausgeschöpft wurde.

 

Kompliziert und ünübersichtlich ist auch das neue Splitting des Gewährleistungsrechts für Verbraucherverträge. Neu geschaffen wurde das sogenannte „Verbrauchergewährleistungsgesetz“, das für zwischen Unternehmern und Verbrauchern geschlossene Verträge über den Kauf von Waren (inkl. Werklieferungsverträge) und für Verträge über die Bereitstellung digitaler Leistungen gilt. Nicht in den Geltungsbereich fallen der Kauf von lebenden Tieren, Finanz-, Gesundheits- und Glücksspieldienstleistungen und der Verkauf im Rahmen der Zwangsvollstreckung.

 

Für alle sonstigen Verträge gilt das ABGB (§§ 924 ff.). Das sind insbesondere Verträge über unbewegliche Sachen (Häuser, Wohnungen), Tauschverträge über körperliche Sachen bzw. Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen (Werkverträge).

 

Unterschiede ergeben sich u.a. beim Mangelbegriff oder bei der längeren Vermutungsfrist im VGG. Zu berücksichtigen sind weiters Spezialbestimmungen im Konsumentenschutzgesetz. Für juristisch wenig versierte Bürger keine einfache Angelegenheit, und das in einer Alltags-Materie, die eigentlich jeden Menschen tangiert.

 

Im VGG-Anwendungsbereich wurde die Vermutungsfrist für Mängel auf ein 1 Jahr verlängert (Im ABGB-Bereich gilt weiterhin die 6-Monats-Frist). Es gilt eine Beweislastumkehr: Bei einem Mangel, der innerhalb dieses Zeitraumes nach Übergabe der Ware hervorkommt, wird vermutet, dass er bereits bei der Übergabe existent war. Der Verkäufer muss somit beweisen, dass die Lieferung zum Zeitpunkt der Übergabe fehlerfrei war. Nach Ablauf der Vermutungsfrist liegt die Beweislast beim Käufer.

 

Primär kann der Verbraucher in beiden Anwendungsbereichen eine Verbesserung oder einen Austausch der Sache verlangen. In bestimmten Fällen (wie bei schwerwiegenden Mängeln oder bei Verweigerung der Herstellung des mangelfreien Zustandes) kann der Konsument Preisminderung oder eine Auflösung des Vertrages fordern. Es reicht eine formlose Erklärung, eine gerichtliche Geltendmachung ist nicht mehr erforderlich. Bei einer Vertragsauflösung kann der Unternehmer – wie bei Fernabsatzgeschäften - die Rückzahlung verweigern, bis er die Ware erhalten hat oder ihm der Verbraucher einen Nachweis über die Rücksendung der Ware erbracht hat.

 

Die Gewährleistungsfrist für Waren und digitale Leistungen beträgt zwei Jahre, bei fortlaufenden digitalen Leistungen umfasst sie den gesamten Bereitstellungszeitraum. Für unbewegliche Sache gilt weiterhin eine Gewährleistungsfrist von 3 Jahren. Neu eingeführt wurde eine dreimonatige Verjährungsfrist ab Ablauf der Gewährleistungsfrist, in der der Mangel eingeklagt werden kann.

 

Bei Waren mit digitalen Elementen (wie Smartphones) und digitalen Leistungen (wie dem Zugang zu einem Streamingportal) trifft den Unternehmer eine Aktualisierungspflicht während der Dauer der Bereitstellungspflicht bzw. eines „vernünftig zu erwartenden“ Zeitraumes. Dies gilt dann nicht, wenn der Verbraucher eine Aktualisierung – bei gleichzeitiger Aufklärung über die Folgen - nicht innerhalb einer angemessen Frist installiert hat.

 

Novelliert wurden auch einige Passagen des Konsumentenschutzgesetzes. Bei einem Verzug des Unternehmers kann der Verbraucher vom Vertrag erst zurücktreten, wenn der Unternehmer seine Leistung nicht innerhalb einer angemessenen Nachfrist erbringt. Im Gegensatz zum ABGB („bedingte Rücktrittserklärung“) müssen hier jetzt zwei aufeinanderfolgende Willenserklärungen gesetzt werden. Fixgeschäfte erlöschen laut KSchG nicht mehr automatisch, sondern erst durch eine Rücktrittserklärung des Verbrauchers.

 

 

Trotz einiger gravierender Änderungen ist die europarechtskonforme Novellierung der Gewährleistung aus Konsumentensicht enttäuschend ausgefallen. Eine mögliche Verlängerung der Gewährleistung für langlebige Produkte auf 5 Jahre wurde seitens der türkis-grünen Bundesregierung abgelehnt. Ebenso eine Informationspflicht des Verkäufers über die Mindesthaltbarkeit eines Produkts. Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit sehen anders aus…

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385.000 Kinder in Armut: Her mit der Kindergrundsicherung!

Die türkis-grüne Bundesregierung rühmte sich kurz – vor dem Kurz-Rücktritt – noch mit der Erhöhung des Familienbonus auf 2000 Euro. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Maßnahme um eine Steuergutschrift, von der fast ein Drittel der Kinder nicht vollständig profitiert.

 

Laut einer Studie des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung haben mehr als 160.000 Kinder keinen Anspruch auf diesen Bonus, weil ihre Eltern im Jahr mindestens 330 Tage Mindestsicherung oder Arbeitslosengeld bezogen haben. Dazu kommen noch zusätzlich mehr als 300.000 Kinder, deren Familien zu wenig verdienen, um den Bonus auszuschöpfen.

 

Die Lage ist zu fatal, um in dieser heiklen Materie noch Zeit zu verlieren. In einem der reichsten Länder der Welt, in Österreich, sind 385.000 Kinder armuts- oder ausgrenzungsgefährdet, das sind rund ein Viertel aller Armutsfälle. Von in Ein-Eltern-Haushalten lebenden Kindern sind 45 % betroffen, Familien mit mindestens drei Kindern zu 32 %. Diese traurigen Zahlen stammen gerade aus dem Jahr, in dem die Regierung den Familienbonus eingeführt hat. Der seitens der türkis-grünen Proponenten natürlich nicht die armen Familien, sondern die scheinbare „Leistungsgesellschaft“ im Visier hat.

 

Ein zielsicheres Modell zur Unterstützung armutsgefährdeter Familien dagegen hat die Volkshilfe ausgearbeitet, die schon längst fällige Kindergrundsicherung. Anspruchsberechtigt ist jedes in Österreich lebendes Kind (bis zur Volljährigkeit), die Auszahlung erfolgt jeweils monatlich an die Erziehungsberechtigten. 

 

Die Höhe der Kindergrundsicherung steigt mit sinkendem Einkommen der Eltern. Alle Kinder erhalten einen Grundbetrag von 200 Euro, der sich aus der Familienbeihilfe für ein Kind ab 10 Jahren (141,50 Euro) und dem monatlichen Kinderabsetzbetrag (58,40 Euro) ergibt und diese ersetzt. Dazu kommt ein Betrag von 425 Euro, der je nach Einkommen der Eltern ausgeschüttet wird.

 

Kinder in Haushalten unter 20.000 Euro jährlich erhalten den gesamten Betrag von 625 Euro. Bei einem Einkommen über 35.000 Euro wird der Grundbetrag von 200 Euro ausbezahlt, dazwischen wird eine Einschleifregelung schlagend. Dies hätte den sinnvollen Effekt, dass gerade arme Familien mehr Unterstützung bekommen als die ohnehin begüterten Haushalte.

 

Die Kindergrundsicherung würde ca. 2 Milliarden Euro kosten. Laut einer ersten Analyse würden ca. 45 % den universellen Betrag von 200 Euro und ein Fünftel den Maximalbetrag von 625 Euro erhalten. Die durchschnittliche Höhe der Kindergrundsicherung würde bei 334 Euro im Monat liegen. Die Kosten der einkommensgeprüften Kindergrundsicherung alleine nur für die armutsgefährdeten Kinder würde bei ca. 600 bis 700 Millionen Euro liegen. Somit weniger als die kürzlich beschlossene Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 23 Prozent (ca. 800 Millionen Euro).

 

Die Kindergrundsicherung muss daher schnellstmöglich eingeführt werden. Alle Kinder sollen – unabhängig vom Einkommen und Status der Eltern - die gleichen Voraussetzungen hinsichtlich materieller Versorgung, Bildungschancen, sozialer Teilhabe und gesundheitlicher Entwicklung haben. Dies haben auch die deutschen Politiker schon erkannt. Unter dem Motto „Kinder haben Armut nicht gewählt“ planen die Koalitionspartner in spe, SPD, Grüne und FDP, eine Kindergrundsicherung. Der Vorteil in Österreich: Ein Modell liegt hier bereits vor, es fehlt allein der Beschluss im Nationalrat.

Fridays for Future-Demos: Recht auf Klimaschutz in den Verfassungsrang!

Fridays for Future are back on the Streets. Im Rahmen eines weltweiten Klimastreiks protestierten alleine in Wien mehr als 20.000 Demonstranten für Klimaschutz, eine Reduktion der Treibstoffgase, eine CO2-Steuer und im besonderen gegen den Bau der fast eine halbe Milliarden Euro teuren Stadtstraße Aspern und eines Lobautunnels.

 

Trotz der weltweiten Klimakrise sind die rechtlichen Möglichkeiten Einzelner, sich gegen die Klimazerstörung zur Wehr zu setzen, derzeit eher gering. Das Pariser Übereinkommen, das die einzelnen Staaten zur Einhaltung der internationalen Verträge verpflichtet, sieht keine gerichtliche Kontrollinstanz zur Überwachung der Klimaschutzziele vor. In einzelnen Ländern waren Klimaschutzklagen allerdings bereits erfolgreich. Die Umweltorganisation Urgenda beispielsweise klagte 2013 die niederländische Regierung auf eine Anhebung der nationalen Emissionsreduktionsziele (von 17 auf 25 %) und bekam in allen Instanzen Recht.

 

In Österreich klagt aktuell der an Multipler Sklerose erkrankte Mex die Republik auf eine Sicherstellung des Rechts auf Klimaschutz. Der 25jährige, der seinen Fall auch bei der Kundgebung der FFF-Demo am Praterstern schilderte, ist ab einer Temperatur von 25 Grad auf einen Rollstuhl angewiesen. Die per Crowdfunding eingebrachte Klage wird derzeit beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte behandelt.

 

Obwohl die Klimakrise sowohl das Recht auf Leben als auch das Recht auf Gesundheit unmittelbar tangiert, ist nach der derzeitigen Rechtslage eine grundrechtliche Geltendmachung beim Verfassungsgerichtshof nicht möglich. Ein Gutachten des Umweltrechtsexperten Daniel Ennöckl, das kürzlich im Parlament präsentiert wurde, legt allerdings Optionen nahe, die seitens der österreichischen Politik in Angriff genommen werden sollten. Eine individuelle Betroffenheit der Bürger sei insofern auch dadurch gegeben, als laut dem Studienautor bei einem Anstieg der Durchschnittstemperaturen zwischen 1,6 und 4,7 Grad bis ins Jahr 2100 „in Wien ähnliche klimatische Bedingungen herrschen könnten wie heute im senegalesischen Dakar“.

 

Ein Grundrecht auf Klimaschutz ist in drei Varianten denkbar. Der Staat könnte einerseits zu einer konkreten Reduktion der nationalen Treibhausgasemissionen, andererseits zur Klimaneutralität verpflichtet werden. Allgemeiner formuliert könnten auch angemessene Klimaschutzmaßnahmen normiert werden, die bei Nichteinhaltung durch die Bürger geltend gemacht werden können. Verankert werden könnte das Grundrecht auf Klimaschutz im BVG Nachhaltigkeit oder im Klimaschutzgesetz.

 

Es ist (mindestens) 5 Minuten vor 12. Die Bürger haben ein Recht auf einen adäquaten Lebensraum, auf den Schutz der Umwelt und eine gesunde Atmosphäre. Die Politik sollte daher rasch handeln und den Klimaschutz in den Verfassungsrang heben.

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Gewaltschutz: Verpflichtende Gewaltpräventionsberatung durch NGO´s

Aufgrund der stetigen Zunahmen an Gewaltdelikten in und außerhalb von Wohnungen wurde im Jahr 2019 ein umfangreiches Gewaltschutzpaket geschnürt, das insgesamt 25 Gesetzesänderungen umfasst. Seit dem 1. Jänner 2020 kann gemäß § 38 a Sicherheitspolizeigesetz gegen Gefährder sowohl ein Betretungs- als auch ein Annäherungsverbot verhängt werden.

 

Das Betretungsverbot bezieht sich dabei auf die Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, und auf einen Bereich im Umkreis von hundert Metern. Das Annäherungsverbot untersagt dem Gefährder, sich dem Opfer im Umkreis von hundert Meter zu nähern. Insofern sind hier auch der Arbeitsplatz oder der Arbeitsweg präventiv geschützt. Opfer können zusätzlich eine einstweilige Verfügung bei Gericht beantragen, die im Maximalfall bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptverfahrens gewährt werden kann.

 

Mit 1. September 2021 ist eine zusätzliche Komponente des Gewaltschutzpakets in Kraft getreten, und zwar die Gewaltpräventionsberatung. Der Gefährder hat binnen 5 Tagen ab Anordnung des Betretungs- und Annäherungsverbots ein Gewaltpräventionszentrum zu kontaktieren. Die Beratung hat dabei längstens binnen 14 Tagen ab Kontaktaufnahme stattzufinden.

 

Diese Gewaltpräventionsprogramme, die unmittelbar nach dem Angriff die Situation beruhigen sollen, werden in den einzelnen Bundesländern von NGO´s angeboten. Den Zuschlag erhielten dabei aufgrund einer EU-weiten Ausschreibung der Verein Neustart (Wien, OÖ, NÖ, Steiermark, Burgenland), die Caritas (Kärnten), der Psychosoziale Pflegedienst (Tirol) und das Institut für Sozialdienste (Vorarlberg). Die Gewaltpräventionsberatung soll, aufgeteilt auf 3-4 Termine, 6 Stunden dauern und inkludiert verschiedenste Themenbereiche (wie Wege aus der Gewaltspirale, rechtliche Konsequenzen und Kontakte zu Anti-Gewalt-Trainings).

 

Skeptisch über die verpflichtende Gewaltpräventionsberatung zeigt sich der Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl in einem ZIB-Interview: „Man könne niemanden zu einer Therapie verpflichten. Eine diesbezügliche Einsicht ist zum Scheitern verurteilt, wenn sie auf Zwang basiert.“ 

 

Die hohen Verwaltungsstrafen bei Weigerung der Beratung (bis zu 2500 Euro bzw. im Wiederholungsfall bis zu 5000 Euro) dürften aber zumindest in ärmeren Kreisen zu einer regen Teilnahme führen…

 

Anm.:  Im ersten Halbjahr des Jahres 2021 wurden 6504 Betretungs- und Annäherungsverbote verhängt…

Kampf gegen Hass im Netz: Neue juristische Alternativen!

Ein Drittel der befragten Frauen und Mädchen wurde gemäß einer Wiener Studie (2018) mindestens einmal innerhalb eines Jahres mit Gewalt im Netz konfrontiert, darunter Beschimpfungen aufgrund der politischen Weltanschauung, Cyber-Mobbing oder sexuell anzügliche Mitteilungen. Laut dem ZARA-Rassismus-Report 2020 verdoppelten sich die Meldungen im Internet im Vergleich zu 2019, auch bedingt durch die Corona-Krise und durch das stärkere Bewusstsein aufgrund der Black Lives-Matter-Demonstrationen. Gemeldet wurden insgesamt 2148 Fälle von Online-Rassismus, rund ein Viertel davon strafrechtlich sanktionierbar (in Form von Verhetzung, Beleidigung oder Verstößen gegen das Verbotsgesetz).

 

Verhetzung

 

Eine der ZARA-Forderungen wurde in das seit 1. Jänner 2021 geltende „Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz“ aufgenommen, und zwar die Ausweitung des Verhetzungsparagraphen. Strafbar ist gemäß § 283/1 Z 2 StGB jetzt nicht mehr nur die Beschimpfung von Gruppen, sondern auch jene von Einzelpersonen wegen der Zugehörigkeit zu einer (bsp. nach der Hautfarbe, der Religion, der ethnischen Herkunft, der Behinderung oder der sexuellen Ausrichtung) definierten Gruppe. Es soll laut den Gesetzesbeilagen „klargestellt werden, dass die Menschenwürde grundsätzlich nicht einer Gruppe von Menschen als solcher, sondern den Mitgliedern der Gruppe zukommt“.

 

Cyber-Mobbing

 

Verschärft wurde auch der Cyber-Mobbing-Paragraph des § 107c StGB. Eine strafrechtlich relevante, unzumutbare Beeinträchtigung einer Person liegt jetzt bereits bei einer einmaligen Begehung vor. Allerdings muss die strafbare Handlung eine längere Zeit wahrnehmbar sein. Musterbeispiel: Die Veröffentlichung eines Nacktfotos, das längere Zeit online ist.

 

Upskirting

 

Der § 120 a StGB pönalisiert ab sofort das sogenannte „Upskirting“, also Bildaufnahmen der Schamgegend, des Gesäßes oder der weiblichen Brust, die ohne Einwilligung der fotografierten Person erstellt wurden. Werden derartige Aufnahmen einem Dritten zugänglich gemacht oder veröffentlicht, dann liegt der Qualifikationstatbestand des Absatz 2 vor, der mit einer Freiheitsstrafe mit bis zu zwölf Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen bedroht ist.

 

Ausforschungsrecht

 

Privatanklagedelikte sind nur auf Verlangen des Opfers zu verfolgen, das in der Regel selbst den Täter ermitteln muss. Im 

§ 71 der Strafprozessordnung wurde bei bestimmten Delikten (§ 111, 113, 115 StGB) ein Ausforschungsanspruch des Opfers normiert, der beim Landesgericht eingebracht werden kann. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch juristische und psychosoziale Prozessbegleitung beantragt werden (§ 66 StPO).

 

Mandatsverfahren

 

Neu eingeführt wird durch den § 549 ZPO ein Mandatsverfahren, im Rahmen dessen Betroffene bei einer erheblichen Verletzung von Persönlichkeitsrechten einen gerichtlichen Antrag auf einen Unterlassungsauftrag stellen können. 

 

Der Klage ist ein Nachweis aus dem elektronischen Kommunikationsnetz anzuschließen, der die rechtsverletzenden Inhalte darstellt. Gedacht ist dabei an Screenshots oder Links zu den Postings, Bildern und Videos, inklusive Datum und Uhrzeit. Der Unterlassungsanspruch beinhaltet gleichzeitig auch den Auftrag zur Beseitigung der verletzenden Inhalte. 

 

In besonders schweren Fällen können die Betroffenen einen Antrag auf eine vorläufige Vollstreckbarkeit des Unterlassungsauftrages (im Sinne einer sofortigen Löschung der Inhalte) stellen. Inkludiert sind dabei sowohl obszöne Beschimpfungen, die Verbreitung von Ton- oder Bildaufnahmen intimer Persönlichkeitsbereiche als auch eine Herabwürdigung der beruflichen Qualifikation oder des Charakters und geschlechterbezogene, ethnische, religiöse oder politische Schmähungen.

 

Das Mandatsverfahren ist gebührenrechtlich mit einem fixen Streitwert von 750 Euro begünstigt. Dies entspricht einer Gerichtsgebühr von 107 Euro in 1., 144 Euro in 2. Instanz und 214 Euro für die Anrufung des OGH.

 

Für die Klage und den Antrag auf Erlassung eines Unterlassungsauftrages wurde seitens des Justizministeriums ein eigenes Formblatt konzipiert, mittels dessen Betroffene auf einfache Art und Weise ihre Rechte geltend machen können.

 

Die EU-Grundrechteagentur FRA hat kürzlich in ihrem jährlich erscheinenden Grundrechtebericht 2021 das Gesetzespaket gegen Hass im Netz gelobt. 

 

Rechtliche Alternativen

 

Tatsächlich haben Betroffene jetzt zahlreiche rechtliche Möglichkeiten, sich gegen Hassposter zu wehren. Als ersten Schritt sollte man sich direkt an die Internet-Plattformen (Facebook, Twitter, Instagram,…) wenden. Diese sind verpflichtet, ein Meldesystem zu führen und Beiträge bei offensichtlichen Rechtswidrigkeiten binnen 24 Stunden zu löschen. Bei einer notwendigen genaueren Prüfung haben die sozialen Medien 7 Tage Zeit.

 

Unabhängig davon können die Betroffenen bei strafrechtlich relevanten Inhalten direkt die Polizei konsultieren bzw. zivilrechtlich eine (kostengünstige) Klage und einen Unterlassungsauftrag gegen den Täter einleiten. Außerdem kann medienrechtlich eine Entschädigung vom Medieninhaber (vom Inhaber des FB- oder Instagramprofils) gefordert werden. 

 

https://justizonline.gv.at/jop/web/formulare/kategorie/17/79

"In der 3G-Schickeria, da san ma daham": Geschlossene Gesellschaft Corona!

„Ja, in Schwabing, da gibt´s a Kneipn, de muaß ganz was bsonders sein. Da laßn´s solche Leit wie di und mi erst gar ned rein“. VIP-Zone, elitärer Kreis, geschlossene Gesellschaft. Die gibt es jetzt auch in Österreich, nennen wir sie mal „3 G“-Schickeria. Wer nicht geimpft, getestet oder genesen ist, darf ein Gasthaus nicht betreten. Und nicht nur das. Diese persona non grata wird de facto fast vom kompletten gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben ausgeschlossen, sie darf ohne Gesundheitszertifikat gerade noch einmal flanieren gehen, mit den überfüllten Öffis fahren, sich in öffentlichen Freiräumen sonnen (falls die Polizei keine rigorosen Platzverbote ausspricht) oder FFP2-maskiert die Konsumtempel füttern.

 

Grundlage dieser Verbote sind nicht diverse Hausrechtsvorschriften freier Unternehmer, sondern eine Verordnung des Gesundheitsministers, die nicht nur von der ÖVP und den Grünen, sondern (stillschweigend) auch von der SPÖ mitgetragen wird, und sich zynischerweise auch noch „Covid-19-Öffnungsverordnung“ nennt. 

 

Wer keinen „Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefahr“ (so der § 2 mit 7 Unterpunkten) im Gepäck hat, der muss draußenbleiben bzw. darf diverse abgegrenzte Räumlichkeiten auch im Freien nicht betreten. Dort, wo de facto auch bei hohen Inzidenzen keine Ansteckungsgefahr besteht (wie internationale Aerosolforscher bestätigten). 

 

Gastronomie

 

Will man sich beispielsweise in ein Wirtshaus setzen, dann muss man - ausgenommen im Freien - dort mit FFP2-Masken (die nur in Ö und Teilen Deutschlands verpflichtend sind) erscheinen. Nach einer Platzzuweisung durch den Kellner erfolgt zuerst die Kontrolle des 3G-Zertifikats und dann die Kontrolle des Identitätsnachweises (man könnte ja den Zettel einer anderen „immunen“ Personen am Trottoir gefunden haben). Nächster Schritt: Die bereits durch den VfGH und die Datenschutzbehörde als rechtswidrig erkannte Datenregistrierung, erst dann die Bestellung des Espressos oder des Spritzers. Gastronomen abseits der Bussi-Bussi-Gesellschafrt klagen angesichts dieser Prozeduren von Umsatzrückgängen bis 80 Prozent, diesen Hochsicherheitstrakt gibt es als USB-Deluxe auch nur in Österreich. Beim Euro-Public Viewing sind wir bereits Europameister, mit den größten Schikanen für die Gäste.

 

Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben

 

Doch dem nicht genug erstreckt sich dieser 3G-Wahnsinn über nahezu das gesamte Leben der in Österreich lebenden Menschen. Wer sich in einem öffentliches Freibad (wie dem Gänsehäufel) oder in einem kostenpflichtigen Badesee (wie dem Neufeldersee) vergnügen will, darf diese ohne 3G-Nachweis nicht betreten. Theater, Konzerte, Friseurbesuche, Fitness-Studios, Fußballspiele oder Clubbings (sofern sie überhaupt stattfinden dürfen) bleiben tabu für Menschen, die auf ihr Recht auf Anonymität bestehen. Denn es gibt auch genug Geimpfte, die derartige Kontrollmechanismen ablehnen. Bei einer Großveranstaltung in einer Konzerthalle oder im Rahmen eines Festivals (wie dem Frequency in St. Pölten) hat ein 3G-Nachweis als Sicherheitsinstrument durchaus Sinn und entspricht auch den aktuellen internationalen Standards, garantiert aber nicht bei den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens. 

 

Keine gesetzliche Impfpflicht

 

Der tiefere Grund dieser 3G-Schikanen liegt sowieso auf der Hand. Die Kurz-Regierung will die Bürger mürbe machen und in die Impfstraßen treiben. Denn wer lässt sich jede zwei Tage testen, damit er in einer Bar einen Drink kippen, in einem Hotel einchecken oder seiner Lieblingsmannschaft beim Kicken zusehen darf? 

 

Es existiert aber in Österreich keine gesetzliche Covid-19-Impfpflicht. Für Personen, die sich berufsmäßig mit der Krankenpflege und der Krankenbehandlung beschäftigen, bzw. für Hebammen können gemäß § 17/3 Epidemiegesetz Schutzimpfungen angeordnet werden. Umgesetzt wurde dies allerdings nicht. Ein rechtlicher Impfzwang könnte laut der Meinung einiger Juristen bei einer bedingten Impfzulassung dann eingeführt werden, wenn auf anderem Weg keine Herdenimmunität erreicht werden kann. Weder in Österreich noch in Deutschland steht dies zur Debatte.

 

Die Bürger haben somit die freie Entscheidung, ob sie sich impfen lassen oder nicht. Entscheidungsgrundlage können hier nur wissenschaftliche Fakten sein, die von Experten, Politikern, NGO´s und Influencern wahrheitsgemäß kommuniziert werden müssen. Diese sprechen keineswegs gegen eine Impfung. Im Gegenteil. So besitzen die neuartigen mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna eine Wirksamkeit von 95 bzw. 94 Prozent, gemessen 7 Tage nach der zweiten Dosis. Was bedeutet, dass bis zu 95 Prozent der Infektionen und damit auch schwere Krankheitsverläufe verhindert werden können. Die bereits vorliegenden Zahlen von Ländern mit hoher Impfrate (wie Israel und Großbritannien) belegen die Effektivität der Impfungen.

 

Ein absolutes No-Go ist es allerdings, impfskeptische Bürger ohne wissenschaftliche Evidenz vom gesellschaftlichen Leben auszuschließen bzw. solange mit lästigen Covid-Tests zu schikanieren, bis sie einen Impftermin vereinbaren. Schülern und Studenten könnten diese Prozeduren im Herbst drohen, so frei nach dem Motto: Impfung, alle 2 Tage Tests oder Präsenz-Unterrichtsverbot. 

 

Das Recht auf Freizügigkeit, die Bewegungsfreiheit, das Recht auf Privatleben (Art 8 MRK), das die körperliche Unversehrtheit inkludiert, die Erwerbsfreiheit und der Gleichheitsgrundsatz sind verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte, die jedem Bürger zustehen und die nur als ultima ratio unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden dürfen. 

 

Nicht nur ein moralisches Armutszeugnis, sondern auch eine Verachtung des Rechtsstaats seitens der österreichischen Politik, wenn der „Gorilla an der Eingangstür“ erst vom Verfassungsgerichtshof abgezogen wird…

ZARA-Report 2020: Rassismus-Fälle um mehr als ein Drittel gestiegen!

„Be like a Panda: He´s back, he´s white, he´s asian“ – So einfach könnte es sein. Die Realität sieht anders aus. Die Rassismus-Zahlen sind leider auch in Österreich im Steigen. Insgesamt 3039 Meldungen von rassistischer Diskriminierung wurden 2020 in den Beratungsstellen von ZARA (einem 1999 in Wien gegründeten Verein für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) registriert. Das sind ein Drittel mehr als im Vorjahr und nur die Spitze des Eisberges an physischen, verbalen und seelischen Angriffen gegen Menschen anderer Hautfarbe, Herkunft oder Religion.

 

Die Meldungen von Online-Rassismus – insgesamt 2148 - haben sich im Vergleich zum Jahr 2019 verdoppelt. Die Gründe liegen hier vor allem in der starken medialen Präsenz von Rassismus und Hass im Netz, der Covid-19 bedingten Verlagerung des Lebens in die Online-Welt und der relativ unkomplizierten Meldung derartiger Vorfälle (per Screenshot, Zeitangabe und Quelle). Nach rechtlicher Einschätzung durch ZARA sind mehr als ein Viertel (27 %) der Meldungen strafrechtlich verfolgbar, in Form von Verhetzung, Beleidigung oder als Verstöße gegen das Verbotsgesetz. Durch das am 1. Jänner 2021 in Kraft getretene „Hass im Netz-Bekämpfungsgesetz“ wurde der Tatbestand der Verhetzung (§ 283 StGB) ausgeweitet. Strafbar ist nun auch die Verhetzung von Einzelpersonen (!) aufgrund ihrer Ethnie.

 

24 % der gesamten Meldungen betreffen Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe. In der Arbeitswelt und beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen sind es sogar ein Drittel der Meldungen. So wurden beispielsweise in einem Wiener Nachtclub von 6 gemeinsam erscheinenden Personen die vier weißen Personen eingelassen, die zwei schwarzen ohne nähere Begründung abgewiesen. Nach einem Interventionsschreiben erfolgte eine Entschuldigung seitens des Geschäftsführers und ein Versprechen, das dafür verantwortliche Security-Team adäquat zu instruieren.

 

Corona-Krise

 

Mehr als 400 Fälle, vor allem während des ersten Lockdowns, standen in Zusammenhang mit der Corona-Krise. So wurden Schulkinder in einem Bus von einem Mann mit den Worten beschimpft, „sie sollen verschwinden, da er sich nicht mit dem Coronavirus anstecken wolle“. Zuerst richteten sich die rassistischen Angriffe gegen Personen mit scheinbar chinesischer Herkunft, dann gegen geflüchtete Menschen und Muslime. Die Medien trugen großteils nicht zur Entspannung der Situation bei. Eine Online-Zeitung stellte sogar einen Zusammenhang zwischen vermehrten Covid-19-Erkrankungen und Menschen mit Migrationshintergrund her. Die Cluster-Bildungen waren allerdings nicht auf Gesetzesverstöße und Sorglosigkeiten der Migranten zurückzuführen, sondern auf die hohe Anzahl von Haushaltsangehörigen in engen Räumlichkeiten.

 

Black Lives Matter

 

„Indem wir Rassismus sichtbar machen, machen wir ihn auch bekämpfbarer“, so Caroline Kerschbaumer, die ZARA-Geschäftsführerin. Die Tötung des Afroamerikaners George Floyds durch einen weißen Polizisten und die daraufhin weltweit stattfindenden Black Lives Matter-Demonstrationen weckten bei vielen Menschen das Bewusstsein über den strukturellen Rassismus und gleichzeitig die Motivation, lautstark die Stimme zu erheben und sich bei diversen NGO´s aktiv zu beteiligen. 

 

Bei der Black Lives Matter-Demo am 4. Juni 2020 gingen auch in Wien ca. 50.000 Menschen auf die Straße, bei der Anti-Rassismus-Demo im März 2021 – trotz ridiger Corona-Einschränkungen – immerhin mehr als 3.000. Gleichzeitig wurde ein Black Voices-Volksbegehren gestartet mit dem Ziel, mehr als 100.000 Unterstützungen zu erhalten und damit im Parlament behandelt zu werden.

 

Black Voices-Volksbegehren

 

Die Forderungen, die in einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus münden sollen, umfassen das gesamte politische Spektrum von Arbeitsmarkt, Bildung, Gesundheit, Polizei bis hin zu Öffentlichkeit und Repräsentation. Dazu zählen beispielsweise die Einrichtung von Anti-Rassismus-Workshops, Aufklärungsarbeit in den Schulen, Ausbau der Diversität in der Medizin oder die Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts ab einer Wohndauer von 5 Jahren in Österreich. Eine neue unabhängige Kontroll- und Beschwerdestelle gegen polizeiliches Fehlverhalten (die außerhalb des Innenministeriums verankert ist) und ein psychosozialer Dienst von und für People of Colour bei Fällen rassistischer Polizeigewalt sollen eingerichtet werden. 

 

Österreich soll sich außerdem im Rahmen eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems für die Schaffung sicherer und legaler Wege nach Europa einsetzen und sich aktiv an Resettlement- und Relocation-Programmen beteiligen. Forderungen, die von einer türkis geführten Regierung wohl strikt abgelehnt werden.

 

Das Volksbegehren „Black Voices“ kann direkt im Bezirks- oder Gemeindeamt bzw. per Handy-Signatur unterstützt werden.

 

https://blackvoices.at/

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Schauspieler-Clips gegen Corona-Maßnahmen: Szenen-Applaus für #allesdichtmachen !

„Mein Name ist Volker Bruch. Ich bin Schauspieler. Und ich habe Angst. Aber ich merke, wie die Angst nachlässt. Und das macht mir Angst“. Eindringlich blickt der „Babylon Berlin“-Hauptdarsteller dabei in die Kamera und notiert mit einer Kreide das Wort „Angst“ zigfach auf eine Schultafel. Dann folgt der Appell an die Exekutive: „Liebe Regierung, macht uns mehr Angst!“ Und an die Bürger die Bitte: „Bleiben Sie gesund. Und halten Sie sich an Ihrer Angst fest!“

 

Das erste Video von insgesamt 52 unter dem Hashtag #allesdichtmachen, mit denen sich 52 Schauspieler aus dem deutschsprachigen Raum an die Öffentlichkeit gewandt haben, um die teils unverhältnismäßigen und absurden Corona-Maßnahmen in Zweifel zu ziehen. Ziel des Projekts sei es laut Regisseur und Mitinitiator Dietrich Brüggemann („Tatort“), den Diskursraum wiederaufzumachen und zu verbreitern. Das Echo der Medien, diverser Künstlerkollegen und linksliberaler Moralisten war unüberhörbar.

 

Angst

 

In Österreich kennen wir noch die Aussagen des Bundeskanzlers Kurz. „Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der an Corona gestorben ist“ oder „Hätten wir diese Schritte nicht gesetzt, dann gäbe es eine massive Ausbreitung in Österreich mit bis hin zu über 100.000 Toten“. Der renommierte Demokratieforscher Wolfgang Merkel bezeichnet diese Art von Regierung als „Governance by Fear“. Politiker wie Kurz oder Söder nutzen die Worst Cases-Expertisen diverser Wissenschaftler als Rechtfertigung ihrer Politik. Und zwar nicht deswegen, weil diese Verbote unbedingt notwendig sind, sondern um in der Gunst der Wähler zu steigen. Und ein Schauspieler darf diese Angst-Tiraden der von den Bürgern demokratisch nicht legitimierten Exekutivorganen nicht satirisch abhandeln?

 

Kulturverbote

 

„Niemand braucht Kunst. Überhaupt nie wieder Aufsperren. Das Analoge ist vorbei. Lasset uns gemeinsam nur noch zu Hause bleiben“ spöttelt Manuel Rubey resigniert in seinem Clip. Gleichzeitig liegen Verfassungsklagen 10 verschiedener Künstler und Intellektueller vor dem Verfassungsgerichtshof, die das monatelange Kultur- und Kunstverbot und damit auch das Verbot ihrer Berufsausübung als unverhältnismäßig erachten. Das spannende – auch für die Zukunft emiment wichtige – Erkenntnis wird in wenigen Wochen erwartet.

 

Eine dieser höchstgerichtlicher Klägerinnen ist „Vorstadtweib“ Nina Proll, die bereits mit ihrem Song „I zag di an“ die Corona-Maßnahmen und das Denunziantentum der Österreicher in Verbindung mit den Ausgangsbeschränkungen kritisiert hat. „Ich wünsche mir auch weiterhin, dass Virologen unser Leben bestimmen, denn nur sie können bestimmen, was für uns wirklich gesund ist“, so ein Textzitat. Und tatsächlich standen bei den Entscheidungen der Politiker die 7-Tages-Inzidenzen, die Reproduktionszahl und diverse Simulationsmodelle stets im Mittelpunkt. Auf Kollateralschäden für Wirtschaft, Bildung, Familien und Kinder wurde kaum Rücksicht genommen.

 

Pleitenwelle

 

„Dieser Laden hinter mir hat zwei Weltkriege überlebt.Ich freue mich, dass er jetzt weg ist, denn wir haben eh nichts mehr zu feiern“ fabuliert die kecke Schauspielerin Kea Könneker. Im Hintergrund blickt man auf das im März 2021 für immer geschlossene Kostüm- und Party-Artikel-Geschäft Deko Behrendt in Berlin-Schöneberg. Ein immenser Verlust auch für die queere Community der Szenemetropole und nur die klitzekleine Spitze des Eisberges. Laut einer Simulation der Nationalbank droht in Österreich bis Ende 2022 eine enorme Insolvenzwelle. 9,7 Prozent der heimischen Unternehmen, das sind über 50.000 Betriebe, stehen vor der Pleite. Ist die Wahrheit den Menschen nicht zumutbar, auch wenn diese satirisch umschifft wird?

 

Regierungstreue Medien

 

Kritik an der Homogenisierung der Medien kommt von einem Schauspieler, der bereits kurz vor dem Mauerfall am Berliner Alexanderplatz gegen das SED-Regime demonstrierte: Jan Josef Liefers. „Danke an die Medien, die dafür sorgen, dass kein unnötiger kritischer Disput uns ablenken kann von der Zustimmung zu den sinnvollen, immer angemessenen Maßnahmen unserer Regierung!“ Er hätte wohl weniger höflich formuliert, wenn er in Österreich leben würde. 

 

„Reporter ohne Grenzen“-Präsidentin Rubina Möhring kritisierte zuletzt in einem Online-Pressegespräch mit Blick auf die Pressekonferenzen der Kurz-Regierung, dass „die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt während der harten Zeit der Corona-Krise benutzt wurde wie ein Staatsfernsehen“. Alleine das Bundeskanzleramt schaltete 2020 Inserate von 21 Millionen Euro, alle Ministerien gemeinsam 47 Millionen Euro. Dazu wurden die (Boulevard)-Zeitungen und Privatsender von der Regierung mit einer Corona-Medienförderung von rund 32 Millionen Euro ausgestattet, die ihresgleichen sucht. Wer beißt schon die Hand, die einen füttert?

 

Psychische Belastungen der Kinder

 

Die Wiener Schauspielerin Christine Sommer erzählt in ihrem Kurz-Clip von einem 13jährigen Mädchen, das sich in ihrem Zimmer versteckt, komplett schwarz kleidet und sich das Essen vor die Türe stellen lässt. Seit drei Tagen wurde dieses nicht mehr angerührt. Essstörungen, Depressionen, Rückzug aus dem sozialen Leben, Angst, Verzweiflung und Perspektivlosigkeit, das sind Zustände, die gehäuft bei jungen Menschen auftreten. Laut einer Studie der Donau-Universität Krems leiden 55 Prozent der Schüler und Schülerinnen ab 14 unter einer depressiven Symptomatik, die Hälfte unter Ängsten, ein Viertel unter Schlafstörungen. 16 Prozent haben sogar suizidale Tendenzen.

 

Soziale Ungleichheit

 

Die Corona-Krise wirkt wie ein Turbo-Boost auf die ohnehin schon gravierende finanzielle und soziale Ungleichheit in der Gesellschaft. Auf der einen Seite die Müllarbeiter, Lieferdienste, Supermarktkassiererinnen und Pflegerinnen, die stundenlang unter strengsten Hygienebedingungen und erhöhter Infektionsgefahr ihre Arbeit verrichten, auf der anderen Seite privilegierte Arbeitnehmer und Selbständige, die ihre Home Office in ihren großen Wohnungen einrichten oder eine freiwillige Siesta einlegen. Und wehe, die schlecht bezahlten Systemerhalter halten am Wochenende bei ihrer Flucht aus ihren engen, dunklen Wohnungen den Sicherheitsabstand nicht ein, dann wird von den Balkonen und Dachterrassen aus denunziert. Brillant arrogant und dekadent dargestellt von Nadine Dubois. 

 

Die eigentlich inkompatible Gleichsetzung von Distanz und Nähe bzw. Sicherheit und Freiheit, die (vor allem in Österreich) grassierende „Testpandemie“ („Zum PCR-Test nur mehr mit negativem PCR-Test“, Miriam Stein), der „Schutzwall aus Masken, Regeln, Zahlen und Abmachungen“ (der die Menschen in die Isolation treibt) und die rigide Abhängigkeit des gesellschaftlichen Lebens von Inzidenzzahlen (die von vielen – in den reichweitenstarken Medien fast ungehörten – Experten angezweifelt wird) sind weitere Themen, die in den Clips behandelt werden. 

 

Rechte Ecken

 

Dass dazu Applaus aus dem rechten Lager kommt, war vorauszusehen. Auch von den Schauspielern selbst. „Ich lass mich nicht in die rechte Ecke stellen“, so Markus Gläser, der sich Filmsets in runden Räumen ohne Ecken wünscht.

 

Die öffentlichen Medien und linksliberalen Kritiker der Clips registrierten diese klare Distanzierung (oder wollten sie nicht registrieren?), sind brutal in die Falle gegangen und merken gar nicht, dass sie noch immer drinnenliegen. Nur weil rechte Gruppierungen gegen die Corona-Politik auftreten, heißt das nicht, dass damit Kritik an den Maßnahmen tabu ist und man untertänig die Regierungspolitik huldigen muss. Bedingungsloses Grundeinkommen, Vermögenssteuer für Millionäre, Unterhaltsgarantie für Kinder, Erweiterung des Gleichbehandlungsrechts,,… - Reformvorschläge, die dann obsolet sind, wenn sie von Rechten gefordert werden? Anscheinend die strange, heuchlerische Denkweise diverser Medien, Meinungsmacher und Moralisten.

 

Dies gilt auch für die weltweit stattfindenden Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. Wenn sich dort auch nur wenige Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker befinden, werden pauschal alle Demonstranten mit diesen gleichgesetzt und diskreditiert. Tatsächlich befinden sich unter den Gegnern der Corona-Maßnahmen mehr als zwei Drittel Linke und Grüne, die mit rechten Parolen nicht geködert werden können und laut Polit-Experten großteils ins Lager der Nichtwähler abwandern werden.

 

Den frappanten Unterschied zwischen der medialen Öffentlichkeit und der tatsächlichen öffentlichen Meinung zeigt auch eine YouTube-Statistik vom 25. April. Der Kanal #allesdichtmachen hatte zu diesem Zeitpunkt 11,4 Millionen Aufrufe und 681,279 Reaktionen. 96 Prozent (657.209) waren positiv, nur 4 Prozent (24.070) negativ. 

 

„Verzweifeln Sie, aber zweifeln Sie nicht“, Jan Josef Liefers…

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Amnesty Report 2021: Massive Verschlechterung der Menschenrechtslage durch Corona-Krise!

Die weltweite Menschenrechtslage hat sich durch die Corona-Krise massiv verschlechtert, das berichtet die Human Rights-Organisation Amnesty International in ihrem „Amnesty International Report 2020/21“. Die Pandemie verstärkte die Auswirkungen von Ungleichheit, Diskriminierung und Unterdrückung. Besonders betroffen davon waren vorerkrankte Menschen, Geflüchtete, Minderheiten und Frauen. In vielen Regionen stieg die geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt. Beschäftigte im Gesundheitswesen wurden oftmals schutzlos allein gelassen. Weltweit starben mindestens 17.000 Menschen in diesem Sektor, der Großteil in Südamerika. 

 

Während viele Staaten die Grundrechte (wie Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit) autoritär und unverhältnismäßig einschränkten, versagte die Politik bei der Organisation der Impfstoffe. Eine Ausnahmeregelung vom Patentschutz für Covid-19-Medizinprodukte wird von den führenden Industrieregionen (USA, UK, EU, Schweiz) abgelehnt. Auch in Österreich zeigt der Amnesty-Report negative Tendenzen bezüglich Menschen-, Freiheits- und sozialer Rechte.

 

Zahlreiche Verordnungen der Kurz-Regierung und der Landesregierungen wurden bereits wegen Verfassungswidrigkeit durch den VfGH aufgehoben, viele weitere werden – aufgrund von Individualanträgen (Kultur, Betriebsschließungen, Testpflicht,…) – in den nächsten Monaten folgen. Auch Amnesty International kritisiert die eklatanten Verstöße gegen die Grundrechte, insbesondere das generelle Betretungsverbot öffentlicher Orte und das generelle Versammlungsverbot im März und im April 2020. Danach wurden Demonstrationen zwar wieder zugelassen, allerdings – trotz Einhaltung der Corona-Maßnahmen – nur eingeschränkt. Das Landesverwaltungsgericht OÖ entschied beispielsweise, dass die Reduzierung einer mobilen „Fridays for Future“-Demo in Linz auf eine Standkundgebung mit maximal 1000 Teilnehmern rechtswidrig war.

 

24 Stunden-Betreuerinnen aus dem EU-Ausland, die sich in Österreich um pflegebedürftige Menschen kümmern, hatten im Juli 2020 mit bürokratischen Hürden zu kämpfen. Ohne österreichisches Konto und ohne Steuernummer hatten sie keinen Anspruch auf Leistungen aus dem Covid-19-Härtefallfonds.

 

Frauen wurden nach dem Lockdown verstärkt mit Gewalt konfrontiert. Die Beratungsstellen für Opfer von häuslicher Gewalt meldeten einen Anstieg der Anrufe verängstigter Frauen um 38 Prozent. 24 Frauen wurden umgebracht.

 

Der VfGH hat im Dezember 2020 das Kopftuchverbot an Volksschulen aufgehoben. Der entsprechende § 43a/1 Schulunterrichtsgesetz verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz in Verbindung mit dem Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.

 

Obwohl seit Jänner 2020 die Grünen in der Regierung sitzen, werden Politik und Klima in Österreich zunehmend fremdenfeindlicher. So verweigerte die Kurz-ÖVP die Aufnahme von Flüchtlingen von den griechischen Inseln, obwohl der Wiener Landtag sich bereit erklärte, 100 schutzbedürftige Kinder aus Moria einzufliegen. Afghanische Staatsbürger, deren Asylanträge abgelehnt wurden, wurden nach Afghanistan abgeschoben, obwohl ihnen dort die Todesstrafe oder Folter drohen. Ein Verstoß gegen das Refoulement-Verbot.

 

Die Rechts- und Rückkehrberatung für Asylwerber soll künftig von einer dem Innenministerium (!) zugeordneten Agentur (BBU) übernommen werden, die Verträge mit den bisher zuständigen NGO´s wurden gekündigt. Zivilgesellschaftliche Organisationen bezweifeln die Objektivität der künftigen Verfahrensberater.

 

Rassistische Beschimpfungen gegen Muslime, Menschen mit Migrationshintergrund und Flüchtlinge sind im Steigen begriffen, und das gehäuft in den sozialen Medien. Ob das im Jänner 2021 in Kraft getretene „Hass im Netz“-Paket hier Abhilfe leistet, ist eher fraglich. 

 

Kritisiert werden von Amnesty International auch die Reaktionen der Regierung auf den Terroranschlag in der Wiener Innenstadt. Sowohl die diffuse Auflösung muslimischer Vereine als auch die umstrittenen Reformen zur Terrorismusbekämpfung werden als Ablenkung vom mutmaßlichen Behördenversagen klassifiziert…

Open Air-Maskenpflicht: Wiener Verordnung auf Kurs Richtung VfGH?

„Nicht die Freiheit muss sich rechtfertigen, sondern ihre Beschränkung und Begrenzung“, so der Autor und SZ-Journalist Heribert Prantl in seinem neuen Buch „Not und Gebot - Grundrechte in Quarantäne“. Man könnte das Gegenteil annehmen, wenn man bedenkt, dass seit 13 Monaten die Bürger durch autoritäre Verordnungen der Exekutive in ihren Grund- und Freiheitsrechten beschränkt werden und Kritiker unter Mithilfe der regierungs- und inseratengesteuerten Medien in das Lager der „Corona-Leugner“ und „Verschwörungstheoretiker“ katapultiert werden.

 

VfGH: Zahlreiche Verordnungen gesetzwidrig

 

Mehr als 10.000 Beschwerden landeten in Deutschland bereits vor den Verwaltungs- und Verfassungsgerichten und hatten – trotz einer eher zurückhaltenden, den Gesundheitsschutz überbetonenden Rechtsprechung – auch Erfolge zu verzeichnen, und zwar vor allem im Versammlungsrecht und bei unzulässigen Beherbergungsverboten. In Österreich existiert dieser vorläufige Rechtsschutz, umgangssprachlich auch „Eilverfahren“ genannt, nicht. Allerdings wurden bereits – zeitverzögert – zahlreiche Verordnungen durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben, das Betretungsverbot sämtlicher öffentlicher Orte, die Wiener Gästeregistrierung wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf Datenschutz, der verpflichtende Mindestabstand in der Gastronomie, die gleichheitswidrige Schließung von Betriebsstätten über 400 Quadratmeter oder die Maskenpflicht in Schulgebäuden außerhalb des Unterrichts. 

 

Viele weitere Individualanträge werden derzeit behandelt, darunter eine Verfassungsklage von zehn Künstlern und Intellektuellen (Nina Proll, Alfred Dorfer, Politikwissenschaftlerin Ulrike Guerot, Dirigent Florian Krumpöck,…), die gegen den radikalen Kultur-Lockdown protestieren und neben einer unverhältnismäßigen Schließung der Kulturbetriebe auch eine Ungleichbehandlung gegenüber Gottesdiensten geltend machen.

 

Die oftmalige Standardformulierung des VfGH klingt wie ein Mantra der Corona-Maßnahmen-Kritiker, das im Milieu der Regierungstreuen nicht gerne gehört bzw. sogar missachtet wird: „Aus den dem VfGH vorgelegten Akten ist nicht nachvollziehbar, auf Grund welcher tatsächlicher Umstände die zuständige Behörde (= der Gesundheitsminister) die jeweilige Maßnahme für erforderlich gehalten hat.“ Dies hat jeweils zur Folge, dass die betreffende Verordnung gegen die gesetzliche Ermächtigung verstößt und somit gesetzwidrig ist.

 

Wien verhängt Maskenpflicht im Freien

 

In dieser Spur bewegt sich auch die „Verordnung des Landeshauptmannes über die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien zur Verhindung der Verbreitung von Covid-19“, vulgo die von SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig verordnete Maskenpflicht im Freien u.a. am Donaukanal, am Stephansplatz und am Karlsplatz. Man könnte nun einwenden, der „kleine Fetzen“ (der allerdings im Gegensatz zu allen anderen europäischen Staaten FFP2-Niveau haben muss) ist das geringste Übel in der Bekämpfung der Pandemie. Mag sein, trotzdem handelt es sich um einen massiven Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger. 

 

Schutzmaskenpflichten greifen laut einem Gutachten des Deutschen Bundestags in die verschiedensten Grundrechte ein, darunter das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die körperliche Unversehrtheit, die Versammlungsfreiheit, die Berufsfreiheit und die allgemeine Handlungsfreiheit. Auf Ebene der Menschenrechtskonvention, die in Ö im Verfassungsrang steht, wird vor allem das Recht auf Privatleben nach Art. 8 MRK beeinträchtigt, das die Selbstbestimmung über den eigenen Körper, die eigene Lebensführung und die Identität des Menschen schützt. 

 

Eingriffe in diese Grundrechte dürfen nur zu einem bestimmten Zweck, hier dem öffentlichen Gesundheitsschutz, vorgenommen werden. Die getroffenen Maßnahmen müssen dazu geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein. Es ist sehr fraglich, ob die FFP2-Maskenpflicht im Freien diesen Prinzipien standhält und nicht der ohnehin normierte Mindestabstand von zwei Metern zu haushaltsfremden Personen ausreichend ist.

 

Aerosolphysiker: Nur geringe Ansteckungsgefahr im Freien!

 

Der renommierte deutsche Aerosolphysiker Gerhard Scheuch geht davon aus, dass im Freien die Ansteckungsgefahr bei Null liegt. Um sich mit dem Corona-Virus anzustecken, müsse man laut Scheuch 400 bis 3000 Viren einatmen. Draußen passiere das nur sehr selten: "Im Außenbereich kann nur dann was passieren, wenn Sie sehr lange und sehr eng mit einer Person zusammenstehen und sich vielleicht direkt gegenüberstehen und unterhalten.“ Auch bei den neuen Mutationen ist dies erst bei einer Mindestzeit zwischen 3 und 10 Minuten erfüllt.

 

Angezweifelt wird nicht nur von Scheuch, sondern auch von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene die Sinnhaftigkeit der FFP2-Atemschutzmasken. „Wenn man sie länger trägt, atmet man nicht durch die Maske, sondern hauptsächlich an der Maske vorbei. Das wäre sonst viel zu anstrengend, wenn man über längere Zeit durch dieses Maskenmaterial atmen müsste“, so der Tenor unisono. 

 

Ausnahmegrund Sport oder doch nicht?

 

Die Stadt Wien lässt sich durch diese Argumente nicht beeindrucken und setzt noch einen drauf. Im § 2 der Verordnung wird als Ausnahmegrund von der 24stündigen Maskenpflicht im Freien – in Verbindung mit § 17/3 der 4. Covid-19-SchutzmaßnahmenVO – die „Ausübung von Sport“ normiert. Darunter versteht jeder normale Bürger – und der ist ja der Normadressat – Joggen, Radfahren, Inline Skating, Nordic Walking, Spaziergehen im Sinne von Körperertüchtigung. Nicht so die Stadt Wien. Laut Magistratsdirektion sei damit nur der „Sport in betreuten Sportstätten“ gemeint. Wie die Stadt das zugrundeliegende Epidemiegesetz auslegt, sei ihre Sache, so Anschobers Gesundheitsministerium (wie der Falter 14/21 berichtet). Biken, Joggen und Walken daher nur mit Atemschutz, und das bei 25 Grad an einem sonnigen Wochenende.

 

Es ist ohne jeden Überraschungseffekt zu erwarten, dass sich ein Großteil der Donaukanal- oder Karlsplatzbesucher an diese Regeln nicht halten wird. Oder nur dann, wenn in der Ferne eine Polizeistreife erspäht wird. Und was noch schlimmer ist: Derartige sinnlose, faktenbefreite, am Rande der Lächerlichkeit exponierte Verordnungen sind verantwortlich dafür, dass auch wichtige Maßnahmen nicht eingehalten werden und der Rechtsstaat nicht mehr ernstgenommen wird. Die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs kommen zu spät, um den Return-Knopf zu drücken…

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VfGH/Datenschutzbehörde: Gästeregistrierung verstößt gegen Grundrecht auf Datenschutz!

„Grundrechte in Quarantäne“ – So lautet der Titel eines Buches des deutschen Journalisten Heribert Prantl, das die derzeitige rechtliche Situation während der Corona-Krise hundertprozentig auf den Punkt bringt. In Deutschland existiert im Gegensatz zu Österreichs wenigstens der vorläufige Rechtsschutz (kurz genannt: Eilverfahren), wo sofort nach dem Inkrafttreten von Gesetzen und Verordnungen mutmaßliche Grundrechtsverstöße beim Bundesverfassungsgericht und den Verwaltungsgerichten geltend gemacht werden können. In Österreich mahlen die Mühlen langsamer, aber immer mehr Bürger wenden sich per Individualantrag an den Verfassungsgerichtshof, um sich gegen verfassungswidrige Gesetze oder gesetzwidrige Verordnungen rechtlich zu wehren. So auch ein Restaurantbesitzer, der die Wiener Gästeregistrierung zu Fall brachte.

 

In der betreffenden Verordnung sollten beim Auftreten eines Covid-19-Verdachtsfalls Gastronomen dazu verpflichtet werden, diverse Daten ihrer Gäste (Vorname, Name, Telefonnummer, E-Mail-Adresse und Tischnummer) zu erheben und auf Verlangen den Gesundheitsbehörden zu übermitteln. So zumindest die auch in einer Pressekonferenz geäußerte Absicht des Wiener Magistrats. 

 

Unabhängig davon, dass diese Verpflichtung so gar nicht im Verordnungstext normiert wurde, stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass es sich bei derartigen Datenerhebungen um schwerwiegende Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nach Art. 8 MRK und § 1 Datenschutzgesetz handelt. Im Verfahren zur Erlassung der Verordnung ist daher „nachvollziehbar zu machen, auf welcher Informationsbasis die Entscheidung fußt und die gesetzlich vorgegebene Abwägungsentscheidung erfolgt ist“. Eine Erhebung von Kontaktdaten darf insofern nur dann vorgenommen werden, wenn diese zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 geeignet, erforderlich und angemessen ist. Eine simple Übersendung wissenschaftlicher Studien, wo nicht nachvollziehbar ist, inwiefern diese Grundlage für die Willensbildung waren, ist nicht ausreichend. Die betreffenden Paragraphen (die nur bis zum 31. Dezember 2020 in Kraft waren), wurden daher als gesetzwidrig erkannt. 

 

Bereits im November 2020 entschied die Datenschutzbehörde (nicht rechtskräftig), dass die Gästeregistrierung gegen das Grundrecht auf Datenschutz verstößt. Anlass war die Beschwerde eines Gastes, der sich bei einem Wirt mittels QR-Code registriert und danach Beschwerde eingelegt hat. Die ermittelten Daten gelten im Kontext des Contact Tracing als „gesundheitsbezogen“ und unterliegen daher den verschärften Bestimmungen der EU-Datenschutzgrundverordnung. Eine ausdrückliche Einwilligung ist seitens der Gäste möglich, allerdings kann diese nicht als freiwillig betrachtet werden, da bei einer Ablehnung der Datenbekanntgabe der Eintritt in das Gasthaus verweigert wird. 

 

Eine spezielle gesetzliche Grundlage zur Erhebung der Daten wurde nicht geschaffen. Selbst wenn eine derartige Norm vorliegen würde, müsste diese aus Gründen der öffentlichen Gesundheit unbedingt erforderlich und verhältnismäßig sein. Zusätzlich müssten angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen vorgesehen sein.

 

Verstöße gegen Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, das Recht auf Erwerbsausübung, den Gleichheitsgrundsatz, das Grundrecht auf Datenschutz,… -  Die zahlreichen verfassungs- und gesetzwidrigen Verordnungen im Rahmen der Corona-Pandemie zeigen in erschütternder Art und Weise, wie die Exekutive (egal ob die türkis-grüne Bundesregierung, die Landeshauptleute oder die Bezirksverwaltungsbehörden) mit dem Rechtsstaat und damit mit den Bürgern verfährt. Verfassungsrechtlich bedenklich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die schwerwiegendsten Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger seit dem 2. Weltkrieg von der Exekutive und nicht vom demokratisch gewählten Parlament beschlossen werden. 

 

Und ein Ende ist nicht abzusehen. Oder glaubt tatsächlich jemand, dass die Schließung der Gastro-Betriebe seit 3. November 2020, das radikale Kulturverbot, die 3mal wöchentlichen Zwangstests für minderjährige Schüler oder die tief in die körperliche und psychische Integrität eingreifenden „Eintrittstests“ als Zugangsvoraussetzung für Friseure, Gastro, oder Kultur einer wissenschaftlichen Expertise und somit einer grundrechtlichen Legitimation standhalten?

Menschenkette um den Ring: 7. weltweiter Klimastreik von Fridays for Future!

„No More Empty Promises – Keine leeren Versprechungen mehr“: Unter diesem Motto stand der 7. weltweite Klimastreik der Fridays for Future-Aktivisten, die sich zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie auf den Straßen eher rar gemacht haben. Auch in Wien versammelten sich mehrere tausende Schüler, Studenten, NGO´s und Supporter auf der Wiener Ringstraße, um mit einer Menschenkette zwischen Schottentor und Stubentor den Zusammenhalt der Bewegung zu illustrieren.

 

Entlang des teils sogar doppelt geführten Seils präsentierten junge Demonstranten ihre Slogans (von „Fight every Crisis“, „Fight Pollution or Die Frying“ bis hin zu „Wir streiken, bis ihr handelt“), informierten diverse Organisationen über die prekäre Lage und sorgten Bands für sehnsuchtsvoll erwarteten Live-Sound in einer ansonsten konzertlosen Tristesse. Die Songs großteils bekannt, die Texte FFF-adaptiert. „Durch den Konsum - rette die Welt, du hast's in der Hand, ob kein Regen mehr fällt, geh im Supermarkt die Regale entlang, wieder ein neues Produkt, das die Welt ändern kann“ oder das Falco-Ganz Wien-Cover „Kohle, Erdgas, Kerosin, Schweröl, Diesel und Benzin, Machen uns hin, hin, hin“ treffen ins grüne Herz.

 

Die Umweltsituation hat sich allerdings trotz des ambitionierten Pariser Klimaabkommens wenig verbessert. Laut einer Studie erzeugen die hundert größten Konzerne 70 Prozent der Treibhausgase, der Klimaschutz ist längst nicht auf Schiene. In Österreich sitzt sogar eine türkise Politikerin in der Regierung, die für einen beruflichen Trip von Wien nach Vorarlberg den Flieger nimmt. Lange Transportwege lassen weltweit die CO2-Emissionen in die Höhe schnellen. Und es gibt auch in der Alpenrepublik immer noch Banken, die Millionenbeträge in Kohleunternehmen pumpen.

 

380.590 Bürger haben das Klimavolksbegehren unterschrieben, das sich u.a. für ein Recht auf Klimaschutz in der Verfassung, den Stopp klimaschädlicher Treibhausgase, einen Klimacheck der Gesetze und Verordnungen, eine ökosoziale Steuerreform, den vollständigen Abbau klimaschädigender Subventionen und für flächendeckende, klimafreundliche Mobilität einsetzt. 

 

Das Volksbegehren wird derzeit im Parlament behandelt und hat zumindest einige Reformvorschläge in Form eines Entschließungsantrages nach sich gezogen: Verbindlicher Klimacheck neuer Gesetze, gesetzliche Verankerung der Klimaziele, zwei eher kryptisch anmutende Gremien (Klimakabinett, Klimabeirat) und das 1-2-3-Ticket. 

 

Greenpeace-Klimasprecher Adam Pawloff ist mit der Umsetzung nicht zufrieden und bezeichnet die ÖVP als die „größte Klimaschutzbremse im Land“. Auch die Umweltaktivisten sind enttäuscht von den vagen Formulierungen. „Es fehlen ein CO2-Budget und ein langfristiger Fahrplan. Es müsse klar sein, wann welche Maßnahmen gesetzt werden, um Ergebnisse zu erzielen“, so die ehemalige FFF-Protagonistin und VB-Bevollmächtigte, Katharina Rogenhofer. 

 

Es müssen wohl noch viele Straßenkilometer absolviert werden, bis die österreichische Umweltpolitik auf Schiene ist. In jeder Hinsicht…

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VfGH: Kuhmasken-Verbot bei Demonstrationen verstößt gegen die Meinungsfreiheit!

Bei den zahlreichen Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen stehen immer wieder Verstöße gegen die Maskenpflicht auf der Tagesordnung. Der Verfassungsgerichtshof beschäftigte sich im Rahmen der ersten Session 2021 mit dem Gegenteil, und zwar einem Verstoß gegen ein Maskenverbot.

 

Der Beschwerdeführer ist ein Unterstützer der bekannten Tierschutzorganisation VgT und protestierte im Juni 2018 bei der Veranstaltung „NÖM Milchstraße“ in Baden gegen die Bedingungen der Milchwirtschaft in Österreich. Er verteilte Flyer und trug während dieser Tätigkeit ein Kuhkostüm samt Kuhmaske. Nach mehrfacher vergeblicher Aufforderung der Polizei, die Maske abzunehmen, wurde er festgenommen. Sowohl die Bezirkshauptmannschaft Baden als auch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich verurteilten den Aktivisten zu einer Geldstrafe zuerst 150, dann 70 Euro wegen Verstoßes gegen das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetzes. 

 

Der Beschwerdeführer wandte sich daher nach Erschöpfung des Instanzenzuges an den Verfassungsgerichtshof und machte eine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsfreiheit (Art. 10 MRK) geltend. Der Tierschützer habe „auf eine bestimmte aktionistische Weise seine politische Meinung kundgemacht“. 

 

Rechtliche Grundlage der Verurteilung ist das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz, das die Integration (!) fördern soll und am 1. Oktober 2017 in Kraft getreten ist. Eine Verwaltungsübertretung gemäß § 2/1 begeht, „wer an öffentlichen Orten seine Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände in einer Weise verhüllt oder verbirgt, dass sie nicht mehr erkennbar sind“. Im Absatz 2 werden einige Ausnahmegründe vom Verhüllungsverbot normiert (wie eine „Verhüllung im Rahmen künstlerischer, kultureller oder traditioneller Veranstaltungen“.). Bei diesen handelt es sich nach Meinung des VfGH nicht um eine taxative (abschließende) Aufzählung.

 

Die freie Meinungsäußerung wiederum kann in unterschiedlicher Art und Weise vorgenommen werden, sprachlich, durch Plakate, Aufdrucke, Symbole, künstlerische Ausdrucksformen oder sonstige Verhaltensweisen, „wenn und insoweit diesen gegenüber Dritten ein kommunikativer Gehalt zukommt“. Dazu gehört auch das Einsetzen von Stilmitteln wie dem Tragen eines Kuhkostüms und einer Kuhmaske. 

 

Die Ausnahmebestimmungen des Anti-Gesichtsverhüllungsgesetzes sind daher verfassungskonform in dem Sinne zu interpretieren, dass eine Verhüllung mit einer Tiermaske im Rahmen der Meinungsfreiheit erlaubt sein muss. Aufgrund der Präjudizialität von VfgH-Entscheidungen sind damit weitere Demonstrationen der Tierschützer mit Schweine-, Hühner- oder Kuhmasken gesichert. Sie sind dadurch ja auch authentischer…

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"Ablaufdatum": NHM-Ausstellung über Lebensmittelverschwendung!

4 Prozent der Treibhausgas-Emissionen der EU-28 entstehen durch Lebensmittelabfälle. 1/3 der Lebensmittel, die zur menschlichen Ernährung produziert werden, gehen im Laufe der Wertschöpfungskette verloren. In Europa landen 20 Prozent aller Lebensmittel, die für den menschlichen Verkehr erzeugt werden, im Müll. Diese rund 88 Millionen Tonnen entsprechen einem Wert von rund 143 Milliarden Euro. Jeder österreichische Haushalt wirft jährlich durchschnittlich 43 Kilogramm genießbare Lebensmittel in den Müll, auf das ganze Land bezogen 206.000 Tonnen. Am häufigsten werden dabei Brot, Backwaren, Obst und Gemüse entsorgt. Mit der Menge an Brot, die in Wien jeden Tag vernichtet wird, könnte ganz Graz versorgt werden.

 

Das sind nur einige der horriblen Daten, mit denen die Besucher der Ausstellung „Ablaufdatum“ gleich beim Eingang konfrontiert werden. „Die Verschwendung der Zahlen“ nennt sich die kreative Installation im Naturhistorischen Museum, bei der Papierrollen mit Fakten, Statistiken und Grafiken in sechs offenen Müllcontainern platziert wurden und in Dauerrotation eine erschütternde Einführung über die globale und nationale Lebensmittelverschwendung vermitteln.

 

Der Titel der Ausstellung, „Ablaufdatum“, eine umgangssprachliche Bezeichnung für eine Überschreitung der Haltbarkeitsfrist auf der Verpackung, bezeichnet einen der Hauptgründe für die enormen Lebensmittelverluste. So wird der Terminus „Mindesthaltbarkeitsdatum“ von vielen Konsumenten falsch ausgelegt. Darunter versteht man die Garantie des Herstellers, dass bis zu einem definierten Zeitpunkt Produkteigenschaften wie Geruch, Geschmack oder Konsistenz erhalten bleiben. Die  Lebensmittel können aber auch nach Ablauf dieser Frist noch gegessen werden. De facto landen aber viele dieser Waren im Haushalts-Müll. Verwechselt wird das MHD zumeist mit dem Verbrauchsdatum, das für leicht verderbliche Lebensmittel (wie Fleisch, Fisch oder Rohmilch) vorgeschrieben ist. Ein Verzehr von Waren nach dessen Überschreitung kann eine Gesundheitsgefährdung nach sich ziehen.

 

„Die Täuschung im Supermarkt hat System – Das Treiben der Nahrungsmittelkonzerne grenzt an Körperverletzung durch Irreführung“ – Dieses Zitat von Thilo Bode, Gründer und Leiter der Verbraucherrechtsorganisation Foodwatch International, prangt unter einer Stellage von Limonaden, Joghurts und Müsli-Riegel-Packungen. Dort wird auch gleich aufgeräumt mit einigen Ernährungs-Legenden: Lightprodukte (die kalorienreich und zu viel Zucker und Salz enthalten); Kinderlimonaden, die kaum echte Früchte, aber mit künstlichen Aromen und mit der für Kinderzähne schädliche Zitronensäure E330 versetzt sind, Energy Drinks mit bis zu 7 Stück Würfelzücker pro Glas, die als Hauptursache für Fettleibigkeit gelten.

 

Im Raum nebenan steht doppelstöckig eine Reihe von Supermarktwägen, in denen Videoscreens platziert wurden. Diese weisen mit ihren Kurz-Filmen auf gesellschafts- und umweltpolitische Probleme unserer Zeit hin, auf die Zerstörung des Regenwalds, die Überfischung durch industrielle Fischfangflotter, die Ausbeutung von Arbeitnehmern in den Entwicklungsländern, die grausame Massentierhaltung der Hühner oder die Schweinezucht auf Vollspaltenböden. 

 

Auf der anderen Seite der Konstruktion blickt der Besucher auf ein riesiges Supermarktregal mit den unterschiedlichsten Produkten von Brot, Fisch, Obst, Tomaten bis hin zu Bananen und Tiefkühlware. Basierend auf Produktionsbedingungen, Transport oder Zusammensetzung des Produkts werden Tips und Empfehlungen gegeben, wie sich der Konsument bei der Auswahl der Waren entscheiden soll. 

 

Links platziert ist eine durchsichtige Box, vollgefüllt mit 2 m3 Kunststoff-Müll. Das ist genau jener Wert, den eine sechsköpfige Familie pro Jahr produziert. 2015 lag der Kunststoff-Bedarf in Ö über einer Million Tonnen, ein Drittel davon für Verpackungen und Plastiksackerl. Derzeit werden nur 28 Prozent des Plastikmülls wiederverwertet.  

 

Im Zentrum der Kritik steht auch die industrielle Landwirtschaft, die ein Drittel der Treibhausgase produziert. „Wir essen Erdöl“, ein Zitat des britischen Ökonomen Schumacher, weist darauf hin, dass der Energieverbrauch für die Produktion der Nahrung immer mehr ansteigt. Für eine Tonne Stickstoffdünger sind zwei Tonnen Erdöl erforderlich. Problematisch ist auch der dramatische Bodenverlust in Österreich. 2019 wurden 45 m2 fruchtbarer Boden verbaut und mit Beton und Asphalt versiegelt. Dies entspricht der Fläche von Eisenstadt.

 

Präsentiert werden in der Ausstellung auch Initiativen, die sich gegen die Lebensmittelverschwendung einsetzen: Die in Berlin entstandene Community „Foodsharing“, die Wiener Tafel und die per App agierende Organisation „TooGood to Go“. Die Kehrseite des Konsums symbolisieren die sogenannten „Dumpsterer“, die – in einer rechtlichen Grauzone – in Mülltonnen der Supermärkte nach genießbaren Lebensmitteln tauchen. Schätzungen zufolge handelt es sich dabei um 500-600 Tonnen pro Jahr und pro Markt.

 

Laut dem Regierungsprogramm 2020-2024 ist das „Verbot des Entsorgens von genusstauglichen Lebensmitteln aus dem Lebensmitteleinzelhandel“ geplant. Dass die aktuelle türkis-grüne Koalition dies umsetzen wird, scheint aufgrund der zahlreichen internen Konflikte fast ausgeschlossen.

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Versammlungsrecht: Verbot von Demonstrationen nur als letztes Mittel!

In einer ORF-ZIB-Sendung sprach der Moderator zuletzt im Zusammenhang mit einer Wiener Corona-Demo von einer „nicht genehmigten“ Versammlung. Und lag damit komplett falsch. Denn eine Demonstration muss seit dem Ende der k&k-Monarchie, seit dem Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918, nicht mehr bewilligt werden. Seltsam, dass dieser Fauxpas im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gerade mit einem der wichtigsten Grundrechte des Staatsgrundgesetzes (Art. 12), der Menschenrechtskonvention (Art. 11) und der EU-Grundrechtecharta geschieht.

 

Der Begriff der Versammlung ist gesetzlich nicht definiert. Laut der Rechtsprechung des VfGH handelt es sich um eine „Zusammenkunft mehrerer Menschen, wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation,…) zu bringen“. Das bloß zufällige Zusammentreffen von Menschen ist keine Versammlung.

 

Die rechtlichen Bestimmungen für Demonstrationen sind im (einfachgesetzlichen) Versammlungsgesetz geregelt. So hat der Veranstalter eine Versammlung mindestens 48 Stunden vor der Abhaltung unter Angabe des Zwecks, des Ortes und der Zeit der Behörde (Landespolizeidirektion, Magistrat, Bezirkshauptmannschaft) anzuzeigen. 

 

Untersagung

 

Die Behörde hat eine Versammlung (im vorhinein) zu untersagen, wenn deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet. Dieser Paragraph 6 des Versammlungsgesetzes war die Basis für das Verbot der Corona-Demos am 31. Jänner und am 13. Februar diesen Jahres. 

 

Die Landespolizeidirektion Wien ging in der Begründung davon aus, dass der verordnete Mindestabstand von zwei Metern nicht eingehalten werden kann und weite Teile der Teilnehmer die Maskenpflicht ignorieren. Die Interessenabwägung zwischen dem Recht der Bürger, sich zu versammeln, und dem öffentlichen Gesundheitsschutz wurde daher in Richtung Gesundheit entschieden. Abgesehen davon, dass im allgemeinen die Ansteckungsgefahr im Freien laut renommierter Aerosol-Physiker gegen Null geht, wurden seitens der Polizei keine Daten der Gesundheitsbehörden vorgelegt, die im konkreten Fall eine erhöhte Gefährdung nachweisen. Es ist zu erwarten, dass nach einer Erschöpfung des Instanzenzuges (bzw. dem Rechtsmittel der Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht) die Untersagungsbescheide in einigen Monaten beim Verfassungsgerichtshof landen.

 

Auflösung

 

Findet eine Demonstration wie im gegenständlichen Fall trotzdem statt, dann hat die Behörde die Möglichkeit, diese nach § 13 zu untersagen und nach Umständen aufzulösen. Die Formulierung „nach Umständen“ hat zur Folge, dass die Versammlung nicht nur deswegen aufgelöst werden darf, weil sie durch den Veranstalter nicht angezeigt wurde. Es müssen weitere Umstände hinzutreten, denen zufolge ohne die Auflösung eines der in Art. 11/2 MRK aufgezählten Schutzgüter (wie eben der Schutz der Gesundheit) gefährdet wäre.

 

Eine Gegendemonstration ist kein Grund, eine Demonstration aufzulösen. Im Gegenteil: Das verfassungsrechtlich gewährleistete Versammlungsrecht umfaßt auch den Anspruch auf staatlichen Schutz vor Gegendemonstrationen. Die Polizei hat insofern den störungsfreien Ablauf der Versammlung sicherzustellen. Ein Vorwurf, der den Sicherheitsbehörden oftmals gemacht wird, wenn rechte und linke Ideologien aufeinanderprasseln.

 

Verwaltungsstrafen

 

Wird eine Versammlung aufgelöst, sind alle Teilnehmer verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen. Bei Verweigerung kann die Polizei angemessene Zwangsmittel anwenden. Außerdem können auch Verwaltungsstrafen über die Demonstranten verhängt werden. Wer nicht rechtzeitig den Demonstrationsbereich verlässt, kann – abgesehen von strafrechtlichen Verstößen (wie Widerstand gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung,…) – zu einer Geldstrafe bis zu 720 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Wochen bestraft werden. 

 

Addiert man dazu die Strafen wegen Verletzung der FFP2-Maskenpflicht und des Mindestabstandses (der vor allem bei einer Einkesselung seitens der Polizei kaum einzuhalten ist), dann ist das Ausmaß von 1600 Anzeigen wie zuletzt bei den Corona-Demonstrationen am 13. Februar leicht erreicht. Regierungstreue Boulevardmedien nützen diese Zahlen gerne, um die zumeist urbanen Teilnehmer von Demonstrationen im ländlichen Umfeld in ein schlechtes Licht zu rücken. 

 

Das Versammlungsrecht ist eines der wichtigsten Grundrechte der Republik, das von der österreichischen Bevölkerung (im besonderen der Arbeiterbewegung) jahrzehntelang blutig erkämpft wurde. Ein Verbot von Demonstrationen darf nur die ultima ratio sein. Dabei dürfen nicht einmal leichte Zweifel darüber auftauchen, dass der Grund der Untersagung eigentlich ein anderer ist als der im Bescheid genannte. 

 

Die Situation in der türkis dominierten Alpenrepublik könnte derzeit bizarrer nicht sein. Bürger aus allen Gesellschaftsschichten gehen auf die Straße und protestieren gegen die (teils schon vom VfGH als verfassungswidrig) erklärten Corona-Verordnungen und gegen die größten Grund- und Freiheitsrechtseinschränkungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Reaktion der Exekutive: Sie schränkt ein weiteres Grundrecht ein. Ob zu Recht oder nicht, das wird der Verfassungsgerichtshof entscheiden.

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Stop Lockdown: Schwedisches Frühlingserwachen gegen Frustration und Depressionen!

Monatelange Lockdowns mit Ausgangsbeschränkungen, Eintrittstests als Voraussetzung für Friseurbesuche und künftig auch vermutlich für Gastro, Kultur, Fußballspiele und Hotelübernachtungen, FFP2-Maskenpflicht in Öffis, Schulen und geschlossenen Räumen. Das Leben in Österreich ist trotz der (viel zu langsam angelaufenen) Impfkampagne nur mehr beschränkt lebenswert, und zwar nicht aufgrund des Virus, sondern aufgrund der teils schikanösen, unverhältnismäßigen und durch den VfGH bereits mehrmals als verfassungswidrig erkannten Covid-19-Verordnungen, die großteils nicht nur von der türkis-grünen Kurz-Regierung, sondern auch von der SPÖ mitgetragen werden. 

 

Dass die Corona-Krise auch anders gemeistert werden kann, zeigt Schweden, das zwar auch Restriktionen im öffentlichen Leben eingeführt hat, dies aber dosiert abgestimmt auf die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Grundbedürfnisse der Menschen.

 

Die Maßnahmen in Schweden sind so angelegt, dass das Land sie auch sehr lange durchhalten könnte, notfalls über mehrere Jahre. Das ist das Haupt-Credo der Corona-Strategie des führenden Epidemiologen Anders Tegnell. Man setzt vorwiegend auf Eigenverantwortung und Empfehlungen, die auf einer Ebene mit der Bevölkerung kommuniziert werden, und nicht auf autoritäre Notverordnungen, furchteinflößende Zitate („hunderttausende Tote“) oder peinliche Baby-Elefanten-Narrative. 

 

In Österreich herrscht seit einigen Wochen eine umstrittene FFP2-Maskenpflicht, die es in dieser Form nur in Bayern gibt und die sogar von der EU-Gesundheitsagentur ECDC abgelehnt wird. In Stockholm dagegen laufen die wenigsten Bürger mit Masken herum, und wenn, dann freiwillig. Das Gesundheitsministerium empfiehlt lediglich Menschen, die vor 2004 geboren wurden, von 7 bis 9 bzw. 16 bis 18 Uhr in öffentlichen Verkehrsmitteln eine Maske zu tragen. Eine permanente Maskenpflicht in Öffis sei ein unnötiger Overkill, so Tegnell.

 

Während in Österreich die Schüler seit 8. Februar sowohl Masken – ab der Sekundarstufe – tragen als auch wöchentlich Corona-Tests absolvieren müssen, sind die schwedischen Schulkinder von derartigen Maßnahmen (die auch Public Health-Experte Martin Sprenger heftig kritisiert) befreit. Es gibt überhaupt keine Maskenpflicht, die Grundschüler haben normalen Unterricht, in der zweiten Stufe kann die Schulleitung je nach Infektionsgeschehen einen kompletten oder teilweisen Fernunterricht anordnen. Oberstufen und Universitäten sind geschlossen, auch hier sind allerdings flexible Ausnahmen möglich.

 

Bis Ende Mai 2021 sollen Arbeitnehmer, deren Präsenz im Büro nicht zwingend notwendig ist, in Home-Office geschickt werden. Dort, wo Home-Office nicht möglich ist, führt das Schwedische Zentralamt für Arbeitsumwelt Untersuchungen durch, um die Corona-Ausbreitung zu verhindern.

 

Privat dürfen sich die Schweden zu acht treffen, in Lokalen darf die Besuchergruppe 4 Personen nicht übersteigen. Restaurants und Bars sind geöffnet, ab 20 Uhr darf kein Alkohol mehr ausgeschenkt werden. In Österreich ist die Gastronomie seit 3. November 2020 (!) geschlossen, es drohen zehntausende Konkurse in den nächsten Monaten. Vor einer Pleitewelle stehen auch die Betreiber von Fitness-Studios, die im Gegensatz zu ihren skandinavischen Kollegen weiterhin einem kompletten Erwerbs- und Berufsverbot unterliegen.

 

Der Handel war in Schweden keinen Tag geschlossen, die Anzahl der Kunden ist aktuell auf eine Person pro 10 Quadratmeter beschränkt. In den Geschäften herrscht genausowenig eine staatlich verordnete Maskenpflicht wie in den Friseur- und Schönheitssalons. Eine Face-Mask-Pflicht kann im Rahmen der Vertragsfreiheit durch den Inhaber selbst festgelegt werden. 

 

In Österreich müssen die Friseure, Kosmetiker, Tätowierer und Piercer im Stile eines „Testsheriffs“ negative Covid-19-Nachweise und ärztliche Atteste kontrollieren, FFP2-Maske inklusive. Grund- und datenschutzrechtliche Prinzipien werden dabei vollkommen von Bord geschmissen. Gesundheitsminister Anschober gibt sogar offen in der ZIB 2 zu, „diese Eintrittstests seien nur „Mittel zum Zweck, um die Bevölkerung durchzutesten und ein (vermutlich verfassungswidriger) Pilotversuch für Kultur, Gastro und Events.“ 

 

Die Zeiten könnten also noch härter werden für die österreichische Bevölkerung, wenn hier nicht sofort ein Umdenken –durch Unterstützung von Demonstrationen, NGO´s, politischen Freigeistern und virtuellen Initiativen – einsetzt. Österreichs Wirtschaft ist jene, die von Oktober bis Dezember mit einem Minus von 4,3 Prozent gegenüber dem dritten Quartal in der EU am stärksten eingebrochen ist, Schweden weist hier bereits ein Plus von 0,5 Prozent auf. Die – mit Ausnahme der Museen - noch immer geschlossene Kulturbranche, Gastronomen, Veranstalter und Selbstständige leiden an enormen Umsatzeinbußen, Existenzängsten und Perspektivlosigkeit, und viele junge Menschen kämpfen mit Depressionen, Einsamkeit und Suizidgedanken.

 

Die Regierung muss jetzt endlich den schwedischen Weg einschlagen, einen kontrolliert-optimistischen Frühling einläuten und die Stop-Taste drücken, die Stop-Taste für den Lockdown!

„Einspruch“ gegen Verschwörungsmythen und Fake News: Neues Buch von Ingrid Brodnig!

Echokammern in den sozialen Medien, Fake News bei Wahlkämpfen, Verschwörungstheorien bei Corona-Demos und auf YouTube-Kanälen. Es ist für den Normalbürger gar nicht einfach, die Vielzahl an Informationen einzuordnen, die tagtäglich auf ihn einprasseln. Dies wird noch dadurch verschärft, dass viele – und das teilweise gar nicht unbegründet –traditionellen Printmedien und TV-Nachrichtensendungen nicht mehr glauben. Stichwort „Lügenpresse“.

 

Die Digital-Expertin, Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig hat zu diesem Thema – in nur zwei Monaten – ein Buch geschrieben: „Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern – in der Familie, im Freundeskreis und online!“ Bei der virtuellen Vorstellung ihres Buches im „Cafe Brandstätter Extrazimmer“ bezeichnet sie ihr 5. Buch als ein „Best of“ ihrer bisherigen Werke, adaptiert an aktuelle Ereignisse wie die Corona-Krise oder an die Impfdiskussionen. 

 

Ihr Erstlingswerk „Der unsichtbare Mensch“ erschien im Januar 2014, dann folgten „Hass im Netz“ (2016), für das sie mit dem Bruno Kreisky-Sonderpreis ausgezeichnet wurde, „Lügen im Netz“ (2017) und zuletzt „Übermacht im Netz“ (2019). Im Mittelpunkt ihres neuen Buches stehen insbesondere Debattenkultur, rhetorische Tricks und Methoden der Überzeugungsarbeit gegenüber Personen, die zumeist unverschuldet auf Verschwörungstheorien oder diffuse Informationen reingefallen sind.

 

Brodnig erwähnt in diesem Zusammenhang immer wieder den Begriff der „wertebasierten Kommunikation“. Man solle versuchen, emotionsgeladene Diskussionen zu vermeiden und stattdessen mit dem Kontrapart einen gemeinsamen Werteboden zu finden. Bei einer Konfrontation über Bill Gates beispielweise könne man auf die ambivalente Privatisierung der Gesundheitspolitik durch Multimilliardäre hinweisen, gleichzeitig aber betonen, dass durch die Corona-Impfung keine Mikrochips in die Haut implantiert werden, um Gates zur Weltherrschaft zu verhelfen (wie es diverse Verschwörungstheoretiker verlautbaren). 

 

Herabschätzungen wie „Covidioten“ sind absolut zu vermeiden, denn unter dieser Prämisse können Diskussionen nicht geführt werden. Vielmehr solle man mit Anhängern diffuser Theorien zurückhaltend und schonend ins Gespräch kommen und dann mittels Fakten versuchen, ihre Wertvorstellungen ins Schwanken zu bringen. Auch Fragen nach der Quelle ihrer „Erkenntnisse“ können hilfreich sein. Brodnig erzählt in diesem Konnex von einer Demonstrantin bei einer „Querdenker“-Demo in Berlin, die behauptete, der PCR-Test führe zu einer Verletzung der Blut-Hirn-Schranke. Ihre Erläuterungen waren durchaus wissenschaftlich fundiert, mit einem „Schönheitsfehler“, die Blut-Hirn-Schranke befindet sich nicht in der Nase.

 

Ein Phänomen der Kognitionspsychologie, das erstmals in den 60ern wissenschaftlich untersucht wurde, stellt dabei oft ein Aufklärungs-Hindernis dar, der sogenannte „confirmation bias“. Darunter bezeichnet man die Neigung, Informationen so auszuwählen und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen erfüllen. Andersdenkende sind dann manchmal nicht mehr gewillt, sich andere Meinungen anzuhören und zu akzeptieren und bezeichnen oftmals sogar den Diskussionspartner als desinformiert.

 

Brodnig empfiehlt bei Gesprächen und bei Postings in sozialen Medien, nicht die Falschmeldung zu erwähnen, sondern das Richtige zu betonen, und das wiederholt. Man bezeichnet diesen psychologischen Trick als „illusory truth effect“. Dieser wird derzeit vor allem von aalglatten Polit-Blendern und Verschwörungstheoretikern missbraucht, die mittels einfacher, emotionaler und stetig wiederholender Botschaften ihre Adressaten manipulieren und indoktrinieren.

 

Hilfreich bei der Argumentationsarbeit sind laut der Autorin auch Bilder und Infografiken („Truthiness Effect“). Diese Erkenntnis wurde durch wissenschaftliche Studien der Politologen Jason Reifler und Brendan Nyhan erhärtet, die Anhängern der republikanischen Partei Fakten zur Klimakrise vorlegten. Die Informationen über die Erderwärmung in Bildform wirkten besser als jene in Textform.

 

Die Gründe, warum Menschen auf Verschwörungstheorien und Fake News reinfallen, sind laut Brodnig vielfältig: Angst, Verunsicherung, Wut über die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Zustände, aber auch ein allgemeines Misstrauen gegenüber dem Staat und der Wissenschaft.

 

Dass Politiker und traditionelle Medien an dieser Entwicklung nicht unschuldig sind, ist evident. Verschwörungstheoretiker fabulieren oft von einer „Gleichschaltung der Medien“. Betrachtet man nur die österreichische Corona-Berichterstattung der letzten Monate, dann ist bei den meisten Medien (die aufgrund mangelnder Presseförderung auf staatliche Inserate teilweise in Millionen Höhe angewiesen sind) eine Regierungs-Tendenz nicht abzustreiten. Eine derartige „Message Control“ ist allerdings der beste Nährboden für Botschafter „alternativer Fakten“…

 

Ingrid Brodnig: Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern - in der Familie, im Freundeskreis und online. (Brandstätter Verlag).

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Covid-19-Impfung oder Zero Life: Wahl ohne Alternative!

Seit Ende Dezember 2020 sind Impfstoffe gegen Covid-19 verfügbar, in der EU wurden bis dato drei Vakzine zugelassen. Die nationale Impfbereitschaft variiert je nach Einstellung der Bevölkerung. Was allerdings alle Menschen eint, ist der immer größer werdende Widerstand gegen die unverhältnismäßigen Maßnahmen der Regierungen, die die Grund- und Freiheitsrechte massiv einschränken. Insofern steigt die persönliche Nachfrage nach der Impfung, um sich nicht länger von autoritären Machtpolitikern schikanieren lassen zu müssen.

 

Auch wenn die Impfungen in der EU wegen Bestellung zu geringer Mengen und Lieferengpässen derzeit viel zu langsam vonstatten gehen, zeigen sich jetzt bereits Anzeichen einer künftigen Zweiklassengesellschaft zwischen Geimpften und Nichtgeimpften. In Österreich wird dieses gefährliche, gesellschaftliche Experiment bereits in der Realität erprobt, indem man Bürgern den Zutritt zu körpernahen Dienstleistungen (wie Friseuren, Masseuren und Kosmetikern) bzw. (voraussichtlich) künftig zu Gastronomie, Kultur oder Fußballmatches nur mehr dann gewährt, wenn sie einen negativen Covid-19-Test nachweisen. Im Gegensatz zu Deutschland existieren in Österreich keine Eilverfahren, sodass der Verfassungsgerichtshof erst in einigen Monaten über die Rechtmäßigkeit dieser Eintrittstests entscheiden kann.

 

Im österreichischen Recht herrscht Vertragsfreiheit, d.h. es kann jeder private Unternehmer selbst entscheiden, ob er mit einem potentiellen Kunden einen Vertrag abschließt oder nicht. Der Gastwirt oder der Club-Betreiber kann beispielsweise in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder in der Hausordnung festlegen, dass nur Geimpfte die Kneipe oder den Dancefloor betreten dürfen. Derzeit sind die meisten Betriebe aufgrund der Covid-19-Maßnahmen noch geschlossen. Bei einer Wiedereröffnung müssen die Barflys und Nightclubbers allerdings damit rechnen, dass sie ohne Impfnachweis (bzw. ohne PCR- oder Antigentests) die Lokale nicht betreten dürfen. Die lästige Maskenpflicht kann nur durch den Gesetzgeber bzw. den Gesundheitsminister, nicht aber durch die Betriebsinhaber aufgehoben werden, auch wenn nur Geimpfte zugelassen sind.

 

Die australische Fluglinie Qantas hat bereits kommuniziert, dass nur Geimpfte auf Langstreckenflügen transportiert werden dürfen. Dies fällt ebenfalls unter das Prinzip der Vertragsfreiheit. Fluglinien werden auch dann Impfverweigerer nicht an Bord nehmen, wenn das Zielland eine Einreise für Nichtgeimpfte verweigert. An einer einheitlichen Strategie auf EU-Ebene wird derzeit gearbeitet. Plausibel erscheint für den Sommer 2021 ein Nachweis der Covid-19-Impfung, eines PCR-Tests oder eines Schnelltests an den Flughäfen.

 

Der Ticketverkäufer CTS Eventim geht davon aus, dass die Teilnahme an Konzerten und Veranstaltungen künftig von einer Corona-Impfung abhängig gemacht wird. Die technischen Voraussetzungen seien bereits geschaffen und sollen dann zur Anwendung kommen, wenn es genug Impfstoff gibt und jeder sich impfen lassen kann. Die Letztentscheidung liegt aber beim Veranstalter selbst.

 

Die Grenzen der Diskriminierung sind bei Personen erreicht, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden dürfen. Diesen Kunden den Einlass zu verweigern erscheint rechtlich unzulässig, der Nachweis von ärztlichen Attesten ist aber nicht nur in dieser Konstellation datenschutzrechtlich bedenklich.

 

Keine Unterschiede zwischen Geimpften und Nichtgeimpften dürfen bei öffentlichen Verkehrsunternehmen (wie den Wiener Linien oder der ÖBB) oder bei öffentlichen Einrichtungen (wie Gerichten und Ämtern) getroffen werden. Bei Verkehrsbetrieben herrscht Kontrahierungszwang, sodass Nichtgeimpfte von der Beförderung nicht ausgeschlossen werden dürfen. Dies gilt ebenso für private Unternehmen, solange diese eine Quasi-Monopolstellung (wie das einzige Wirtshaus oder der einzige Nahversorger in einem Dorf) aufweisen und der Kunde nicht auf Konkurrenzbetriebe ausweichen kann. Aus sachlich gerechtfertigten Gründen kann aber auch dann das Unternehmen eine Dienstleistung verweigern. Bei einer etwaigen Interessenabwägung zwischen dem Unternehmer und den anderen Kunden bzw. dem Nichtgeimpften könnte ein wissenschaftlich nachgewiesener Fremdschutz den Ausschlag für eine Vertragsverweigerung mit dem Nichtgeimpften geben.

 

Juristisch spannend wird die künftige rechtliche Behandlung von Geimpften und Nichtgeimpften, und zwar vor allem dann, wenn durch Studien nachgewiesen wird, dass Geimpfte die Krankheit selbst nicht mehr übertragen können. Dies hat eigentlich zur Folge, dass damit die Legitimation für die grundrechtlichen Einschränkungen fällt. Maskenpflicht, Sicherheitsabstand, Quarantänepflicht als Kontaktperson, Eingangstests als Zutrittsvoraussetzung für diverse Veranstaltungen,… sollten damit der Vergangenheit angehören. Die Betonung liegt auf „sollte“, denn wie tatsächlich mit dieser heiklen rechtlichen Materie umgegangen wird, scheint noch unklar.

 

Eine Spaltung der Gesellschaft in den nächsten Monaten dürfte aber unausweichlich sein. Personen, die Eintrittstests ablehnen (weil viele dieser Antigen-Tests falsch positiv sind und jeden Konzertabend zum Lottospiel mit den Quarantänebehörden machen) werden de facto von Veranstaltungen ausgeschlossen. Geimpfte müssen sich vermutlich weiterhin den grundrechtseinschränkenden Covid-Maßnahmen unterwerfen, auch wenn sie in jedem Fall eine viel geringere Viruslast in sich tragen. 

 

Spätestens dann, wenn für alle Bürger Impfstoffe verfügbar sind (was trotz aller widriger Umstände im Sommer 2021 eintreten könnte), werden die Dämme brechen: Events nur mehr mit Impfnachweis, Reisen nur mehr mit Impfzertifikat. Zynische Politiker werden dann noch immer von einer „freiwilligen Impfung“ sprechen. „Wer das nicht möchte, der kann bestimmte Dinge vielleicht nicht machen“, so die deutsche Bundeskanzlerin in der ARD vermeintlich kryptisch.

 

De facto haben also Bürger, die das gesellschaftliche, multikulturelle und soziale Leben genießen wollen, dann keine Wahl mehr. Impfung oder Zero Life! Eine bittere Zukunft für Verschwörungstheorien, denn diese werden gerade umgesetzt!

Klimanotstand weltweit: "Nach uns die Sintflut" im Kunsthaus Wien!

Knapp zwei Drittel der Menschen fürchten sich vor einem weltweiten Klimanotstand. Diese Feststellungen basieren auf einer Umfrage des UN-Entwicklungsprogramms UNEP und der britischen Oxford University, an der 1,2 Millionen Bürger aus 50 Ländern teilgenommen haben. Besorgt sind nicht nur die durch Bewegungen wie Fridays for Future inspirierten Jugendlichen, sondern auch ältere Menschen.

 

Das Kunsthaus Wien (mit seinem USP als „erstes grünes Museum“) präsentiert dazu kongenial seine Ausstellung „Nach uns die Sintflut“, die sich mit den Auswirkungen der Klimakrise auf die unterschiedlichsten Kontinente, Landschaften und Populationen unserer bunten Welt beschäftigt. Der Ausstellungstitel stammt aus dem ersten Band von „Das Kapital“. Der Philosoph und Gesellschaftstheoretiker Karl Marx hat bereits vor 150 Jahren die menschliche Intervention als faktische Umweltzerstörung erkannt und ein Verhalten kritisiert, das nur auf den eigenen Profit bedacht ist und die Folgen auf das gesamte Ökosystem ignoriert.

 

Insgesamt 21 nationale und internationale Künstler zeigen im 3. und 4. Stock des Kunsthauses eindrucksvolle Fotografien, Collagen, Filme und Videoinstallationen, die die dramatischen Folgen der klimatischen Veränderungen auf unsere Lebenswelten, die Wirtschaft und die sozialen Verhältnisse veranschaulichen. Zentraler Anknüpfungspunkt ist laut der Direktorin Bettina Leidl „die An- und Abwesenheit des Wassers, das sich in schmelzenden Polkappen, einem Anstieg des Meeresspiegels, Dürren und dem Abschmelzen der alpinen Gletscher“ widerspiegelt.

 

Gleich beim Eintritt zur Ausstellung provoziert der aus New York stammende Künstler Justin Brice Guariglia mit dem riesigen Aufdruck „The End“. Daneben zieht die Schweizerin Ursula Biemann in ihrem Video-Film „Deep Weather“ einen Konnex zwischen der Ausbeutung natürlicher Ressourcen im Globalen Norden (wie bei der Teersandförderung in Kanada) und den negativen Folgen im Globalen Süden. Beispiel: Die Überschwemmungen in Bangladesh aufgrund der Erderwärmung und des Anstiegs des Meeresspiegels.

 

Der steirische Künstler Michael Goldgruber erstellte aus 420 Einzelaufnahmen die zehn Meter lange Wandinstallation „Talschluss“, die unterschiedlichste Ausprägungen des Gepatschferner, eines der am schnellsten schmelzenden Gletscher, zeigt. Die Wienerin Verena Dengler konzipierte nach einer Reise ins norwegische Spitzbergen (wo die Durchschnittstemperatur seit 1971 um 4 Grad gestiegen ist) eine Wandcollage mit dem ominösen Titel „Dr. Envy Nordpol (ihr Pseudonym) besucht das nördlichste Sushi-Restaurant der Welt. Der Berliner Benedikt Partenheimer macht mit seinen „Methane Experiments“ das Entweichen von Treibhausgasen in Folge des Auftauens der Permafrostböden sichtbar. Seine in Alaska abgelichteten „drunken trees“ bezeichnet der Berliner „as a perfect symbol for a world that has lost ist balance“.

 

Ein Sinnbild für eine aus den Fugen geratene turbokapitalistische Welt stellt auch das künstlich geschaffene Insel-Archipel „The World“ vor der Küste Dubais statt. Die österreichische Fotografin Genoveva Kriechbaum projiziert kongenial ihre futuristischen Landschaftsaufnahmen auf Stahlplatten, untermalt durch Musik des Komponisten Hassam Mahmoud. 

 

28 Minuten lang schlägt eine dunkel gekleidete Person mit der Hacke auf eine gefrorene Eisschicht ein, bis das Videobild erlischt und man nur mehr ein Krachen und einen Schrei hört. Eine metaphorische Untergangs-Installation der beiden Wiener Nicole Six und Paul Petritsch mit dem Titel „Räumliche Maßnahme“.

 

Die niederländische Künstlerin Anouk Kruithof ist im Kunsthaus Wien vertreten mit ihrer Video-Collage „Ice Cry Baby“, die aus zusammengeschnittenen You Tube-Videos von schmelzenden Gletschern besteht, und mit ihrer auf Beinprothesen stehenden Installation „Folly“, deren Körper sich aus einer Gesteinsattrappe mit Luftaufnahmen der Erdoberfläche zusammensetzt. Dahinter hängt die ästhetisch hochwertige Bilder-Serie „Flood Zone“ der in Miami lebenden Fotografin Anastasia Samoylova, die subtil die durch den Klimawandel verursachten Probleme der Urlaubsmetropole (wie Sturmfluten, überlastete Kanalisation und Klima-Gentrifizierung) thematisiert.

 

Der Videofilm „Tuvalu“ beschäftigt sich mit dem Leben der Bewohner des gleichnamigen Inselstaates im Südpazifik, die aufgrund des geringen Unterschieds zum Meeresniveau mit dem Verschwinden ihrer Heimat konfrontiert sind. Solmaz Daryani zeigt in „The Eyes of Earth“ Aufnahmen des ausgetrockneten Urmiasees, der einst der sechstgrößte Salzsee im Iran war. Einen besonders traurigen Beigeschmack erhalten diese Bilder dann, wenn man im beigelegten Album die privaten Fotografien aus der Vergangenheit dieser einstigen Urlaubsregion betrachtet. 

 

Die US-Amerikanerin Christina Seely finalisiert den Reigen der Umweltimpressionen mit einem faszinierenden, audiovisuellen Ausgleich zwischen dem arktischen und dem tropischen Ökosystem („Terra Systema. Tempo“). Ein emotionell-optimistischer Abschluss im Vergleich zur apokalyptischen „The End“-Eingangspforte.

 

Ob Kunst die Klimakrise verbessern kann, das ist natürlich fraglich. Sarker Protick, in „Nach mir die Sintflut“ mit Fotos seines Heimatlandes Bangladesh und dem Videofilm „Monsoon“ vertreten, sieht Kunst zumindest als Initialzündung: „Art can question the things and address the things that needs to be changed.“ Zumindest beim Klimanotstand braucht es dazu keines Beweisverfahrens…

 

Nach uns die Sintflut – 16. September 2020 bis 5. April 2021

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Gesetzliche Covid-19-Impfpflicht bald in Österreich?

„Die Impfungen sind sicher und in nächster Zukunft alternativenlos, wenn die aktuellen massiven Einschnitte ins persönliche Leben ein Ende finden sollen“, so Ursula Kunze und Herwig Kollaritsch von der Medizinischen Universität Wien. Laut einer Umfrage im Jänner 2021 wollen sich derzeit 51 Prozent der Österreicher impfen lassen, die Zahlen sind leicht steigend. Unabhängig davon, wie schnell Impfstoffe verfügbar sind und die geplante Impfstrategie umgesetzt werden kann, sind dies noch zu geringe Zahlen, um eine sogenannte Herdenimmunität zu bewirken. Es bieten sich allerdings verschiedenste Alternativen an.

 

In Österreich existiert – im Vergleich zu anderen Ländern – keine gesetzliche Impfpflicht. Für Impfungen gibt es lediglich Empfehlungen. Die Covid-19-Impfung wurde am 19. Dezember 2020 in die Verordnung über empfohlene Impfungen aufgenommen. Dies hat zur Folge, dass der Bund für etwaige Schäden gemäß den Bestimmungen des Impfschadengesetzes haftet.

 

Deutschland hat im März 2020 eine Impfpflicht gegen Masern eingeführt (die derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht behandelt wird): Kinder dürfen Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen (wie Kindergärten und Schulen) nur dann besuchen, wenn sie gegen Masern geimpft. Dies gilt ebenso für das Personal.

 

Eine Impfung stellt rechtlich einen Eingriff in die körperliche Integrität und das Recht auf Privatleben dar. Grundrechtliche Eingriffe können allerdings aus öffentlichen Interessen (wie eben dem Gesundheitsschutz) gerechtfertigt sein. Der EGMR (der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte) hat eine Impfung eines ukrainischen Patienten gegen Diphterie im Jahre 1998 für zulässig erklärt, da diese notwendig gewesen sei, um die Verbreitung einer ansteckenden Krankheit einzudämmen.

 

Bestimmte Berufsgruppen können bereits jetzt zu Impfungen verpflichtet werden. So bestimmt § 17/3 Epidemiegesetz, dass für „Personen, die sich berufsmäßig mit der Krankenbehandlung, der Krankenpflege oder der Leichenbesorgung beschäftigen, und für Hebammen Schutzimpfungen angeordnet werden“. Für andere Berufsgruppen müssten erst gesetzliche Grundlagen beschlossen werden. 

 

Eine Alternative dazu sind dienst- bzw. arbeitsvertragliche Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die aber derzeit auf heiklen Füßen stehen. So liegen noch keine wissenschaftlichen Expertisen darüber vor, ob die Covid-19-Schutzimpfung nur dem Eigen- oder auch dem Fremdschutz dient. Nützt sie nur dem Geimpften, dann wird der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kaum eine Impfung vorschreiben können.

 

Experten raten derzeit davon ab, eine gesetzliche Impfpflicht einzuführen, da diese zu enormem Widerstand, Protesten und Demonstrationen in der Bevölkerung führen würde. Ca. ein Viertel der in Österreich lebenden Bürger sprechen sich derzeit strikt gegen eine Impfung aus. 

 

Sollte die Impfung allerdings eine Fremdansteckung verhindern, dann wäre eine gesetzliche Impfpflicht dann zu erwägen, wenn sich zuwenige Bürger freiwillig für eine Impfung entschieden haben, um Herdenimmunität zu erreichen. Laut dem Medizinrechtler Karl Stöger könnten bei Impfverweigerung Verwaltungsstrafen oder Einschnitte bei Sozialleistungen, (solange dadurch keine lebensnotwendigen Leistungen entzogen werden) verhängt werden.

 

Die Fakten sollten aber – seitens der Politik, der Juristen und der Soziologen - ehrlich auf den Tisch gelegt werden. Man kann nicht von einer freiwilligen Impfung sprechen und dann nicht-geimpfte Bürger von Gastronomiebesuchen, Hotelübernachtungen oder Konzertevents ausschließen. So wie es analog kürzlich von mehr als drei Viertel der Nationalratsabgeordneten in Form verpflichtender Eintrittstests beschlossen wurde.

"Zwangstest oder Hausarrest": Türkis-Grüner Angriff auf die Grundrechte!

„Zwangstest oder Hausarrest“: Unter diesem (ungeschriebenen) Motto steht der Gesetzesentwurf der türkis-grünen Bundesregierung, der ab Silvester (!) für 3 Tage „lang“ zur Begutachtung vorgelegt wurde. Formell handelt es sich um Änderungen im Epidemiegesetz und im Covid-19-Maßnahmengesetz, tatsächlich sind es die schwerwiegendsten Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger seit dem Zweiten Weltkrieg, die unter dem Deckmantel des „Freitestens“ präsentiert wurden.

 

Am 26. Dezember 2020 wurde über Österreich der bereits dritte Lockdown verhängt, seitdem sind Einzelhandel, Kultur, Gastro und Tourismus – Skisport mal großzügig ausgenommen – geschlossen. Die rechtliche Legitimation ist fragwürdig, da die Infektionszahlen seit Wochen sinken und ein Zusammenbruch des Gesundheitssystems nicht zu erwarten ist. Als Ende des Lockdowns wurde per Pressekonferenz (!) der 24. Jänner 2021 festgelegt. Juristisch müssen die Ausgangsbeschränkungen allerdings alle 10 Tage durch den Hauptausschuss des Nationalrats genehmigt werden, aktuell wurde der Lockdown bis 14. Jänner (durch ÖVP, Grüne und SPÖ) verlängert.

 

Bundeskanzler Kurz kam nach dem Massentest-Flop im Dezember auf die „großartige“ Idee, eine zweite Massentest-Runde im Jänner zu starten. Die Teilnehmer an diesen Massentests sollten die Möglichkeit haben, sich „freizutesten“, um bereits am 18. Jänner die dann wieder geöffneten Gastronomiebetriebe, Theater oder Fashion-Shops aufzusuchen. Die anderen, die „bösen Testverweigerer“, die unterliegen weiterhin den Ausgangsbeschränkungen und müssen weiterhin im Lockdown verharren. 

 

Abgesehen davon, dass es in Österreich keine Testpflicht gibt („Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit“) und Belohnungen bzw. Bestrafungen für die Teil- oder Nichtteilnahme an chinesische „Social Credit“-Systeme erinnern, haben diese Antigen-Tests auch nur eine Gültigkeitsdauer von 1 Tag und liefern – wie zuletzt in Wien – bis zu 50 Prozent falsch positive Ergebnisse. „Wenn kein konkreter sachlicher Grund vorliegt, dass eine Testung ein Ansteckungsrisiko vermindert, also nach Ablauf von 24 Stunden, ist eine weitere Freiheitseinschränkung sachlich nicht mehr gerechtfertigt“, so Rechtsanwalt Florian Horn in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf.

 

Das „Freitesten“ für die Woche von 18. bis 24. Jänner ist allerdings das geringste Problem. Tatsächlich steht in den novellierten Paragraphen des türkis-grünen Gesetzesentwurfes etwas viel Gefährlicheres. Der Testnachweis (oder der Nachweis einer in den letzten drei Monaten erfolgten Infektion) soll laut den Wünschen der Regierung zur Eintrittsbarriere für das gesamte öffentliche Leben der Bürger werden, und zwar nicht nur in der letzten Lockdown-Woche, sondern unbefristet bis weit in die Zukunft. 

 

Formell wird der Testnachweis scheinbar harmlos – neben MNS und Abstandsregeln - als „Auflage“ eingefügt, und zwar sowohl im § 15 des Epidemiegesetzes (bei den Veranstaltungen) als auch im Covid 19-Maßnahmengesetz (bei allen Maßnahmen). Der Gesundheitsminister hat die Generalvollmacht, Bürger, die keinen negativen Testnachweis vorweisen, durch Verordnung vom gesamten gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben auszuschließen. 

 

Bei einzelnen Events mit vielen Zuschauern (wie einem Live-Konzert in der Stadthalle) oder bei Club Nights in engen Räumlichkeiten ist gegen eine Testpflicht seitens der privaten Veranstalter nichts einzuwenden. Bei Theatern, Kabaretts oder Konzertsälen wurden bereits ausgeklügelte Präventionskonzepte erstellt, bei denen im Herbst 2020 kein einziger Infektionsfall aufgetreten ist. 

 

Dass ein einzelner Minister – ohne parlamentarische Kontrolle – per Verordnung verfügen kann, dass Bürger ohne negativen Covid-19-Test pauschal und undifferenziert nicht mehr am öffentlichen Leben teilnehmen können, ist radikal unverhältnismäßig. Dies würde bedeuten, dass Personen nur dann ein Konzert, Kabarett oder Museum besuchen dürfen, wenn sie eine negative Testbestätigung mit sich tragen. Ebenso, wenn sie in der Stadion-Arena ihrer Fußballmannschaft zujubeln, im Restaurant eine Pizza oder ein Schnitzel essen oder einen Spritzer im Beisl trinken wollen.

 

Die Ermächtigung im Covid-19-Maßnahmengesetz geht sogar so weit, dass der Gesundheitsminister Personen ohne Testnachweis die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bzw. die Betretung des gesamten öffentlichen Raumes verbieten kann. Sozusagen: Zwangstest oder Hausarrest.

 

„Offensichtlich geht der Gesetzgeber davon aus, dass grundsätzlich von jeder einzelnen Person eine große epidemiologische Gefahr ausgeht, solange diese Person nicht das Gegenteil beweisen kann. Dies leider ohne differenzierte Betrachtung der Umstände und ohne nähere medizinisch-wissenschaftliche Indikatoren“, so die Stadt Wien in einer Stellungnahme.

 

Ein unfassbarer, unverhältnismäßiger Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger, der vermutlich in türkisen Kabinetten entstanden ist und mitgetragen wird von Mitgliedern einer grünen Partei, die sich immer als Menschenrechtsaktivisten gesehen und noch 2011 in der Opposition Alterstests bei jugendlichen Asylwerbern abgelehnt haben. Heute in der Regierung unterstützen sie Einschränkungen der persönlichen Freiheit, der Bewegungsfreiheit und des Privatlebens, wenn Bürger freiwillige Tests ablehnen.

 

Noch ist der Gesetzesentwurf reine Makulatur. Die Oppositionsparteien (SPÖ, Neos, FPÖ) haben angekündigt, das Gesetz im Bundesrat (31:30-Mehrheit) für acht Wochen zu blockieren. Ein Beharrungsbeschluss im Nationalrat könnte das Gesetz trotzdem zur schockierenden Realität machen. Insofern ist auch die Zivilgesellschaft aufgerufen, gegen derartige Grundrechtseingriffe auf die Straße zu gehen und in den sozialen Medien Widerstand gegen die türkis-grünen Test- und Überwachungsdystopien zu leisten.

 

Wir wollen nicht in einer Welt leben, in der ein Covid-19-Testnachweis unseren gesamten Alltag dominiert. Wer das will, kann gerne in einschlägige diktatorische Staaten auswandern. Oder sich im stillen Kämmerchen düstere Science-Fiction-Serien auf Netflix oder Prime reinziehen…

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Grundrechte: Covid-Testzwang unzulässig, Sanktionen bei Verweigerung staatliche Willkür!

Ende des Jahres wird stets gerne Bilanz gezogen. Die Freude über das Jahr 2020 hält sich dabei in Grenzen, die Techno-Legenden von Scooter bringen es mit ihrem neuen Hit „Fxck 2020“ auf den Punkt. Die noch immer grassierende Corona-Pandemie ist in Österreich leider auch mit einer bedenklichen Entwicklung des Rechtsstaates auf Legislativ- und Exekutivebene verbunden. Bundeskanzler Kurz nennt dies lapidar „juristische Spitzfindigkeiten“, tatsächlich wurden vom exzellent funktionierenden Verfassungsgerichtshof im Laufe des Jahres zahlreiche Verordnungen des (formell zuständigen) Gesundheitsministers (die aber de facto natürlich im Einklang mit der gesamten Bundesregierung getroffen wurden) als verfassungswidrig aufgehoben. 

 

Diese Tendenz dürfte leider prolongiert werden. Renommierte Juristen halten die den „dritten Lockdown“ legitimierende 3. Covid-19-Schutzmaßnahmenverordnung für rechtswidrig, da eine drohende Überlastung des Gesundheitssystems nicht bevorsteht. Tatsächlich ist die Anzahl der Covid-Patienten sowohl auf der Normal- als auch auf der Intensivstation innerhalb der letzten Woche um ca. 20 Prozent gesunken.

 

Rechtsstaatlich massiv fragwürdig sind weiters die mit den Massentests im Jänner geplanten Freiheitseinschränkungen für Bürger, die diesen Tests fernbleiben. Aus rechtlicher Hinsicht handelt es sich bei einem Test um eine ärztliche Heilbehandlung, bei der der Patient zustimmen muss. In Deutschland ist das „Recht auf körperliche Unversehrtheit“ im Grundgesetz verankert (§ 2/2 GG), in Österreich wird dieses unter Art. 3 (Verbot erniedrigender Behandlung) und Art. 8 (Recht auf Privatleben) der im Verfassungsrang stehenden Menschenrechtskonvention subsumiert. Geschützt wird im Kern die Selbstbestimmung über den eigenen Körper bzw. die physische und psychische Integrität des Individuums.

 

Ausnahmen von diesem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht können sich aus öffentlichen Gesundheitsinteressen ergeben. Diese sind im § 5/1 Epidemiegesetz normiert, das ärztliche Untersuchungen (also beispielsweise durch Covid-Tests) dann zulässt, wenn eine Person „krank, krankheitsverdächtig oder ansteckungsverdächtig“ ist. Eine Massenuntersuchung aller ca. 8,9 Millionen in Österreich lebenden Personen ist hier natürlich nicht inkludiert.

 

Eine Verpflichtung der Bürger, sich ohne Grund einem Covid-Test zu unterziehen, besteht daher nicht. Wenn jetzt die Kurz-Regierung in einer Pressekonferenz (!) ankündigt, Testverweigerer im Jänner mit einer zusätzlichen Woche Freiheits- und Ausgangsbeschränkungen (inklusive dem Tragen einer stigmatisierenden FFP2-Maske) zu bestrafen, dann klingt das nach staatlicher Willkür oder - wie einige Polit-Insider meinen – nach einer Rache-Aktion eines beleidigten Bundeskanzlers, dessen sündteure Massentest-Initiative – alleine die Anschaffungskosten der Tests betrugen 67 Millionen Euro – einen gewaltigen Flop erlebte. 

 

Antigentests sind laut Experten nicht nur extrem fehleranfällig, sondern stellen eine reine Momentaufnahme dar. Wer bei einem Massentest in der Wiener Stadthalle negativ getestet wurde, kann bereits während der  Heimfahrt mit der U-Bahn oder bei einem Familientreffen Stunden später mit dem Corona-Virus infiziert werden. Ein negativer Corona-Test am 15. Jänner hat also Null Aussagekraft für die Tage danach. Trotzdem will die türkis-grüne Bundesregierung den Lockdown für Testverweigerer um eine Woche verlängern und diesen verbieten, Fashion Shops, Restaurants oder Kultureinrichtungen zu besuchen. Polizei, Kellner oder Billeteurs sollen die medizinisch wertlosen Testnachweise kontrollieren. 

 

Dass das Christkind die Rechtfertigung für diesen massiven Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte liefert, ist wohl ausgeschlossen. Der Verfassungsgerichtshof kann also auch nächstes Jahr mit höchstem Arbeitsaufwand rechnen. Vermutlich wird das Gesetz aber nie zustandekommen, weil der mit einer Oppositionsmehrheit ausgestattete Bundesrat mit einem suspensiven Veto dieses bis zu 8 Wochen „verzögern“ kann und im März die Zustände sich (hoffentlich) geändert haben… 

Gleichbehandlungsanwaltschaft fordert Erweiterung des Diskriminierungsschutzes

Ein schwules Paar wurde vom Kellner in einem Lokal als „schwule Sau“ beschimpft. Ein Vermieter lehnte einen vorgeschlagenen Nachmieter explizit ab, weil er „einen Moslem nicht in der Wohnung haben will“. Das sind nur zwei von insgesamt 196 Fällen der Gleichbehandlungsanwaltschaft, bei denen diese aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen nicht tätig werden konnte. Österreich gehört im EU-Vergleich zu den Schlusslichtern im Diskriminierungsschutz. Wie Equinet (das European Network of Equality Bodies) in einer Grafik zeigt, garantieren fast alle Staaten Europas (ausgenommen u.a. Spanien und Griechenland) auch einen Schutz außerhalb der Arbeitswelt.

 

Im Parlament wurde zuletzt der Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirtschaft von 2018 und 2019 präsentiert. 4017 Fälle hat die Gleichbehandlungsanwaltschaft in diesem Zeitraum behandelt, zwei Drittel der Anfragen wurden von Frauen eingebracht. 78 Prozent der Fälle betrafen Diskriminierungsfälle in der Arbeitswelt. 

 

Hauptdiskriminierungsgrund war das Geschlecht (52 %). 468mal wurde sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gemeldet. Beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen bezogen sich die Anfragen vor allem auf das „Gender Pricing“, beispielsweise bei Friseurdienstleistungen.

 

Zweithäufigster Diskriminierungsgrund war die ethnische Zugehörigkeit, davon 60 % in der Arbeitswelt und 30 % beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Vor allem im Bereich des Wohnraums traten gehäuft rassistische Vorfälle gegen Nachbarn und Wohnungswerber auf. 

 

Bei drei Viertel der Anfragen im Bereich der Religion stand die muslimische Religionszugehörigkeit im Mittelpunkt. Vor allem Frauen mussten sich u.a. im Bewerbungsprozess immer wieder mit demütigender Kopftuch-Kritik seitens der Arbeitgeber auseinandersetzen. Als zukünftiges Bedrohungspotential kristallieren sich aktuell der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Algorithmen in der Arbeitswelt heraus. Die Corona-Krise wiederum verstärkt die Diskriminierung gegen Ärmere und den Rassimus gegenüber „asiatisch wahrgenommene“ Menschen.

 

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft, die Betroffene in den kostenlosen Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission vertritt, fordert in ihrem Jahresbericht endlich eine Erweiterung des Diskriminierungsschutzes, das oben bereits erwähnte „Levelling Up“, das in fast allen europäischen Rechtsordnungen bereits verwirklicht wurde. Derzeit gibt es in Österreich in den Bereichen sexuelle Orientierung, Religion, Weltanschauung und Alter keinen Diskriminierungsschutz beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Homosexuelle können daher beispielsweise ohne Konsequenzen aus einem Kaffeehaus verwiesen, potentielle Kunden oder Mieter wegen ihrer Religionszugehörigkeit abgelehnt werden.

 

Geschützt ist außerhalb der Arbeitswelt neben dem Geschlecht nur die ethnische Zugehörigkeit. Grundlage ist die Antirassismus-Richtlinie aus dem Jahr 2000, die weitergehende „horizontale Anti-Diskriminierungsrichtlinie“ liegt seit 2008 „auf Eis“, steht allerdings bei der neuen EU-Kommission auf der Vorhabensliste.

 

Dass die türkis-grüne Bundesregierung das Gleichbehandlungsgesetz „freiwillig“ erweitert, kann ausgeschlossen werden. Die Grünen haben sich zwar bei zahlreichen Parlamentsdebatten, Diskussionsrunden und Veranstaltungen für ein Levelling Up ausgesprochen, können sich in dieser für ihre politische Zukunft desaströsen Koalition mit ihren Forderungen kaum durchsetzen. Die rechtskonservative Kurz-ÖVP hat bereits in der Koalition mit der SPÖ eine Verschärfung des Diskriminierungsschutzes verhindert. Ein politisches Trauerspiel…

Distance statt Romance: How to contact im eisigen Corona-Winter…

„Dreh di ned um, oh oh oh, der Kommissar geht um, oh oh oh“ – So rappte Pop-Ikone Falco einst durch die Undergroundclubs der Großstadtmetropole Wien. Diese Zeiten sind vorübergehend ausgeträumt. Die Polizisten fahnden heute nicht nach Schneemännern, Kleinganoven und High Life-Party People, sondern nach Ausgangssündern. Österreich ist wieder im ultimativen Lockdown: Einzelhandel geschlossen, rigorose Veranstaltungs-, Sport- und Kulturverbote, Gastro und Nightlife gekillt und eine 24stündige Ausgangsbeschränkung – sozusagen Lockdown around the Clock – mit ähnlich strangen Ausnahmen wie im März 2020. Zumindest Lachen darf man noch ungestraft.

 

Gemäß der neuen Covid-19-Notmaßnahmenverordnung ist das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb diesen nur zu 9 bestimmten Zwecken zulässig. Rudi & Co. haben also von 4 auf 9 aufmagaziniert, vermutlich, weil der „systemrelevante“ Waffenhandel – im Gegensatz zu Buch- oder Musikgeschäften – geöffnet hat. Darunter fallen neben den üblichen Gründen wie „Gefahrenabwehr“, „Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen“ oder „berufliche Zwecke“ auch wiede jene, die, garniert mit rechtlich bedeutungslosen Floskeln des Bundeskanzlers („Treffen Sie niemanden. Jeder soziale Kontakt ist einer zu viel!“), nicht nur Juristen zu schlaflosen Nächten verhelfen, sondern auch Bevölkerung, Polizei und Gerichte in Interpretationsnotstand versetzen. Deja Vu Covid!

 

Der Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung ist gemäß § 1 Absatz 1 Ziffer 5 der Notfallmaßnahmenverordnung jederzeit möglich. Was soviel heißt, dass es eigentlich gar keine Ausgangsbeschränkungen gibt. Auch um 23 Uhr nachts reicht für die Glaubhaftmachung vor der Polizei das lapidare Wort „Erholung“, und zwar unabhängig davon, ob man zur Beruhigung ein 16er-Blech in der Hand hält oder nicht. 

 

Die Kontaktaufnahme mit anderen wird unter dem Sammelbegriff „Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens“ erfasst. Kontakt ist insoferne zulässig mit „nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebenspartnern“, „einzelnen engsten Angehörigen“ (das sind laut den Materialien Eltern, Kinder und Geschwister) und „einzelnen wichtigen Bezugspersonen, mit denen in der Regel mehrmals wöchentlich Kontakt gepflegt wird“. 

 

Wenn Sie alleine leben, dann definieren Sie eine Person, mit der Sie während des Lockdowns in persönlichem Kontakt bleiben“, das verlautbarte Bundeskanzler Kurz bei einer TV-Pressekonferenz vor einem Millionenpublikum. Diese dramatisch-dystopische Formulierung findet aber keinen Widerhall in der Verordnung. Niemand muss eine einzige Person als Freund definieren, es gibt kein „Freundschaftsregister“. Und wer tatsächlich zu den Bezugspersonen einer Person zählt, das unterliegt juristisch einer Einzelfallbeurteilung.

 

Das Gesundheitsministerium interpretiert die Kontaktbestimmung dahingehend, dass eine Einzelperson einen Haushalt (mit mehreren Personen) besuchen darf, umgekehrt allerdings nicht. Für die über 30 Prozent Singles würde das bedeuten, dass sie während des Lockdowns nur von einer Person gleichzeitig besucht werden dürfen. Verfassungsrechtler Mayer relativiert und meint im „Standard“, „niemand könne etwas dafür, wenn in dem Haushalt, den man gerade besucht, auch gerade noch andere zu Besuch seien“. Der Gesetzestext lasse überdies einen Besuch mehrerer Personen auch gleichzeitig zu, wenn diese die jeweiligen Voraussetzungen erfüllen. 

 

Die Kontaktregelungen gelten übrigens auch für den öffentlichen Raum. Das heißt, auch dort ist eigentlich nur ein Treffpunkt mit engsten Angehörigen und wichtigen Bezugspersonen möglich. Zusätzlich muss noch ein Sicherheitsabstand von einem Meter eingehalten werden. Erste Dates im eisigen Winter, küssend auf der Parkbank, oder in der heißen Stube sind laut der Notmaßnahmenverordnung nicht erlaubt. Im Widerstand gegen die staatliche Autorität aus Liebe alle Regeln zu brechen hat aber auch was Prickelndes…

 

Spaß beiseite: Rechtsanwälte und Verfassungsjuristen kritisieren die mangelnde Bestimmtheit der aktuellen Corona-Maßnahmen. Laut Universitätsprofessor Funk müssen „die Regelungen umso eindeutiger sein, je strikter und strenger in die persönliche Freiheit eingegriffen wird. Das werde hier in eklatanter Art und Weise verletzt.“ Die Polizei habe kaum Möglichkeiten, die Rechtmäßigkeit des Verhaltens zu überprüfen, die Verwaltungsgerichte detto. . 

 

Die Strafen halten sich bis dato aber in Grenzen. Die Polizei dürfte dazugelernt haben. Vielleicht die Bevölkerung auch: Abstand halten, Maske in geschlossenen Räumen, soziale Kontakte reduzieren, ohne Zwang, das ist das Credo, und nicht eine 11 Seiten lange Placebo-Notverordnung ohne Not. 

„Kulturverbote verfassungswidrig!“ – Künstler planen Klagen beim VfGH!

„Ohne Kunst und Kultur wird´s still“, und leider ist es im Jahr 2020 schon lange still. Nach einer langen Durststrecke im Sommer und Herbst, bei der nur rudimentär bzw. unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen Veranstaltungen durchgeführt wurden, hat die türkis-grüne Regierung – wegen eines rasanten Anstiegs positiver PCR-Tests - durch die sogenannte „Schutzmaßnahmenverordnung“ der Kulturszene wieder komplett das Wasser abgedreht. Und das, obwohl kein einziger (!) Infektionsfall nach einem Theater-, Kabarett- oder Konzertbesuch nachgewiesen werden konnte.

 

Den betroffenen Künstlern reicht es jetzt. Der Pianist und Intendant Florian Krumpöck will gemeinsam mit dem Rechtsanwalt Wolfram Proksch einen Individualantrag beim Verfassungsgerichtshof einbringen. „Die politische Landschaft ist nicht kulturaffin“, so elegant und gleichzeitig erschreckend beschreibt Mitstreiter Alfred Dorfer den mangelnden Wert der Kultur unter der Kurz-Regierung. Auch die Verordnungen des grünen Gesundheitsministers Rudolf Anschober deuten daraufhin. Theater, Konzertsäle, Kinos und Kabaretts erscheinen dort in einer Aufzählung „in bester Gesellschaft“ mit Wettbüros, Spielhallen, Automatenbetrieben, Bordellen und Paintballanlagen. Diese Schmähung hat sich die Kulturnation Österreich nicht verdient.

 

Die deutsche Politikwissenschaftlerin Ulrike Guerot, die auf der Kremser Donauuniversität das Department „Europapolitik und Demokratieforschung“ leitet und die für Jänner geplanten VfGH-Klagen unterstützt, bezeichnet das rigorose Kulturverbot als eine „Gefährdung der Demokratie“. Die Politik könne nicht einfach sagen, „Kultur ist nicht systemrelevant, Kirchen dagegen schon“. So sieht das auch Krumpöck: „Religionsgesellschaften dürfen freiwillig entscheiden, ob sie schließen oder nicht, während Kulturveranstaltungen trotz Hygienebestimmungen, Contact Tracing uind Maskenpflicht per Verordnung geschlossen wurden“.

 

Auch wenn in den einschlägigen Grundrechtskodifikationen kein Recht auf Kultur normiert wird, so werden durch die Veranstaltungsverbote eine Reihe wichtiger Grundrechte verletzt, wie das Recht auf Erwerbsfreiheit, der Gleichheitsgrundsatz, das Recht auf Bildung, die Versammlungsfreiheit oder die Gedanken- und Meinungsfreiheit. Im Mittelpunkt der Klagen steht dabei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 

 

Laut Rechtsanwalt Proksch könne „das Recht auf Schutz des Lebens nicht per se als Killerargument dienen, alle anderen Rechte des Grundrechtskatalogs außer Kraft zu setzen“. Es sei unverhältnismäßig, Kulturveranstaltungen komplett zu verbieten, da durch gelindere Mittel – die erwähnten Sicherheitsbestimmungen – derselbe Effekt erreicht werden kann. 

 

Man kann nur hoffen, dass – europaweit – den Klagen gegen diese massiven Grund- und Freiheitsrechtseinschränkungen stattgegeben wird und die Gesellschaft – trotz der Corona-Krise – wieder offener, lebendiger und weniger obrigkeitshörig gegenüber den staatlichen Autoritäten wird. Ein bitterer Nebeneffekt der verschollenen Kunstszene. „The World is nothing without Art!“

Mission VfGH: Corona-SchutzmaßnahmenVO auf Konfrontation mit den Grundrechten!

Es sind anspruchsvolle und gefürchtete Klausuren im Verfassungs- und Verwaltungsrecht, die jährlich auf die Studenten der juridischen Fakultäten zukommen. Aktuell dauern sie bis zu 4 Stunden. Würden die immer stets auf neue Gesetzesmaterie abzielenden Professoren die Corona-Verordnungen der türkis-grünen Bundesregierung – formell erlassen durch den Gesundheitsminister – zum Prüfungsgegenstand machen, dann müssten die Studenten wohl Tag und Nacht im Prüfungssaal sitzen.

 

Zwei Jus-Studentinnen sind auch die ersten, die per Individualantrag die neueste „Schutzmaßnahmenverordnung“ vor den Verfassungsgerichtshof bringen. Wohl nur die Spitze des Eisberges. Im Mittelpunkt der Anträge stehen vor allem die „Ausgangsregeln“, die laut dem zugrundeliegenden Covid-19-Maßnahmengesetz nur als Ultima Ratio, als letztes, geeignetes Mittel, vorgesehen sind. Die gesetzliche Ermächtigung sei daher überschritten worden, da es noch andere Möglichkeiten gegeben hätte, den angeblich drohenden Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu verhindern, wie beispielsweise die Schließung von Einzelhandelsbetrieben, Einkaufszentren oder Kirchen. Es liege daher eine Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit vor.

 

Geltend gemacht wird von den Studentinnen auch die mangelnde Bestimmtheit der Ausgangsgründe, die bereits im März 2020 zu zahlreichen Aufhebungen durch den Verfassungsgerichtshof geführt haben. Die bereits rechtskräftig verhängten Strafen wurden – trotz einer nachträglich als gesetzwidrig erkannten Anspruchsgrundlage – nicht rückerstattet (obwohl für derartige Fälle eine Aufhebung durch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde in Frage kommt).

 

Gemäß der neuen Schutzmaßnahmenverordnung existieren jetzt fünf Gründe, die die Bürger berechtigen, zwischen 20 und 6 Uhr ihren privaten Wohnbereich zu verlassen: 1.) Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum, 2.) Betreuung und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen (wer darunter fällt, ist unklar) und die Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten, 3.) die Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens (Rechtlich unverbindliche Infos des Sozialministeriums subsumieren darunter auch die Fahrt zu Zweitwohnsitzen, den Kontakt zu nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebenspartnern, Kirchenbesuche oder die Grundversorgung von Tieren), 4.) Berufliche Zwecke und Ausbildungszwecke bzw. der wohl phantasievollste Ausnahmegrund 5.) Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung. 

 

Der Wiener Rechtsanwalt Florian Horn bezeichnet den gesamten Katalog der Ausgangsregeln als „äußerst unbestimmt“ und somit verfassungswidrig, „weil die Ausnahmen so weitgehend sind, dass sie das Verbot überhaupt aufzuheben scheinen“. In contrario sind die Ausgangsregeln so konzipiert, dass laut der Kurz-Regierung ein Besuch bei Freunden kein zulässiger Grund ist, den privaten Wohnbereich zwischen 20 und 6 Uhr zu verlassen. Der türkise Innenminister wiederum bezeichnet in einer der über 130 Pressekonferenzen das „Biertrinken im Park“ als rechtswidrig, das von der Polizei – die hier eine undankbare Vollzugs-Rolle zwischen der Regierung und den Bürgern spielen muss – streng bestraft werden muss. Eine einschlägige Rechtsgrundlage dazu gibt es nicht.

 

Rechtsprofessor Georg Eisenberger ist ebenfalls überzeugt, dass zahlreiche Fälle vor dem Verfassungsgerichtshof landen werden. Die Regierung müsse mit wissenschaftlichen Expertisen begründen, warum gewisse Maßnahmen getroffen wurden „also beispielsweise mit Zahlen zur Clusterbildung, der Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung oder Erfahrungswerten aus anderen Ländern“. Ein eindeutiger Wink auf die Kultur, den Sport, die Hotellerie und die Gastronomie, die durch die Schutzmaßnahmenverordnung – vorerst befristet bis 30. November – komplett geschlossen wurden. 

 

Laut der letzten AGES-Clusteranalyse sind Hotel und Gastro nur für 0,7 % der positiven Tests verantwortlich. Hinsichtlich Theatern, Konzerten, Kabaretts und Kinos, die in den letzten Monaten unter höchsten Sicherheitsbedingungen (inkl. Contact Tracing, Masken- und Sitzpflicht) betrieben wurden, gibt es keinen einzigen rückführbaren Covid-19-Fall. Insofern dürften die rigorosen Veranstaltungsverbote einen klaren Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz darstellen und daher verfassungswidrig sein.

 

In diese Richtung argumentieren auch deutsche Anwälte, die „Eilanträge“ (die im österreichischen Recht leider nicht existieren) gegen die Schließung gastronomischer Betriebe vor dem Verwaltungsgericht Berlin eingereicht haben. „Es kann nicht sein, dass Gaststätten nur deshalb geschlossen werden, weil man dort mit geringerem Widerstand rechnet als dies bei einer Schließung von Autohäusern, Shopping-Malls oder Baumärkten der Fall wäre“, so der Berliner Rechtsanwalt Niko Härting. Restaurants seien laut RKI keine „Treiber der Pandemie“, statt einer kompletten Schließung kämen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch gelindere Mittel (wie die Einführung verschärfter Hygieneregeln oder größere Sicherheitsabstände) in Betracht. Härting verweist in seinem Schriftsatz auch auf andere Branchen und Orte, an denen Menschenansammlungen weiterhin erlaubt bleiben, wie im Handel, bei Gottesdiensten, in Fabriken, Fertigungsbetrieben, Schulen und Öffis, während die Gastro nicht einmal mit einer verringerten Gästezahl betrieben werden darf.

 

Sowohl in Österreich als auch in Deutschland wird kritisiert, dass die massivsten Grund- und Freiheitsrechtseingriffe seit dem Zweiten Weltkrieg per Verordnung (allein durch den Gesundheitsminister bzw. durch die Landesregierungen) und nicht durch das Parlament erlassen werden. Nur in der ersten Phase der Pandemie sei es vertretbar, Freiheitsrechte durch Verordnungen der Exekutive einzuschränken. Laut ständiger Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungsgerichts bedürfen schwere Grundrechtseingriffe einer parlamentarischen Grundlage. Die Erlassung einer Verordnung sei daher ein Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts.

 

Pharmaunternehmen weltweit befinden sich derzeit im (hoffentlich erfolgreichen) Kampf um einen wirksamen Impfstoff, der vorerst primär die (älteren) Corona-Risikogruppen schützen sollte. Wer aber schützt die Bürger vor unverhältnismäßigen Eingriffen der Regierungen in ihre Grundrechte, die ihr gesellschaftliches, berufliches und soziales Leben in den Abgrund treiben? Die Suche nach einem derartigen Impfstoff fällt wohl in das düster-fiktionale Reich der Dystopien…

„Lockdown“? – NR-Hauptausschuss muss dem Kultur-, Gastro- und Sport-Overkill zustimmen!

Veranstaltungsverbot in der gesamten Unterhaltungs- und Freizeitindustrie (von Theater, Konzerthallen bis Kinos und Messen), Schließung der Gastronomie, Geisterspiele im Profi-Sport, Einstellung des Amateur-Sports, Verbot von touristischen Reisen im Inland. Das sind nur einige der rigorosen Maßnahmen, die die deutsche Merkel-Regierung für den gesamten November beschlossen hat, um die Corona-Krise einzudämmen.

 

Für einen Großteil dieser Maßnahmen gibt es weder eine wissenschaftliche Evidenz noch eine schlüssige Fakten-Analyse. So sind bis dato keine Kulturveranstaltungen mit Präventionskonzepten bekannt, bei denen Infektionsfälle aufgetreten sind. Die Clusteranteile der Gastronomie bewegen sich bei ca. 2 Prozent, eine Schließung der ebenfalls mit Hygienekonzepten ausgestatteten Bars und Kneipen wird zu Superspreaderparties im privaten Wohnbereich führen. Nicht angetastet dagegen wurde der Arbeitsbereich, obwohl gerade Großraumbüros zu den gefährlichsten Ansteckungsorten zählen. Kein Thema sind in der kapitalistischen Merkel-Welt auch das Recht auf Home Office, Fabriksschließungen oder Arbeitszeitverkürzungen, die nicht nur die sozialen Kontakte am Arbeitsplatz, sondern auch in den überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln zu Stoßzeiten reduzieren würden…

 

Trotz dieser eklatanten Mängel und der nochmaligen Demolierung der Unterhaltungs- und Freizeitindustrie dürfte die türkis-grüne Bundesregierung den „deutschen Lockdown“ fast gänzlich übernehmen. Unter der Voraussetzung, dass der Hauptausschuss des Nationalrates zustimmt. Rechtsgrundlage ist das Covid-19-Maßnahmengesetz, das in den §§ 3-5 Regelungen zum Betreten von Betriebsstätten und Arbeitsorten (§ 3), das Betreten von öffentlichen Orten (§ 4) und die Ausgangssperren (§ 5) vorsieht. Rechtlich interessant ist der Passus „sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen“. Eine Schließung der Gastronomie oder Veranstaltungsverbote sind daher nur dann zulässig, wenn sie das letzte Mittel sind, um die Verbreitung von Covid-19 zu verhindern. Im Theaterwesen beispielsweise ist aufgrund der rigiden Sicherheitsvoraussetzungen (Maskenpflicht auch am Sitzplatz, freie Sitzplätze zwischen den Besuchergruppen, strenge Ausschankregeln, Leitsysteme mit Abstandhalten, Datenbekanntgabe zwecks Contact Tracing) seit Wiedereröffnung der Herbstsaison kein einziger Infektionsfall bekannt.

 

Betretungsverbote gemäß den §§ 3 und 4 treten gemäß § 11 spätestens vier Wochen nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft. Ausgangsregelungen, die normieren, dass man „den privaten Wohnbereich nur zu bestimmten Zwecken verlassen darf“, dürfen nur dann erlassen werden, wenn ein Zusammenbruch der medizinischen Versorgung droht. Dazu fehlt bis heute eine schlüssige Interpretation. Im Gegenteil: Die Bundesregierung hat bis dato noch nicht einmal einen Plan über die Intensivbett-Kapazitäten der einzelnen Bundesländer. Eine derartige Verordnung tritt auf jeden Fall spätestens zehn Tage nach ihrem Inkraftttreten außer Kraft, kann allerdings verlängert werden.

 

Die Verordnungen gemäß den §§ 3-5, die massiv in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger eingreifen und daher auch der nachträglichen Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof standhalten müssen (Eilverfahren wie in Deutschland sind leider gesetzlich nicht vorgesehen), bedürfen des Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates. Bei Gefahr im Verzug muss innerhalb von 4 Tagen nach Erlassung ein Einvernehmen hergestellt werden.

 

Im Hauptausschuss des Nationalrates sitzen derzeit 23 Mitglieder: 9 ÖVP, 3 Grüne, 5 SPÖ, 4 FPÖ und 2 Neos. Ein Beschluss kann (leider) bereits mit einfacher Mehrheit getroffen werden. Die Opposition kann daher alleine einen „österreichischen Lockdown“ nicht verhindern, der vor allem von der rechtskonservativen ÖVP propagiert wird. Zünglein an der Waage sind allerdings die Grünen, die bis zu ihrem Eintritt als Regierungspartei – unter Inanspruchnahme noch so chancenloser Rechtsmittel – alle Anstrengungen unternommen haben, um die Grundrechte der Bürger zu verteidigen. Jetzt könnten sie in die Geschichte eingehen als jene Partei, die zum zweiten Mal – trotz konträrer Ideologie - gemeinsam mit der ÖVP das gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Leben lahmlegt, ohne wirksame Alternativen zu präsentieren.

 

 

Leider sprechen die derzeitigen Aussagen dafür, dass ÖVP und Grüne das „deutsche Modell“ übernehmen und der Kultur, dem Sport, der Gastronomie, der Veranstaltungsbranche und der Freizeitwirtschaft einen weiteren Kinnhaken ins Gesicht verpassen, den viele Unternehmer und Selbständige finanziell nicht überleben werden. Für die Normalbürger gilt: „Bonjour Tristesse“, und ein düsterer, dystopischer Blick auf Orwells 1984: "Everything other than working was forbidden: walking in the streets, having fun, singing, dancing, getting together, everything was forbidden..."

100 Jahre Bundesverfassung: Hans Kelsen-Ausstellung im Jüdischen Museum Wien!

In Österreich ist - im Gegensatz zu den USA - der Verfassungspatriotismus überhaupt nicht ausgeprägt. Im Gegenteil: Bei einer aktuellen Studie zum "Grundrechtswissen in Österreich" schnitten die Befragten sehr schlecht ab. Nur 4 % konnten eine Aussage treffen, "die ein Grundrechtsverständnis von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten" im Sinne des Bundes-Verfassungsgesetz vorweist".

 

Nichtsdestotrotz wurde auch in Österreich das 100jährige Bestehen der Bundesverfassung gefeiert, die am 1. Oktober 1920 vom Parlament beschlossen wurde. Das Jüdische Museum in der Dorotheergasse (im 1. Bezirk)  widmet dem Architekten der Bundesverfassung, Hans Kelsen, eine Sonderausstellung im 1. Stock.

 

Hans Kelsen wurde am 11. Oktober 1881 als Kind einer jüdischen Familie in Prag geboren, die bald nach Wien zog. Dort studierte Kelsen Rechtswissenschaften und wurde 1917 außerordentlicher Professor an der Universität Wien. Während des 1. Weltkrieges war er Mitarbeiter des Kriegsministers Stöger-Steiner. Nach Ausrufung der Republik wurde Kelsen vom sozialdemokratischen Kanzler Karl Renner als Experte für Verfassungsfragen herangezogen und im März 1919 mit der Ausarbeitung der Verfassung beauftragt. Resultat war das B-VG 1920, bei dem Kelsen vor allem das Modell der (zentralisierten) Verfassungsgerichtsbarkeit konzipierte. Wie man auf einer Karte der Ausstellung betrachten kann, wurde diese Reformidee während des 20. Jahrhunderts von vielen anderen Staaten Europas übernommen. 

 

Kelsen selbst war zwischen 1919 und 1929 parteiunabhängiges Mitglied des Verfassungsgerichtshofes und beschäftigte sich auch mit Rechts- und Demokratietheorien. Er gilt als Begründer der Reinen Rechtslehre, bei der ausschließlich Rechtsnormen - ohne Bedachtnahme auf Sitte, Moral oder Naturrecht - im Mittelpunkt  der wissenschaftlichen Expertise stehen. Nachdem er 1929 unter einer konservativen Regierung nicht mehr nominiert wurde, zog er mit seiner Frau Margarete Bondi nach Köln, später nach Prag und Genf. 1940 emigrierte er in die USA, wo er bis 1957 an der University of California in Berkeley Politikwissenschaften unterrichtete. Obwohl Kelsen bis zu seinem Tod 1973 nicht mehr in Wien lebte, war er immer wieder Ziel antisemitischer Attacken wie beispielsweise durch den Welthandels-Professor Taras Borodajkewycz (Anm.: Bei Studentendemonstrationen gegen den Professor wurde der ehemalige Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger von einem Neonazi getötet, das erste Todesopfer einer politischen Gewalttat der 2. Republik).

 

Neben einer ausführlichen Darstellung des privaten und beruflichen Lebens Kelsens (inkl. zahlreicher historischer Bilder) wirft die Ausstellung auch ein Augenmerk auf die Grundprinzipien der Bundesverfassung und - per Flugblätter - auf wesentliche Paragraphen der Bundesverfassung. Die Besucher werden aufgefordert, die Verfassung zu beurteilen bzw. Änderungsvorschläge einzubringen. 

 

Kelsen selbst wurde zuletzt im Volkstheater gewürdigt, im Rahmen des von Christine Eder und Eva Jantschitsch inszenierten Polit-Stückes "Die Verteidigung der Demokratie", die auf einem Aufsatz des vielleicht bedeutendsten Juristen des 20. Jahrhundert beruht. Speziell zur Ausstellung erschienen ist eine Graphic Novel mit Zeichnungen und Texten von Pia Plankensteiner.

 

Ortstafelstreit, Aufhebung der Bundespräsidentenwahl, die "Ehe für alle", die Aufhebung einiger Bestimmungen der türkis-blauen Mindestsicherung oder des Überwachungspakets oder zuletzt die Aufhebung der gesetzeswidrigen Covid-19-Verordnungen. Das sind nur einige wichtige Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes in den letzten Jahren, für dessen Institutionalisierung wir Hans Kelsen 100 Jahre später noch ehrfürchtig Danke sagen müssen...

 

 

Hans Kelsen und die Eleganz der österreichischen Bundesverfassung

01 Okt 2020 bis 05 Apr 2021,

Museum Dorotheergasse

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Wiener GR-Wahlen 2020: Nicht Wahlberechtigte vor Nichtwählern und Wahlsieger!

Die "Mutter aller Wahlschlachten" ist geschlagen. Im Gegensatz zu dem von den Medien und diversen Umfragen hochstilisierten Duell Häupl gegen Strache im Jahr 2015 waren die Wiener Gemeinderatswahlen 2020 von einem souveränen Start-Ziel-Sieg von SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig geprägt. Der Rathausmann erstrahlt weiterhin in Rot, hat sich allerdings auch telegen in Orange geschmückt. Als Ludwig einen Tag in die Rolle eines populären 48er schlüpfte.

 

Die SPÖ erreichte bei den Landtagswahlen 41,62 Prozent, ein Plus von 2,03 % gegenüber 2015. In Stimmen sind dies allerdings nur 301.967, davon später mehr. Die ehemalige Nr. 2, die Freiheitlichen, schlitterten durch Ibiza-Video, Spesen-Affäre und den Dauerstreit mit dem ehemaligen Parteiobmann HC Strache in eine katastrophale Niederlage. Nur mehr 7,11  % (minus 23,67 %) und somit nur mehr 8 Mandate im Landtag. Laut Wählerstromanalyse wanderten 101.000 blaue Stimmen ins Lager der Nichtwähler. Vor allem bei Lehrlingen, Arbeitern und Pensionisten fielen die Prozente der „sozialen Heimatpartei“ ins Bodenlose. Dieser Absturz hat natürlich seine Ursache in den freiheitlichen Querelen des Spitzenpersonals. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass die Maskenpflicht und die rigiden Sicherheitsbestimmungen in den Wahllokalen (die vor allem von den corona-skeptischen FPÖ-Fans abgelehnt werden) bzw. die traditionell geringere Inanspruchnahme von Wahlkarten zum schlechten Ergebnis beigetragen haben,

 

ÖVP und Grüne feierten das Ergebnis der Wiener Gemeinderatswahl auch als Belohnung für die Regierungsarbeit auf Bundesebene. Tatsächlich lag die ÖVP, die in der Gestalt von Finanzminister Blümel mit fremdenfeindlichen Parolen FPÖ-Stimmen ködern wollte (was gerade einmal 43.000 zusätzliche Wähler brachte), mit 20,43 Prozent (plus 11,19 %) um mehr als 4 Prozent unter dem Nationalratswahlergebnis von 2019. Bei den Grünen betrug die Differenz – bei einem GR-Wahlergebnis von 14,62 % - sogar 6 Prozent. Die Neos gewinnen mit 7,47 % leicht dazu. Die wirtschafts- und linksliberale Partei gilt unter dem neuen Parteiobmann Christoph Wiederkehr als heimlicher Favorit für die künftige Regierungskoalition.

 

"Nur" in den "Bezirksparlamenten" vertreten sind das FPÖ-Splitterteam von HC Strache (der als FPÖ-Spitzenkandidat 2015 noch mehr als 31 Prozent erreichte), die Liste Links (2,06 %), die mit sozialen, antikapitalistischen und grundrechtlichen Themen großes Potential für die Zukunft hat, und die witzig-kreative Bierpartei des Arztes und Künstlers Marco Pogo. Die Bezirksvorsteher in den einzelnen Bezirken werden - im Gegensatz zu den Bürgermeistern - von der stimmenstärksten Partei nominiert und - demokratiepolitisch bedenklich - nicht von der Bezirksvertretung gewählt. In 17 Bezirken stellt die SPÖ den Bezirksvorsteher, Simmering wurde von den Blauen, die Leopoldstadt von den Grünen zurückgewonnen. Die Grünen dagegen sind jetzt die Nr. 1 in der bürgerlichen Josefstadt, ebenso wie in Neubau und Währing. Der konservativen ÖVP bleiben die Innere Stadt, Hietzing und Döbling.

 

Die Wahlbeteiligung bei der Gemeinderatswahl 2020 betrug - inklusive Wahlkarten - nur 65,27 %. Wie SOS Mitmensch recherchierte, lag damit die reale Wahlbeteiligung erstmals deutlich unter der 50 Prozent-Marke. Von den 1,6 Millionen Einwohnern im Wahlalter gaben nur 739.486 ihre Stimme ab. Über 30 Prozent, rund 480.000 Wiener, durften aufgrund fehlender österreichischer Staatsbürgerschaft keine Stimme abgeben und wurden damit bezüglich ihrer Wünsche, Werte und Visionen bei den jeweiligen Wahlprogrammen kaum berücksichtigt.

 

Betrachtet man damit die gesamte Bevölkerung Wiens, belegen somit jene Menschen Platz 1, die nicht wählen durften, dann folgen jene, die freiwillig nicht gewählt haben, und erst auf Platz 3 die stärkste Partei, die SPÖ, mit knapp über 300.000 Stimmen.

 

 

Ein repräsentativ bedenkliches Wahlergebnis. Aufgrund einer notwendigen Zweidrittelmehrheit auf Bundesebene ist es rechtlich derzeit schwierig, das Wahlrecht an den Aufenthaltsstatus (beispielsweise 5jähriger Hauptwohnsitz in Wien) zu knüpfen. Per einfaches Gesetz könnten die Einbürgerungshürden gesenkt und ein Rechtsanspruch für hier geborene oder lange hier lebende Menschen konstituiert werden. Das Land Wien als zuständige Vollzugsinstanz selbst könnte die Verleihung der Staatsbürgerschaft schneller und weniger restriktiv handhaben bzw. etwaige Landesabgaben senken. Ob dies in der nächsten Legislaturperiode gelingen wird, bleibt allerdings offen.

"Masken auf und setzen!" - Türkis-Grün verschärft Corona-Maßnahmen ohne Evidenz!

"Zu glauben, dass Masken unser Problem lösen, ist sehr gefährlich", so der schwedische Staatsepidemiologe Anders Tegnell, der darauf verweist, dass trotz strengster Maskenpflicht (sogar auf öffentlichen Plätzen) die Infektionszahlen in Spanien oder Belgien rapide nach oben gingen. In dieselbe Kerbe schlägt auch AGES-Leiter Franz Allerberger: "Die Maskenpflicht hat keinerlei messbare Auswirkungen auf die Ansteckungssituation in Österreich." 

 

Wie reagiert die türkis-grüne Bundesregierung auf die Steigerung der Infektionszahlen in der Alpenrepublik? Natürlich mit einer radikalen Verschärfung der Maskenpflicht in allen Bereichen, verbunden mit grundrechtlichen Freiheitseinschränkungen, die jegliche mit Vergnügen und Amüsement verbundene Freizeit- und Kulturaktivitäten in militärähnliche Schablonen pressen und damit den potentiellen Besuchern den Spaß und den Genuss vermiesen. Die Folgen sind absehbar: Ein weiterer Umsatzrückgang in Gastronomie, Tourismus, Kultur und Nightlife.

 

Zumindest den offenen Zynismus hat die Kurz-Regierung abgelegt: Aus der fast süffisant klingenden "Lockerungsverordnung" wurde die autoritär angehauchte "Maßnahmenverordnung", die anscheinend für eine Ankurbelung der Maskenindustrie sorgen soll. Wenigstens einer Branche, der es in der durch die Politik mitverursachten Wirtschaftskrise gut geht, könnte man meinen.

 

Unverändert bleibt die Maskenpflicht in den öffentlichen Verkehrsmitteln, die Wiener Linien haben diese durch die Beförderungsbedingungen sogar auf die Bereiche innerhalb der Ticketschranken ausgedehnt. Seit 14. September gilt die Maskenpflicht für Kunden in allen Handelsgeschäften. Damit ja niemand den mechanischen Schutzvorrichtungs-Schergen entkommt, müssen diese auch in den Verbindungsbauwerken von Betriebsstätten, sprich in den gesamten Einkaufszentren, getragen werden. Geschäftsinhaber befürchten Umsatzrückgänge bis zu 50 Prozent, vor allem in der Modebranche. Amazon, Zalando & Co. lassen die Champagnerkorken knallen.

 

Eine Maskenpflicht gilt jetzt auch auf Märkten im Freien, obwohl die Ansteckungsgefahr im Freien nahezu unwahrscheinlich ist. Abstandhalten sollte reichen. Ebenso bei Messen. Aber auch dort hat der grüne Gesundheitsminister "Angstschober" eine Maskenpflicht in geschlossenen Räumen und im Freien angeordnet, auch wenn der 1 Meter-Abstand eingehalten werden kann. Die Buch Wien-Messe im November darf sich über einen massiven Besucherrückgang freuen, Schmökern von Unterhaltungsliteratur und Sachbüchern mit verschwitzter Maske auf dem Kopf soll ja echt "Spaß" machen.

 

Maskenpflicht gilt jetzt auch wieder in allen Museen, obwohl diese aufgrund der ausbleibenden ausländischen Touristen unter eklatantem Besuchermangel leiden und teilweise Raumgrößen über tausende Quadratmeter aufweisen. Auch die Schwimmbäder werden von der Maskenpflicht nicht verschont. "Mit Ausnahme von Feuchträumen, wie Duschen und Schwimmhallen", heißt es wortwörtlich in der Maßnahmenverordnung. Klingt fast erotisch, ist es aber nicht.

 

Die massivsten Einschränkungen betreffen natürlich wieder die über 30.000 Gastronomie-Betriebe. Gerade dort, wo die Arbeitslosigkeit unter den Mitarbeitern am höchsten ist und viele Betriebe kurz vor dem Ruin stehen. Bezüglich der Verhaltensanordnungen für die Besucher dürfte sich Anschober Anleihen von der deutschen Elektronik-Band Kraftwerk genommen haben, Stichwort "Wir sind die Roboter". Schutzmaske auf - Eintritt - Setzen - Schutzmaske ab - Bestellen - Essen und Trinken - Schutzmaske auf - WC - Schutzmaske ab - Zahlen und Verabschieden - Schutzmaske auf - Gehen.

 

"Der Kunde hat in geschlossenen Räumen - ausgenommen während des Verweilens am Verabreichungsplatz - eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen. "In geschlossenen Räumen ist die Konsumation von Speisen und Getränken nur im Sitzen an Verabreichungsplätzen zulässig", so die einschlägigen Bestimmungen im § 6 der Maßnahmenverordnung. An der Bar sitzen darf man zumindest. Noch.

 

An den jeweiligen Tischen dürfen nur Besuchergruppen mit 10 Personen (plus minderjährige Kinder) sitzen. Größere Feiern in Wirtshäusern, Gasthäusern oder Restaurants sind damit ausgeschlossen, sofern man nicht mit Umgehungstricks beispielsweise ein paar Tische mit Abstand nebeneinander stellt. Die sterile Atmosphäre wird dadurch aber nicht beseitigt, und der Vernaderer sitzt vielleicht im Nachbarhaus und holt die Nehammer-Truppen.

 

Mehr als 50 Prozent der Cluster bewegten sich laut AGES übrigens im "privaten Bereich". Dieser wird auch durch die neue Maßnahmenverordnung nicht erfasst. Feiern in der Wohnung, Gärten oder Garagen dürfen aufgrund der verfassungsrechtlichen gewährleisteten Grundrechte weiterhin ohne Einschränkung stattfinden. Man muss halt enger zusammenrücken. Das wird den Virus freuen...

Gemeinderatswahlen 2020: Mehr als 30 Prozent der Wiener dürfen nicht wählen!

Am 11. Oktober 2020 wird in Wien gewählt, und zwar sowohl der Gemeinderat als auch die jeweiligen Bezirksvertretungen. Das heißt aber noch lange nicht, dass am Wahltag jeder in Wien lebende Bürger zur Wahlurne schreiten darf und jene Partei wählen kann, die seine politischen Wertvorstellungen und Lebensbedürfnisse vertritt.

 

Denn aufgrund der aktuellen gesetzlichen Bestimmungen darf in Wien fast ein Drittel der Bürger nicht wählen. Laut Statistik Austria lebten am 1. Jänner 2020 in der Bundeshauptstadt insgesamt 1.615.475 Personen im wahlberechtigten Alter. Davon sind – aufgrund mangelnder österreichischer Staatsbürgerschaft – 486.659 Wiener nicht teilnahmeberechtigt, das sind insgesamt 30,1 Prozent. Einzig allein EU-Bürger mit Hauptwohnsitz in Wien dürfen aufgrund des Vertrags von Maastricht (1992) an den Bezirksvertretungswahlen teilnehmen.

 

Die Situation hat sich so weit verschärft, dass trotz eines Anstiegs der Wiener Bevölkerung um mehr als ein Viertel seit 1990 und einer Senkung des Wahlalters von 18 auf 16 im Jahr 2007 sich die Anzahl der Wahlberechtigten in Wien sogar reduziert hat. Bei der letzten Gemeinderatswahll betrug die Wahlbeteiligung 74,8 Prozent, real allerdings nur knapp 56 Prozent.

 

Der Verein SOS Mitmensch, der auch dieses Jahr wieder eine Pass Egal-Wahl durchführen wird, fordert in diesem Zusammenhang ein volles nationales und kommunales Wahlrecht spätestens nach drei Jahren Lebensmittelpunkt in Österreich. Als Vorbild gilt hier insbesondere Neuseeland, wo Menschen bereits nach einem Jahr ununterbrochenem Aufenthalt auf allen Ebenen wählen dürfen. Zahlreiche EU-Länder (wie Dänemark, Spanien, Schweden, Portugal, Ungarn oder Großbritannien) sehen ein Wahlrecht für Drittstaatsangehörige bei Kommunalwahlen vor.

 

In Österreich dürfte die Umsetzung allerdings schwierig sein, da für eine Änderung des Wahlrechts eine Verfassungsänderung per 2/3-Mehrheit beschlossen werden muss und sich die mehrheitlich rechtskonservativen Parteien der ÖVP und FPÖ strikt gegen ein Ausländerwahlrecht aussprechen.

 

Eine Alternative wäre eine (einfachgesetzliche) Änderung des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechts, das zu den restriktivsten der Welt zählt. Im Jahr 2018 wurden nur 4121 Ausländer eingebürgert, eine Rate von 0,67 Prozent. Um österreichischer Staatsbürger zu werden, müssen nicht nur zahlreiche Hürden (wie jahrelange, ununterbrochene Wartefristen und qualifizierte Sprachkenntnisse) absolviert und hohe Gebühren bezahlt, sondern auch ein „hinreichend gesicherter Lebensunterhalt“ (im Sinne eines Mindesteinkommens oder Mindestpension) nachgewiesen werden. Ältere Personen, Teilzeitarbeitskräfte, prekär Beschäftigte und überproportional Frauen können aufgrund dieser Grenzwerte nicht Staatsbürger werden, obwohl sie bereits jahrzehntelang in Österreich leben. Auch Kinder, die in Österreich geboren sind, werden nicht ex lege zu österreichischen Staatsbürgern. Im Gegensatz zu Deutschland, wo Kinder die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen, wenn ein Elternteil seit 8 Jahren im Staatsgebiet lebt. Rechtlich unzulässig sind auch Doppelstaatsbürgerschaften, was vor allem traditionell geprägtere Migranten davon abhält, Österreicher zu werden.

 

Der Wahlausschluss von mehr als 30 Prozent der Wiener hat auch seine gefährlichen Komponenten. Rechte Parteien schüren im Wahlkampf zumeist mit Unterstützung diverser Boulevardmedien den Ausländerhass und spalten die Wiener Bevölkerung, die eigentlich eine verschworene Gemeinschaft unabhängig von Herkunft und Religion darstellen sollte. Und auch integre Parteien zielen „wahleffizient“ mehr auf die Wünsche und Interessen der tatsächlich Wahlberechtigten ab als auf jene, die sich nicht am Wahltag mit einer Stimme bedanken können.

 

 

Es ist daher 5 Minuten vor 12. Damit Wahlen künftig weiterhin repräsentativ sind und die gesamte Bevölkerung Einfluss auf die politische Richtung des Landes nehmen kann, müssen die Rahmenbedingungen im Sinne eines weltoffenen, progressiven Wahlrechts und schnellerer Einbürgerungen verändert werden. Die Pass Egal-Wahl von SOS Mitmensch darf nur der erste Schritt sein…

VfGH: Covid-19-Verordnungen über Betretungsverbote teilweise gesetzwidrig!

Von „juristischen Spitzfindigkeiten“ spricht Bundeskanzler Kurz, tatsächlich aber waren die Covid-19-Verordnungen laut Verfassungsgerichtshof teilweise gesetzwidrig. Und vermutlich ist dies nur die Spitze des Eisberges. Denn von den derzeit rund 70 Fällen wurden erst 19 erledigt, weitere Anträge dürften eingebracht werden.

 

Als verfassungskonform wurde entschieden, dass das Covid-19-Maßnahmengesetz – anders als das Epidemiegesetz 1950 - keine Entschädigungen für Betriebe vorsieht, die als Folge eines Betretungsverbotes geschlossen wurden. Begründet wird dies damit, dass die türkis-grüne Bundesregierung ein umfangreiches Maßnahmen- und Rettungspaket geschlossen hat. Der große Unterschied, vom Verfassungsgerichtshof als „rechtspolitischer Gestaltungsspielraum“ bezeichnet: Durch die Aushebelung des Epidemiegesetzes hat die Kurz-Regierung den Rechtsanspruch auf Verdienstentgang für Unternehmer und Selbstständige beseitigt, sie wurden dadurch zu Bittstellern degradiert. Die derzeit gewährten Subventionen, Fixkostenzuschüsse und Sonderzahlungen entsprechen in ihrem Ausmaß in keiner Weise den tatsächlichen Ausfällen der Wirtschaftstreibenden.

 

Gesetzwidrig war das Betretungsverbot für Geschäfte mit einem Kundenbereich von mehr als 400 Quadratmetern zwischen 14. und 30. April 2020. Im Gegensatz zu Bau- und Gartenmärkten, die ohne Rücksicht auf die Größe ihres Kundenbereichs vom Betretungsverbot ausgenommen waren, durften diese nicht geöffnet werden. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung war für den Verfassungsgerichtshof nicht ersichtlich. Schadenersatzklagen von Geschäftstreibenden, die von den Schließungen betroffen waren, sind zu erwarten.

 

Die gesetzliche Grundlage für Betretungsverbote in bezug auf Betriebsstätten, Arbeitsorte und sonstige bestimmte Orte, das sogenannte Covid-19-Maßnahmengesetz,  ist verfassungskonform, da eine Einschränkung diverser Grundrechte aufgrund bestimmter öffentlicher Interessen (wie dem Gesundheitsschutz) zulässig ist. Teilweise gesetzwidrig war allerdings die Verordnung über das Betretungsverbot für öffentliche Orte, die sogenannte „Covid-19-Lockerungsverordnung“.

 

Der VfGH hat aufgrund eines Individualantrages eines Wiener Universitätsassistenten entschieden, dass die §§ 1, 2, 4 und 6 der Verordnung gesetzwidrig waren. Der zuständige Gesundheitsminister Anschober (bzw. seine Juristen) haben per Verordnung ein allgemeines Ausgangsverbot (mit Ausnahmen) verhängt, obwohl das zugrundeliegende Gesetz nur ein Betretungsverbot für bestimmte, eingeschränkte Orte erlaubt.

 

Verfassungsrechtler Heinz Mayer hat das Gesundheitsministerium mehrmals auf diese rechtlichen Mängel aufmerksam gemacht. Ohne Erfolg. Die Ausgangsbeschränkungen sind mit 30. April zwar außer Kraft getreten, nicht aber der Mindestabstand von einem Meter gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben. Dieser sei zwar rechtlich gültig, aber ebenso gesetzwidrig, sodass etwaige Strafen wegen Nichteinhaltung alle (erfolgreich) angefochten werden können.

 

Apropos Strafen. Hier ist das weitere Procedere noch offen. Auf der sicheren Seite stehen die, die ein Rechtsmittel gegen die Verwaltungsstrafe eingebracht haben und deren Verfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Der VfGH hat ausdrücklich ausgesprochen, dass die gesetzwidrigen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Somit keine Geldstrafe. Schwieriger könnte es für jene werden, die bereits die Verwaltungsstrafe bezahlt haben. Deren Verfahren ist zwar formell abgeschlossen, allerdings kann (ohne Rechtsanspruch) die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde die Strafen wegen Rechtswidrigkeit nachträglich aufheben, beispielsweise in Form einer Weisung des Gesundheitsministers.

 

Auch die aktuellen Covid-Verordnungen stehen rechtlich auf wackeligem Fuße. Die 8. Novelle der Lockerungsverordnung beispielsweise normiert, dass in Supermärkten, Banken und Postfilialen verpflichtend eine Maske zu tragen ist. Die lapidare Begründung des Bundeskanzlers (und Studienabbrechers) Kurz, „der Gang in diese Betriebsstätten sei ein Muss, andere Geschäftswege verzichtbar“ erscheint faktisch wenig fundiert.

 

 

Selbst die Einführung der Maskenpflicht per se dürfte in den nächsten Monaten beim Höchstgericht landen. Es handelt sich dabei um einen schweren Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die körperliche Unversehrtheit bzw. in die allgemeine Handlungs- und Berufsfreiheit. Eine wissenschaftliche Evidenz für die Sinnhaftigkeit der Maskenpflicht ist bis heute weltweit nicht vorhanden. Über die seltsame Rechtfertigung „Nützt nix, schadt nix“ ziehen sogar Public Health-Experten lange Grimassen…

Sperrklausel von 5 Prozent: Wiener Landtagswahlrecht diskriminiert Kleinparteien!

"Alle Menschen sollen das Recht auf ein gutes Leben haben, auf soziale Sicherheit, auf Unversehrtheit" - Mit dieser sympathischen Message und kapitalismuskritischen Parolen startet die Liste Links rund um kompetente Protagonisten wie AK-Rechtsberaterin Anna Svec, Anti-Türkis-Blau-Demo-Mitorganisator Can Gülcü und Ex-Epicenter-Works-Datenschützerin Angelika Adensamer in den Wiener Landtagswahlkampf.

 

Bis zum 14. August müssen neue Listen, die nicht im Landtag vertreten sind, Unterstützungserklärungen sammeln, und zwar 1800 für einen wienweiten Antritt plus 50 weitere Unterschriften pro Bezirk für die parallel stattfindenden Bezirksvertretungswahlen. Unterschriften via Bürgerkarte oder Handysignatur sind - im Gegensatz zum novellierten Petitionsrecht - nicht zulässig, die in den politischen Gremien vertretenen Parteien wollen augenscheinlich Konkurrenz verhindern. Noch effektiver erreicht wird dies durch die gesetzliche Verankerung einer Sperrklausel.

 

Laut der Wiener Gemeindewahlordnung müssen Parteien - abgesehen von der Alternative eines bis dato quasi unerreichbaren Grundmandats - mindestens 5 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen erreichen. Dies gilt analog auf Bezirksebene. Diese Hürde von 5 Prozent liegt damit sogar um 1 Prozent höher als bei Wahlen zum Nationalrat. Auf Bundesebene wurde diese Sperrklausel 1992 eingeführt, die Gesetzeserläuterungen bezeichnen diese Schranke als  "zulässige Maßnahme gegen eine mögliche Parteienzersplitterung". 

 

Tatsächlich handelt es sich dabei laut Verfassungsrechtlerin Teresa Radatz um eine "Ungleichheit des Wahlrechts", da die abgegebenen Stimmen nicht denselben Erfolgswert haben". Ca. 6-7 % der Stimmen gehen durchschnittlich "verloren" und wandern auf das Konto der "Großparteien". Dabei ist noch gar nicht berücksichtigt, dass viele Bürger zumeist in letzter Sekunde ihr Wahlverhalten ändern und statt einer Kleinpartei (die möglicherweise nicht die Sperrklausel überwindet) einer größeren Partei mit ähnlichem Programm die Stimme geben.

 

In Wien schafften es in den letzten 25 Jahren nur die Neos, als neue Liste in den Wiener Landtag zu ziehen. Vielleicht gelingt es dieses Jahr der engagierten Liste Links. In der neuen Legislaturperiode sollten dann alle Parteien gemeinsam mit Rechtsexperten und NGO´s ein neues modernes Wahlrecht konzipieren, mit Abschaffung bzw. Reduzierung der Sperrklausel, digitalisierten Unterstützungserklärungen und einer expliziten Erweiterung der Wahlberechtigung auf Ausländer mit mindestens fünfjährigem Hauptwohnsitz in der Bundeshauptstadt...

Volkshilfe-Umfrage: Corona-Krise trifft Armutsgefährdete am schwersten!

Die Zahlen für das viertreichste Land der EU, Österreich, sind ernüchternd. Laut Statistik Austria sind 16,9 % der österreichischen Bevölkerung, das sind 1.472.000 Menschen, armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Alleine 13,3 % (= 1,161.000 Menschen) sind armutsgefährdet und haben ein Einkommen unter der Armutsschwelle von 1.286 Euro monatlich. Mehr als ein Fünftel aller Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten sind Kinder, als Risikogruppen gelten weiters ältere Frauen, Alleinerzieherinnen und Langzeitarbeitslose.

 

Man beachte: Dies sind Zahlen, die VOR der Corona-Krise eruiert worden sind, also vor der daraus resultierenden Rekordarbeitslosigkeit, vor finanziellen Einbußen durch Kurzarbeit und vor einer Beeinträchtigung schulischer Karrieren durch den Lockdown. Die Volkshilfe Österreich hat im Juni eine (nicht repräsentative) telefonische Umfrage unter 100 armutsbetroffenen Familien durchgeführt, die Ergebnisse sind schockierend.

 

50 Prozent der Befragten haben ihre aktuelle Lebensqualität während der Corona-Bedrohung mit 4-5 beurteilt. Auf 51 Prozent hat sich die Virus-Krise finanziell negativ ausgewirkt, obwohl deren Einkommen bereits zuvor unter der Armutsgefährdungsschwelle gelegen ist. 79 Prozent gaben an, sich jetzt noch mehr Angst um die Zukunft zu machen, mehr als die Hälfte sorgt sich um den Schulabschluss der Kinder.

 

Die Kinder selbst haben sich während der Corona-Krise emotional verändert. Laut Umfrage waren diese trauriger (74 %), einsamer (57 %) bzw. aggressiver. Fast zwei Drittel erlebten den fehlenden Schulbesuch der Kinder als sehr bzw. ziemlich belastend, der auch Mehrkosten durch Homeschooling und zusätzliche Schulden durch den Kauf von Laptops mit sich brachte. Rund ein Drittel der als benachteiligt eingeschätzten Kinder konnte durch das Lehrpersonal nicht oder nur schlecht erreicht werden. Obendrein fehlt laut Umfrage 58 Prozent der Eltern das einschlägige Wissen, um ihren Kindern bei den Aufgaben zu helfen. Der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft bzw. dem Bildungsniveau der Eltern und den Leistungen der Schüler wurde bereits in zahlreichen internationalen Studien nachgewiesen.

 

Die Volkshilfe hat daher ein Maßnahmenpaket entwickelt, um die Lebensqualität armutsbetroffener Eltern zu verbessern. Im Zentrum steht dabei eine staatliche Kindergrundsicherung. Alle Kinder in Österreich sollen 200 Euro pro Monat erhalten. Zusätzlich gibt es für Haushalte unter 20.000 Euro Einkommen 425 Euro pro Kind monatlich, um die Startbedingungen und Entwicklungschancen der Kinder anzugleichen.

 

 Die Nettoersatzrate des Arbeitslosengelds soll auf 75 Prozent erhöht werden. Abgelehnt dagegen werden türkis-grüne 450-Euro-Einmalzahlungen für Arbeitslose und Gießkannenmodelle (wie der einmalige 350 Euro-Familienbonus pro Kind), bei denen die Söhne und Töchter von Millionären oder Managern dasselbe Geld erhalten wie Kinder aus armen Haushalten. 

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Summer 2020: Rotlicht statt Discokugeln und Headbanging!

„Stoff-Mund-Nasen-Schutz soll sowohl seitens der Sexarbeiter als auch seitens der Kunden getragen werden. Sexspielzeug soll nicht von Sexarbeitern und Kunden gemeinsam verwendet werden. Es wird empfohlen, auf jegliche Formen des Speichelaustausches, Küssen und Oralsex sowie einander zugewandte Sexpositionen zu verzichten. Von Gruppensex wird abgeraten.“ Das sind nur einige Auszüge aus den sogar gegenderten Sexarbeits-Empfehlungen des Gesundheitsministeriums für die Prostitution, die ab 1. Juli wieder erlaubt ist. Clubbetreiber, Konzertveranstalter, Theaterintendanten oder Sportvereine müssen sich gefoppt vorkommen, um hier ausdrücklich ein jugendfreies Verb zu verwenden.

 

Denn tatsächlich ist die bereits 6. Novelle der Covid-19-Lockerungsverordnung ein perpetuum mobile in Richtung Untergang der Musik- und Eventindustrie. Und zwar nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland und Großbritannien, wo sich unter der Trademark „Let the Music Play“ Veranstalter, Künstler, Agenturen und einschlägige Firmen ammengeschlossen haben, um von der wenig aktiven Johnson-Regierung Strategien und finanzielle Unterstützung einzufordern.

 

Trotz leicht steigender Infektionszahlen durch regionale Cluster sind auch die rigiden Einschränkungen im Gastgewerbe nicht nachvollziehbar. Bäcker beispielsweise dürfen zwar schon um 5 Uhr aufsperren, die Nachtgastronomie muss allerdings – ausgenommen bei geschlossenen (Hochzeits)-Gesellschaften mit Teilnehmerliste - die Rollbalken weiterhin um 1 Uhr schließen. Das ist einerseits für die Betriebe wirtschaftlich unrentabel, andererseits treibt dies die Nachtschwärmer in Richtung Donaukanal, zu illegalen Open Air-Raves oder privaten Parties, wo das „Social Distancing“ fast als Kapitulation vor dem System gilt. Zumindest die bemitleidenswerten Kellner und Barkeeper werden endlich von der Maskenpflicht befreit. Der Meter-Abstand zwischen den Besuchergruppen muss weiterhin eingehalten werden. Selbstbedienung allerdings ist zulässig, soweit durch besondere hygienische Vorkehrungen das Infektionsrisiko minimiert werden kann. Welche das sind, verrät die Verordnung nicht. Es war wohl Feierabend.

 

Liberaler ist die Lockerungsverordnung bei der Sportausübung. Hier wurde anscheinend hinsichtlich der fast 15.000 Vereine Druck auf den Sportminister Kogler ausgeübt. So sind ab 1. Juli auch jene Sportarten uneingeschränkt möglich, bei denen es zu spezifischem Körperkontakt kommt. Vereine und Betreiber der Sportstätten haben allerdings ein Covid-19-Präventionskonzept auszuarbeiten und umzusetzen. Ausdrücklich erwähnt ist in diesem Zusammenhang auch ein datenschutzkonformes System zur Nachvollziehbarkeit von Kontakten aka „Contact Tracing“. Auf wackeligen Füßen steht vor allem der Terminus „auf freiwilliger Basis“. Es ist wohl eher das Gegenteil anzunehmen, vermutlich normiert in harmlosen Hausordnungen oder Betretungsregeln.

 

„Sitzen ist das neue Rauchen“. Gesundheitsexperten behaupten sogar, dass eine Stunde Sitzen die Lebenszeit um 22 Minuten reduziert. Der österreichische Gesundheitsminister dürfte dies anders sehen und torpediert mit seiner „Lockerungsverordnung“ die in der Regel vor einer Stehplatzkulisse stattfindenden Pop- und Rockkonzerte, die vermutlich bis mindestens Winter alle abgesagt oder verschoben werden müssen. Nach der geltenden Rechtslage sind bis Ende Juli nur Veranstaltungen mit bis zu 100 stehenden Personen bzw. ab 1. August mit bis zu 200 stehenden Personen zulässig. Zusätzlich muss gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden. In geschlossenen Räumen ist obendrein eine Schutzmaske zu tragen. Konzerte im Chelsea, im WUK oder in der Arena sind unter diesen Umständen undurchführbar.

 

Anders bei der elitären Hochkultur, die bezüglich ihrer konservativen (ÖVP)-Klientel im strikten Gegensatz zur progressiven, linksalternativen Pop- und Indieszene steht. Hier sind bereits ab 1. August Veranstaltungen mit bis zu 1250 Personen bzw. ab 1. September mit bis zu 10.000 Personen auf zugewiesenen Sitzplätzen zulässig. Die Bewilligung seitens der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden sollte bei hochkarätigen Events wie den Salzburger Festspielen oder dem Grafenegg Festival kein Problem darstellen.

 

„Erstaunlicherweise finden Klassikfestivals quasi unverändert fest“, fabuliert Gerhard Stöger dementsprechend im dieswöchigen Falter-Terminkalender. Pop-, Rock- und Electroevents dagegen sind kaum vorhanden, und das wird sich in den nächsten Monaten aufgrund der U-Musik-feindlichen Rechtslage nicht ändern.

 

Bei der Abschlusskundgebung des Künstler-Schweigemarsches unter dem Motto „Ohne uns wird es still“ sprühte einer der Redner mit einer kreativen Idee. „Organisieren wir eine Demo mit Tanz und lassen Open Air eine Band spielen“. Dies wäre rechtlich kein Problem, da eine Versammlung nicht unter die (mengenmäßigen) Vorschriften der „Lockerungsverordnung“ fällt. Einzig allein ein Mindestabstand zu anderen Personen wäre einzuhalten.

 

„Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“, so Friedrich Nietzsche. Die türkis-grünen Regierungspolitiker dürften dieses Zitat nicht kennen. Oder können sich an dieses nicht mehr erinnern…

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Proud to be Queer: Ein Streifzug durch die Rainbow City Vienna!

Im Jahr 1994 flog ein gewisser Andreas Brunner nach New York, um das 25. Jubiläum der "Stonewall Riots", die alljährlich an den erstmaligen Widerstand der LGBT-Bewegung anno 1969 erinnert, live mitzuerleben. Zwei Jahre später organisierte er gemeinsam mit Gesinnungsgenossen die erste Wiener Regenbogenparade 1996, an der zuletzt im Rahmen der Euro Pride 2019 mehr als eine halbe Million Menschen teilnahmen und im Party-Trubel gegen Diskrimierung, Ausgrenzung und Stigmatisierung protestierten. Aufgrund der Corona-Krise muss die 25. Ausgabe der Regenbogenparade dieses Jahr ausfallen, stattdessen findet am 27. Juni ab 17 Uhr unter dem pinken Schirm der Online-Stream-Party "Global Pride" ein rund einstündiger Regenbogencorso mit Autos, Motorrädern, Fahnen, Plakaten und Transparenten statt.

 

Am Nimbus von Wien als toleranter und weltoffener Stadt rüttelt die Absage der Pride-Weeks nicht, allerdings an den Umsätzen der Tourismuswirtschaft. Im Jahr 2018 wurde die Donaumetropole bei den Australian LGBT-Awards als "Destination of the Year" ausgezeichnet, auch die pinke Reiseplattform GayTravel.com verlieh Wien den ersten Preis. Vor allem der Sicherheitsfaktor und die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber Homosexuellen sprechen für Wien. Als schwules Pärchen durch die Kärntner Straße oder über den Naschmarkt zu flanieren juckt - im Vergleich zu einigen anderen (vor allem osteuropäischen) EU-Staaten – kaum jemanden. Der historische Background und die kleinen, feinen Clubs, Bars und Cruising-Lokale für die Community sind ein zusätzliches, nicht unterschätzbares Dessert, in die Bundeshauptstadt zu reisen.

 

Einer der bekanntesten Schwulen der österreichischen Geschichte war Prinz Eugen von Savoyen (1663-1736), dessen Sommerresidenz im wunderschönen Schloss Belvedere gelegen war. Er machte sich als Feldherr bei den Türkenkriegen einen Namen, erstmals 1683 bei der Entsatzschlacht von Wien. Ein Reiterstandbild aus dem Jahre 1865 thront noch heute vor der Nationalbibliothek auf dem Heldenplatz.

 

Weniger Ehre kam Erzherzog Ludwig Viktor, dem jüngeren schwulen Bruder Kaiser Franz Josephs, zuteil. In der legendären Herrensauna Kaiserbründl in der Weihburggasse, die auch heute noch die Szene mit ihren erotischen Wandmalereien und ihrer heißen Atmosphäre anlockt, machte sich der unter dem Namen „Luziwuzi“ bekannte Adelige an einen Offizier ran und kassierte dafür eine Ohrfeige. Die Verbannung auf Schloss Klessheim bei Salzburg folgte auf dem Fuße.

 

Eine schwule Beziehung wird auch Karl VI. (1685-1740) nachgesagt, und zwar zu Graf Michael Johann III. Althan. Der Vater Maria Theresias erteilte nach der Pestepidemie 1714 den Auftrag zur Bau der Karlskirche im 4. Gemeindebezirk Wieden nahe der Innenstadt. Dem eigenen Geschlecht zugeneigt war auch der Komponist Franz Schubert (1797-1828), dessen Sterbehaus in der Kettenbrückengasse 6 liegt, unweit zahlloser Lokale für die Gay Community.

 

Die Wiener Staatsoper wurde vom schwulen Architektenpaar Eduard van der Nüll und August Sicard von Sicardsburg geplant. Aufgrund unterschiedlicher Niveaus zwischen Ringstraße und Oper kam es zu heftiger Kritik seitens Franz Joseph und der Öffentlichkeit. Der depressive van der Nüll beging Selbstmord, zehn Wochen später starb auch Sicardsburg.

 

Als schwule architektonische Ikonen der Stadt gelten die 1922 von Josef Müllner geschaffene Bronze-Skultur „Der Sieger“ vor dem Theseustempel, die Statuen des Herakles im Hofburg-Areal (am Michaelerplatz und im Inneren Burghof) und die muskulöse Gestalt des Traun auf dem Donnerbrunnen, die aufgrund von Bauarbeiten am Hohen Markt derzeit nicht begutachtet werden kann.

 

Stadtspaziergänge durch das schwule Wien werden von Qwien, dem Zentrum für queere Geschichte, angeboten (http://www.qwien.at/guide/). Führungsguide Andreas Brunner gibt dabei auch Tips für das Day- und Nightlife Homosexueller in Wien. Als Epizentrum gilt vor allem das Areal rund um den Naschmarkt, wenn auch Wiens älteste Gay Bar, die Alte Lampe in der Heumühlgasse, bereits geschlossen ist. Daneben befindet sich aber das Cafe und Vereinszentrum der Hosi Wien, das Gugg, das auch für Lesben spezielle Themenabende und Veranstaltungen organisiert. In der Schönbrunner Straße befinden sich die ehemalige Disco „Wiener Freiheit“, die nur mehr im Barbetrieb läuft, und die kleine Cafe-Bar Rifugio.

 

Als erste Kontaktanbahnung bietet sich auch das wunderschöne Cafe Savoy in der Linken Wienzeile an, das im Inneren mit riesigen, belgischen Spiegeln aus dem 19. Jahrhundert ausgestattet ist und im Außenbereich mit einem Schanigarten glänzt. Ca. 1 Kilometer westwärts liegt die Türkis Rosa Lila Vila, die seit ihrer Besetzung durch Aktivisten im Jahr 1982  Beratungsstelle für Homosexuelle ist und mit dem „Villa Vida“ auch ein queeres Community-Cafe inkludiert. Wer sich für queere Literatur interessiert, sollte die Buchhandlung Löwenherz in der Berggasse 8 aufsuchen. Der einst in Dürnstein inhaftierte Namensgeber, der englische König Richard Löwenherz, soll trotz einer Ehe mit Königin Berningaria vorwiegend sexuelle Neigungen für Männer gezeigt haben.

 

Wenn die Sonne bereits hinter dem Horizont verschwunden ist, locken das Motto in der Schönbrunnerstraße (das auch mit einem Restaurant am Donaukanal vertreten ist), das Village, das Felixx in der Gumpendorferstraße oder die seit 1980 existierende Innenstadtdisco „Why Not“ im Tiefen Graben mit buntem Publikum und drei Soundfloors.

 

In der Kettenbrückengasse 4 – direkt nebem dem Schubert-Haus - wartet die „Men Only“-Cruising-Night Bar Sling auf aufgeschlossene Wiener und Touristen. Das Pissoir ist mit einer Glaswand ausgestaltet, die einen „wichtigen Teil des männlichen Körpers“ zeigt. Wer mehr auf Freiraum steht, soll laut Insidern vor allem im Rathauspark oder im Votivpark „fündig“ werden.

 

„No Homophobia! No Discussion“ – Das ist das Motto des Wiener Clubs Grelle Forelle an der Spittelauer Lände, die in den letzten Jahren zu einem der wichtigsen Safer Spaces für die LGBITQ-Community avanciert ist. Ein Regenbogen ziert dauerhaft die Gemäuer des Szene-Clubs, zu dessen Top-Events die queere Tech-House-Party „Fish Market“ unter dem Zepter von Gerald van der Hint zählt. Abgefeiert wird aber auch in der Arena („The Circle“), bei der Vienna Fetish Week, beim Kreativ- und Regenbogenball oder bei der Regenbogenparade, die aufgrund der Corona-Pandemie regulär erst wieder nächstes Jahr am 19. Juni 2021 stattfindet.

 

Die letzteren Zeilen klingen zwar nach Easy Life für queer lebende Menschen in Wien. Tatsächlich hinkt die konservative Politik weit hinter den progressiven gesellschaftlichen Entwicklungen nach. Homosexualität wurde in Österreich erst 1971 legalisiert. Im Jahre 2002 wurde nach einem VfGH-Erkenntnis das Schutzalter für männliche Homosexuelle von 18 auf 14 Jahre gesenkt. Erst seit 2004 ist die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung infolge der Umsetzung von EU-Antidiskriminierungsvorschriften verboten.

 

Seit 1. Jänner 2010 dürfen Homosexuelle eine eingetragene Partnerschaft eingehen. Adoptionen leiblicher Kinder sind seit 1. August 2013, jene nichtleiblicher Kinder durch verpartnerte Paare seit 1. Jänner 2016 zulässig. Diese neuen Rechtsansprüche basieren nicht auf dem Willen des Gesetzgebers, sondern auf verfassungsgerichtlichen Erkenntnissen. Dies gilt auch für die gleichgeschlechtliche Ehe, die seit 1. Jänner 2019 eingegangen werden kann und die ÖVP und FPÖ trotz höchstgerichtlicher Entscheidungen noch verhindern wollten.

 

Zahlreiche Vertreter der Gay Community hofften, dass mit dem Regierungseintritt der Grünen eine weitere Verbesserung der Rechte von Schwulen, Lesben und Transgender kommen würde. Das war allerdings ein Irrglaube. Die SPÖ brachte erst kürzlich im Nationalrat einen Antrag auf eine Erweiterung des Diskriminierungsschutzes („Levelling Up“) ein. Die Grünen stimmen ebenso wie die ÖVP und die FPÖ gegen diesen Antrag.

 

Koalitionsdisziplin gegenüber der rechtskonservativen Kurz-ÖVP, die seit jeher alle rechtlichen Gleichstellungen und Gleichbehandlungen für Homosexuelle verhindern wollte, ist anscheinend wichtiger als die Interessen ihrer (einstigen?) Wähler aus dem queeren Lager zu vertreten, die weiterhin ohne Sanktionen aus Kaffeehäusern und Pubs geschmissen oder bei Mietvertragsverhandlungen diskriminiert werden dürfen. Ein politisches Trauerspiel, das den Grünen noch leid tun wird… 

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"Black Lives Matter" in Vienna: 50.000 setzen ein buntes Zeichen gegen Rassismus!

"Black Lives Matter" erobert die Wiener Innenstadt. Trotz anfänglichen Regenwetters und der Corona-Krise versammelten sich laut Polizei rund 50.000 zumeist junge Demonstranten im Areal rund um das Museumsquartier und den Karlsplatz, um gegen Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren.

 

Anlassfall war der Tod des Schwarzen Eric Floyd im Rahmen einer Festnahme in Minneapolis: Ein Polizist kniete fast neun Minuten auf seinem Nacken und ließ auch nicht davon ab, als er verzweifelt "I can´t breathe" stöhnte. Der Polizist wurde jetzt wegen "Mord zweiten Grades" (im Sinne von Totschlag), drei Kollegen wegen Beihilfe angeklagt. Es drohen bis zu 40 Jahre Haft. Seitdem finden auf der ganzen Welt Anti-Rassismus-Kundgebungen und Demonstrationen unter der Trademark "Black Lives Matter" ("Schwarze Leben zählen") statt. Diese internationale Bewegung ist im Juli 2013 innerhalb der afroamerikanischen Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten entstanden. Proteste werden zumeist per sozialen Medien organisiert, eine formale Struktur existiert nicht.

 

Rassistische Beschimpfungen in öffentlichen Verkehrsmitteln, Diskriminierungen bei Job- und Wohnungssuche, Mobbing in Schulen, Racial Profiling bei Polizeikontrollen. Der Rassismus ist längst in Österreich angekommen. Die Mitorganisatorin der Demonstration, Ärztin und SPÖ-Politikerin Mireille Ngosso, spricht von "strukturellem Rassismus", der sich durch alle Institutionen zieht. Von fehlender politischer Repräsentanz, schlechteren Aufstiegschancen im Bildungssystem bis hin zu Jobnachteilen aufgrund der Herkunft oder des Namens trotz bester Ausbildung. Faktoren, die auch in den Vereinigten Staaten zu immer größerer sozialer Ungleichheit und zu einer Spaltung der Gesellschaft geführt haben.

 

Zuerst nur als Kundgebung, dann als Demonstration für 3000 Personen angemeldet, strömten laut der Veranstalter "alle zehn Minuten 5000 Menschen hinzu". Großteils mit Maskenschutz und zumindest mit dem Vorsatz, die Abstandsregel einzuhalten. Start der Demonstration war der Platz der Menschenrechte vor dem Museumsquartier, wo 2003 das Marcus Omofuma-Denkmal von der Bildhauerin Ulrike Truger errichtet wurde. Zur traurigen Erinnerung an den gleichnamigen nigerianischen Asylwerber, der im Rahmen eines Abschiebefluges von Wien nach Sofia von drei Polizisten fahrlässig getötet wurde. Die Täter wurden zu 8 Monate bedingter Haft verurteilt und wieder in den Exekutivdienst aufgenommen. Die Flüchtlingshilfe Asyl in Not bezeichnete dieses Urteil als "Rassenjustiz" und eine "Verhöhnung des Opfers und der Menschenrechte".

 

 

Insofern ist es ein wunderbares Zeichen, dass 50.000 Menschen verschiedener Hautfarbe, Herkunft und Religion begeistert und entschlossen auf die Straße gehen und in einem kilometerlangen Demonstrationszug klarmachen, dass Rassismus und Diskriminierung in Österreich nichts zu suchen haben. Wenn auch einige Reden aufgrund des Massenandrangs abgesagt wurden, die Inhalte der mitgebrachten Banner sprechen für sich: "Racism is the Real Pandemic", "Dark Skin is not a Crime", "Silence is Violence", "No Freedom till we are equal" oder "no justice, no peace". Wien kann stolz sein auf seine bunte, multikulturelle Community!

 

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"Still no Exit": Veranstaltungs-Auflagen torpedieren den Konzert- und Festivalsommer 2020!

5,5 Millionen Tickets für Großveranstaltungen wurden bis Ende August 2020 verkauft, fast alle Events wurden abgesagt. Die Konzert-Branche mit einer jährlichen Wertschöpfung von 5,8 Milliarden Euro liegt – trotz umstrittener Gutscheinlösung - am Boden. Eventagenturen haben seit nunmehr 12 Wochen einen Umsatz von Null, bis Ende des Jahres drohen aufgrund der Planungsunsicherheit nur Stornierungen und keine neuen Aufträge. Härtefallfondszahlungen von 1000 Euro abwärts sind eine zusätzliche Provokation. Die Corona-bedingte Misere am Veranstaltungssektor wird durch die am 29. Mai in Kraft getretenen Änderungen der Lockerungsverordnung prolongiert und viele kleinere Unternehmer, Lokale und Clubs in den Ruin treiben.

 

Mit Stichtag 31. Mai sind aktuell 470 in Österreich lebende Bürger mit dem Covid 19-Virus infiziert, in Salzburg nur mehr 6, in Kärnten gar nur mehr 3. Auch in den Nachbarländern gehen die Corona-Zahlen zurück. Trotzdem steht der Event-Sommer 2020 aufgrund der rigiden, praxisfernen Einschränkungen der Bundesregierung vor einer Mega-Pleite, die gleichzeitig auch die Gastronomie und den Tourismus – 70 Prozent der Gäste kommen beispielsweise laut einer Studie wegen Kulturveranstaltungen nach Wien – in den Abgrund zieht.

 

So sind im Juni nur Veranstaltungen bis zu 100 Personen zulässig. Diese Regelung gilt für Stehplätze bis Ende August. Eine Pop-Rock-Indie-Band hat also nur 2 Alternativen:

 

Erstens: Auf ein „lässig, ungezwungenes“ Stehpublikum zu beharren, das sich auch zu den Beats und Riffs der Band bewegen soll. In diesem Fall dürfen aber nur 100 Personen zum „Live-Inferno“ kommen. Wohnen die Musik-Fans nicht im gemeinsamen Haushalt, müssen sie einen Abstand von mindestens 1 Meter einhalten. In geschlossenen Räumen (wie beispielsweise den Gürtel-Clubs Chelsea oder Rhiz) muss zusätzlich eine Schutzmaske getragen werden. Beim Tanzen muss sogar ein Abstand von 2 Metern eingehalten werden.

 

Fazit: Abgesehen davon, dass die meisten Lokale aufgrund der verpflichtenden Abstände flächenmäßig viel zu klein sind, ist hier eine prickelnde Live-Atmosphäre undenkbar. Schon allein die Vorstellung erinnert eher an dystopische Science Fiction-Schocker als an energetische Konzert-Gigs. Die erzkonservativen Politiker dürften noch nie auf einem Live-Konzert gewesen sein, ansonsten kann man derartige Regelungen nicht beschließen.

 

Alternative 2: Sitzplätze zuweisen. In diesem Fall muss ein Abstand von mindestens einem Meter gegenüber anderen Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben oder nicht einer gemeinsamen Besuchergruppe (max. 4 Erwachsene plus Kinder) angehören, eingehalten werden. Beim Betreten des Veranstaltungsortes ist dabei eine Maske zu tragen. Auf den Sitzplätzen darf die mechanische Schutzvorrichtung abgenommen werden. Maskenpflicht besteht allerdings dann, wenn der Abstand trotz Freilassens der Nebensitze unter 1 Meter beträgt. Verwirrend?

 

Theater und Kinos werden die nächsten Wochen nächtelang grübeln, um kreative, rentable Lösungen für den Sommer zu entwickeln. Für die Indie-Clubs dürfte es sich hier eher um eine Form des „neuen Wiener Aktionismus“ handeln. So auf Facebook der Underground-Club Fluc am Praterstern, der im Juli ein Doppelkonzert der grandiosen Dives – mit Bestuhlung – inszeniert. Auch dort dürfte man aber schon die alten, schweißtreibenden Rock- und Technosets der Vergangenheit herbeisehnen.

 

Für Veranstaltungen mit Sitzplätzen gibt es ab Juli bzw. August Kapazitätserweiterungen: Ab 1. Juli sind Sitz-Events mit bis zu 250, im Freien bis zu 500 Personen zulässig, ab 1. August bis zu 500 bzw. 750 Personen im Freiluftbereich. Bei Veranstaltungen über 100 Personen muss allerdings neben der Bestellung eines Covid-19-Beauftragten ein umfangreiches Covid-19-Präventionskonzept erstellt werden. Wer sich das leisten kann? Die Hochkultur a la Salzburger Festspiele oder Grafenegg, für die die türkis-grüne Bundesregierung auch noch ein „Sonderzuckerl“ in der Lockerungsverordnung festgelegt hat. Mit Bewilligung der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde können sogar Events mit bis zu 1000 bzw. im Freien bis zu 1250 Personen abgehalten werden. Das politische Netzwerk zerreißt auch in der größten Pandemie nicht. Die Grünen sollten sich aber nie mehr als „Alternativ“ bezeichnen dürfen.

 

Wer das Nachsehen hat: Pop-, Rock- und Indieveranstalter, kleine Kellerbars und Clubs, die gesamte Nachtgastronomie. Allesamt keine Stammklientel der anti-urbanen und spaßbefreiten Kurz-ÖVP. Die Szene kann sich nur schwach trösten mit dem kongenialen Nietzsche-Zitat: „Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern (wieder) gebären zu können.“ Aber Achtung: Den Zwei-Meter-Abstand einhalten. Sonst kommt die Flex des türkisen Innenministers. Ins Flex. 

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Das Virus ist König: Türkis-Grüne Schikanen für Gastronomen und Barflies!

Der Gast ist König, der Besucher soll sich wohlfühlen, die Bar ist das verlängerte Wohnzimmer,… - Alles gut und schön. Wenn die Realität aber genau das Gegenteil widerspiegelt, dann hat die Gastronomie ein Problem. Die aufgrund der Corona-Krise konzipierten Vorschriften haben zur Folge, dass man sich in einer Gaststätte wie in einem Speisesaal eines Hochsicherheitsgefängnisses, einem verseuchten Trakt eines Atomkraftwerks oder einer alpenländischen „Blade Runner“-Neuverfilmung fühlt. Beim aktuellen Stand von ca. 1000 Corona-Infizierten österreichweit.

 

§ 6 der  - nicht nur fast - zynisch klingenden „Lockerungsverordnung“ regelt die Vorschriften für die Gastgewerbebetriebe, die ab 15. Mai wieder zwischen 6 und 23 Uhr öffnen dürfen. Sogar Top-Gastronomen mit großflächigen Betriebsstätten rechnen im vorhinein (!) mit Umsatzrückgängen zwischen 50 und 70 Prozent, für viele kleine gemütliche Bars Kneipen, die auf Schankgäste an der Theke angewiesen sind, wird die „Gastro-Verordnung“ der Todesstoß, falls diese nicht schnell rückgängig gemacht wird.

 

So regelt der Absatz 3, dass die Konsumation von Speisen und Getränken nicht in unmittelbarer Nähe der Ausgabestelle erfolgen darf. Heißt mit anderen Worten, dass der Ausschank an der Bar verboten ist, schnelle Biere, Spritzer und Schnapserl daher ade. Und es kommt noch schlimmer: Auch das Stehen in den Lokalen ist verboten, ab sofort herrscht – internatsmäßig – Sitzpflicht. Sitzachterl statt Stehachterl.

 

„Der Betreiber hat sicherzustellen, dass jeder Kunde in geschlossenen Räumen der Betriebsstätte durch den Betreiber oder einen Mitarbeiter platziert wird.“ „Platziert“ – „Sympathischer“ kann man den Besuch in einem Wirtshaus oder einer Kneipe nicht ausdrücken. Eine Tischreserverierung im vorhinein ist zwar nicht verpflichtend, wird aber empfohlen. In einigen Gasthäusern (wie dem Schweizerhaus) sind Plätze schon tageweise ausgebucht. Spontanität, ade!

 

Sollte jemand „Contagion“ noch nicht gesehen oder noch nie einen SM-Club besucht haben, bitte nicht erschrecken: Betreiber und Mitarbeiter tragen eine Maske („eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung“). Wer seinen ehemaligen Stammkellner – nach der langen Durststrecke – nicht mehr erkennt, braucht wenigstens keine Ausrede.

 

Wer darf überhaupt gemeinsam ein Lokal betreten? Das sind laut der vom grünen Gesundheitsminister (und Volksschullehrer) Anschober erlassenen Verordnung „maximal vier Erwachsene (plus minderjährige Kinder“) oder „Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben“. Unbegrenzter Freiraum in den Kneipen also für linke Wohngemeinschaften wie Uschi Obermaiers-Kommune 1 in den 68ern. Ob das die erzkonservative ÖVP, die seit den 60ern alle modernen, progressiven und emanzipatorischen Strömungen ablehnt, dies wirklich einkalkuliert hat? Meldezettel muss der Wirt zumindest vorerst nicht kontrollieren.

 

„Vom erstmaligen Betreten der Betriebsstätte bis zum Einfinden am Verabreichungsplatz hat der Kunde gegenüber anderen Personen, die nicht zu seiner Besuchergruppe gehören, einen Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten und in geschlossenen Räumen (nicht also in Schanigärten) eine Maske zu tragen.“ Das bedeutet, dass vier Freunde oder Freundinnen, die nicht in einem gemeinsamen Haushalt leben, bei der Autofahrt zum Gastro-Lokal in einer Fahrgemeinschaft verpflichtend eine Schutzmaske tragen müssen. Am Tisch dürfen sie die Maske dann ablegen. Nicht vergessen: Auch in der U-Bahn bzw. auf dem Fußweg muss die Kneipenclique untereinander einen Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter einhalten (sonst drohen Geldstrafen bis 3600 Euro),  am desinfizierten Tisch gilt dies nicht mehr. Wer diese Logik versteht, sollte sich um den Nobelpreis bewerben.

 

Was passiert dann eigentlich mit der abgelegten Maske? Laut den Empfehlungen des Tourismus-Ministeriums erhöht ein am Tisch liegender Mund-Nasen-Schutz die Infektionswahrscheinlichkeit, er soll also sicher und hygienefrisch (in der Hosentasche?) verwahrt werden. Am Weg zur Toilette und zurück bzw. beim Verlassen des Lokals ist eine Maskenverhüllung gemäß Lockerungsverordnung nicht mehr vorgeschrieben. Geht man kurz auf eine „Rauchpause“ (und dann zurück ins Lokal), eigentlich auch nicht, denn dann handelt es sich ja eigentlich um kein „erstmaliges Betreten der Betriebsstätte“ mehr. Viele Gastgewerbebetriebe werden dies rechtlich sicher anders sehen, Ärger an der Tür ist vorprogrammiert.

 

Für kommunikative Lokalbesucher, die auch gerne mit anderen Gästen ins Gespräch kommen wollen, lebenslustige Singles und Flirtwillige wird es durch die türkis-grünen Gastro-Schikanen kompliziert. Der Betreiber hat nämlich laut Verordnung die Verabreichungsplätze so einzurichten, dass zwischen den Besuchergruppen ein Abstand von mindestens einem Meter besteht. Als Alternative kann eine räumliche Trennung per Plexiglas installiert werden. Mindesthöhe laut Tourismusministerium: Die Größe eines erwachsenen Menschen.

 

Beim Aufreißen helfen Umgehungstricks. Sitzt die Begierde der Nacht auf einem anderen Tisch, dann muss nur die Kontaktanbahnung sichergestellt werden. Mit auffälligen Balzbewegungen, lauten Ballermann-Anmachsprüchen oder subtil hipper mit Smartphone-Lights. Dann gemeinsam an die frische Luft und sich durch den Barkeeper einen neuen Platz für zwei zuweisen lassen. Liebesherzen statt Virenschleuder. Über dieses erste Rendezvous d´amour werden die Enkel in spe noch lachen.

 

Das Lachen dürfte den Gastronomiebetreibern selbst vergangen sein: Unverhältnismäßige Auflagen für die Wirte, Schikanen für die Gäste, eingeschränkte Öffnungszeiten (bis 23 Uhr), viel weniger Platz (aufgrund der Meterabstände der Tische und des Schankverbots), dadurch weniger Gäste und Umsätze. Der Standortberater Regio Plan rechnet mit 52 Millionen Euro Umsatzverlust pro Tag im Vergleich zu 67 Millionen Euro vor den Lockerungen.

 

Viele werden sich das Aufsperren wirtschaftlich gar nicht leisten können, andere verzweifelt in den Konkurs steuern. Dies gilt in noch gefährlicherem Ausmaß für die Nachtlokale. Diese dürfen laut des von ÖVP-Köstinger geleiteten Tourismusministeriums „grundsätzlich öffnen, es gilt aber auch für sie die Sperrstunde um 23 Uhr“. Wer einmal eine Cocktail-Bar oder einen Club besucht hat, der weiß, dass um diese Zeit das Geschäft noch nicht einmal begonnen hat.

 

Fazit: Das Virus ist der König. Und diesem sind die entgangenen Umsätze der Gastro-, Kultur- und Clubbetreiber egal. Der türkis-grünen Bundesregierung anscheinend auch.

Türkis-Grüne "Lockerungsverordnung": Land unter Maske!

Österreich ist frei“ – So in dem Sinne fühlten sich viele Bürger der Alpenrepublik, als mit dem 1. Mai die Ausgangsbeschränkungen (scheinbar) fielen. Zumindest jene, die wochenlang willenlos dem „Stay at Home“-Order der türkis-grünen Bundesregierung und den mit einer Corona-Mediensonderförderung von 6,3 Millionen Euro ausgestatteten regierungstreuen Boulevardmedien folgten. Denn tatsächlich hat sich an der Rechtslage wenig geändert.

 

Im Gegensatz zu Spanien und Italien gab es in Österreich niemals Ausgangssperren. Das Betreten öffentlicher Orte wurde zwar in einer Generalklausel verboten, allerdings durch den Ausnahmetatbestand des § 2 Z 5 wieder ausgehebelt. Das Betreten öffentlicher Orte war jederzeit zu jedem Zweck zulässig. Die einzige Voraussetzung: Ein Sicherheitsabstand zu haushaltsfremden Personen von mindestens 1 Meter. Private Besuche waren aufgrund des Social Distancing vielleicht nicht sinnvoll, aber rechtlich erlaubt. Die in den Medien hochgepeitschten „Corona-Parties“ verstießen nicht gegen die Covid-Verordnungen, sondern gegen die Lärmschutzgesetze.

 

Die neue „Covid-19-Lockerungsverordnung“, die vorerst bis 30. Juni gilt, enthält im § 1 eine Bestimmung, die man problemlos wortgetreu für die am 30. April außer Kraft getretenen Verordnungen verwenden hätte können: „Beim Betreten öffentlicher Orte im Freien ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten.“ Die vermeintliche Lockerung ist allerdings genau das Gegenteil. Denn ab sofort muss beim Betreten öffentlicher Orte in geschlossenen Räumen verpflichtend eine Schutzmaske („eine den Mund und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung“) getragen werden. Dies galt bisher nur in öffentlichen Verkehrsmitteln und in den Handelsbetrieben.

 

Bei Massenbeförderungsmitteln (wie Straßenbahn, Bussen oder U-Bahnen) kann bei einer hohen Anzahl von Fahrgästen der Sicherheitsabstand von einem Meter unterschritten werden, die Verwendung einer Schutzmaske ist aber ebenso verpflichtend wie bei Fahrgemeinschaften und Taxis. Trifft man sich beispielsweise abends zu einem Lokalbesuch (der ab 15. Mai bis 23 Uhr wieder möglich sein soll), dann müssen alle vier (gesetzlich möglichen) Insassen im Auto eine Schutzmaske tragen und sich laut den bereits veröffentlichten Gastro-Bestimmungen vom Personal zum Tisch führen lassen. Dort dürfen die vier Freunde dann die Schutzmasken ablegen. Bei Verrichtung der Notdurft oder beim kurzen Aufstehen – Schankbetrieb ist allerdings strikt verboten - müssen sie die Maske wieder anlegen. Dystopia Nightlife 2020. Dass die Gastronomie bei derartigen Auflagen und Schikanen auf nicht viel Umsätze hoffen darf, prophezeien auch die Meinungsforscher. Laut einer Profil-Umfrage wollen 57 % der Befragten (vorerst) auf Lokalbesuche in „diesem Rahmen“ verzichten.

 

Schutzmasken müssen natürlich auch in den Kundenbereichen von Betriebsstätten angelegt werden. Dort wurde zumindest der Quadratmeterplatz pro Kunde von 20 auf 10 Quadratmeter reduziert, das Shopping-Feeling wird durch die Corona-Restriktionen aber nicht angenehmer. Vermummungszwang herrscht auch bei Gottesdiensten und bei Märkten im Freien. Dem Verordnunngs wortlaut nach müssen also auch Kunden des Nasch-, Brunnen oder Karmelitermarks eine Maske tragen, um dort orientalische oder regionale Spezialitäten zu erwerben. Die Vertreibung der Wiener aus den urbanen Paradiesen der Stadt, Touristen gibt es ohnehin derzeit nicht.

 

Künstler sind weltoffen, kreativ und intellektuell, sie stehen daher einer rechtskonservativen, heimatverbundenen, unsozialen Retro-Politik a la ÖVP nahezu gänzlich negativ entgegen. Insofern werden sie von der türkis kontrollierten Bundesregierung sozusagen links liegengelassen. Öffentliche Veranstaltungen mit mehr als 10 Personen sind untersagt. Man stelle sich vor ein Voodoo Jürgens-Konzert vor 10 Fans, alle mit Schutzmasken und verstreut auf 10 Quadratmeter Fläche pro Person. „Heute grabn ma Tote aus“, der kongeniale Titel. Bei Begräbnisse sind wenigstens 30 Personen zugelassen, in Shopping Centern und Baumärkten zehntausende mehr. Der Wert der Kultur in einem Land mit obrigkeitshöriger Bevölkerung unter Führung einer türkisen, visionslosen Marketing-Clique.

 

Ein sichtbares Symbol dieser „angstbesetzten Politik der Kontrolle“ (so Gesundheitsexpertin Sandra Wild im „Standard“) ist die Schutzmaske, die ohne wissenschaftliche Evidenz in allen öffentlichen geschlossenen Räumen zu tragen ist. Ausgenommen sind nur Kinder und Personen, denen aus gesundheitlichen Gründen das Tragen nicht zugemutet werden kann. Bei einer Kontrolle durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes müssen Betroffene ihre Krankheit offenlegen, wenn sie bis dahin nicht schon durch grimmig schauende Mitbürger auf ihren „lebensgefährdenden“ Regelverstoß aufmerksam gemacht wurden.

 

„Das Klima spitzt sich zu zwischen den Obrigkeits- bzw. Virushörigen und denen, die sich wirklich damit auseinandergesetzt haben, ob diese lächerlichen Masken irgendeinen Unterschied bei der Ansteckung machen. Sie sind eher infektionsfördernd als virusabstoßend, wenn sie, wie es oft passiert, immer wieder in die Handtasche gesteckt und dann wieder getragen werden“, so die Geschäftsführerin des AIHTA-Instituts, Sandra Wild. Die mangelnde Effektivität bestätigen auch andere Experten. Die meist selbst gemachten Stoffmasken schützen den Träger überhaupt nicht, sie haben alleine den Zweck, die Mitbürger in der Umgebung vor einer Infektion zu schützen. Bei falscher Handhabung (beispielsweise beim An- und Aufsetzen, beim Herumzupfen während des Tragens oder bei nicht regelmäßigem, hygienekonformem Austausch) können sie allerdings auch als „Virenschleuder“ fungieren. Ob dies alle untertänigen Maskenträger wissen, ist sehr fraglich.

 

In jedem Fall handelt es sich bei der Maskenpflicht um eine radikale Einschränkung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, deren (überschießende) Verhältnismäßigkeit zur aktuellen Gefahrenlage (1582 Infizierte bei 8,89 Millionen Einwohnern – Stichdatum: 5. Mai, 13 Uhr) nicht nur diskutiert, sondern auch dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt werden sollte.

 

In Schweden sitzen die Bürger in den Bars und Schanigärten und flanieren durch die frühlingshaften Gassen und Straßen, auch die Schulen und Kindergärten sind offen. Nur wenige tragen Masken, und es existieren auch keine offiziellen Richtlinien, die das Tragen von Masken empfehlen. In Österreich dagegen schränkt die durch den Gesundheitsminister verordnete Maskenpflicht die Lebensqualität der Bürger unagemessen ein und wird in der Gastronomie, in den Kultureinrichtungen und im Handel zu enormen Umsatzeinbußen führen. Was ist hier anders als im maskenlosen, hohen Norden?

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Drohende Veranstalterpleiten: Nationalrat beschließt umstrittene "Gutschein-Lösung"!

Jährlich werden in Österreich ca. 8,5 Millionen Tickets für Großveranstaltungen verkauft, das entspricht einer Wertschöpfung von 5,8 Milliarden Euro. Die weltweite Corona-Pandemie schockt jetzt auch die Veranstaltungsindustrie: Mindestens bis 31. August dürfen keine Festivals (a la Frequency oder Electric Love), Konzerte und Theateraufführungen stattfinden, verkauft wurden bereits im vorhinein ca. 5,5 Millionen Tickets. Würde die Verkaufspreise gleichzeitig von den Kunden zurückgefordert werden, dann stünde die gesamte Branche vor einer gigantischen Pleitewelle. Im Nationalrat wurde daher am 28. April das sogenannte „Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz“ (kurz dadaistisch: KuKuSpoSig) beschlossen. Trotz seiner zweifellos positiven Auswirkungen auf die zukünftige Event-Kultur in Österreich gilt dieses aber als umstritten.

 

Laut EU- und nationalem Recht hat der Konsument einen Anspruch auf Rückzahlung des Entgelts, wenn eine Veranstaltung nicht an dem vereinbarten Zeitpunkt stattfindet. Einer Verlegung auf einen späteren Termin bzw. der Überreichung eines Gutscheins muss der Ticketkäufer nicht zustimmen. Dies ändert sich nun befristet mit dem im Nationalrat beschlossenen Gesetz. Betroffen sind alle Kunst-, Kultur- und Sportereignisse des Jahres 2020, die nach dem 13. März 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie abgesagt wurden. Inkludiert sind hier also auch schon künftige Event-Absagen des aktuell laufenden Jahres.

 

Der Veranstalter kann laut § 1/1 dem Besucher anstelle der Rückzahlung einen Gutschein über den zu erstattenden Betrag übergeben. Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag über einen Vermittler abgeschlossen wurde. Die genaueren Modalitäten enthalten die §§ 1/4, 5 die sich vermutlich zu einem „Bürokratiemonster“ ausarten werden. Beträgt das Ticket-Entgelt unter 70 Euro, dann erhält der Kunde einen Gutschein. Kostete dagegen das Ticket über 70 Euro, dann erhält der Kunde eine Rückzahlung des Differenzbetrages, bei 90 Euro Ticketpreis also 70 Euro Gutschein und 20 Euro Rückzahlung. Bei einem Ticketpreis von 250 Euro erhält der Konsument einen 70 Euro-Gutschein und eine Rückzahlung von 180 Euro. Darüber hinaus erfolgt wieder eine Übergabe eines Gutscheins. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

 

Wurden mehrere Tickets bei einem Veranstalter gekauft, dann wird jeder Kauf als ein einzelnes Geschäft betrachtet. Bei Abonnements (die häufig von Fußball-, Handball- oder Eishockeyfans abgeschlossen werden), kann der Besucher anstelle eines Gutscheins verlangen, dass das zurückzuzahlende Entgelt auf ein Folge-Abo (der nächsten Saison) angerechnet wird.

 

Keine Anwendung finden die Bestimmungen des Sondergesetzes, wenn der Veranstalter Bund, Land oder Gemeinde ist oder dieser mehrheitlich im Eigentum einer Gebietskörperschaft steht. Prominente Beispiele: Das Burgtheater oder die Bundesmuseen, die im Gegensatz zu privaten Veranstaltern keinem Insolvenzrisiko ausgesetzt sind.

 

Der Besucher kann den Gutschein an jede natürliche Person übertragen. Verwendet werden kann der Gutschein auch für ein anderes Event des Veranstalters. Eine Verpflichtung dafür besteht aber nicht. Wird der Gutschein bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 nicht eingelöst, dann hat der Veranstalter auf Aufforderung des Kunden eine Rückzahlung vorzunehmen.

 

Die Kritikpunkte an der türkis-grünen „Gutschein-Lösung“ sind nicht unbeträchtlich. Gutscheine sind nämlich nicht insolvenzabgesichert. Geht der Veranstalter daher trotz der Sicherungsgesetz-Maßnahmen in Konkurs, dann muss der Kunde die Forderung aus dem Gutschein im Insolvenzverfahren anmelden. Bei einer Forderungs-Anmeldungs-Gebühr von 23 Euro und einer zu erwartbaren geringen Quote schaut der Konsument höchstwahrscheinlich durch die Finger.

 

Laut dem Bericht des Justizausschusses kann der Veranstalter dem Verbraucher zunächst einen Gutschein über den gesamten Betrag ausstellen. Der Verbraucher kann dies ablehnen und muss in der Folge nur einen Gutschein über den gesetzlich vorgesehenen Betrag annehmen, den restlichen Betrag erhält er ausgezahlt. Dieses Procedere ist gesetzlich nicht geregelt, den Veranstalter trifft auch keine Informationspflicht.

 

Die Arbeiterkammer kritisiert, dass Konsumenten den Veranstaltern de facto bis zu zweieinhalb Jahre ein zinsenloses Darlehen gewähren, und präferiert das deutsche Modell. Dort sei laut einem Entwurf die Rückerstattungsfrist um ein Jahr kürzer. Außerdem werden in Deutschland Härtefälle einkalkuliert, sodass vor allem Jugendliche mit wenig Geld die Ticketpreise sofort rückerstattet bekommen. Ein diesbezüglicher Antrag der SPÖ wurde im Nationalrat durch Türkis-Grün abgelehnt.

 

 

Auch der Verein für Konsumenteninformation (VKI) lehnt das Modell ab. Es sei nicht Aufgabe des „kleinen Mannes“, die großen Veranstalter zu finanzieren, sondern des Staates oder der Banken. Gegen eine freiwillige Annahme von Gutscheinen spricht nichts. Und die dürfte von den Musik- und Sportfans ohnehin mehrheitlich in Anspruch genommen werden. Wer einmal eine Karte zu einem (final meist ausverkauften) Event ergattert hat, der behält sich das Ticket und wartet sehnsüchtig auf den neuen Termin. Pet Shop Boys London 2021 – See you…

Einkaufen ja, Demonstrieren nein: Versammlungsfreiheit unverhältnismäßig eingeschränkt!

In Tel Aviv demonstrierten tausende Menschen gegen den Regierungschef Netanjahu, mit Masken und Sicherheitsabstand. In Libanon protestierten die Bürger – in Form eines Autokorsos – gegen die Korruption in ihrem Land. In Österreich gehen die Uhren anders. Im Rahmen einer Pressekonferenz vom 6. April verkündeten Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Kogler, dass alle Versammlungen bis Ende Juni untersagt sind. Ein eklatanter Eingriff in die verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechte auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit, und das wie üblich ohne substantielle und rechtliche Erläuterungen.

 

Geregelt ist die Versammlungsfreiheit im Art. 12 der EU-Grundrechtecharta, im Staatsgrundgesetz, der Europäischen Menschenrechtskonvention bzw. auf einfachgesetzlicher Ebene im Versammlungsgesetz. Gemäß Art. 11 der MRK hat jede Person das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln. Die Ausübung dieser Rechte darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder wie im Fall der Corona-Krise zum Schutz der Gesundheit.

 

Versammlungen sind schriftlich der Bezirksverwaltungsbehörde (in Wien der Landespolizeidirektion) – seit einer Novelle 2017 – mindestens 48 Stunden vor der Abhaltung unter Angabe des Zwecks, des Orts und der Zeit der Versammlung anzuzeigen. Eine Genehmigung ist nicht vorgeschrieben. Es können daher auch Spontanversammlungen durchgeführt werden, die Nichtanzeige stellt juristisch nur eine Verwaltungsübertretung dar und führt alleine nicht zu einer Auflösung der Demonstration.

 

Im vorhinein kann eine Demonstration durch einen Bescheid untersagt werden, wenn diese die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet. Auf den § 6 des Versammlungsgesetzes berufen sich auch die österreichischen Behörden, die seit 16. März alle (!) Demonstrationen verboten haben. So wurde aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos größerer Menschenmengen u.a. eine Demonstration der ÖH Uni Wien mit vier (!) Personen untersagt, obwohl diese laut ihrer Anzeige einen Mindestabstand von zwei Meter einhalten wollten und außerdem mit Mund-Nasen-Schutz und Handschuhen ausgestattet wären.

 

Die ÖH sieht dies als Schikane: „Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit werden geopfert, während gleichzeitig auf Baustellen und in Fabriken weitergearbeitet wird“. Die mangelnde Verhältnismäßigkeit kritisieren auch renommierte Verfassungsjuristen wie Dr. Benjamin Kneihs, der davon ausgeht, dass „bei einer zunehmenden Lockerung der Bewegungseinschränkungen auch der öffentliche Raum für die Versammlungsfreiheit geöffnet werden muss“, ansonsten die jeweiligen Rechtsakte als grundrechtswidrig zu betrachten sind.

 

„Demonstrieren ist nicht unwichtiger als Einkaufen“, so kongenial formuliert es der deutsche Verfassungsjurist Kay Waechter. In Deutschland, wo in Gegensatz zu Österreich per Eilverfahren Gesetze und Verordnungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft werden können, wurde bereits durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden, dass pauschale Demonstrationsverbote während der Corona-Krise unzulässig sind. Bis dato wurden Versammlungsverbote mit kreativen Aktionen umgangen, indem die Teilnehmer sich beispielsweise mit politischen Transparenten in Schlangenlinie vor Bäckereigeschäfte stellten.

 

Grundrechte sind allerdings keine Instrumente des Jux und der Tollerei, sondern Rechte der Bürger gegenüber dem (zumeist) obrigkeitlich handelnden Staat, die auch im Ausnahmezustand nicht unverhältnismäßig außer Kraft gesetzt werden dürfen. Im Gegenteil: Ein liberaler Staat hat Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit aktiv zu gewährleisten. Auch wenn sich Demonstrationen inhaltlich zumeist gegen Maßnahmen und Aktivitäten des Staates richten.

Corona-Krise: Türkis-Grünes Mieterschutz-Paket geht zuwenig weit.

Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Erkrankung, Quarantäne, keine Aufträge, Absagen von Veranstaltungen,…. – Die Corona-Krise trifft Arbeitnehmer, Unternehmer und Selbständige nicht nur gesundheitlich und psychisch, sondern auch finanziell. In dieser Ausnahmesituation ist auch die Politik gefordert, durch befristete Sondergesetze die richtigen Maßnahmen zu treffen und das Leid der Bürger zu verringern. Beim Mietrecht ist dies partiell gelungen.

 

Wenn der Mieter einer Wohnung eine Mietzinszahlung, die im Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 fällig wird, nicht oder nicht vollständig entrichten kann, dann kann der Vermieter den Mieter weder kündigen noch sofort delogieren. Er kann weiters den Zahlungsrückstand bis 31. Dezember 2020 nicht gerichtlich einfordern oder aus einer vom Mieter übergebenen Kaution abdecken. Diese Bestimmungen gelten bis zum 30. Juni 2022.

 

Zu beachten ist aber, dass sich die rechtlichen Einschränkungen des Vermieters nur auf das 2. Quartal von 2020 beziehen. Tritt der Zahlungsrückstand beispielsweise im September 2020 ein (was aufgrund des ungewissen Pandemieverlaufes und der darausfolgenden schlechten wirtschaftlichen Prognosen nicht ausgeschlossen ist), dann darf der Vermieter eine Kündigung aussprechen. Ebenso, wenn ein anderer Auflösungstatbestand als der Mietzinsrückstand geltend gemacht wird. Der Mieter muss außerdem beweisen, dass er unmittelbar durch die Corona-Krise in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt wird.

 

Bei einem Zahlungsrückstand müssen für das 2. Quartal 2020 nur die gesetzlichen Verzugszinsen von 4 Prozent bezahlt werden, auch wenn andere Vereinbarungen vorliegen. Der Mieter ist ferner nicht verpflichtet, die Kosten von außergerichtlichen Betreibungs- und Einbringungsmaßnahmen zu ersetzen.

 

Nicht ideal gelöst wurde die Verlängerung befristeter Wohnungsmietverträge, die zwischen 30. März 2020 und dem 1. Juli 2020 auslaufen. In diesen Fällen kann der Mietvertrag schriftlich und einvernehmlich bis zum 31. Dezember 2020 oder für einen kürzeren Zeitraum verlängert werden. Ein Rechtsanspruch auf eine Verlängerung besteht nicht.

 

Räumungsexekutionen sind auf Antrag des Verpflichteten aufzuschieben, wenn die Wohnung zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses unentbehrlich ist. Dies gilt nicht bei Eigenbedarf oder bei schwerwiegenden wirtschaftlichen Nachteile des betreibenden Gläubigers. Das Verfahren ist auf Antrag des Gläubigers nach Endigung der Covid-19-Maßnahmen bzw. spätestens 6 Monate nach Bewilligung der Aufschiebung fortzusetzen.

 

Geschäftsraummieter und Pächter könnten als Anspruchsgrundlage den § 1104 ABGB in Betracht ziehen. Dieser besagt, dass ein Miet- oder Pachtzins dann nicht zu bezahlen ist, wenn der Miet- oder Pachtgegenstand durch außerordentliche Zufälle (wie eine Seuche) nicht benutzt werden kann. Auf den ersten Blick scheint die Anwendung dieses Paragraphen eine klare Angelegenheit zu sein. Tatsächlich aber muss jeder einzelne Mietvertrag genau geprüft werden. Ein wichtiges Kriterium ist auch, ob und welcher Zweck im Mietvertrag vereinbart wurde, bzw. ob der Mietgegenstand für alle möglichen Geschäftszwecke unbenützbar ist, was bei Lieferservices nicht anzunehmen ist. Wie der bis dato kaum angewandte § 1104 ABGB in der Corona-Krise interpretiert wird, werden künftige ausjudizierte Gerichtsurteile zeigen. Rechtsanwälte empfehlen eine Mietzinszahlung unter Vorbehalt oder als Alternative Kulanz-Verhandlungen mit dem Vermieter bezüglich Mietzinsreduktion oder Stundung.

 

Für Opposition, Mietervereinigung, Wissenschaftler und Stadtplaner gehen die Mietrechtsnovellen der türkis-grünen Bundesregierung zuwenig weit. Sie fordern u.a. einen Solidarfonds für besonders betroffene Menschen, einen Rechtsanspruch auf Verlängerung des Wohnungsmietvertrages, Mietzinsreduktionen bzw. Mietzinserlässe und die Öffnung von Hotels. AirBnB-Objekten und leeren Wohnungen für Wohnungs- und Obdachlose. Eine Nachbesserung des Maßnahmenpakets sollte also so schnell wie möglich vorgenommen werden, im Sinne des gesellschaftlichen Friedens und der sozialen Gerechtigkeit.

Türkis-Grüne Corona-Presseförderung: 6,3 Millionen Euro für den Zeitungs-Boulevard!

Kurz mit Kaiserkrone wenige Tage vor der Nationalratswahl auf der Titelseite von Fellners Österreich, eine seitenlange Bild-Reportage über den unermüdlichen Krisenmanager Kurz in der „Krone Bunt“ (ohne im Interview kritische Fragen zum Corona Hot Spot Ischgl zu stellen) oder der ORF, der bis Mitte April 55 Regierungs-Pressekonferenzen mit 37 Stunden Länge live ausstrahlt und in dessen Flaggschiff ZIB 1 die Opposition nur zu 2,5 % vorkommt.

 

Es hat, eupheimistisch formuliert, den Eindruck, dass aktuell die meisten österreichischen Medien bei politischen Berichterstattungen eine konservative Schlagseite haben. Der ORF ist zwar aufgrund des Rundfunkgesetzes zur Objektivität verpflichtet, im ORF-Stiftungsrat hat die ÖVP allerdings die absolute Mehrheit. Einen Karriereschritt nach oben wird ein Regierungskritiker wohl selten machen. Bei den Printmedien sorgt derzeit eine Novelle des Presseförderungsgesetzes für Aufregung.

 

ÖVP und Grüne haben im Rahmen des 3. Covid-19-Sammelgesetzes beschlossen, dass Tageszeitungen aufgrund der Krisensituation eine Sonderförderung erhalten. Als Kriterium der Subvention dienen aber keine Qualitätsansprüche, sondern die anhand des Jahres 2019 ermittelten durchschnittlichen Druckauflagen. Pro gedrucktes Tageszeitungs-Exemplar sollen 3,25 (ursprünglich sogar 4 Euro) ausgeschüttet werden. Wochenzeitungen wie Falter, Trend oder Profil erhalten keine Sonder-Medienförderung, allerdings - ebenso wie die Tageszeitungen - eine erhöhte Vertriebsförderung.

 

Dies hat die Konsequenz, dass vor allem die drei Boulevard-Zeitungen die höchsten Beiträge erhalten: Die Krone 2,72 Millionen Euro (bei einer Druckauflage von ca. 750.000 Exemplaren), das Gratisblatt Heute 1,82 Millionen Euro und Fellners Österreich 1,81 Millionen Euro, insgesamt also 6,3 Millionen Euro. Das sind ausgerechnet jene Zeitungen, die auch am meisten Geld aus öffentlichen Inseraten – 2018 fast 43 Millionen Euro – kassierten. Da darf man sich dann über Kurz-freundliche Berichterstattung und dessen Umfrage-Hoch nicht mehr wundern, jetzt wo der Zeitungsmarkt aufgrund fehlender Inserate ums Überleben kämpft.

 

Verfassungsrechtler Heinz Mayer bezeichnet diese Art der Medienförderung, die weder Qualitätsansprüche noch Ausschlussgründe fixiert, als eine verbotene Beihilfe nach dem Europarecht. Überhaupt kein Geld aus dem Fördertopf  erhalten Online-Medien, laut Mayer „unsachlich, da sich ein Großteil der Menschen Informationen aus dem Internet holt“.

 

Die rechtlichen Alternativen reichen von einer Anzeige bei der EU-Kommission, einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs bis hin zu zivilrechtlichen Verfahren vor dem OGH.

 

Die journalistischen Auswirkungen von Millionen-Subventionen für Zeitungen sind evident, sie lassen das eherne Prinzip „Ein Journalist darf kein Hofberichterstatter sein“ nicht nur in einer Wirtschaftskrise immer irrealer erscheinen. Ohne Geld ka Musi! „Kurz, Kogler, Anschober, Nehammer“ wurden zuletzt in einer „Krone“-Kolumne als „Auserwählte“ und „moderne Musketiere im Kampf gegen das Virus“ bezeichnet. Die türkis-grüne Sonder-Medienförderung war für diese Klassifikation sicher kein Hindernis…

Maskenpflicht in Geschäften und Öffis: Rechtlich fragwürdige Verordnungen novelliert!

Unverhältnismäßige Grundrechtseinschränkungen, von renommierten Juristen behauptete Verfassungswidrigkeiten von Verordnungen, rechtswidrige Erlässe, Interpretationsdifferenzen bei rechtlichen Verhaltensanordnunen, überschießende Polizeiaktionen gegen harmlose Spaziergänger und spielende Familien. Der Rechtsstaat steht – unabhängig von der Zweckmäßigkeit der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona Virus – auf schwankenden Füßen. Ab Dienstag, dem 14. April, treten wieder nene bzw. veränderte Vorschriften in Kraft, die mit der Öffnung weiterer Wirtschaftsbetriebe einhergehen. Im Gegensatz zu den Kindergärten, die nur beschränkt besucht werden dürfen, und den Schulen, die fahrlässigerweise - vor allem hinsichtlich bildungsfernerer Familien und Migranten - weiterhin unterrichtsfrei bleiben.

 

Geöffnet werden dürfen – eine sehr fragwürdige Entscheidung – die Bau- und Gartenmärkte und Handelsgeschäfte mit einem Kundenbereich unter 400 m2, die dem Verkauf, der Herstellung, der Reparatur oder der Bearbeitung von Waren dienen. Die einzelnen Betriebe in den Einkaufszentren zählen vorerst nicht dazu und sollen frühestens Anfang Mai ihre Pforten öffnen. Es dürfen sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhalten, dass pro Kunde 20 m2 der Gesamtverkaufsfläche zur Verfügung stehen.

 

Für alle Mitarbeiter (mit Kundenkontakt) und Kunden der Geschäfte gilt Maskenpflicht, ausgenommen für Kinder unter 6 Jahre. Als Standard gilt ein Mund-Nasen-Schutz, der primär dem Schutz anderer dient und Tröpfchen beim Husten, Sprechen oder Niesen abhalten soll. Alternativen dazu sind eine Bedeckung mittels Tuch, Schal oder einer selbstgemachten Maske. Außerdem muß ein Abstand von mindestens einem Meter gegenüber anderen Personen eingehalten werden.

 

Novelliert wurde auch die umstrittene Verordnung gemäß § 2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, die mit einer vermutlich verfassungswidrigen Generalklausel das Betreten öffentlicher Orte verbietet. Ausgenommen von diesem Verbot sind weiterhin Betretungen zur Gefahrenabwendung, zur Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen, für berufliche Zwecke und zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens. Hinzugefügt wurde durch die Ziffer 3a die Betretung öffentlicher Orte zum Erwerb von Waren oder Dienstleistungen öffnungsberechtigter Betriebe.

 

Juristisch weiterhin kontrovers – da noch keine ausjudizierten, rechtskräftigen Entscheidungen vorliegen – bleibt die Ziffer 5, die eine Betretung im Freien dann für zulässig erachtet, wenn diese alleine oder mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt, oder mit Haustieren erfolgt. Der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak hält beispielsweise eine Verabredung zum „gemeinsamen Spaziergehen mit Abstand“ für regelkonform, andere wiederum nur zufällige Treffen mit fremden Personen. Im Falle einer Glaubhaftmachung der Betretungsgründe vor der Polizei – ein eigentlich mehr als unverhältnismäßiger Eingriff in die Privatsphäre der Bürger - daher letztere Variante wählen.

 

Man kann im (Verwaltungs)-Strafrecht im allgemeinen davon ausgehen, dass alles, was nicht verboten ist, erlaubt ist. Weder besteht eine Einschränkung auf einen bestimmten Zweck (wie Spaziergehen, Radfahren, Wandern….) noch auf eine bestimmte Länge des Ausgangs, wie es juristisch nicht versierte Regierungspolitiker den Bürgern mittels nervender „Stay at Home“-Pressekonferenzen aufoktroyieren wollten. Gegenüber haushaltsfremden Personen muss allerdings ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden. Es entspricht vielleicht nicht dem Prinzip des Social Distancing, aber es ist auch rechtlich zulässig, Freunde in ihren Wohnungen zu besuchen, da die Privatwohnung kein öffentlicher Ort ist.

 

Ab 14. April dürfen auch wieder unbeschränkt Massenbeförderungsmittel benützt werden, allerdings unter Verwendung einer Maske und mit einem Sicherheitsabstand von einem Meter gegenüber anderen Personen. Das heißt, dass beispielsweise in Wien die U-Bahn oder die Straßenbahn wieder für einen Ausflug ins Grüne oder auf die Donauinsel in Anspruch genommen werden können. Vor allem für ärmere Familien in beengten Wohnungen oder in verbauten Innenstadtbezirken ein Segen.

 

Eine neue Einschränkung gilt für Fahrgemeinschaften (inkl. Taxidienste): Es besteht sowohl Maskenpflicht als auch die garantiert nicht immer erfüllbare Verpflichtung, einen Abstand von mindestens einem Meter im Auto einzuhalten. Sozusagen Rechtssitzpflicht hinten. Auf dem Arbeitsplatz besteht – abgesehen von speziellen Vorschriften – nur dann eine Maskenpflicht, wenn dies zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern einvernehmlich vereinbart wurde.

 

Erweitert wurden auch die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden. Die Polizei soll verstärkt präventive Maßnahmen setzen, durch Streifendienst, Rechtsbelehrungen, Ermahnungen, häufige Nachschau und Präsenz vor Ort. Außerdem erhält sie die Ermächtigung, Organstrafverfügungen zu verhängen: Verstöße gegen das Epidemiegesetz betragen 50 Euro, eine Nichteinhaltung der Maskenpflicht 25 Euro. Bei Verweigerung der Bezahlung drohen Verwaltungsanzeigen, die unabhängig davon auch weiter verhängt werden dürfen.

 

Der Wiener Polizeipräsident Pürstl geht davon aus, dass die Einhaltung der Maskenpflicht in den Geschäften und den öffentlichen Verkehrsmitteln vor allem durch den sozialen Druck der Mitbürger gewährleistet wird. Da dürfte er nicht falsch liegen. Dazu kommt noch die Mentalität der Durchschnittsösterreicher, die untertänige, unkritische Hörigkeit gegenüber der „führenden“ Obrigkeit.

 

 

Die persönliche Überzeugung der Bürger, dass eine Maske die Ausbreitung des Corona-Virus verhindern wird, ist es wohl kaum. Denn die türkis-grüne Bundesregierung hat vor wenigen Wochen noch strikt die Maskenpflicht abgelehnt, und bis heute hat kein Experte anhand von wissernschaftlichen Fakten die Argumente dargelegt, warum gerade jetzt und warum gerade in dieser Art und Weise die Maskenpflicht eingeführt wird. Vielleicht gibt es auch keine… 

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Datenschutz ade! Bürgermeister erhalten Informationen über die Covid 19-Patienten!

Es herrscht Ausnahmezustand aufgrund der Covid-19-Krise. Das heißt allerdings nicht, dass alle grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Prinzipien seitens der Regierung und des Parlaments über den Haufen geworfen werden. Bei der letzten Nationalratssitzung am 3. April wurden auf Grundlage einer Regierungsvorlage das 3., 4. und 5. Covid-Gesetz beschlossen, das insgesamt 92 Artikel enthält, naturgemäß ohne Begutachtungsverfahren.

 

Eine Novelle des Epidemiegesetzes sorgt für Aufregung im gesamten Bundesland. So werden gemäß § 3a die Bezirksverwaltungsbehörden (also die  und Magistrate) ermächtigt, dem Bürgermeister Namen und Kontaktdaten einer von einer Absonderungsmaßnahme betroffenen Person mitzuteilen. Dies betrifft nicht nur kranke, sondern auch krankheitsverdächtige und ansteckungsverdächtige Menschen, die im Gemeindegebiet des Bürgermeisters wohnen.

 

Bei Symptomen (wie Fieber oder Anzeichen einer Atemwegsinfektion) bzw. bei Kontakt mit einer positiv getesteten Person können sich Betroffene an die Gesundheitsnummer 1450 wenden, die die weiteren Schritte einleitet. Wer getestet wird, entscheidet der jeweilige Amtsarzt.

 

Bei positiven Tests, aber auch bei negativen Tests (beispielsweise von Kontaktpersonen ersten Grades) wird seitens der Bezirksverwaltungsbehörde ein Bescheid zur Absonderung erlassen, die gegenüber Arbeitgebern als Krankenstand gilt. Ab sofort kann auch der Bürgermeister über die Quarantäne informiert werden, wenn dies zur Versorgung mit notwendigen Gesundheitsdienstleistungen oder mit Waren des täglichen Bedarfs unbedingt notwendig ist.

 

Nicht informiert werden aber die behandelnden Ärzte, was die Ärztekammer in einer Presseaussendung heftigst kritisiert hat.  „Ärzte, Ordinationspersonal als auch andere Patienten werden dadurch einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt“, so der Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres.

 

Kein Mitspracherecht hat der Covid-Patient selbst, der vielleicht nicht will, dass jemand im kleinen Dorf oder der kleinen Ortschaft über die Infektion oder den Infektionsverdacht erfährt. Die Gefahr der Stigmatisierung, des Tratsches und der sozialen Ausgrenzung ist trotz der Verschwiegenheitspflicht der Bürgermeister nicht unbeträchtlich.

 

So berichteten zuletzt zahlreiche deutsche und französische Tageszeitungen über Ärzte, Krankenschwestern und Altenpfleger, die in kleinen Ortschaften leben und dort aus Supermärkten gewiesen bzw. von Nachbarn angefeindet wurden, weil sie mit Covid-Patienten in Kontakt seien. „So etwas spreche sich eben auf dem Land schnell rum“, so eine betroffene deutsche Intensivpflegerin.

 

 

Die Datenübermittlung an regionale Bürgermeister sollte daher wieder beseitigt werden, um diese gesellschaftlichen Auswüchse zu verhindern. Stattdessen sollten direkt die Ärzte über den Status ihrer Patienten informiert werden.

Dystopia Vienna - Wenn ein Virus Metropolen und Grundrechte lahmlegt!

Frühling 2020. Die gleißenden Sonnenstrahlen brennen auf das fast menschenleere Museumsquartier. Eine Radfahrerin mit Mundschutzmaske fährt mit starrem Blick nach vorne über den Platz. Ein Kind zappelt fröhlich vor seiner Mutter und dem leeren Kinderwagen. Auf den Stufen lässt sich ein junger Hipster mit Joint in der Hand sonnen. Der monumentale Mumok-Bau im Hintergrund. Szenen aus einem Endzeitthriller? Allerdings ohne Regisseur und Kameramann.

 

Wien befindet sich wie nahezu ganz Europa und Nordamerika in einem realen 24-7-Lockdown. Der unsichtbare Feind: Ein aus China von Fledermäusen übertragenes Virus namens SARS-COV2 aus der Familie der Corona-Viren. Mehr als 11.000 Menschen in Österreich wurden bereits mit diesem Virus infiziert, weltweit über 1,1 Millionen. Die Dunkelziffer ist um ein Vielfaches höher. Um nicht die gesamten Gesundheitskapazitäten auszuschöpfen, wurde auch in Österreich fast das gesamte wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Leben auf ein Minimum heruntergefahren. Die damit einhergehenden grund- und freiheitsrechtlichen Einschränkungen sind allerdings fast ebenso gefährlich wie das Virus selbst, wenn langfristig nicht noch dramatischer.

 

„Kranke Zeiten“ – Das kongeniale T-Shirt zum Lockdown wurde in der Auslage der Wiener Innenstadt-Boutique „Indie“ platziert, daneben eine Flasche des mexikanischen Leichtbiers Corona, das schon seit den 90ern bei Szene-Clubbings konsumiert wird. Damit ist vorerst Schluss, der mexikanische Bierbrauer hat die Herstellung gestoppt.

 

Getanzt wird derzeit auch nur in der eigenen Wohnung. „Stay at Home“ lautet die (rechtlich überschießende) Order, um Social Distancing zu wahren und das Virus nicht weiterauszubreiten. Und tatsächlich strahlt die lebenswerteste Stadt der Welt mit seinen historischen Monumenten und verlassenen, fast menschenleeren Straßen derzeit eine gespenstische Aura aus: Eine Handvoll Spaziergänger nur auf der Shoppingmeile der Kärntner Straße, einige mit Schutzmasken, andere mit Fotohandy. Der Stephansdom oder das Haas Haus ohne Touristen und Flanierer hat fast künstlerischen Seltenheitswert.

 

Ein trauriges Bild bietet auch der Naschmarkt. Dort, wo sich sonst Menschentrauben durch die engen Marktgassen drängen, herrscht gähnende Leere, obwohl die Marktstandler geöffnet haben. Ein einsamer Straßenmusiker spielt neben einem geschlossenen Gastro-Stand traurigen Blues-Sound, er könnte nicht passender sein. Vor der barocken Karlskirche spielen drei Kinder, kaum anzunehmen, dass dort in einigen Monaten tausende Menschen beim Wiener Popfest tanzen, trinken und lachen.

 

Im Wiener Stadtpark flanieren junge Familien mit ihren Kindern und Babies, einige Wiener sitzen chillig auf den Parkbänken. Fragt sich nur, wie lange. Denn die Polizeipatrouille lässt nicht lange auf sich warten. Es wird geprüft, ob die miteinander kommunizierenden Bürger im gemeinsamen Haushalt leben – nicht nur das Recht auf Privatsphäre wurde durch Türkis-Grün eliminiert – bzw. ob genügend Sicherheitsabstand zwischen „fremden Personen“ eingehalten wurde. Ansonsten liegt eine Verwaltungsübertretung mit Geldstrafe bis zu 3600 Euro vor. Im Vergleich dazu wirkt das Corona-Virus sogar sympathisch. Nur in den Bundesgärten (wie Schönbrunn, Burg-, Volks- oder Augarten) ist man vor solchen Schikanen befreit, denn die wurden von der türkis-grünen Bundesregierung für Besucher gleich komplett gesperrt. Der Hass der Landjugend auf die urbane Bevölkerung muss unendlich groß sein.

 

Dort, wo sich kleine Boutiquen an urbane Hipsterläden und lässige Pubs reihen und normalerweise das pulsierende City Life Wiens stattfindet, dort blickt man nur auf endlose, deprimierende, parkende Autokolonnen. Manchen Fußgängern ist fast das schlechte Gewissen anzusehen, dass sie in der Frühlingssonne spazierengehen. Radfahrer wappen sich mit Schutzmasken. Fragt sich nur, wen diese eigentlich schützen sollen, wenn ohnehin sich kaum jemand in die Öffentlichkeit traut.

 

„Österreich beugt sich dem Staatswillen“, schreibt die NZZ. Sic est. Und erzeugt dadurch eine gewaltige Spaltung in der Gesellschaft, deren drastische Auswirkungen sich erst künftig zeigen werden. Kinder aus ärmeren, bildungsferneren Familien, viele auch mit Migrationshintergrund, werden aufgrund der Corona-Krise in den Schule nicht unterrichtet, für das virtuelle Home-Learning fehlen sowohl Geld, Equipment als auch die mentale und intellektuelle Unterstützung. Deren Eltern sind zumeist als unterbezahlte und gefährdete Systemerhalter tätig, egal ob in Supermärkten, in der Pflege oder auf der Baustelle. Am Wochenende sitzen sie zusammengekauert in kleinen Wohnungen ohne Balkon, Terrasse oder Garten. Sogar ein Ausflug per U-Bahn, Bus oder Straßenbahn in die grüne Natur wird ihnen verwehrt, das verbietet die Verordnung des grünen Gesundheitsministers.

 

Im Gegenzug dazu stehen jene, die sich gemütlich ein Home Office einrichten, sich auf der Terrasse sonnen, per SUV in die Natur düsen (das ist rechtlich erlaubt) und dann sich vielleicht noch auf Facebook oder Twitter über jene mokieren, die sich dem türkisen „Bleib daheim“-Order widersetzen und sich in den engen Gassen der Vorstadt und des Gürtels die Füße vertreten. Der türkise Innenminister bezeichnet diese ungeniert als „Lebensgefährder“, normalerweise ein Jargon für IS-Terroristen oder Rechtsradikale.

 

„Gaudeamus igitur, iuvenes dum sumus!“ -  Lasst uns fröhlich sein, solange wir noch jung sind.“ Ein mittelalterliches Studentenlied, das auch heute noch die Lebensphilosophie der Akademiker in spe widerspiegelt und gerne bei Sponsionen an der ältesten Universität Wiens erklingt. Was ist heute davon geblieben? Statt lachenden, paukenden, scherzenden und Zukunftspläne schmiedenden Studenten eine verlassene Alma Mater, ein menschenleerer Votivpark, geschlossene Campus-Cafes und eine apokalyptische U-Bahn-Station Schottentor. Die in geringeren Frequenzen fahrenden Garnituren fast ausgestorben, die Plattformen leer, die dort verweilenden Personen wirken aus der Ferne wie Dealer, die in dieser düsteren Atmosphäre verbotene Substanzen anbieten wollen. Nur an wen?

 

 

„It´s the End of the World as we know it“, R.E.M. 1987. Eine neue Version der brasilianischen Art Rock-Band Room klingt so gefährlich verführerisch, als würde Eurydike ihr Leid aus der Unterwelt klagen. Bei „I feel fine“ darf sich die Welt auf keinen Fall umdrehen. Wir wollen unsere offene Gesellschaft zurück, Clubs, Parties, Kulturevents, Fußballspiele, Kinderlachen, Reisefreiheit, Flirts und heiße Sommernächte. Was wir aber auf keinen Fall wollen: Einen aus Anlass der Corona-Pandemie institutionalisierten, repressiven Überwachungsstaat unter der Kontrolle rechtskonservativer Parteien und Politiker.

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Covid-Gesetz: Zwangsurlaub bis zu 8 Wochen für Arbeitnehmer bei Dienstverhinderungen!

28 Seiten Gesetzestext enthält das am 20. März beschlossene 2. Covid-Gesetz, darunter auch einige Verschlechterungen für Arbeitnehmer im Urlaubsrecht.

 

Urlaub muss in der Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden, eine einseitige Festlegung durch den Arbeitgeber war bisher nicht möglich. Die türkis-grüne Koalition hat dies jetzt allerdings durch eine Novellierung des § 1155 ABGB geändert. Gemäß Absatz 3 sind "Arbeitnehmer, deren Dienstleistungen aufgrund der Covid-Maßnahmen nicht zustandekommen, VERPFLICHTET, auf Verlangen des Arbeitgebers in dieser Zeit Urlaubs- und Zeitguthaben zu verbrauchen. Dies gilt bei Dienstverhinderungen aufgrund von Betretungsverboten bzw. Betretungsbeschränkungen des Betriebs, nicht bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten aufgrund der Corona-Krise.

 

Eingeschränkt wird der Zwangsurlaub durch den Absatz 4. Nicht inkludiert sind auf Kollektivverträgen beruhende Zeitguthaben, durch die Geldansprüche in Zeit umgewandelt werden (wie Sabbaticals oder Freizeitoptionen). Urlaubsansprüche aus dem laufenden Urlaubsjahr dürfen nur im Ausmaß von bis zu 2 Wochen verbraucht werden. De facto bedeutet dies 14 Tage "Staying at Home", eingehüllt von türkis-grünen Pressekonferenzen, öffentlichen Betretungsverboten  und Maskenpflichten statt Sommerurlaub am Strand oder in der Natur. Insgesamt dürfen nicht mehr als 8 Wochen an Urlaubs- und Zeitguthaben verbraucht werden.

 

Diese Regelungen sind (vorerst) befristet bis 31. Dezember 2020. Arbeitnehmervertreter und linke Sozialpolitiker sollten allerdings darauf achten, dass die wirtschaftsliberale ÖVP nicht weitere Zwangsurlaubs-Fallkonstellationen plant. Auf Widerstand der Grünen, die längst ihre sozialen und grundrechtlichen Ideale aufgegeben haben, ist ja kaum zu rechnen.

Stay at Home-Order: Wenn Bürger autoritär Grundrechte ihrer Mitbürger einschränken wollen!

Seit einer Woche werden aufgrund der Corona-Virus-Krise die Grund- und Freiheitsrechte der in Österreich lebenden Bürger drastisch eingeschränkt. Diese aufgrund des Rats von Gesundheitsexperten verhängten Maßnahmen mögen durchaus sinnvoll und verhältnismäßig sein, machen aber gleichzeitig auch Angst. Und zwar Angst vor der Bevölkerung, die die Einschränkungen der Freiheiten nicht nur kritiklos hinnimmt, sondern im Gegenteil sogar jene Bürger denunziert, die sich nicht freiwillig härteren Restriktionen der Bewegungsfreiheit unterwerfen.

 

So ist seit Montag, dem 16. März, das Betreten öffentlicher Orte zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 verboten. Im § 2 werden fünf Ausnahmen normiert, die die Gefahrenabwehr, die Hilfeleistung unterstützungsbedürftiger Personen, den Einkauf von Gütern des täglichen Lebens, die berufliche Tätigkeit und das Betreten öffentlicher Orte im Freien mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben (also der Familie, dem Lebenspartner, Mitbewohnern,…) umfassen.

 

Letztere Randziffer 5 inkludiert Spaziergänge, Radfahren oder Joggen in den ohnehin meist menschenleeren Straßen und in freier Natur, bei denen außerdem ein Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter eingehalten werden muss. Renommierte Virologen wie Christian Drosten und Alexander Kekule befürworten den Aufenthalt im Freien, da ein wochenlanges Verbarrikadieren in engen, geschlossenen Räumen zu extremen psychologischen Spannungen und Belastungen führt.

 

Ein Teil der Bevölkerung sieht dies anderes, sie fordern unter dem Motto „Stay at home“ eine (kontraproduktive) Ausgangssperre für alle. Und das sind meistens jene, die von einem riesigen Balkon auf die flanierende Masse herabsehen oder ein eigenes Haus im Grünen besitzen. Abseits der Realität armer Leute lebende Politiker wie ÖVP-Nationalratspräsident Sobotka befeuern derartige Initiativen noch mit Zitaten wie „Die Leute müssen hinaus in ihre Gärten“. Gerade einmal 40 Prozent der Österreicher besitzen einen Garten, Vertreter systemkritischer Berufe (wie Supermarktkassiererin, Pflegerin oder Kindergärtnerin zählen meistens nicht dazu). „Im klopapiergefüllten Neun-Zimmer-Stuckaltbau lässt sich eine Ausgangssperre viel leichter ertragen als alleinerziehend mit zwei kleinen Kindern in der Einzimmerwohnung“ formuliert es kongenial der deutsche Journalist und Autor Sascha Lobo („Realitätsschock“).

 

In den sozialen Medien wird übelster Rassismus betrieben. Man desavouiert „chinesisch“ aussehende Menschen auf einer menschenleeren Straße und regt sich auf, was die hier noch verlorenhaben. Eine Mutter, die mit ihrem Kind im Supermarkt Waren einkauft, wird denunziert. Oder ein verliebtes junges Pärchen, das neben dem Wiener Donaukanal – in ausreichendem Sicherheitsabstand – spazierengeht und den Frühlingsbeginn genießt. Oder Autofahrer mit Wiener Kennzeichen im niederösterreichischen Hoheitsgebiet. Auf Twitter und Facebook fordern Poster – mit Klarnamen - die Polizei sogar auf, gegen diese üblen Rechtsbrecher (!) vorzugehen. Dies erinnert an dunkelste Zeiten.

 

Und natürlich stehen auch wieder die Migranten im Zentrum der allgemeinen Hetze, die die Straßen und Gassen scheinbar in riesigen Menschenmassen bevölkern. Wie sollen unsere ausländischen Mitbürger eine Verordnung verstehen, wenn diese nicht einmal von den Österreichern (und nur diese spricht der türkise Bundeskanzler an) richtig interpretiert wird? Oder von Teilen der Wiener Polizei, die im Wiener Rathauspark mit Lautsprecher harmlose Passanten von den Bänken aufscheuchen (obwohl das dortige Sitzen rechtlich zulässig ist), auf Schildern Familienausflüge, Picknicks oder Radtouren als illegitim erscheinen lassen (obwohl in der Verordnung davon kein Wort steht) und in der ersten Geltungswoche fast tausend Anzeigen wegen mutmaßlicher Verstöße verhängten!

 

Das Betreten öffentlicher Orte wird am Montag aufgrund steigender Infektionszahlen für weitere drei Wochen verlängert. Die Ausnahmen gelten weiterhin. Ein Teil der Bürger wird diese weiterhin nicht akzeptieren und Mitbürger drangsalieren, weil sie ein Gesetz nicht einhalten, das gar nicht existiert. Eines, das – würde es existieren – die Grundrechte der Bürger noch mehr einschränken würde.

 

Die Corona Virus-Epidemie ist gefährlich, noch gefährlicher ist allerdings die untertänige Obrigkeitshörigkeit der Österreicher. Man  bekommt Angst in der Alpenrepublik. In der ein Viertel nichts gegen einen Führer hat, der sich nicht um ein Parlament und Wahlen kümmern muss. Oder ist die Dunkelziffer noch höher?

Corona-Virus-Krise: Öffentliche Betretungsverbote in Kraft! Spaziergänge im Sicherheitsabstand laut Virologen unbedenklich!

Gewöhnlich zittern nur Maturanten vor einer Exponentialfunktion, jetzt ist es ganz Österreich. Die Corona-Virusinfektionsraten steigen auch in der Alpenrepublik exponentiell und verdoppeln sich derzeit ca. alle 3 Tage. Komplexitätsforscher haben errechnet, dass bei ähnlicher Entwicklung wie in Italien es innerhalb der nächsten 2-3 Wochen zu einem Kapazitätsengpass an Intensivbetten und in ca. 3-4 Wochen an allen Krankenhausbetten kommen kann.

 

Virologen und Gesundheitsexperten versuchen eine Trendwende und haben daher drastische, grundrechtseinschränkende Maßnahmen vorgeschlagen, die die sozialen Kontakte zwischen den Bürgern und damit die Weiterverbreitung reduzieren sollen. Umgesetzt wurden diese durch zwei Verordnungen des Gesundheitsministers Rudi Anschober, basierend auf dem am Sonntag erlassenen Covid-Gesetz.

 

So ist seit Montag früh das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben verboten. Normiert wurden allerdings insgesamt 21 Ausnahmen, darunter öffentliche Apotheken, Lebensmittelhandel, Drogerien, Banken, Tankstellen, Post, Lieferdienste, Öffentlicher Verkehr, Trafiken oder Kfz-Werkstätten, die der lebensnotwendigen Versorgung der Bürger dienen. Eine Reduzierung der Öffnungszeiten ist vorerst nicht vorgesehen, sie könnte aber am Wochenende folgen. Nahezu alle Gastgewerbebetriebe sind seit Dienstag geschlossen, das Betreten von Gastgewerbebetrieben ist nur bei einschlägigen Lieferservices gestattet.

 

Bei Verstößen gegen diese Verordnung drohen Geldstrafen bis zu 3600 Euro für den Betreter bzw. bis zu 36000 Euro für den Betriebsinhaber.

 

Massive freiheitsentziehende Maßnahmen – wenn auch (noch) keine Ausgangssperren – betreffen auch die Bürger. Seit Montag, 16. März, ist das Betreten öffentlicher Orte verboten, die Strafdrohung beträgt bis zu 3600 Euro. Ausgenommen sind Betretungen zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum, zur Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen, zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens und für berufliche Zwecke. Ein Mindestabstand von einem Meter zu anderen Personen soll eingehalten werden. Dies gilt auch bei der Benützung von Massenbeförderungsmitteln.

 

Darüber hinaus dürfen die Bürger jederzeit öffentliche Orte alleine und mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, oder mit Haustieren betreten. Darunter fallen Spaziergänge, Joggen oder Radtouren, vorausgesetzt es wird ein Sicherheitsabstand von mindestens 1 Meter zu anderen Personen eingehalten. Gesetzlich nicht zulässig ist in diesem Zusammenhang die Benützung von Massenbeförderungsmitteln. Per Straßenbahn nach Lainz oder per U-Bahn Richtung Donaukanal zu fahren wäre also verboten.

 

Radikale Ausgangssperren seien aber kontraproduktiv. „Wenn wir Menschen dauerhaft zuhause in der Bude einsperren, ist es wahnsinnig schwierig, das psychologisch auszuhalten“, so Virologe Alexander Kekule aus Halle. Aufenthalte im Freien regen die Ausschüttung von Glückshormoen an und bergen bei Einhaltung von Sicherheitsabständen keine Ansteckungsgefahr. „Virus-Tröpfchen sind nur eine kurze Zeit in der Luft und fallen dann zu Boden. Man steckt sich in geschlossenen Räumen an“, so Christian Drosten, Wissenschaftler der Berliner Charite.

 

Es wäre daher wünschenswert, dass in den zentralen Nachrichtensendungen Experten (egal ob im medizinischen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Bereich) zu Wort kommen und nicht Berufspolitiker ohne Fachwissen, die sogar bei derartig brisanten Gesundheitskrisen durch mediale Dauerpräsenz politisches Kleingeld schlagen wollen. 

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COVID-19 Gesetz: Regierung streicht Rechtsanspruch auf Verdienstentgang!

Noch nie in seiner Geschichte trat der Nationalrat an einem Sonntag zusammen. Die Corona Virus-Krise, die im Laufe der letzten Wochen auch auf Österreich übergeschwappt ist, war der ernste Anlass, dass die Abgeordneten in größerem Abstand als gewöhnlich und verstreut auf verschiedenste Räumlichkeiten der Hofburg an der Sitzung teilnahmen.

 

Beschlossen wurde als erste Maßnahme das sogenannte "COVID-19 Gesetz", aufgrund dessen ein Krisenbewaltigungsfonds mit einer Dotierung von bis zu 4 Milliarden Euro errichtet wird. Dieser soll nicht nur die Gesundheitsversorgung stabilisieren und den Arbeitsmarkt (mittels Kurzarbeit) beleben, sondern auch die Konjunktur stärken und Einnahmenausfälle abfedern. 

 

Das Maßnahmenpaket der türkis-grünen Bundesregierung wurde zwar einstimmig beschlossen, auf der Strecke blieben aber zahlreiche Anträge der Oppositionsparteien, die für eine rechtliche und finanzielle Verbesserung der Lage der Bürger gesorgt hätten. So wurde durch das COVID 19-Gesetz der Rechtsanspruch auf Verdienstentgang gemäß dem Epidemiegesetz (§ 32) gestrichen. EPU´s und Kleinstunternehmen, die durch fehlende Aufträge vor dem Bankrott stehen, sind damit auf Almosen der Bundesregierung angewiesen und haben keinerlei Sicherheit, wie viel finanzielle Unterstützung sie wann von wem bekommen.

 

Für Arbeitnehmer, die nicht in einem versorgungskritischen Bereich tätig sind, aber keinen Anspruch auf Dienstfreistellung zur Kinderbetreuung haben, wird im § 18b des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes eine Sonderbetreuungszeit im Ausmaß von bis zu 3 Wochen gewährt. Allerdings mit einem gewaltigen Schönheitsfehler: Der Arbeitgeber muss dieser Sonderbetreuungszeit zustimmen und erhält dann ein Drittel der Lohnkosten vom Bund ersetzt.

 

Auch zahlreiche weitere Anträge wie die Stundung der Sozialversicherungsbeiträge und Steuern, zinsfreie Kredite mit längerfristigen Tilgungsplänen, Haftungsübernahmen für Notfallkredite oder ein vollständiger Kostenersatz für aufgrund der Corona-Krise abgesagte Schulveranstaltungen wurden von der türkis-grünen Regierung abgelehnt.

 

Kritisiert wurde von allen Oppositionsparteien unisono die vergleichsweise geringe Dotierung des Krisen-Fonds, die Schweiz gewährt 10 Milliarden, Schweden 50 und Deutschland sogar ein 500 Milliarden Hilfspaket.

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ÖRAK-Bericht: Kritik der Rechtsanwälte an der Gesetzgebung und am Zugang zum Recht!

Eine Regierung sollte idealerweise aus Experten bestehen oder zumindest die Meinung von Experten als Entscheidungsgrundlage einholen. Wenn Experten und Politiker (wie der Bildungsminister Faßmann) Aussagen wie "Nicht hinter jeder politischen Entscheidung gibt es auch eine wissenschaftliche Fundierung" tätigen, dann fragt man sich als Bürger zu Recht, ob hier die richtigen Personen hinter den Schalthebeln der Republik stehen. 

 

In diesem Sinne ist auch der neueste (45.) Wahrnehmungsbericht des Österreichischen Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) zu verstehen, der sich im Zeitraum vom Oktober 2018 bis September 2019 mit 164 Verordnungs- und Gesetzesentwürfen der türkis-blauen Bundesregierung befasst und dabei zahlreiche Qualitätsmängel in der Gesetzgebung festgestellt hat.

 

Abgesehen von aktuellen Fällen (wie der Aufhebung der Sozialhilfe oder des Bundestrojaners) ist dies allerdings kein Novum: Der VfGH hat allein in den Jahren 2014 bis 2016 in 281 (!) Fällen Gesetze oder Verordnungen zumindest teilweise als verfassungswidrig aufgehoben. Der ÖRAK fordert in diesem Zusammenhang verbindliche Mindeststandards wie die Einführung ausreichender Begutachtungsfristen.  

 

In eigener Sache fordert die ÖRAK eine Anpassung der Pauschalvergütung, die vom Bund aufgrund der unentgeltlichen Dienstleistung der Verfahrenshilfe (für rund 40.000 Bürger jährlich) überwiesen wird. Diese beträgt seit dem Jahr 2006 18 Millionen Euro und wurde seitdem nicht inflationsbereinigt. 

 

Das gravierendste Problem in der Justiz ist der ungleiche Zugang zum Recht. Viele Bürger können sich aufgrund der hohen Gerichtsgebühren und der willkürlich hohen Festlegung von Streitwerten weder eine Klage noch eine angemessene Verteidigung leisten, ohne vor dem finanziellen Bankrott zu stehen. Österreich ist das einzige europäische Land, dessen Einnahmen aus Gerichtsgebühren die tatsächlichen Kosten der Gerichte übersteigen. Die Verbesserungsvorschläge des ÖRAK reichen von einer Deckelung der Gerichtsgebühren bei hohen Streitwerten, einer Abflachung der Kurve des progressiven Tarifs bei den Gerichtsgebühren bis hin zu speziellen Gebührenreduktionen bei Vergleichen, Klagsrückziehungen oder beim ewigen Ruhen. Bezüglich örtlicher Erreichbarkeit sollte zumindest in jedem Bezirk ein Bezirksgericht vorhanden sein.

 

Der ÖRAK fordert weiters die ersatzlose Abschaffung der Rechtsgeschäftsgebühren, die Vereinfachung von Gesellschaftsgründungen und eine Beseitigung des Beglaubigungsprivilegs von Notaren. 

 

Im Strafverfahren soll bei der kontradiktorischen Vernehmung verpflichtend ein Rechtsanwalt beigezogen werden. Die Rechte von Angeklagten und Opfern sollen durch die Beiziehung von Privatgutachtern gestärkt werden. Vernehmung und Hauptverhandlungen sollen per Video aufgezeichnet werden. Im Schöffenverfahren (derzeit 1 Berufsrichter, 2 Schöffen) soll der zweite Berufsrichter wiedereingeführt werden. Die Beweiswürdigung von Schöffen- und Geschworenengerichten soll adäquat überprüft werden. Bei rechtskräftig festgestellter Rechtswidrigkeit einer Ermittlungsmaßnahme soll ein absolutes Beweisverwertungsverbot konstituiert werden. Strafverfahren sollen außerdem zeitlich beschränkt werden nach dem Maßstab der Judikatur des EGMR. Häftlinge, deren Behandlung derzeit nach Privattarifen verrechnet wird, sollen zwecks Entlastung des Justizbudgets in das System der staatlichen Krankenversicherung inkludiert werden.

 

Im Zivilverfahren wünscht sich der Rechtsanwaltskammertag eine gesetzliche Klarstellung zur Tatsachenüberprüfung im Rechtsmittelverfahren, verlängerbare Rechtsmittelfristen bei umfangreichen Verfahren, einen verbesserten Zugang zum OGH und ein "zivilrechtliches Plädoyer" vor dem Schluss der Verhandlung. Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher steht der ÖRAK positiv entgegen, sie sollten sich aber nur auf Schadenersatz (und nicht um darüber hinausgehende Strafzahlungen) beziehen, auch kleinen Unternehmen offenstehen und nicht in einer "Klageindustrie" ausarten.

 

Der ÖRAK fordert außerdem einen Schutz und Ausbau der Grund- und Freiheitsrechte bzw. eine Achtung dieser auf allen staatlichen Ebenen und im politischen Diskurs. Eine unabhängige Expertenkommission soll die Verschärfungen im Bereich Überwachung und Terrorismusbekämpfung evaluieren. 

 

Man darf gespannt sein, inwiefern diese Verbesserungsvorschläge - gepaart mit einer erhöhten personellen und finanziellen Ausstattung - in das aktuelle Regierungsprogramm einfließen. Unter der Prämisse, dass die Koalition aus ÖVP und Grüne überhaupt so lange hält, dass vernünftige Reformen beschlossen werden können. Was einigermaßen zu bezweifeln ist....

"Say Hello, Wave Goodbye" - Der traurige Abschied der Briten aus der EU!

"Never gonna give EU up" (in einer Abwandlung des Rick Astley-Popklassikers), "This is our star, look after it for us" oder die imposanten "We still love EU"-Installationen an den weltberühmten White Cliffs of Dover (dort wo die Entfernung zur französischen EU am kürzesten, nur 34 Kilometer, ausmacht): Die letzten Protestkundgebungen der Remainers mit der gleichzeitig bitteren Gewissheit, dass der Austritt nicht mehr aufzuhalten ist.

 

The Clock is ticking. Boulevardmedien titeln ungeniert "Our Time has come", ein ansonsten erfolgloser Politiker namens Nigel Farage feiert auf dem Westminster Square mit frenetischen "Leavers", im urbanen London sind sie dennoch klar die Minderheit. Auf das Haus Downing Nr. 10, dem Sitz von Premierminister Johnson, wird eine Countdown-Uhr projiziert, als unterste Ebene fungiert die Union Jack. Um 24 Uhr Mitteleuropäische Zeit (23 Uhr britische Zeit) stoppt sie. "We´re out": Das United Kingdom ist nach 47 Jahren Mitgliedschaft nicht mehr Teil der Europäischen Union. Ein Schock, von dem man sich als progressiver EU-Supporter und Anhänger britischer Lebenskultur lange nicht erholen wird.

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"Klima und Grenzen schützen": Österreich auf dem Weg zur "Grünen Festung Europa"!

"Europa ist 'n Schrebergarten, friedlich ja vor allem,

wir feiern unsere Gastfreundschaft und das am liebsten allein.

Wir bauen Mauern aus Angst. Wir bauen aus Stacheldraht und Frontex.

Wie falsch ist jedes Wort von Menschlichkeit in diesem Kontext."

 

Textpassagen aus dem Jennifer Rostock-Hit "Wir sind nicht von hier", die bei den gewöhnlich ausverkauften Konzerten in Wien von tausenden linken Fans der Band mitgegröhlt werden.

 

Zumindest jene Mitglieder der Grünen, die am 4. Jänner für den türkis-grünen Koalitionspakt gestimmt haben, sollten aus Courage vor ihrem eigenen Spiegelbild diesen Track nicht mehr anstimmen. Denn sie befinden sich jetzt auf einem rigiden Kurs der Marke "Grüne Festung Europa" mit einem türkisen Steuermann, der noch im September 2018 seine Ausländerpolitik so zitierte: "Das, was ich heute sage, ist vor 3 Jahren in der EU von vielen als rechts oder rechtsradikal bezeichnet worden."

 

Die Grünen, die sich stets für Botschaftsasyl, Resettlement-Programme und eine Quoten-Verteilung der Flüchtlinge basierend auf Aufnahmekapazitäten und familiäre Bindungen einsetzten, haben ein Regierungsprogramm unterschrieben, das die Verteilungsmechanismen der EU als gescheitert betrachtet, und daher diesbezüglich keine Initiativen mehr gesetzt werden. Bei den UNHCR-Zahlungen liegt Österreich auf Platz 43 und hat trotz der Flüchtlingskrise die Beiträge in den letzten drei Jahren gekürzt (2019 4 Millionen Dollar). Eine Erhöhung der EZA-Beträge auf 0,7 Prozent des Bruttonationalprodukts ist zwar geplant, allerdings ohne konkreten Zeitrahmen.

 

Für Asylwerber gibt es - abgesehen von der Sonderregelung für die aktuell in einer Lehre befindlichen Flüchtlinge - keine Möglichkeit mehr, eine Lehre, auch nicht in einem Mangelberuf, zu beginnen. Die deutsche 3+2-Regelung (3 Jahre Lehre plus 2 Jahre Aufenthaltsrecht durch Arbeit im erlernten Beruf) wird von der ÖVP abgelehnt. Im Gegenzug allerdings soll eine Erleichterung der Rot-Weiß-Rot-Karte Personen aus EU-Drittstaaten motivieren, nach Österreich zu migrieren. Ein Wunsch der Wirtschaft, Lohndumping nicht ausgeschlossen.

 

Eine Verschärfung der Wehrpflicht droht. Geplant sind nur mehr zwei Tauglichkeitsstufen, "Volltauglich" und "Teiltauglich", um mehr Männer zum Militär- bzw. Zivildienst zu zwingen. Eine Wehrpflicht für Frauen ist derzeit kein Thema, so die ehemalige NÖ Bauernbunddirektorin und Verteidigungsministerin Tanner. Die Betonung liegt auf "derzeit".

 

Rund 1,1 Millionen in Österreich lebende Bürger (ca. 15 %) haben aufgrund fehlender österreichischer Staatsbürgerschaft kein Wahlrecht, in Wien sind dies fast 30 Prozent. Grüne Forderungen nach Erweiterungen des Wahlrechts oder nach schnelleren Einbürgerungen bleiben im rechtskonservativen Regierungsprogramm - kein Wunder - unberücksichtigt.

 

"Stoppt das Überwachungspaket": Unter diesem Kampfslogan demonstrierten in ganz Österreich tausende Aktivisten gegen Grundrechtseinschränkungen im Strafprozess- und Sicherheitspolizeirecht. Die Installierung eines "Bundestrojaners" wurde erst im Dezember 2019 vom VfGH aufgehoben. Die Grünen warnten bis dato vor einem "Polizeistaat" und vor Übergriffen auf harmlose Tierschützer, Balldemonstranten oder Unibesetzern. Jetzt tragen sie gemeinsam mit der ÖVP das gesamte Überwachungspaket mit (inkl. Vorratsdatenspeicherung Quick Freeze, Ausbau der Videoüberwachung oder Lockerung des Briefgeheimnisses) und haben sich per Koalitionspakt dazu verpflichtet, eine neue verfassungskonforme Lösung für den Bundestrojaner zu konzipieren. Die billige Ausrede, einzig allein die FPÖ (und nicht die Kurz-ÖVP) sei für diese Eingriffe verantwortlich, ist damit vom Tisch und eindeutig widerlegt.

 

Unter Ex-Innenminister Kickl in der türkis-blauen Regierung gefordert, soll jetzt mit grünem Sanktus eine Präventionshaft für Asylwerber kommen. Die Verhängung einer Haft für gefährliche Personen bei Gefahr für die öffentliche Ordnung ist laut Experten nur dann zulässig, wenn die Verfassung geändert wird. Die Grünen als 2/3-Mehrheitsbeschaffer (gemeinsam mit ÖVP und FPÖ) für die erste Einschränkung der Grundrechte seit 1945?

 

Im Jänner 2018 sprach Kickl davon, dass Flüchtlinge "konzentriert" untergebracht werden sollen. Dies könnte unter Türkis-Grün nun Realität werden. Geplant sind laut Regierungsprogramm grenznahe Asylantragsverfahren im Binnen-Grenzkontrollbereich, ÖVP-Innenminister Nehammer sprach in der ZIB 2 sogar von Asylzentren in regionaler Nähe zu Ungarn, Slowenien und Italien, die von den Asylwerbern - unter Einhaltung einer Wohnsitzauflage - nicht verlassen werden dürfen. Ob die Zurücknahme dieser Ankündigung dem Wahlkampf in Burgenland geschuldet war, wird sich weisen.

 

Die noch von Türkis-Blau beschlossene "Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen" (BBU), die dem Innenministerium zugeordnet ist, wird durch die neue Regierung nicht beseitigt. Trotz heftiger Kritik von NGO´s und Menschenrechtsaktivisten soll die BBU die Rechtsberatung von Asylwerbern übernehmen. Um die "Unabhängigkeit" zusätzlich abzusichern, soll ein Qualitätsbeirat eingerichtet werden. Ein schwacher Trost.

 

Einer der negativen Höhepunkte des Koalitionspakts ist ein Konfliktbewältigungsmechanismus für den Fall, dass es bei (nicht definierten) "Migrations- und Asylkrisen" zu keiner Einigung zwischen der ÖVP und den Grünen kommt. In diesem mehrstufigen Verfahren hat dann jeder Koalitionspartner das Recht, einen Initiativantrag (bei zwingender Ausschussbegutachtung) im Parlament einzubringen. Das (an sich soundso verfassungsrechtlich gewährleistete) freie Mandat bei Abstimmungen wird im Koalitionspakt zusätzlich aufgehoben, ein "koalitionsfreier Raum" ÖVP-FPÖ bei scharfen Maßnahmen gegen Flüchtlinge ist abgesichert.

 

Grenzen schützen, Klima schützen“: So „messagecontrolen“ K&K ihre Kernbotschaften für das Regierungsprogramm. "Ökofaschismus" nennt dies (die von Kurz stets heftig kritisierte) Seenotretterin Carola Rackete. Man könne nicht nur an die Gletscher in Österreich denken und nicht an die globalen Folgen der Erderwärmung. „Es darf keine grüne Festung Europa geben, entweder gelten Menschenrechte für alle, oder sie sind nichts wert."

 

Die Grünen befinden sich in der Koalition mit der ÖVP auf einem politischen Irrweg und sind Steigbügelhalter für die Fortsetzung der reichenfreundlichen, arbeitnehmerfeindlichen, unsozialen und xenophoben Politik von Türkis-Blau. Eine fortdauernde Beteiligung könnte für die Partei existenzbedrohend sein und mit dem wiederholten Rausschmiss aus dem Nationalrat enden. Es ist Zeit, die Reißleine zu ziehen und wieder zu den Songs von Jennifer Rostock zu singen, zu tanzen und zu trinken.

 

Ich bin nicht von hier, du bist nicht von hier

Wir sind nicht von hier, wir sind alle nicht von hier

Es geht doch um den Menschen, was sind Pässe aus Papier

Wir teilen uns diese Erde, komm wir teilen uns noch ein Bier

"Nur noch KURZ die Welt retten" - Der hohe Preis: Retro-Rechts-Politik der ÖVP...

"Wer weiß, was mir dann noch passiert, denn es passiert so viel. Muss nur noch kurz die Welt retten." So oder so ähnlich dürfte der Stimmungsrausch der Grünen gewesen sein, als sie auf die Idee kamen, mit der rechtskonservativen ÖVP in Regierungsverhandlungen zu treten. "Aus (vermeintlicher) Verantwortung für Österreich".

 

Die vereinbarten Punkte und Zielformulierungen in den Bereichen ökologische Steuerreform, Klimaschutz, Verkehr und Umwelt sind vage, teilweise auf die lange Bank geschoben, aber  zumindest vertretbar: Bis 2030 Strom zu 100 % aus erneuerbaren Energiequellen, Klimaneutralität bis 2040, ein neues Klimaschutzgesetz, ein Paris-kompatibles CO2-Budget, ein verpflichtender Klimacheck für alle neuen und bestehenden Gesetze, ein 1-2-3-Österreich-Ticket, je eine 1 Milliarde Euro für den Nah- und den Regionalverkehr, eine Erhöhung des Radverkehrsanteils von 6 auf 13 %, eine Bodenschutzstrategie für sparsameren Flächenverbrauch, eine (lenkungstechnisch wenig effektive) Flugticketabgabe oder eine Ökologisierung der Pendlerpauschale. In einer Arbeitsgruppe soll bis 2022 über eine mögliche CO2-Steuer diskutiert werden, die im Wahlprogramm von der ÖVP noch strikt abgelehnt wurde und daher wenig wahrscheinlich ist.

 

Und damit wären wir schon beim Knackpunkt dieser Koalition, der ÖVP. Bundeskanzler Kurz bezeichnet das Regierungsprogramm als "das Beste beider Welten". Abgesehen davon, dass es nur eine Welt gibt (wie dies auch Grünen-Chef Kogler richtig erkannt hat), erscheint es wenig erstrebenswert, in einem türkisen Retro-Paralleluniversum zu leben, das unter dem unausgesprochenen Motto "Zurück in die Zukunft" die österreichische Gesellschaftspolitik um Jahrzehnte rückwärts katapultiert. Mit Zustimmung der progressiven Grünen, deren Wahlprogramm diametral zu vielen verbindlichen Formulierungen im Koalitionspakt steht.

 

"Leistbares Leben für alle" lautet ein Wahl-Slogan der Grünen. Aber nur für die, die es sich leisten können. Denn im Koalitionspakt mit den Immobilienfreunderln der ÖVP findet sich kein Wort über Mietzinsobergrenzen oder eine Beschränkung befristeter Mietverträge (so wie in Deutschland). Die Jung-Schickeria soll sich gefälligst Eigentumswohnungen kaufen.

 

Die Grünen Andersrum demonstrierten bei der Regenbogenparade stets für eine Erweiterung des Diskriminierungsschutzes, das sogenannte "Levelling Up". Nicht mit der mittelalterlichen ÖVP. Und so dürfen Homosexuelle weiterhin ohne Konsequenzen wegen ihrer Gesinnung aus Lokalen geworfen oder als Mieter abgelehnt werden.

 

Die Frauenagenden, stets eines der Flaggschiffe der Grünen, wandern ins Integrationsministerium. Laut Kurz, um die Frauen vor "importierten Machokulturen" zu schützen. Kein Thema in dieser Koalition: Die finanzielle Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt (der aktuelle Gender Pay Gap beträgt immer noch 19,9 %) oder eine Arbeitszeitverkürzung zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch die Rechtsansprüche auf einen Kindergartenplatz, eine Gratis-Nachmittagsbetreuung und ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr - Forderungen, mit denen die Grünen in den Wahlkampf gezogen sind - fanden keine Eintragung in den 326 Seiten dicken Koalitionspakt.

 

"Ein besonderes Augenmerk legt die Bundesregierung auf die Bekämpfung von Kinderarmut", steht im Regierungsprogramm. Davon ist bei den einzelnen Punkten wenig zu merken. 

 

Bei der Steuerreform wird der Kardinalsfehler der türkis-blauen Koalition nicht nur fortgesetzt, sondern verstärkt. Kinder sind der türkis-grünen Koalition nicht gleich viel wert, und so erhalten reichere Familien einen Familienbonus von 1750 Euro jährlich pro Kind, jene, die aus verschiedensten Gründen (Alleinerzieher, Working Poor, prekäre Beschäftigung,...) keine Lohnsteuer zahlen, einen lächerlichen Kindermehrbetrag von 350 Euro.

 

Eine Unterhaltsgrundsicherung für arme Kinder fehlt vollkommen. Sie wäre - in einer Höhe von 500 Euro pro Kind monatlich - leicht erfüllbar. Türkis-Grün setzt allerdings andere Prioritäten, die dafür notwendigen 2 Milliarden Euro dienen als Steuergeschenke für Großkonzerne und die obersten 100.000. So soll u.a. die Körperschaftssteuer von 25 auf 20 % gesenkt und die Wertpapierzuwachssteuer abgeschafft werden.

 

Bildungspolitisch traten die Grünen seit jeher für eine chancengleiche Gesamtschule der 6 bis 14jährigen ein. Jetzt haben sie einen Koalitionspakt unterschrieben, der die Entscheidung über die weitere Bildungslaufbahn zeitlich so früh wie noch nie zuvor festlegt, in das 9. Lebensjahr der Kinder. Unter der Ägide des erzkonservativen Bildungsministers Faßmann sollen neben der Schulnachricht der 4. Klasse bereits eine individualisierte Kompetenzfeststellung in der 3. Schulstufe und das Jahreszeugnis der 3. Klasse als Faktoren für die zukünftige schulische Karriere der Kinder herangezogen werden. 

 

"Die Wissenschaft soll sich nicht überall einmischen",  so kürzlich Faßmann in der ZIB. Und so bleiben die türkis-blauen "Reformen" bestehen: Separierte Deutschförderklassen, Sitzenbleiben und Ziffernnoten ab der 2. Schulstufe, das Kopftuchverbot für Volksschüler (mit 8 Fällen im Vorjahr) soll bis zum 14. Lebensjahr der Schülerinnen ausgedehnt werden. Im Universitätssystem drohen weitere Zugangsbeschränkungen und eine Valorisierung der Studienbeiträge. Beides wurde von den Grünen, insbesondere von der ehemaligen Hochschulaktivistin und nunmehrigen Klubobfrau, Sigrid Maurer, heftigst bekämpft.

 

Nicht im Koalitionspakt stehen zwei Themen, die derzeit wegen vermutlicher Europarechts-Widrigkeit verfahrensanhängig sind. So droht Österreich wegen der Indexierung der Familienbeihilfe für im "EU-Ausland" wohnhafte Kinder (die vor allem schlecht entlohnte, slowakische, ungarische und rumänische 24 Stunden-Pflegerinnen trifft) eine Klage vor dem EuGH. Die EU-Kommission prüft derzeit weiters, ob sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen des türkis-blauen Standortentwicklungsgesetzes einleitet. Dieses sieht bei Großprojekten mit öffentlichem Interesse eine Verfahrensbeschleunigung bei Umweltverträglichkeitsprüfungen vor. ÖVP und Grüne stehen auch hier in gegnerischen Positionen.

 

Die Wirtschaftsministerin Schramböck in einem aktuellen Interview: "Wir haben eine klare Vereinbarung, dass wir Dinge, die wir mit der FPÖ gemacht haben, nicht zurücknehmen." Die Grünen, die die Koalition mehrheitlich eingegangen sind, um Türkis-Blau zu verhindern, werden also als türkiser Juniorpartner zusätzlich zu Vollstreckern des unsozialen, arbeitnehmerfeindlichen und xenophoben Programms der Vorgängerregierung. Es ist Zeit, die Reißleine zu ziehen, die Existenz der Partei steht auf dem Spiel...