Von der Großstadtdisco in die Konzertarenen: Gigi d´Agostinos zweiter Frühling!

Es war eine lässige, unbeschwerte Zeit Ende der 90er, als knackige Italo-Dance-Tracks (ähnlich dem Hype in den 80ern) die europäischen Großstadtdiskotheken dominierten. „Freed from desire“ von der faszinierenden Gala (die heute in New York lebt und mit einem Diplo-Remix wieder in den Charts residiert), Preziosos „Tell me why“, Eiffel 65 mit den „Blue“-Weltraummännchen oder eben der aus Turin stammende Luigino Celestino Di Agostino aka Gigi d´Agostino, der in den Nineties als Club-Resident-DJ (u.a. im „La Palace“ und im „Paladio“) fungierte und erste Tracks im „Mediterrean Progressive“-Style veröffentlichte. 

 

Den Durchbruch schaffte er allerdings erst, als er seine treibenden Rhythmen mit romantischen Vocals und Melodien verknüpfte. „L´Amour Toujours“ (dt. „Liebe für immer“) eben, wie der euphorische Titel seines Albums aus dem Jahre 1999. Die Hits daraus: „Bla Bla Bla“ (incl. Stretch – „Why did you do it“-Sample und Strichmännchen-Video), das Nik Kershaw-Cover „The Riddle“, „La Passion“ (mit dem „Rectangle“-Sample des französischen Musikers Jacno), im Oktober 2000 Platz 1 in den österreichischen Single-Charts, „Another Way“ und natürlich der Titel-Track selbst, der durch ausländerfeindliche Schlachtgesänge im Sylter Upper-Class-Milieu („Deutschland den Deutschen, Ausländer Raus!“) in negative Schlagzeilen geriet und bei einigen Volksfesten und Sport-Events (unverhältnismäßig) verboten wurde.

 

Ungeachtet dessen erlebt Gigi d´Agostino gerade seinen zweiten Frühling. Erschütternd die von ihm in den sozialen Medien vor rund zwei Jahren veröffentlichten Bilder, die einen durch eine schwere Krankheit gezeichneten Menschen mit Rollator zeigten. Die Genesungswünsche seiner zahlreichen Fans allerdings fruchteten, und der italienische Kult-DJ ist wieder voll im Geschäft. Mit neuen Produktionen in Kooperation mit dem italienischen DJ Luca Noise („Sound of Love“) und einer gigantischen Live-Show in Konzerthallen und Arenen. Das legendäre San Remo-Festival war der Startschuss für sein fulminantes Comeback, dann folgten u.a. Rock in Roma, Rimini Beach Arena und die Stadthalle Graz. Allesamt mit dem Prädikat: Sold Out. 

 

Auch für seinen Gig in der Wiener Stadthalle am 2. November konnte man in den letzten Wochen nur mehr zurückgehaltene Sonder-Tickets erwerben, die Stimmung war bereits lange vor dem Beginn um 21 Uhr auf dem Siedepunkt. Mit einem lässigen „Buona sera“ und einem strangen Remix von Mozarts „Die Zauberflöte“ startet Il Capitano vom DJ-Pult aus seinen zweistündigen Hit-Reigen. Modisch ausgestattet mit weißem Bart und traditioneller Kapitänsmütze, visuell platziert zwischen bombastischen Light-Effects und Pyro-Fontänen. Über dem Kult-DJ schweben Gigi-Dag-Herzen, im Publikum werden knallbunte Leuchtstäbe geschwenkt, Riesenballons werden in die Stehplatz-Arena katapultiert, während Gigi mit umgehängten Kopfhörern und einer schrillen Mixtur aus Kirmes-Techno, Italo Hardstyle und aufgepitchen Cover-Classics (a la „Sara Perche ti Amo“, „Hard to say I´m sorry oder „Moonlight Shadow“) die Masse zum Toben bringt. 

 

Auf der Setlist standen natürlich auch EDM-Festival-Hits (wie Supermodes „Tell me why“, Bennetts chorbasiertes „Vois Sur Ton Chemin“, Tiestos Dido-Remix von „Thank you“ oder Charlotte de Witte´s Remix der Creeds-Techno-Hymne „Push Up“) und Gigi´s Eigenproduktionen und Remixe aus fast 30 Jahren Italo Dance-Karriere. Das Motto: Hedonismus und Party bis zum Abwinken statt Weltverbesserung und Depression, die Alltagssorgen einfach vergessen, diese warten ohnehin gnadenlos außerhalb der mit 15.000 Besuchern prall gefüllten Wiener Stadthalle. „L´Amour toujours“ lief übrigens zweimal diesen Abend, und das ohne rechtsextreme Störungsgeräusche.  

Was ist los in unseren Schulen? – Thalia-Buchpräsentation von Schuldirektor Christian Klar

Personalmangel, Überbelastung, Burn Out, schwierige Arbeitsbedingungen aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse und steigender Gewalt und Aggression in den Schulen. Wiens Pflichtschullehrer gingen im Oktober wieder einmal auf die Straßen, und das sicher nicht zum letzten Mal. „Was ist los in unseren Schulen?“ – Das fragt sich seit einigen Jahren auch der Floridsdorfer Mittelschuldirektor (und ÖVP-Politiker) Christian Klar, der über dieses Thema ein spannendes Buch mit zahlreichen Beispielen aus seiner beruflichen Praxis geschrieben hat. Die Buchpräsentation fand im Thalia-Wien Mitte unter der Moderation seines Freundes (und Schauspielers) Albert Fortell statt…

 

„Die Schule ist ein Spiegelbild der späteren Gesellschaft“, das ist eines der prägenden Zitate des Lehrers und Autors Christian Klar. Die von ihm geschilderten Fälle stellen dabei ein dringliches Alarmzeichen dar, die Zustände an unseren Schulen rigoros zu ändern. Da geht es um einen Afghanen, der mit 13 noch in der 1. Klasse Mittelschule sitzt und seine Mitschüler unterdrückt. Nach einer Suspendierung wird er im Rahmen eines Sonderprojekts auf ein Segelschiff mit vier anderen verhaltensauffälligen Jugendlichen und psychologischen Einzelbetreuern verfrachtet. Dass er einmal arbeiten wird, damit rechnet keiner. Ein Tschetschene bekommt nach einigen Schlägereien wieder lerntechnischen Aufwind. Plötzlich aber fehlt er in der Schule, auf Facebook wird er von Bekannten entdeckt, er kämpft jetzt für den IS in Syrien. 

 

Islamisierung

 

Die stark steigende Islamisierung in den Wiener Schulen sieht Christian Klar als Hauptproblem. Sie wird auch durch die Statistiken über die religiösen Bekenntnisse evident, wenn man die Zahlen von 2016 und 2023 vergleicht. Im Jahr 2016 waren in den Volksschulen noch die Katholiken mit 31 % vor den Muslimen (mit 28 %) führend. Diese Zahlen haben sich im Schuljahr 2023/24 radikal verändert: 35 Prozent haben in den Volksschulen jetzt bereits ein islamisches Religionsbekenntnis, nur mehr 21 Prozent sind katholisch, 26 Prozent sind ohne Bekenntnis. In den Wiener Mittelschulen sind die Zahlen laut Klar noch extremer: Dort haben die Muslime mit 47,6 % gegenüber den Katholiken (14,5 %) eine klare Mehrheit. 

 

Verändert hat sich auch die persönliche Einstellung der muslimischen Jugendlichen zum Islam. Mädchen sind, beeinflusst durch Influencerinnen aus den sozialen Medien oder „Klassenleader“, stolz darauf, ein Kopftuch zu tragen. Die Lehrer fühlen sich teils machtlos gegen diverse Forderungen der Schüler (z.B. nach einem Gebetsraum) und werden durch das Bildungsministerium oder die Bildungsdirektionen weder inhaltlich noch psychisch gestärkt.

 

Kriminalität

 

Problematisch ist auch die steigende Kriminalität an den Schulen. Laut einer Statistik des Innenministeriums hat sich die Anzahl der Straftaten von 2021 auf 2023 von 962 auf 1932 vergrößert. Bei den strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben erhöhte sich die Zahl von 289 auf 722, über 1000 Straftaten sind Vermögensdelikte. Christian Klar berichtet in seiner Buchpräsentation von einem Zwischenfall in seiner Schule, bei der ein Mädchen plötzlich aus der Klasse gestürmt ist und in einer anderen Klasse ein Mädchen niedergeschlagen hat. Grund: Ein Facebook-Posting mit dem Text „Susi fickt mit Achmed“. Heute gilt in dessen Mittelschule während des Unterrichts ein Handyverbot, um derartige Auseinandersetzungen zu verhindern. 

 

Kein Deutsch in den Communities

 

Über 1/3 der Erstklässler in Wien gelten als außerordentliche Schüler, die wegen mangelnder Deutschkenntnisse dem regulären Unterricht nicht folgen können. 2/3 davon sind Kinder, die in Österreich geboren wurden bzw. bereits einen Kindergarten besucht haben. Für Christian Klar keine Überraschung. In einem Buchauszug unter dem Titel „Ich habe keine Nummer, bin der einzige Österreicher“ beschreibt er eine Anekdote über eine Fußball-Klassenmannschaft, deren Mitglieder aus verschiedenen Nationalitäten bestehen. Kommunikation untereinander haben sie allerdings nicht, nach dem Unterricht geht´s zurück in die einzelnen Communities, in denen daheim kein einziges Wort Deutsch gesprochen wird. Österreichische Nachrichten werden überhaupt nicht konsumiert, stattdessen lasse man sich durch Tik Tok berieseln oder schalte den arabischen Sender Al Jazeera ein.

 

Die Missstände in den österreichischen Schulen beschränken sich laut den Recherchen von Klar nicht nur auf Wien, sondern auf alle Ballungsräume mit erhöhtem Migrantenanteil (wie Linz, Wels, St. Pölten oder Graz). Man müsse daher progressiv gegensteuern und sich um den Opfer- statt den Täterschutz kümmern. Jedes Kind habe das Recht auf eine „positive Schule“, und es sei indiskutabel, dass einzelne Schüler das soziale Klima in der Klasse zerstören. 

 

Klar fordert neben einem Verbotsgesetz für den Islam und einem Grundkurs in islamischer Lehre für einschlägige Berufsgruppen (wie Lehrer, Politiker, Polizisten oder Journalisten) klare Richtlinien in der Schule. Wir leben in einem demokratischen, liberalen Land, die Grundsätze habe jeder zu akzeptieren, der sich in Österreich aufhält. Voraussetzung dafür ist eine selbstbewusste Kommunikation, egal, ob es sich um die Rolle der Frau, das Essen oder um Konflikte mit Andersgläubigen handelt. Ansonsten entgleitet uns nicht nur das Schulsystem, sondern das gesamte gesellschaftliche Leben. 

 

Denn die Schüler von heute sind die Gesellschaft von morgen, so Klar, der klar ausspricht, was sich viele denken. Ein spannendes Buch mit einem dringenden Appell an die Politik, Religions- und Schulprobleme nicht mehr länger hinter vorgehaltener Hand zu diskutieren.

15 Jahre Wiener Popfest: Zwischen Live-Exzess und Algorithmen-Wahn

Die Musikindustrie steht seit der Dominanz der sozialen Medien vor einem radikalen Umbruch. Nicht mehr der künstlerische Anspruch steht im Mittelpunkt, sondern die Anzahl der Likes auf Instagram oder die Klicks auf Spotify, um für ein Festival gebucht zu werden, einen Label-Vertrag zu bekommen oder im Radio zu laufen. Eine horrible Situation vor allem für Newcomer, die sich gegen eine massenhafte Konkurrenz durchsetzen müssen. Ein spannendes Thema, das unter dem Titel „Under the Influence“ im Rahmen des Wiener Popfests im Wien Museum diskutiert wurde. Journalist und Popfest-Mitbegründer Robert Rotifer lud dazu die beiden Sängerinnen Veronika König (aka Farce), Sophie Löw (von Culk) und die Label-Betreiberin Annemarie Reisinger-Treiber aufs Podium. Der Algorithmus „fordere“ alle 6-8 Wochen einen neuen Release, das habe einen negativen Einfluss auf die Freude und die Kreativität, so die Culk-Frontfrau, die sich zumindest dem Social Media-Posting-Druck klar widersetzt. Man müsse die aktuelle Entwicklung akzeptieren, allerdings gibt es auch in Österreich weiterhin die Möglichkeit, „old school“ den Durchbruch zu schaffen, per Live-Gigs, klassischer Medien und durch Alternative-Sender wie FM4, so die Label-Chefin Reisinger-Treiber.

 

Eine Chance für Artists und Bands, den Bekanntheitsgrad zu erhöhen, bietet auch das seit 2010 stattfindende Wiener Popfest auf dem Karlsplatz. Entstanden ist dieses nach einer erfolgreichen Konzertreihe auf einer „Seebühne“ vor der Karlskirche im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft (!) 2008. Zwei Jahre später begannen die von der Stadt Wien unterstützten Planungen für ein vorerst einmaliges Event mit österreichischer Popmusik, 40.000 Leute kamen zur Premiere, damals noch im Mai. Die Festivalleiter von damals, Christoph Möderndorfer und Gabriela Hegedüs, die auch das Literaturfestival O-Töne im Museumsquartier veranstalten, sind auch heute noch in Action. Robert Rotifer selbst war in den ersten drei Jahren Kurator und verfasste dazu anlässlich des 10-Jahr-Jubiläums die Popfest-Bibel „Deka Pop“. Seit 2013 wechseln alljährlich die prominenten Kuratoren, dieses Jahr stellten die FM4-Musikredakteurin Lisa Schneider und Markus Binder von Attwenger das Programm zusammen. Eine spannende Mixtur aus bekannten Acts, Newcomern und Underground-Acts, die am letzten Juli-Wochenende die Seebühne, das Wien Museum, den TU Kuppelsaal, den TU Prechtlsaal und (am Sonntag) die Karlskirche bespielten.

 

Die in Brighton lebende österreichische Sängerin Viji, die bereits unter den Fittichen des britischen Indie-Produzenten Don Carey ihr Debüt-Album „So Vanilla“ veröffentlichte, begeisterte mit schnörkellosem Grunge-Rock um 17 Uhr nachmittags unter gleißender Sonne. Ein heißer Tip für die Zukunft ist auch die Wiener Post Punk-Formation Laundromat Chicks mit ihrem Mastermind Tobias Hammermüller. Aus der Hyper Pop-Ecke stammt Filly, die im Stile von Charli XCX nicht nur die Turntables rotieren ließ, sondern auch selbst zum Mikro („cowgirl in a cowboy world“) griff, volle Tanzfläche vor der Seebühne inklusive. Sophie Löw diskutierte nicht nur über Musik, sondern präsentierte mit ihrer Band Culk kongenial am Übergang von Tag zu Nacht ihr vom britischen Guardian hochgepriesenes Album „Generation Maximum“. Sharktank rund um Bilderbuch-Produzent Marco Kleebauer, Sängerin Katrin Paucz und Rapper Mile zelebrierten danach eine groovige Mixtur aus Indie, Hip Hop und Dance. 

 

Der Samstag Abend auf der Seebühne war den arrivierten Szene-Soundzauberern vorbehalten. Ja Panik, bereits 2011 beim Popfest vertreten, zeigten black dressed mit der damals noch nicht inkludierten Gitarristin Laura Landergott, was state of the art ist: Starke Bühnenpräsenz, authentischer Widerstand gegen aktuelle politische Strömungen und prägnante Zeitgeist-Texte. Der Titel ihres aktuellen Albums „Don´t play with the Rich Kids“ sagt alles, als Final Track kongenial „Apocalypse or Revolution“. Den Schlusspunkt auf der Seebühne setzte dann Wolfgang Möstl, der gemeinsam mit zahlreichen Friends (wie eben Ja Panik, Culk, Voodoo Jürgens, Farce oder Buntspecht) seine besten Produktionen (u.a. aus „Mile me Deaf“-Zeiten) in neuem Gewand performte. 

 

Das 15. Popfest ist zu Ende, das nächste ist bereits in Vorbereitung, mit neuen Kuratoren und einem neuen Line-Up auf der traditionellen Kult-Location Karlsplatz. Für die teilgenommenen Artists und Künstler war das Popfest neben einer Zusammenschweißung der immer größer werdenden Pop- und Indieszene Österreichs eine ideale Möglichkeit, neue Fans zu gewinnen, die ihre musikalischen Kreationen (als Downloads oder noch besser als Vinyl) kaufen und zu ihren künftigen kostenpflichtigen Gigs in die diversen Clubs, Hallen und Festivals strömen. Abseits der monströsen Umklammerung der Social Media und der Algorithmen…

Funtime für Jung und Alt: Photomania im Wiener 3D PicArt-Museum…

„Shoot your Shot“, das ist das Motto des 2019 eröffneten 3D Pic Art-Museums in der Bösendorferstraße 2-4 nahe dem Wiener Karlsplatz. Auf zwei Stockwerken können sich die Besucher, egal ob Jung oder Alt, vor insgesamt 40 verschiedenen Fotomotiven selbst inszenieren und sich von ihren Freunden und Freundinnen ablichten lassen. Dabei handelt es sich nicht um meist biedere Alltagsszenarien, sondern um witzige Hintergrundkreationen, die die Besucher in phantasievolle Welten katapultieren. „Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt“ lautet dementsprechend ein im zweistöckigen Show-Labyrinth platziertes Zitat von Albert Einstein. Auf geht es also zu zähnefletschenden Krokodilen, coolen Wavesurfern, gefährlichen Gipfelmärschen oder tollkühnen Stunts auf dem Wiener Riesenrad. 

 

Das Konzept des 3 D PicArt-Museums stammt aus Asien und wurde vom Eigentümer Clemens Ellmauthaler im Rahmen einer Reise zufällig entdeckt. Im Gegensatz zur Asien-Version werden die Motive in Wien nicht gemalt, sondern foliert und geklebt. Dadurch können die Motive jederzeit ausgetauscht werden. Für den selbständigen Rundgang benötigt man – nach einer kleinen Einführung – nur ein Smartphone. Photo Points und Vorlagefotos zeigen den Besuchern, wo und wie die besten Schnappschüsse erstellt werden können.

 

Ein besonderer Hit sind die Kindergeburtstagsparties im PicArt-Museum, bei denen Animateurinnen die Kinder durch das Museum führen, in einem eigenen Party-Raum die Geschenkeverleihung (inkl. Sprühkerzen, Muffins & Getränken) moderieren und eine spannende Challenge veranstalten. 2 Stunden Funtime pur. 

 

Zielgruppe für spezielle Packages sind aber auch Polterabende für Frauengruppen. Durch Sekt in Stimmung gebracht, darf die Braut, die sich traut, Engerl und Teuferl spielen, verdreckte Männerurinale aufsuchen oder unverschämt die Hosen eines muskulösen Bademeisters lüften. Ob es nach der Eheschließung so lustig weitergeht, das steht auf einem anderen Stern.

 

3D PicArt Museum

https://www.3dpicart-museum.at

Bösendorferstraße 2-4, 1010 Wien

Der Menschenfeind in der Wiener Schickeria: Kusej-Inszenierung am Burgtheater!

„Ich entdeckte, dass die Party, die am Abend des 4. Juni 1666 auf der Bühne des Theaters vom Palais-Royal begann, immer noch andauert“, so der 2022 verstorbene deutsche Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger, der 1979 eine Überarbeitung der bissigen Komödie „Der Menschenfeind“ von Moliere herausgab. Im Mittelpunkt: Die Schicki-Micki-Gesellschaft der Bonner Republik. 

 

Was wäre daher besser geeignet als die Handlung ins mondäne Wien zu verlegen, in die post-türkise „Feschisten“-Ära? Als Regisseur Burgtheater-Chef Martin Kusej, dessen Vertrag nicht verlängert wurde und der im nächsten Spieljahr 2024/25 vom Schweizer Stefan Bachmann abgelöst wird. 

 

Im Mittelpunkt des im November 2023 uraufgeführten Stückes steht der aus einer adeligen Familie stammende Alceste (Itay Tiran im weißen Anzug mit schwarzem Shirt), der die Pseudo-Moral und Heuchelei der Gesellschaft verachtet. Sein bester Freund Philinte (gespielt vom Film- und Theaterschauspieler Christian Luser) sieht dies pragmatisch: „Der Mensch ist eben schlecht, und schwach, und roh. Das lässt mich kalt. Die Welt ist wie ein Zoo. Die Affen prügeln sich, und der Schakal verzehrt sein Aas. So ist es nun einmal.“ Noch oberflächlicher agiert die Wiener Party-Gesellschaft, die herrlich schnöselig und arrogant persifliert wird durch die jungen Burgtheater-Ensemblemitglieder Tilman Tuppy, Lukas Vogelsang und Lili Winderlich. Falco hätte seine Freude daran, so frei nach dem Motto: „Wir haben die Medizin, der Dekadenz haben wir an Preis verliehn“. Gespottet und gescherzt wird über Basti, Benko, einen Wörthersee-Bootsunfall oder über Koks in einem Szene-Restaurant. In der Rolle des Dichters Oronte, der von Alceste wegen seiner geringen Kunstfertigkeit verspottet und deshalb von ihm verklagt wird, agiert Markus Meyer, der seit Jahren mit seinem One-Man-Stück „Dorian Gray“ das Wiener Akademietheater füllt. 

 

Inmitten dieser Szene bewegt sich die Witwe Celimene (zu Beginn des Stückes wird ein Sarg abtransportiert) -, die mit all diesen Protagonisten ihre Spielchen treibt. „Spiele gibt´s zu spielen viele“… - Und gerade in diese Dame, gespielt von Mavie Hörbiger im schwarzen Glitzerkleid – ist die Hauptfigur Alceste verschossen. Kusej präsentiert diese illustre Gesellschaft auf einer verspiegelten Bühne, auf der im Hintergrund immer wieder eine Gruppe von Komparsen auftaucht, die zu Techno-Beats, Walzer, Schlager und Volksmusik abtanzen. Ein Tanz auf dem Vulkan. Vor allem die männlichen Darsteller landen zumeist in einem vorgelagerten Wassergraben. Denn die Register zieht die Femme Fatale Celimene, die in schlussendlich offengelegten Briefen alle ihre Verehrer verspottet hat.

 

Trotzdem will Alceste weiterhin, dass sie seine Liebesschwüre erhört und sich mit ihm in die „Einsamkeit zu zweit“ zurückzieht. „Ich sehe mich schon in einer Höhle kauen, Kartoffeln schälen und total verbauern: Nur du und ich, allein mit Mutter Erde und einer riesenhaften Hammelherde! Verzeih, wenn ich das etwas anders seh“. Irgendwie kann man Celimene bei solcher Unterwürfigkeit dies nicht verdenken…

Party & Demonstration: 340.000 bei der 28. Regenbogenparade in Wien…

Im Juni 1969 wehrten sich Schwule, Lesben und Transgender zum ersten Mal gegen Diskriminierung und Polizeiwillkür, der Ort: das Stonewall Inn, ein Lokal in der New Yorker Christopher Street. Es war die Geburtsstunde der LGBTIQ-Bewegung, die sich allmählich auf der ganzen Welt verbreitete. In Österreich findet seit 1996 die Regenbogenparade statt, der Name stammt von der ersten Drag Queen Wiens, dem heutigen Galeristen Mario Soldo. 28 Jahre sind seitdem vergangen, und die Mischung aus politischer Demonstration und Love Parade-Party zieht noch immer die Massen an. 340.000 feierten am 8. Juni bei sommerlich-schwülen Temperaturen das Leben, die Liebe und die eigene Identität. „Eigentlich wissen es eh alle, Liebe ist the Place to be“, die Aufschrift auf dem FM4-Truck brachte es auf den Punkt. Einer von insgesamt 92 Fahrzeugen und Gruppen, die zwischen 12 und 18 Uhr wie üblich – gegen die Fahrtrichtung – um die Ringstraße zogen, angeführt von den Guys on Bikes“ mit flatternden Regenbogenfahnen.

 

Teilnehmer

 

Unter den Teilnehmern befanden sich naturgemäß die Protagonisten der queeren Szene Wiens, die Veranstalter der HOSI Wien, die Türkis Rosa Lila Vila, die Buchhandlung Löwenherz, der SM-Verein Libertine (traditionell mit Pferdekutsche), die Aids Hilfe Wien oder die LMC Vienna Leather & Motorbike Community. Aus der Clubszene war u.a. der Volksgarten (mit seiner „Männer im Garten“-Party), der Techno-Club Exil (mit langer Raver-Schar) und die Mangobar Wien vertreten. Viele Firmen, Vereine und NGO´s (wie Absolut – „Proud to mix“, Almdudler, Willhaben, die ÖBB, die Post, ÖAMTC, die Austrian Airlines, Amnesty International,…) unterstützten mit bunt geschmückten Trucks, pinken Messages, Party People auf den LKW´s und heißen DJ-Beats die größte Demonstration Österreichs, Werbe- und Imagefaktor sind zweifelsohne auch nicht zu unterschätzen. 

 

Rechtslage

 

Rund 10 % der Bevölkerung (ca. 900.000 Menschen) fühlen sich der LGBTIQ-Community zugehörig. Die Umsetzung politischer Forderungen gestaltet sich allerdings seit jeher als schwierig, da die rechtskonservative Mehrheit aus ÖVP und FPÖ Reformen ablehnt und Novellierungen (wie die „Ehe für alle“ im April 2019) zumeist nur durch Urteile des Verfassungsgerichtshofes zustandekommen. Dokumentiert wird dies in der aktuell von Justizministerin Alma Zadic herausgegebenen Studie „Befreiter Regenbogen“ über die Rechtslage der Homosexuellen in der Nachkriegszeit. So wurde das Totalverbot von Homosexualität erst im Jahre 1971 aufgehoben, noch bis 2002 wurden über 19jährige Männer verfolgt, wenn sie gleichgeschlechtliche Handlungen mit 14 bis 18jährigen eingingen. Der VfGH klassifizierte dieses gesetzliche Schutzalter für schwule Jugendliche als eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes.

 

Fehlender Diskriminierungsschutz

 

Trotz zahlreicher Verbesserungen kann man von einer Gleichstellung der LGBTIQ-Community noch lange nicht sprechen. Besonders rückschrittlich ist Österreich beim Diskriminierungsschutz aufgrund der sexuellen Orientierung. Dieser gilt – ausgenommen auf Landesebene (!) – nur in der Arbeitswelt, nicht beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen des täglichen Lebens. Eine lesbische Kellnerin kann zwar gegen homofeindliche Arbeitgeber vorgehen, aber lesbische Besucherinnen haben keine rechtliche Handhabe, wenn sie aus einem Lokal verwiesen werden oder ein Hotelzimmer nicht bekommen, so die Gleichbehandlungsanwaltschaft. Besonders dramatisch sind Fallkonstellationen, in denen Vermieter schwulen oder lesbischen Pärchen aufgrund deren sexueller Orientierung die Anmietung einer Wohnung verweigern.

 

Im Forderungskatalog der Community stehen weiters das Verbot von Konversionstherapien und das Ende medizinisch unnötiger Operationen an intergeschlechtlichen Kindern. Laut Justizministern Zadic gebe es dazu bereits Entwürfe, diese werden aber vom Koalitionspartner ÖVP abgelehnt. Themengebiete, die auch bei der Pride-Abschlusskundgebung im Pride Village auf dem Rathausplatz von den Aktivisten der Hosi Wien und den politischen Vertretern der gesellschaftlich links-progressiven Fraktionen (SPÖ, Grüne, Neos) aufs Tapet gebracht wurden. 

 

Party in der Pride Village

 

Die Party durfte allerdings nicht zu kurz kommen. Auf der Showbühne begeisterten u.a. Songcontest-Siegerin Conchita Wurst, die personell veränderte schwedische Hit-Combo Alcazar mit der Original-Sängerin Tess und ihrem Superhit „Crying at the discotheque“, die deutsche Eurodance-Band Groove Coverage und Österreichs ESC-Raverin Kaleen. Wie man mit dem von Rechtsextremen unterwanderten Italo-Hit „L´Amour Toujours“ richtig umgeht, zeigten die DJ´s Katie Kace & NicA: Nicht boykottieren, sondern inszenieren als eine gemeinsame Hymne der Liebe und der Lebensfreude.

 

You gotta say yes to another exzess: Für viele Teilnehmer war der Abschluss der Vienna Pride ein ideales Ventil, um die Sorgen der Welt zu vergessen, ihre Sexualität auszuleben und im Rausch der Nacht abzustürzen. Viele After-Parties lockten die Party People in die Wiener Clubs, egal ob Volksgarten, Pratersauna oder Grelle Forelle. 

 

„Ging man gestern durch Wien, konnte man denken, wenn alle Leute wählen gehen, die da bei der Pride Parade schunkeln, sieht die Welt anders aus. Offensichtlich haben sie heute ausgeschlafen“, so der Falter-Herausgeber Armin Thurnher als erste Reaktion auf die EU-Wahl-Ergebnisse vom Sonntag. Tja, „I can´t get no sleep“ (Insomnia) von Faithless beim nächsten Mal als Weck-Jingle speichern…

"Wiener Schickeria"-Open Air: Bibiza in der ausverkauften Wiener Arena

Als 15jähriger hat der 1999 in Wien geborene Franz Bibiza von einem Auftritt in der Wiener Arena geträumt, nur wenige Jahre später geht sein Traum in Erfüllung, und das noch dazu vor einer ausverkauften Menge und mit einem Album, das, überspitzt, exaltiert und dekadent so wie einst Falcos 80er-Alben – den Zeitgeist Wiens widerspiegelt. „Wiener Schickeria“, das ist die Trademark seines 20-Track-reichen Konzeptalbums, eine rasante Fahrt im Überschalltempo auf dem Opernring, durch die Clubs, in den Stadtpark zum Ausnüchtern bis hin zum melancholischen Breakdown im „Regen“.

 

Die erste Tour Bibizas führte durch Deutschland, die Schweiz und natürlich Österreich, als krönender Abschluss das Open-Air in der Wiener Arena. Sold Out, im Vorprogramm die Münchner Band Mola mit ihrer charismatischen Sängerin Isabella Streifeneder, die mit Indie-Songs wie „Weil mein Herz ein Lügner ist“ und „Das Leben ist schön“ für die lässige Einstimmung auf Bibiza sorgt. Mola zählen zum erweiterten musikalischen Kollektiv des Wiener Sängers, 2022 veröffentlichte er mit der Band den Track „viertelnachvier“. Ehrensache, dass Sängerin Isabella bei seiner Show die Bühne stürmte und gemeinsam mit ihm den Song präsentierte.

 

Der in Wien-Mariahilf stationierte Bibiza startete 2017 eigentlich als Rapper und trat mit DJ´s in verschiedenen Clubs auf. 2022 lernte er die Produzenten Filous & Johannes Madl kennen, die Idee für die „Wiener Schickeria“ war geboren. Die DJ´s wurden durch eine leidenschaftliche Band ersetzt, Special Friend Enzo Gaier an der Gitarre, Bassist Markus Windisch, Keyboarder Xaver Nahler und Drummer Moritz Meixner. Die schrägen, tabulosen Texte über die Wiener Szene, unterlegt durch eine Mixtur aus Synthi-Pop, Rap, Electro, Funk und 80er-Beats a la Falco, Bilderbuch oder Minisex eroberten durch das Internet die immer stärker anschwellende Fangemeinde. Im Mai 2023 wurde das in der Hietzinger Villa Lala aufgenommene Debüt-Album veröffentlicht und stürmte in die Top Ten, nur ein knappes Jahr später erhielt Bibiza zwei Amadeus Awards in den Kategorien „Best Sound“ und „Songwriter des Jahres“ für „Eine Ode an Wien“.

 

„Wien, Wien, Wien, bitte bleib so wie du bist. Ich weiß niemand hier versteht dich so wie du dich grade gibst. Doch ich liebe Dich und hasse Dich zugleich. Ich weiß Du bist zu gut für uns. Doch glaub mir Wien ich bleib (bei Dir)“, das sind Textzeilen, die vor allem von der begeistert hüpfenden Crowd in den vordersten Reihen lautstark mitgesungen werden. Absolute Textsicherheit auch beim FM4-Nr. 1-Hit 2023, „Wo sie in ihrem Leben stünde, wär sie nicht auf der Akademie der bildenden Künste“, dem „Stadtpark Insomnia“ („Ich wollt eigentlich nachts nachhaus, aber wach im Stadtpark auf. Irgendwas hat mich abgepasst. Vom nachhause gehen abgebracht“), dem Opernring-Blues und dem von Falcos „Siebzehn Jahr“ inspirierten „Schick mit Scheck“. 

 

Apropos Falco: Die Drogensongs dürften natürlich auch bei Bibiza nicht fehlen, und das auf einer blau visualisierten Bühne. „Rauschgift, bis mein Blick wieder blau ist. Ich spür nix, aber hab ein gutes Outfit. Ich bin dicht und tanz, solang es laut is. Ich seh das Licht, wenn die Sonne wieder raussticht“, eine heimliche Hymne der schicken Party People in den Wiener Clubs und Techno-Schuppen? Auf jeden Fall einer der großen Hits Bibizas, dessen „lines“ man allerdings nicht wortwörtlich nehmen muss. Auf die Bühne holt der Zeremonienmeister neben Mola-Sängerin Isabella den von der Tour bekannten Taxler Andi – Peter Schillings „Major Tom“ ist angesagt – und Rapper Skero, Voigas „Kabinenparty“ passt haargenau ins Konzept der wilden Show. Leisere Töne (wie bei „Regen“, „Höhenstraße“ oder der Akustik-Version des „Opernring Blues“) dürfen auf der Setlist nicht fehlen, begleitet von Handy-Lichtern und leuchtenden Feuerzeugen im Dunkel der Nacht. 

 

Wie es musikalisch und themenmäßig – eine neue Tour 2025 ist bereits angekündigt - mit der Karriere von Bibiza weitergeht, ist noch offen. Einige neue Songs waren bereits im letzten Tourprogramm wie zum Beispiel das viel umjubelte „Tanzen“. Dort heißt es: „Sie will einfach tanzen, also lass sie tanzen. Der Club ist voller Geier und notgeiler Schimpansen“. Diese Message ist auf jeden Fall ernst zu nehmen…

„Dog Days bite back“: Ausstellung von Umweltaktivist Oliver Ressler im Belvedere 21

„Dog Days bite back“: So lautet der scharfzüngige Titel der Ausstellung des Künstlers und Umweltaktivisten Oliver Ressler im Belvedere 21. Der Foto-Teaser zeigt einen aggressiven, zähnefletschenden Hund vor einer brennenden Landschaft. Eine Metapher, die sogar durch ein Zitat gestützt ist. „The Dog days of summer are not just barking, they are biting“, so der UNO-Generalsekretär Antonio Guterres im Vorjahr anlässlich des heißesten Sommers der Messgeschichte.

 

Die Foto-Montage ist eine von 18 Fotografien auf einer Wand, die mit kurzen Botschaften und intensiver Bildtechnik den Ernst der Lage widerspiegeln. „Arctic permafrost ist less permanent than its name suggests“, „More than half of the world´s original forests have already disappeared“, „Every round trip on flights from New York to London costs the Arctic three more square meters of ice“ oder „The last time there was as much carbon dioxide in the atmosphere as there is today humans didn´t exist“ sind bei weltweiten Umwelt-Demos oder als Memes in den sozialen Netzwerken state of Art. Die Anti-Lobautunnel-Motive waren unter der Trademark „Die Wüste lebt“ bereits Gegenstand einer Ausstellung im Museumsquartier. 

 

Der 1970 in Knittelfeld geborene und in Wien lebende Ressler, der neben zahlreichen Einzelausstellungen an über 400 Gruppenausstellungen (u.a. an der Documenta 14 in Kassel, im Reina Sofia Madrid oder im Centre Pompidou Paris) teilnahm, verwendet als künstlerische Ausdrucksformen nicht nur Fotos und Collagen, sondern auch Installationen und die Filmtechnik. Einige seiner bis dato 42 Filme sind auch im Belvedere 21 zu sehen. 

 

„Anubumin“ (= „Nacht“ auf Nauruisch) aus dem Jahre 2017 zeigt – in Zusammenarbeit mit der australischen Filmemacherin Zanny Begg – die Geschichte der pazifischen Insel Nauru, die nach einem Raubbau an den Bodenschätzen zuerst zur Steueroase und dann zum australischen Auffanglager für Flüchtlinge mutierte. 4 Whistleblower, getarnt als Ärzte und Pflegerinnen, berichten in dem Film über die katastrophalen Zustände auf der Insel. Die Vierkanal-Videoinstallation „Occupy, Resist, Produce“ (2014-2018) wiederum wirft einen Blick auf engagierte Arbeitskämpfe in besetzten Fabriken Mailand, Roms, Thessalonikis und Gemenos während der Wirtschaftskrise 2007. 

 

„Climate Feedback Loops“, zuletzt auch beim Donaufestival 2023 in der Kunsthalle Krems zu sehen, zeigt die immer stärker werdende Eisschmelze in der Arktis rund um die Insel Svalbard zwischen der Nordküste Norwegens und dem Nordpol, die zu einem Auftauen der Permafrostböden und zum Entweichen des Treibhausgases Methan in die Atmosphäre führt. Klimarückkopplungseffekte, die nur durch Dekarbonisierung und eine radikale Änderung der Klimapolitik verhindert werden können.

 

Im Video „Carbon and Captivity“ thematisiert Ressler die umstrittene neue Technologie „Carbon Capture and Storage“ (CSS), bei der CO2 im Boden oder im Meeresgrund dauerhaft gelagert werden soll. Eine kostenintensive Methode, die mit Gefahren (beispielsweise durch Erdbeben) verbunden ist und von Ölkonzernen gefördert wird. Mitten im Ausstellungsraum hängt dazu kongenial die „Oil Spill Flag“, die Nationalflagge Norwegens, versehen mit einem schwarzen Ölfleck. Sie zeigt symbolhaft die Ambivalenz der aktuellen Tendenzen der Bekämpfung der Klimakrise: Norwegen gilt zwar als Protagonist der Dekarbonisierung der Wirtschaft, finanziert diese aber laut Ressler durch Erdölförderung.

 

In der Fotoarbeit „The Economy is wounded, let it die“, benannt nach einem Spruch aus den Pariser Studentendemonstrationen, zeigt Ressler zwei überladene Containerschiffe in Seenot. Eine scharfe Kritik Resslers an den Schiffs-Transportexzessen aus dem globalen Süden, die durch die Schwerölverbrennung ökologische Katastrophen auslösen.

 

Die Klimaaktivisten werden in Resslers Ausstellung repräsentiert durch die „New Model Army“, vier verkleideten Schaufensterpuppen mit zündenden Slogans. „Coal Kills“ zeigt in Form eines wandfüllenden Digitaldrucks eine Blockade des zweitgrößten Kohlehafen Europas, Amsterdam, durch die Gruppierung Code Rood. Direkt daneben platziert ist ein bei Demonstrationen oft eingesetzter Tripod, versehen mit Bohrköpfen aus der Erdölindustrie.

 

Oliver Ressler zeigt in seiner Exhibition einen Überblick über seine bisherigen Werke, chronologisch beginnend mit seinem Gemälde „Green House“ aus dem Jahre 1994. Die ökologische Zukunft schimmert allerdings in all seinen Nuancen herein, ob jetzt bei den Fotografien (mit seinen düsteren Fakten und Prophezeiungen) oder bei seiner Werkserie „Reclaming Abundance“, bei der der Aktivist Infrastrukturanlagen (wie den Flughafen Graz, die Skiflugschanze Kulm oder das Gas- und Dampfkraftwerk Mellach) visuell ins CO2-neutrale Zeitalter in das Jahr 2050 versetzt. Dass es bereits fünf Minuten nach 12 ist, wird nach dem Besuch dieser Ausstellung kaum jemand verneinen. Zusätzliche Infos bieten die Website und der YouTube-Kanal von Oliver Ressler. Check it out…

Lässige Hamburger Grandezza: Die Sterne live im WUK

Vor mehr als 30 Jahren gründete Sänger und Gitarrist Frank Spilker in Hamburg eine Band mit wechselnder Besetzung. Unter dem Namen „Die Sterne“, „damit das kein anderer mehr tun kann.“ Die Hansestadt zog Anfang der 90er kreative Musiker aller Art an, die (von den Szene-Protagonisten eigentlich abgelehnte) Trademark „Hamburger Schule“ war geboren“. Die Sterne veröffentlichten seitdem 12 Studio-Alben, zahlreiche Singles, EP´s und Kompilationen und beehrten mit ihren legendären Tour-Shows nicht nur den deutschsprachigen Raum, sondern als „Botschafter deutscher Popkultur“ auch Nordamerika. Der Sound: Eine Mixtur aus Indie-Pop, Funk, Soul und (später) Elektro, die Texte hipster-zeitgeistig, hintergründig und inspirierend.

 

2024 veröffentlichten Die Sterne im März ein Greatest Hits-Album, „Grandezza“, das die besten Singles der Hamburger Formation enthält und auch von ehemaligen Bandmitgliedern unterstützt wird. Auf Tour ist Frank Spilker seit 2020 mit einer neuen Besetzung, Keyboarderin und Sängerin Dyan Valdes, Bassist Philip Tielsch und Schlagzeuger Jan Philipp Janzen. Ein Auftritt in Wien, dieses Mal im neu sanierten WUK, darf natürlich nicht fehlen, der Publikumsandrang war naturgemäß groß. Die Setlist Nostalgiefaktor und Identifikationspotential für alle Generationen, von den Hits der Frühzeit (wie „Universal Tellerwäscher“, „Trrrmmer“ oder „Fickt das System“), Hamburger Kneipen-Hymnen wie „Wenn dir St. Pauli auf den Geist fällt“, Extended Raritäten („Wichtig“) oder neueren Songs a la „Der Sommer in die Stadt wird fahren“ und „Hallo Euphoria“.

 

Die größte Live-Resonanz erhalten auch in Wien die Indie-Hits der Viva-Generation Mitte der 90er, als „Die Sterne“ sowohl auf den kommerziellen als auch alternativen Musik- und Video-Kanälen auf und ab liefen: „Von allen Gedanken schätze ich doch am meisten die Interessanten“ oder der Gassenhauer „Was hat dich bloß so ruiniert?“, 2016 Titelsong für die Wiener Bobo-Komödie „Was hat uns bloß so ruiniert“ von Marie Kreutzer?“, so frei nach dem Motto „Bist du nicht immer noch Gott-weiß-wie privilegiert? 

 

Als letzte Zugabe beim WUK-Gig: „Du musst gar nix“ (2020), ein Appell an die persönliche Freiheit und Unabhängigkeit und eine klare Abrechnung gegen die Anpassung an den (scheinbaren) Lifestyle und gegen die private und berufliche Überforderung. „Du musst dich nicht optimieren. Du musst nicht doppelt so viel machen wie die anderen“, „Du musst nicht verknallt sein und du musst nicht hassen“, „Du musst nicht raus gеhen, nur weil die Sonnе scheint. Du musst auch nicht zu Hause bleiben, nur weil es regnet. Du musst nicht anrufen. Du musst nicht chatten. Du musst gar nix“. Eines vielleicht doch, das nächste Sterne-Konzert in deiner Umgebung besuchen. Es lohnt sich…

Roy Lichtenstein: Retrospektive zum 100. Geburtstag in der Wiener Albertina

Im New Yorker Auktionshaus Christie´s erreichen seine Werke zwei- bis dreistellige Millionenbeträge: Roy Lichtenstein, 1923 als Sohn deutsch-jüdischer Eltern in New York geboren und seines Zeichens Gründungsvater der Pop Art. 

 

Die Wiener Albertina widmet dem 1997 verstorbenen Künstler eine Retrospektive zum 100. Geburtstag. Von 8. März bis 14. Juli 2024 sind in der Basteihalle rund 90 Werke Lichtensteins zu sehen, die seine gesamte Karriere ab seinem Durchbruch in den 60ern abdecken. Bei der Eröffnung war auch seine Frau Dorothy, Präsidentin der Roy Lichtenstein Foundation, anwesend, die 2023 der Albertina 95 Objekte (im besonderen Pinselstrich-Skulpturen, Skulpturenmodelle, Vorzeichnungen, Teppiche und Keramiken) als Schenkung übergab.

 

„Pop Art basiert auf jener kommerziellen Illustration, von der wir verdorben wurden“, so Lichtenstein. Und das sind laut seiner Diktion die Werbegrafik und die Comics (damals in den Sixties im Gegensatz zu heute „Fließband-Schund“). Mit einer Comic-Adaption schaffte der gelernte Lehrer mit knapp 37 den Sprung in den künstlerischen Zenit. „Look Mickey“, als Vorlage ein Kaugummibild (!) und gemalt auf Inspiration seines Sohnes, erzürnte Puristen, Plagiatsjäger und manche Medien („Is he the Worst Artist in the U.S.?“, Life 1964), die Besucher seiner ersten Einzelausstellung in der New Yorker „Leo Castelli Gallery“ waren aber begeistert. 

 

Lichtenstein verwendete in dieser künstlerischen Phase gerne Vorlagen und Texte aus kitschigen Liebes-Comics: Frauen, die sich weinend nach einem Mann verzehren, Mädchen in der Badewanne, küssende Liebespärchen (im berühmten Sujet „We rose up slowly“). Umgesetzt werden diese im Stile der mechanischen Drucktechnik, mit grellen Farben, scharfen Abgrenzungen und den sogeannnten „Ben-Day-Dots“. Diese gelten als Markenzeichen Lichtensteins, die er zuerst mit Lochschablonen und später mit perforierten Metallplatten (inkl. der Unterstützung von Assistenten) auf die Leinwände bannte. Im Gegensatz zu Andy Warhol (in dessen legendärer Factory sich Künstler, Superstars und Freaks die Klinke in die Hand gaben) arbeitete Lichtenstein in einem schlichten Atelier an mehreren Leinwänden gleichzeitig.

 

„Was kann man schon malen, das nicht von vornherein lächerlich ist?“ Der Fantasie Lichtensteins waren insofern keine Grenzen gesetzt: Zu den Comics und Werbesujets gesellten sich bald Landschaften, Strände mit Sonnenuntergängen, Alltagsgegenstände (wie Spraydosen, Kristallschalen oder Gläser), Blumen, antike Säulen, Atomic Landscapes oder Waffen im Abzug („Fastest Gun“). Sein für das Stockholmer Moderna Museet angefertigte Motiv „Finger Pointing“ bezog sich auf ein Symbol einer US-Kampagne, die Männer zum Wehrdienst rekrutieren sollte. Bei Protestkundgebungen gegen den Krieg resultierte es zum Gegenteil. Die Kritik am herrschenden System der Politik, des Kapitalismus und des Konsumwahns liegt vielen Werken Lichtensteins subtil inne, der Künstler selbst sprach in einer Arte-Doku vom „wahrscheinlichen Hang der Gesellschaft zu gelenkten Massenentscheidungen, der dem Herstellungsprozess der Comics vergleichbar ist“. 

 

Lichtenstein gilt als Vorläufer der Appropriation Art, wenn er sie auch nicht so ernst nahm wie die späteren Vertreter dieser Kunstrichtung. Er adaptierte beispielsweise Werke von Picasso, Monet oder Dali. In den 70ern paraphrasierte er den surrealistischen Stil von Künstlern wie Magritte oder Miro. In der Albertina zu sehen in Form des großformatigen Kunstwerks „Studie zu Figuren in einer Landschaft“. Lichtenstein fertigte im Rahmen seiner Karriere auch zahlreiche Skulpturen an, die Motive reichen von Frauenköpfen, Spiegeln, Gläsern, Kaffeetassen bis hin zu Pinselstrichen. „Die Pinselstrichskulpturen sind der Versuch, etwas, das eine Augenblickserscheinung ist, eine feste Form zu geben, etwas Vergänglichem Substanz zu geben“, so das Pop Art-Mastermind.

 

Zum Spätwerk Lichtensteins in den 90ern zählten die Darstellung von Interieurs – eine Replik auf die standardisierte amerikanische Wohnkultur – und ein Revival der Frauenmotive der 60er. Herausragendes Beispiel: Die „Strandszene mit Seestern“ aus dem Jahre 1995, eine monumentale Verknüpfung eines Picasso-Werkes („Badende mit Ball“) mit einem Liebescomicroman der 60er Jahre.

 

Die Karriere des 1997 an einer Lungenentzündung verstorbenen Roy Lichtenstein wurde durch zahlreiche Höhepunkte gekrönt: Ausstellungen in den renommiertesten Museen der Welt (von Guggenheim Museum, Museum of Modern Art New York bis zu Stedelijk Museum Amsterdam, Museum Ludwig Köln und Tate Modern London), Biennale Venedig 1966, Aufnahme in die American Academy of Arts and Sciences (1979) und Kyoto Preis (1995). Und welch ein Künstler sonst wurde mit dem herausstechenden Privileg ausgestattet, dass selbst kunstferne Personen dessen Trademark sofort in seinen Werken erkennen? Egal, ob in Galerien, Museen, Büros, Privatwohnungen oder im öffentlichen Raum („Barcelona Head“).

„Die sieben Sünden des Ausländers“: Toxische Pommes im ausverkauften Wiener Stadtsaal

„Ich fühle mich im Internet extrem sicher und wohl. Dort kann ich alle blockieren, die mich nicht lustig finden oder meine Meinung nicht teilen“. Mit solchen Sagern startet Toxische Pommes ihre 60minütige Bühnen-Show „Ketchup, Mayo und Ajvar“ (Anm.: eine Spezialität der Balkanküche) im ausverkauften Wiener Stadtsaal. Der Großteil des Publikums ist weiblich und ausgesprochen jung. Kein Wunder, man kennt Irina (den Nachnamen verrät sie nicht) aka Toxische Pommes aus den unendlichen Weiten des Internets, aus Instagram und Tik Tok. Alleine auf Instagram, wo sie seit 2020 15 Sekunden lange Satirevideos präsentiert, hat sie aktuell mehr als 188.000 Follower. 

 

Woher ihr Pseudonym basiert? Auf der Auflösung einer toxischen Beziehung und ihrer Vorliebe für Pommes Frites. Ihre Wurzeln stammen aus Ex-Jugoslawien, während des Balkankrieges ist sie als Zweijährige mit ihren Eltern nach Österreich geflüchtet. Die migrantische Lebensgeschichte der hauptberuflichen Juristin ist gleichzeitig Grundlage für ihr Programm, untergliedert in die „Sieben Sünden des Ausländers“.

 

Vorgetragen werden diese formal schlicht, sitzend vor einem Tisch mit Mikro und schriftlichen Unterlagen wie bei einer Lesung und ohne Videoeinspielungen. Die auch keineswegs fehlen, der frech-realitätsbezogene Wortwitz der Jung-Kabarettistin lässt keine Wünsche offen. Toxische Pommes philosophiert über ihre Kindheit in Wiener Neustadt, in Niederösterreich, „das von einem Mann diktiert wurde, der länger an der Macht war als Vladimir Putin“, über menschenleere Straßen, zurückgezogene Menschen und blaue Hüpfbürgen der FPÖ. Eine Zeit, die von Unwissenheit und Naivität geprägt war, die bald überging in Scham und Neid auf „alles, was ich nicht war“, auf die Sprache, den Nachnamen mit –er, das Schulessen oder die Einfamilienhäuser diverser Klassenkameradinnen. 

 

Aussagen wie „Du siehst nicht aus wie ein Ausländer“ oder „Du bist ein schönes Ausländerkind“ (so übrigens der Titel ihres ersten gerade erschienenen Buches“)  treffen da ins Mark der jungen Migrantin. Dass es vermeintlich verschiedene Kategorien von Ausländern gebe, das habe bereits Jörg Haider thematisiert. Die FPÖ unter Strache habe hier neue Dimensionen eruiert, sie „liebt Ausländer, die gegen Ausländer hetzen“. Vor allem bei den Serben wollte Strache immer andocken, Toxische Pommes selbst wurde in Kroatien geboren, es bestehen allerdings familiäre Verbindungen auch nach Montenegro und Serbien. Eine nationale Identität zu finden wäre hier sogar im Herkunftsland schwierig, die Satirikerin bezeichnet sich daher gerne als „Ex-Jugo“. 

 

Interessant sind ihre (absichtlich klischeehaften) Beobachtungen zu den Unterschieden zwischen Österreichern und den Balkanvölkern. Die österreichischen Familien seien viel leiser (außer beim Urlaub in Kroatien) und sagen nicht, was sie wirklich denken. „Kein Nein, sondern Danke oder Vielleicht später“, was wiederum die Migranten in Erklärungsnotstand bringt. Ungeschoren bleibt aber auch nicht das Heimatvolk, u.a. an der Art der Beschimpfungen. „Am Balkan fickt man alles, tot oder lebendig“.

 

Revue passieren lässt Toxische Pommes auch ihre Studienzeit am Wiener Juridicum. „Jus studieren alle Leidenschaftslosen, die sich ihre Zukunft nicht verbauen wollen“, so die fertige Juristin, die im gleichen Atemzug ein soziologisches Exzerpt über die Studententypen auf ihrer Universität enthüllt, über Burschenschaften, Neureiche mit Seitenscheitel, einer „Aussprache wie Raf Camora“ und „roten Socken“ (um ihre rebellischen Seiten zu zeigen), Ex-Adelige und Jus-Bobos mit Second Hand-Look und Schuhe aus veganem Leder.

 

Zahlreicher Szenen-Applaus im ausverkauften Wiener Stadtsaal während der 60minütigen Show, gleichzeitig Platz 1 in den Buch-Charts. Toxische Pommes gilt als neue kulturelle Zukunfts-Hoffnung in Österreich. Mit dem Privileg, dass sie sich sogar das Genre selbst aussuchen kann…

Disco Glitterball: Sophie Ellis-Bextor live im Wiener WUK!

„Sometimes it takes only one song to bring back a thousand memories“. Zu einem dieser Songs zählt zweifelsohne „Groove Jet“ (If this ain´t love) vom italienischen DJ Spiller, garniert mit den bezaubernden Vocals der britischen Sängerin Sophie Ellis-Bextor. Back to 2000 auf der balearischen Clubbing-Insel Ibiza, heiße Afternoon-Beats vor dem (heute nicht mehr existenten) Bora Bora-Open Air-Club, die alle paar Minuten über dem Strand heranbrausenden Düsenjets mit neuen Party People aus aller Welt, eine brodelnde „Everything starts with an E“-Atmosphäre an allen Ecken der Insel, lange durchtanzte Nächte in den angesagtesten Clubs der Welt von Amnesia, Space, Privilege bis Pacha. Wer sich erinnern kann, war nicht dabei. An den musikalischen Soundtrack dieser Endless Parties kann man sich aber 24 Jahre später noch immer erinnern. Die Freude ist dann natürlich umso größer, wenn einer dieser schillernden Stars von einst auf einen Konzert-Gig – dem ersten überhaupt (abgesehen von einem Rosenball-Auftritt 2015 und diversen, schrillen Life Ball-Visits) - nach Wien kommt und zumindest scheinbar die Zeit an uns allen spurlos vorübergegangen ist.

 

„The Kitchen Disco Tour“ nennt sich die Europa-Tour der in London geborenen Sophie Ellis-Bextor, die im April ihren 45. Geburtstag feiert. Der Name basiert auf deren Kitchen Show 2020 während des Corona-Lockdowns, die per Instagram übertragen wurde.  Einer der damals ohne Publikum aufgenommenen Hits: „Crying at the Discotheque“, ein Cover der schwedischen LGBTQ-Heroes Alcazar. Ebenso eine Flashback-Disco-Hymne, die an viele exzessive Party-Nächte erinnert und ein idealer Opener der Bextor-Show im neu sanierten WUK in der Währinger Straße. Die Stimmung ist von Beginn an am Siedepunkt, das Publikum, bunt durchgemischt wie auf der Regenbogenparade, freut sich euphorisch auf den Disco-Reigen, den Sophie Ellis-Bextor im kurzen Glitzer-Outfit mit 100 % Pure Energy erfüllt. Die positiven Vibes von Hits wie „Take me home“, „Music gets the best of me“, „Get over you“ oder dem brandneuen mit dem schottischen Electronic Artist Wuh Oh produzierten Track „Hypnotized“ sind die beste Nightlife-Medizin gegen Alltagsfrust, Schwermut und Weltschmerz.

 

Sophie Ellis-Bextor bot bei ihrer knapp 90 Minuten langen Show aber nicht nur einen Querschnitt über ihre mehr als zwanzigjährige wechselnd erfolgreiche Pop-House-Folk-Karriere, sondern hatte gemäß dem Motto „Disco Tour“ auch einige Dancefloor-Covers im Repertoire: Neben „Crying at the Discotheque“ Madonnas 80er-Klassiker „Like a Prayer“, „Gimme Gimme Gimme a Man after Midnight“ der schwedischen Hitgiganten Abba und Modjos Ibiza-Anthem „Lady (hear me tonight)“ aus dem Jahr 2000. Und das – wie einst auf der La Isla Blanca – im groovigen (und beziehungstechnischen) Übergang zu ihrem Superhit „If this ain´t Love (why does it feel so good)“. Nicht fehlen dürfen Armin van Buurens Trance-Perle „Not giving up on love“ und der von den Freemasons produzierte House-Track „Heartbreak make me a Dancer“, die Bextor Ende der Nullerjahre sowohl in die Charts als auch in die Clubs hievten.

 

Das kommerzielle Comeback hat die fünffache Mutter – Vater ist der „The Feeling“-Gitarrist Richard Jones – und die sich für eine Pro-EU-Partei (Change UK) und untergebrachte Kinder einsetzende Sängerin dem Kinofilm „Saltburn“ zu verdanken. Dort läuft in einer Nackttanz-Szene am Schluss des Films ihr bisher erfolgreichster Hit „Murder on the Dancefloor“, der daraufhin viral ging und wie bei der Erstveröffentlichung 2001 wieder die Charts stürmte. In den USA platzierte sich Ellis-Bextor sogar zum ersten Mal in den Single Hot 100. Kein Wunder, dass der housige Disco-Track am Ende der Show das ausverkaufte WUK endgültig zum Kochen brachte.

 

Als Zugabe präsentierte Ellis-Bextor noch einen weiteren Club-Hit ihrer Karriere, „Bittersweet“, und als Überraschung – ohne Band und ohne Mikro – im WUK-Backbereich einen Song aus ihrer Pre-Solo-Ära: „A Pessimist is never disappointed“. Sophie Ellis-Bextor war Ende der 90er Sängerin der Indie-Band „theaudience“, die neben einigen Top 40-Singles auch ein lässiges Album releaste. Die charismatische Frontfrau galt damals als eine der „most sexy people in rock“, der erwartete kommerzielle Erfolg stellte sich aber nicht ein. Im Gegensatz zum großen Comeback-Jahr 2024. Ein neuer Plattenvertrag bei Universal wurde bereits unterschrieben. Man darf gespannt sein, mit welchem Sound und in welcher (größeren) Konzert-Location wir Sophie Ellis-Bextor demnächst hören und sehen werden.

"The Beauty of Diversity": Bunter Stil-Mix in der Albertina Modern!

Diversity (dt. Verschiedenheit, Unterschied), ein Begriff, der seit einigen Jahren in allen Bereichen unseres Lebens herumgeistert und aus unserem Alltag, im Berufsleben und im gegenseitigen Umgang nicht wegzudenken ist. In der Kulturszene existieren zweifelsohne zahlreiche Proponenten eines fortschrittlichen Kunstverständnisses, in der von eurozentrischem und westlichem Denken traditionell geprägten musealen Praxis sieht dies leider nicht immer so aus.

 

Die Albertina Modern widmet sich in ihrer neuen Sonderausstellung „The Beauty of Diversity“ sowohl renommierten Künstlern, die schon immer gegen den Strom geschwommen sind, als auch neuen, kreativen Talenten kurz vor dem Sprung Richtung Weltkarriere und Kunstschaffenden abseits des Mainstreams. Im Mittelpunkt stehen dabei Frauen, LGBTQIA-Künstler, People of Color, Autodidakten und künstlerische Außenseiter, die – mit insgesamt 110 Kunstwerken, verteilt auf 13 themenbezogene Räume – einen spannenden, bunten Stil-Mix versprechen.

 

Ein besonderes Augenmerk richtet die Kuratorin Angela Stief auf Künstler aus Australien, Afrika, Asien und Südamerika. Vertreten in der Albertina Modern sind insbesondere afrikanische Künstler, die bereits in der Ausstellung „The New African Portraiture“ der Kunsthalle Krems ihr großes Talent gezeigt haben, so der an der Akademie für bildende Künste bei Daniel Richter studierende Alexandre Diop mit seinen komplexen Assemblagen, der US-Amerikaner Basil Kincaid oder der ghanaische Maler Amoako Boafo. Dessen Credo: „The primary Idea of my practice is representation, documenting, celebrating and showing new ways to approach blackness“. 

 

Eines deren Vorbilder darf natürlich in der Ausstellung nicht fehlen: Jean-Michel Basquiat, zeit seines kurzen Lebens ein strikter Kämpfer gegen Rassismus und Diskriminierung, mit seinem minimalistischen „Venus“-Bild aus dem Jahr 1983. Das Teaser-Plakat dagegen ist einer Frau vorbehalten, der 1991 in Tansania geborenen Sungi Mlengeya, die mit ihren dunklen Figuren vor weißem Hintergrund klare Akzente setzt. Betroffen macht die auf den Wandtafeln beschriebene Lebensgeschichte der Pakistanin Aicha Khorchid, die den Selbstmord ihrer Mutter und den sexuellen Missbrauch durch ihren Ziehvater in drastischen Bildern dokumentierte. 

 

Die Aboriginal Art wird u.a. vertreten durch Nyunmiti Burton, die mit ihrer abstrakten Serie „Seven Sisters“ sich auf eine indigene, mythische Geschichte über sieben von Männern verfolgten Schwestern bezieht und damit eine klare feministische Position einnimmt. Dies gilt auch für die in Iran geborene und in Wien lebende Soli Kiani, die mit ihren Malereien und Seilkonstruktionen die mangelnden Frauenrechte in ihrer Heimat anprangert. Kiani ist in Wien keine Unbekannte mehr, sie kann bereits eine Solo-Ausstellung („Ossian-Rebellion“) im Kunstforum für sich verbuchen.

 

Große Namen zeitgenössischer Kunst dürfen natürlich in der Ausstellung nicht fehlen: Maria Lassnig mit ihrem New Yorker Hauptwerk „Woman Power“ (inklusive einer nackten Riesin, die inmitten der Wolkenkratzer tänzelt), Valie Export (mit ihrer „Aktionshose Genitalpanik“), „Rollenspielerin“ Cindy Sherman, Marc Quinn, Jonathan Meese (mit skurril-horriblen Skulpturen), Cecily Brown, die Schweizer Künstlerin Miriam Cahn mit ihrer großformatigen „Atombomben“-Serie oder „Lemurenkopf“-Schöpfer Franz West.

 

Für erfrischenden Espirit sorgen aber auch die unbekannteren Namen: Verena Bretschneider mit ihren witzigen Face-Assemblagen aus Blumen, Federn, Haarteilen und Plastikgabeln (die man zwecks guter Laune am liebsten nach Hause mitnehmen würde), Claudia Märzendorfer mit ihren wollgestrickten LKW-Bestandteilen (als Beitrag zur Klimakrise) oder die gesellschaftskritischen Puppenkabinette der steirischen Autodidaktin Stefanie Erjautz. Letztere kongenial plaziert zwischen den „Mona Lisa“-Plastilin-Variationen der österreichischen Künstler-„Boygroup“ Gelatin und den brabbelnden Projektions-Gesichtern des US-Installationskünstlers Tony Oursler.

 

„The Beauty of Diversity“ ist von 16. Februar bis 18. August 2024 in der Albertina Modern zu sehen, und vermutlich bald im Triple-Kombi-Ticket mit der Wiener Albertina und der am 9. April neu eröffnenden Albertina Klosterneuburg.

„Rock´n Roll Christmas“: Wanda in der Wiener Stadthalle

 „Ihr habt offensichtlich keine Familien und auch keine Angst vor Corona, sonst wärt ihr wohl alle nicht hier“, so begrüßte Michael Marco Fitzthum aka Marco Michael Wanda die über 11.000 Fans in der Wiener Stadthalle. „Weihnachten mit Wanda“, das war das Motto des Events, 2 Tage vor der „Stillen Nacht“, die so gar nicht still ablief – eher das Gegenteil – aber doch subtil einige weihnachtliche Züge aufwies. Vor der Stadthalle stand ein Caritas-Lastwagen, bei dem die Wanda-Fans Mäntel, Jacken, Hosen oder Hauben für Obdachlose hinterlegen konnten. Tolle Aktion. 

 

Weihnachten als Fest der Liebe, welches Synonym passt da besser als das lässig-italienische „Amore“. „Wenn jemand fragt, wofür du stehst, sag für Amore“. Sic est. Im Foyer direkt neben den „Amore“-Merchandising-Artikeln residierte der berühmt-berüchtigte „Amore“-Wagen der Band, ein besseres Instagram-Motiv gibt es nicht. VOR dem Konzert der seit 2012 existierenden Wiener Band, die wie keine andere das trashige Wiener Lebensgefühl der verruchten Bars, Kneipen, Alkohol-Abstürze und nächtlichen Liebes-Abenteuer widerspiegelt. Auch wenn Tante Ceccarelli in Bologna und nicht in Wien „Amore gemacht hat“.

 

Supportet werden Wanda von der Wiener Band „The Leftovers“, die kürzlich in der ausverkauften Wiener Arena ihr zweites Album präsentierten. Lauter Indie-Post-Punk-Rock im Stile ihres Hits „Hunde bellen durch die Nacht“ mit einem kurzen Intermezzo über toxische Beziehungen. Weihnachtssongs wird es an diesem Abend keine geben, stattdessen „Another Rock´n Roll Christmas“ mit viel Bier, Schweiß und Massengedränge auf den prall gefüllten Stehplätzen. 

 

Und Wanda lassen von Beginn an nichts anbrennen, starten sofort mit ihren Superhits „Bologna“ und „Bussi Baby“. Im Rausch der Gefühle wirken Wandas lyrische Verspieltheiten besonders intensiv – „Halt den Gedanken fest. Auch wenn er falsch ist, du hast recht. Halt dich an deiner Liebe fest. Auch wenn sie falsch ist, bleibt sie echt“ aus dem großartigen 2022er-Song „Wir sind verloren“, Interpretationen kann man sich überlegen, wenn man wieder nüchtern ist. Es folgt ein Wanda-Hit-Mix der letzten 10 Jahre, „Jurassic Park“, die erste Single „Auseinandergehen ist schwer“, „Luzia“, „Gib mir alles“ (mit Marcos X-Mas-Haube als einziger Referenz an das traditionelle Weihnachten), „Weiter, weiter“ und das flotte „Ciao Baby“. 

 

Fast eine Antithese zum schrecklichen Wanda-Jahr 2023, in dem die Band zwar vor ausverkauften Hallen und Festivals spielte, aber mit persönlichen Schicksalsschlägen konfrontiert wurde. Es starb nicht nur der Vater von Sänger Marco, sondern im September 2022 auch Keyboarder und Gründungsmitglied Christian Hummer nach langer schwerer Krankheit. „Das Ende der Kindheit“, „Das Leben ist ein Geschenk. Und das lern ich jetzt“, „Die Antwort auf den Tod ist das Leben“, Zitate aus einem Spiegel-Interview mit Marco Michael Wanda im November 2023. „Bei niemand anders“ (werd' ich sein, wenn das alles zugrunde geht) heißt der berührende neue Song, der die gedrückte Stimmung der jetzt noch mehr zusammengeschweißten Stamm-Formation – Marco Michael Wanda, Gitarrist Manuel Christoph Poppe und Reinhold „Ray“ Weber – reflektiert. Die Ballade präsentiert Sänger Marco erstmals live klavierspielend in der Wiener Stadthalle, nach einer Schweigeminute für alle Menschen, die im letzten Jahr verstorben sind.

 

Danach sind wieder Verdrängung, Party-Exzesse und Schlachtgesänge angesagt, der Gassenhauer „Meine beiden Schwestern“, „Ich will Schnaps“ und die Falco-angehauchte Hymne „Rocking in Vienna“ (bei der nur der im Video brillierende Schauspieler Gerald Votava fehlte). Was bis dahin keiner wusste (aber insgeheim hoffte): Wanda haben für den Weihnachtsgig noch Überraschungsgäste eingeflogen. 

 

Im Wohnzimmer Marcos steht die Vinyl-Scheibe „Gibt´s ein Leben vor dem Tod“. Da existiert doch keine bessere Gelegenheit, als den Interpreten dieses Werks auf die Bühne zu bitten. Austro-Pop-Legende Boris Bukowski, nach schwerer Krankheit wieder genesen, präsentiert gemeinsam mit Wanda den Klassiker „Du bist wie Kokain, baust mich auf und machst mich hin“. Als nächste auf der Stage: Christina Stürmer, die zuletzt im Volkstheater ihre Unplugged Versions vorstellte, mit einer rockigen Version ihres ersten Hits „Ich lebe“. Und den CO2-Emissionen zum Trotz entert danach noch die Chemnitzer Rock-Band Kraftklub die Bühne, deren letzter Auftritt in der Stadthalle monatelang ausverkauft war. Auszucken der Fans bei ihren Live-Hits „Fahr mit mir“ und „Songs für Liam“. 

 

Den Schlusspunkt setzen dann wieder Wanda „solo“ mit „Columbo“ (ihrem chartmäßig größten Hit“), „1,2,3,4“ und einer Reprise von „Bologna“. Na ja, Schlusspunkt ist so nicht ganz richtig. „Ende nie“ wird das neue im Juni 2024 erscheinende Album heißen. Und „Weihnachten mit Wanda“ findet genau in 365 Tagen wieder statt. Happy Christmas!!! 

Hyperrealismus gegen Gewalt und Krieg: Gottfried Helnwein in der Wiener Albertina

Der Wiener Künstler Gottfried Helnwein feierte kürzlich im Oktober seinen 75. Geburtstag. Und hatte gleichzeitig das Vergnügen, mit der Kuratorin Elsy Lahner seine vierte Ausstellung in der Wiener Albertina zu konzipieren. 1979 war Helnwein, der den langjährigen Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder schon seit Studententagen kennt, zum erstenmal mit Zeichnungen zu Edgar Allan Poe vertreten, dann 1985 mit einer Einzelausstellung und 2013 mit einer umfassenden Retrospektive. „Realität und Fiktion“ heißt seine aktuelle Ausstellung, die sich mit seinen Werken aus den letzten 3 Jahrzehnten beschäftigt. Die Grundthematiken haben sich nicht verändert, die Methoden wurden allerdings adaptiert an den aktuellen, nicht unbedingt positiven Zeitgeist.

 

Kinder

 

Bereits vor der Eröffnung der aktuellen Ausstellung sorgte Helnwein mit zwei großformatigen Bildern eines blutverschmierten Mädchens („My Sister“) für Aufregung, die den Ringturm am Schottenring umhüllten. Damit einhergehend wurde eine Kampagne gegen Gewalt an Frauen und Kindern gestartet. Kinder stehen seit Beginn der künstlerischen Karriere Helnweins im Zenit seines Schaffens. „Die Helden meiner Geschichten sind die Kinder, als Metapher für eine potenzielle Unschuld und eine im Innersten des Menschen vorhandene Unverletzlichkeit und Unbesiegbarkeit“, so ein in der Ausstellung platziertes Zitat Helnweins. 

 

Jugend in der Nachkriegszeit

 

Aufgewachsen im Wien der 50er („ein schrecklicher Ort“) wurde Helnwein konfrontiert mit der kollektiven Amnesie der Elterngeneration über die Greuel des Zweiten Weltkrieges, der beklatschte Freispruch des NSDAP-Funktionärs Franz Murer bekräftigte seine Einstellung, dass er mit dieser Gesellschaft nichts zu tun haben wolle und „Kunst für ihn die einzige Möglichkeit wäre“, sich selbst zu verwirklichen. Helnwein studierte – gemeinsam mit Manfred Deix – an der Höheren Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, danach Malerei an der Akademie der bildenden Künste. Helnwein erregte damals nicht nur Aufsehen mit seinen Bildern, sondern auch mit radikalen Protesten gegen politische Missstände (wie der Aktion „Akademie brennt“ im Jahre 1971). 

 

Der Schrei

 

Im Gegensatz zu seinen Kollegen wollte Helnwein seine Kunst nicht nur in elitären Galerien präsentieren, sondern ein möglichst großes Publikum erreichen. Und so erschienen seine teils provokanten Fotos und Bilder bald auf den Covers bekannter Zeitungen und Magazine (wie dem „Profil“, dem „Stern“ oder dem Time Magazine). Oder auf Plattencovern. „Der Schrei“, Helnweins brutales Selbstporträt mit aufgerissenem Mund, Gabeln in den Augen und bandagiertem Kopf, verwendeten die Scorpions als Cover ihres Albums „Blackout“. Das Kult-Bild der 80er, einerseits ein verzweifelter Aufschrei gegen die herrschenden Strukturen, andererseits ein knallharter Aufruf zum Protest, ist auch in der aktuellen Helnwein-Ausstellung zu sehen.

 

Donald Duck

 

Helnwein, der 2008 die Ausstellung „Donald Duck – Und die Ente ist Mensch geworden“ im Kremser Karikaturmuseum kuratiert hat, ist seit seiner Kindheit Fan der Entenhaus-Family. Die Walt Disney-Comics waren für ihn eine Aufhellung der düsteren Nachkriegs-Wien-Atmosphäre. Vor allem mit Donald Duck (der in der aktuellen Albertina-Ausstellung mit dem neuen Bild „In the Heat of the Night“ vertreten ist) verbindet ihn eine besondere Sympathie, dieser „rapple sich immer wieder wie ein Stehaufmännchen auf, ungeachtet welches Unglück ihm auch widerfährt“. Die Micky Maus erscheint in seinen Arbeiten überdimensional, monströs und zähnefletschend, eine beabsichtigte Verzerrung mit Blick auf die gewalttätigen Zeiten. Helnwein sieht sich insofern als „Gott seines Universums“, die „Leinwand ist seine Bühne“, auf der er reelle Gestalten mit Fantastiefiguren kombiniert. 

 

In seinem Kunstwerk „The Man who laughs“ grinsen sich Minnie Maus und Diktator Adolf Hitler vor einer verwüsteten Stadt teuflisch entgegen, „The Visit 4“ zeigt einen gelben Vogelmann mit spitzem Schnabel, der sich über ein schlafendes Kind beugt. Die Interpretation bleibt dem Publikum überlassen, „die Kunst braucht nur eines, einen naiven Betrachter“, so Helnwein. 

 

The Disasters of War

 

Bei seiner neuesten, an Goya angelehnten Serie „The Disasters of War“ verwendet Helnwein die japanische Comic-Ästhetik, indem er Manga-Girls in Katastrophenszenarien einbettet. Diese posieren im Instagram-Style vor brennenden Häusern, explodierenden Tanks und sinkenden Schiffen, die in ihrer malerischen Ausgestaltung Hochglanz-Action- und Animationsfilmen entsprechen. Eine doppelte Fake Reality. Mangas stellen für Helnwein eine „künstliche, sexualisierte Kindlichkeit in einer kalten designten Welt“ dar, ebenso haben die in den Medien publizierten Bilder oft nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun, sie dienen zumeist der Propaganda der Kriegsparteien. „Die Wahrheit ist das erste Opfer des Krieges. Ich sehe bei den kriegerischen Auseinandersetzungen nur die Kinder, die haben das nicht verdient“, so Helnwein bei der Vernissage der Ausstellung.

 

Helnwein versteht sich als Konzeptkünstler. Im Mittelpunkt stehen der Inhalt und die Botschaft und nicht die Form der Umsetzung, die von Aquarellen, Zeichnungen, Aktionen bis zu Malereien, Installationen im öffentlichen Raum und Bühnenbilder für Inszenierungen reicht. „The Child Dreams“, bei dem Mädchen und Puppen an Seilen von der Decke hängen, basiert beispielsweise auf dem Bühnenbild für eine gleichnamige Oper Hanoch Levins 2010 in Tel Aviv. Die großformatigen Bilder hat er bereits seit seinem Wegzug nach Deutschland 1985 im Repertoire. Ansonsten hätte man keine Chance, sich gegen die massenhaften Bilder und Werbeplakate durchzusetzen. 

 

Hyperrealismus

 

„Ich will Dinge sichtbar machen, die die Menschen lieber verdrängen und unsichtbar lassen würden, und sie dazu verführen, diese Dinge anzusehen“, das ist das Credo Helnweins. Als Vorlage für seine Bilder dienen zumeist Fotografien. Die Methode des Hyperrealismus sei insofern notwendig, als sie nicht nur fasziniert, sondern auch das Mindset der Betrachter verändern kann. Bei monochromen Zyklen wie der in der Albertina präsentierten „Sleep“-Reihe verzichtet Helnwein fast gänzlich auf Farben, sodass die Gesichter der Kinder kaum mehr erkennbar sind.

 

Epiphany

 

„Die Kunst ist immer Spiegel der Zeit“, auch ein Helnwein-Zitat. In „Epiphany 1“ nimmt er Bezug auf die ihn zeit seines Lebens belastete Verdrängung des Nazi-Terrors durch die Nachkriegsgeneration und zeigt eine Variation der christlichen Anbetung des Jesuskindes und der Jungfrau Maria. Bei den Heiligen Königen handelt es sich allerdings um devote SS-Offiziere. Grundlage dieses provokanten Werks ist eine Fotoaufnahme mit Adolf Hitler in der Mitte, der im Bild durch ein den Betrachter anstarrendes Jesukind und eine stolz-arrogante Gottesmutter ersetzt wurde.

 

Ebenfalls im letzten Raum zu sehen ist das neueste Werk Helnweins, eine Skulptur eines ganz in Weiss gekleideten, bandagierten Mädchens, das auf einem Holztisch liegt. Formal identisch zum Bild dahinter, bei dem das Mädchen von Kriegsveteranen umringt wird. Es steht außer Frage, dass die kreativ-innovativen Zeiten des in Irland und Los Angeles lebenden Künstlers noch lange nicht vorbei sind.

Gonna make you sweat: Alternative-Rockerin K.Flay live im ausverkauften Wiener Flex

„Vienna, are you ready? Are you serious?“ - Mit diesen scharfen Worten startet Kristine Meredith Flaherty aka K.Flay ihre heiße Show im ausverkauften Wiener Flex. Ein Auftritt, den man nicht unbedingt erwartet hatte. Warum, das schildert K.Flay gleich persönlich mit den ersten Versen des Opening Tracks. „Woke up on a Saturday, deaf in my right ear. I was dizzy and disoriented, vertigo severe. All the doctors said the cause was just some mystery unknown“. 

 

Die 1985 in Wilmette (Illinois) geborene Sängerin erkrankte letztes Jahr an Labyrinthitis, die Folgen ein kompletter Hörverlust am rechten Ohr. Die musikalische Karriere setzte die US-Rockerin allerdings fort, und das mit dem großartigen neuen Album „Mono“, das sie im Rahmen einer weltweiten Club-Tour präsentiert. „Mono“ steht dabei nicht nur für ihre persönliche gesundliche Beeinträchtigung, sondern auch als Metapher für das Gefühl der Einsamkeit und der Isolation.

 

Dressed in Black mit coolen Shorts liefert K.Flay von der ersten Minute an eine temperamentvolle Power-Show. Der Sound eine genreübergreifende Synthese von Indie, Hip Hop und Alternative Rock, die Setlist eine Mixtur aus älteren Hits und Tracks aus dem neuen Album. Persönliche Moderationen dürfen nicht fehlen, und tatsächlich basieren viele Songs von K.Flay auf privaten Erlebnissen, Emotionen und Schicksalsschlägen. „Raw Raw“, ausgestattet mit einem genialen Prodigy-ähnlichen Riff (Anm.: Liam Howlett produzierte einst ihre 2012er-EP „Eyes Shut“), handelt von der Verletzlichkeit im Zustand des Verliebtseins, „Shy“ ist ihrer neuen Freundin gewidmet, bei „Irish Goodbye“ (einer Co-Produktion mit dem US-Post Hardcore-Musiker-Vic Fuentes) konfrontiert sich K.Flay mit dem teuflischen Dämon Alkohol. „In America“ thematisiert die negativen Seiten des American Way of Life: Kapitalismus, Drogensucht unter Jugendlichen, mordende Police-Cops.

 

2017 wurde die in Los Angeles lebende Sängerin für zwei Grammys nominiert, einerseits für das Album „Everywhere is some where“ (als Best Engineered Album), andererseits für den Track „Blood in the Cut“ als Best Rock Song, weiterhin ein Favourite Track der Fans und perfekt positioniert zwischen den Songs aus dem neuen Album „Mono“.

 

Am Ende der 90 Minuten-Show präsentiert Miss Flaherty noch ihre neue Single „Punisher“ und den legendären Klassiker „High Enough“. Wozu Alkohol und Drogen, „cause I´m already high enough“. Kein Wunder bei diesem Adrenalin-Schub im Flex. „Hottest Indoor-Show of my Life? Vienna I fuckin luv u. Thank you for selling it out and bringing your passion!“ – Ein Instagram-Clip der schweißüberströmten K.Flay unmittelbar nach der Show…

Feministische Multi-Medial-Kunst: Valie Export-Retrospektive in der Wiener Albertina!

In einer Zeit, als weltweit die Hippies die sexuelle Revolution ausriefen und für die freie Liebe eintraten, war es in der kleinen Alpenrepublik noch vergleichsweise bieder und konservativ. Für Aufregung sorgten vielleicht die Wiener Aktionisten und in deren Dunstkreis die mutig-provokante Multimedial-Künstlerin Valie Export. „Tapp und Tastkino“ nannte sich beispielsweise die legendäre Expanded-Cinema-Aktion von Export und ihrem Partner Peter Weibel, bei denen Passanten mit einem Megafon aufgefordert wurden, in eine umgeschnallte Box zu greifen und dort für eine kurze, festgelegte Zeit die Brüste Exports zu berühren. Filme und Fotos dokumentieren diese 1968 in Wien und München konzipierte Performance, die den männlichen Voyeurismus offenlegen sollte. Eine von 163 Werken der 1940 in Linz geborenen Waltraud Lehner, die in unterschiedlichen medialen Formen – von Fotografien, Videos, Zeichnungen bis hin zu Installationen – im Rahmen einer Retrospektive in der Wiener Albertina zu sehen sind.

 

In der Performance „Aus der Mappe der Hundigkeit“ führt Export ihren damaligen Freund und Medienkünstler Peter Weibel wie einen Hund an der Leine durch die Kärntner Straße. Eine Umkehrung der patriarchalen Machtverhältnisse, die sich seitdem zumindest in Nuancen verbessert haben. Das Publikum reagierte damals erstaunlich tolerant, belustigt und amüsiert. Nicht fehlen dürfen in der Ausstellung die Pop Art-angehauchten Fotos der „Aktionshose Genitalpanik“, bei denen Valie Export – ihr urheberrechtlich geschütztes Pseudonym leitet sich von der Zigarettenmarke „Smart Export“ ab – sich mit gespreizten Beinen, im Schambereich ausgeschnittener Hose, Lederjacke und Maschinengewehr präsentiert. 

 

Die angepasste und devote Rolle der Frau in den 60ern und 70ern thematisiert Export auch in zahlreichen Collagen und Nachbildungen alter Kunstwerke, durch die jahrhundertelange tradierte Stereotype schonungslos offengelegt werden. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen allerdings auch die grandiosen fotokünstlerischen Ideen Exports. Bei dem Projekt „Foto-Raum“ erweitert Export scheinbar den physischen Raum durch wandfüllende Aufnahmen des ihn umgebenden Außenraums. Auf dem Wiener Südbahnhof kombiniert Export Fotografie und Schrift, indem sie Waggons mit dem Wort „Schriftzug“ beschriftet. Parlament, Heldenplatz, Rathaus und viele andere andere Stätten des öffentlichen Raums dienen als Kulisse für die „Körperkonfigurationen“, bei denen sich Export oder engagierte Models an mächtige Stadtbauten schmiegen, um soziale Machtstrukturen zu hinterfragen. Deftigere Kost bekommt der Ausstellungsbesucher bei diversen Performances, wo sich Export selbst Schmerzen zufügt (wie bei der vierteiligen Aktion „Kausalgie“ oder der „Asemie – Die Unfähigkeit, sich durch Mienenspiel ausdrücken zu können“).

 

Beeindruckend sind zwei weiträumige Installationen Valie Exports in der Albertina: Bei den „Fragmenten der Bilder einer Berührung“ werden 18 leuchtende Glühbirnen in mit Öl, Milchersatz und Wasser gefüllte Zylinder getaucht. Die Flüssigkeiten brechen das Licht auf unterschiedliche Weise und entsprechen den Farbwerten eines durchleuchteten Schwarz-Weiß-Filmes. Kritik an der Massenproduktion und dem sinnentleerten Arbeitsalltag von Frauen äußert Export mit der in einem Sonderraum plazierten Installation „Die un-endliche/-ähnliche Melodie der Stränge“ aus dem Jahr 1998, bei der auf- und abwärtsbewegende Nähmaschinennadeln auf 25 PC-Bildschirmen zu sehen sind. 

 

„Kunst soll dazu beitragen, Wahrnehmungen zu schärfen, und das auch abseits der künstlerischen Pfade. Man muss als Bürger beispielsweise wahrnehmen, welche Gesetze wir haben, ob diese richtig oder falsch sind oder von wem sie diktiert wurden“, so Export in einem aktuellen Interview. Ob´s gelingt, wird sich nach dem Besuch der spannenden Retrospektive zeigen.

Queer Euphoria: 60.000 Fans bei Harry Styles-Show im Wiener Ernst Happel-Stadion

Pinke Federboas, bunte Brillen, Glitzer in den Haaren, fröhlich, junge Mädchen, die stundenlang auf der Wiese vor dem Ernst Happel-Stadion mit oder ohne Warteschlangentickets campen und auf ihren Star warten. Oder mit ihren teils überforderten Eltern Richtung Eingang strömen, um auf dem Stehplatz möglichst nahe der Bühne ausflippen zu können. Ein „safe space“ soll das Konzert mit rund 60.000 Besuchern werden, das hat der englische Superstar Harry Styles versprochen. Und dieses Versprechen wurde eingehalten. 

 

Wet Leg

 

Unabhängig von der Hysterie der Teenies, denen man kein besseres Idol wünschen könnte, war dieser Abend auch ein Rendezvous mit der britischen Pop-Elite. Im Vorprogramm spielten die von der Isle of Wight (südlich des Festlandes) stammenden Freundinnen Rhian Teasdale und Hester Chambers aka Wet Leg. Ihr gleichnamiges Debüt-Album stürmte sofort auf Platz 1 der UK-Charts, bei den Brit Awards gewannen sie die Preise in den Kategorien Best Alternative Music Album und Best Alternative Performance. Q.e.d.: Indie-Rock vom Feinsten mit grungigen Gassenhauern wie „Chaise Longue“, „Angelica“ oder „Ur Mum“ und subtil-feministischen Show-Einlagen. 

 

Superstar-Mania

 

Die Welle fließt durch das Stadion wie bei einem Fußball-Thriller, die Fans tanzen, kreischen und singen, noch bevor der durch die Boy-Band One Direction berühmt gewordene Harry Styles die Bühne betritt. Zur Musik von Freddie Mercury („Bohemian Rhapsody“), den Beatles („All you need is love“) und Robbie Williams („Angels“), alles Stars, die man mit Styles vergleichen könnte (in dieser Reihe fehlt nur Bowie). In einer Zeit, als es noch keine sozialen Medien und keine Smartphones gab. Heute zücken die Fans bereits vor dem ersten Erscheinen ihres Superstars die Handies, Instagram, Facebook und Tik Tok brauchen Material. Und das alles ist nicht unbedingt schlecht, wenn es sich um so sympathische Künstler wie Harry Styles handelt.

 

Queer Image

 

Der 1994 in Worcestershire aufgewachsene Harry Edwards Styles verzichtet bei seiner „Love on Tour“-Show auf Klimbim und Akrobatik-Einlagen. Die Bühne besteht aus einer Pyramide in der Mitte und vier Screens, auf denen neben Zeichentrickfiguren vorwiegend Styles und seine großteils weibliche Band zu sehen sind. Die Bandleaderin ist die großartige Drummerin Sarah Jones. Ein signifikantes Zeichen, mit dem Styles die patriarchalische Struktur der Musikszene aufbrechen will. „Styles repräsentiert alles, was Männer jetzt zu tun haben, empathisch sein, Diversität feiern, Frauen und queere Menschen unterstützen“, so der Männerforscher Christoph May. Die Regenbogenflagge und ein extravaganter Look dürfen nicht fehlen. In Wien trägt Styles eine hellgrüne Glitzer-Hose mit offenem Gilet, das Gucci-Rüschenkleid ist der Vogue vorbehalten, für die Styles im Dezember 2020 als erster Cover-Boy posiert hat.

 

„My Job is to entertain you“. Und den macht der 4fache Brit-Awards und 3fache Grammy-Gewinner exzellent, chronologisch perfekt aufgebaut: Unbekanntere, groovige Tracks am Anfang (wie „Golden“ und „Adore you“), die Superhits am Schluss, dazwischen One Direction-Covers und der bei jedem Konzert geplante persönliche Kontakt zu den Fans, bei denen Styles „Coming Out“-Fragen beantwortet. Selbst ist er diskreter und gibt keine Statements zu seinen sexuellen Präferenzen ab: „The whole point of where we should be heading, is accepting everybody and being more open“, so Styles im Guardian.

 

Encore

 

Vor allem bei den Mega-Hits könnte sich Styles, der seit fast zwei Jahren ununterbrochern auf Tour ist, jederzeit einen Schnitzer leisten. Die Fans im Front of stage-Bereich singen sowieso jede Textzeile lautstark mit. Dass „Watermelon Sugar“, sein brillanter erster Nr. 1-Hit in den USA, nicht über Wassermelonen handelt, sondern über Oralsex, muss man den Teenies (oder ihren Eltern) ja nicht direkt auf die Nase binden. Bei der ersten Zugabe, seiner an David Bowie angelehnten Ballade „Sign of the Times“ (seiner ersten Nr. 1 in England), gehen im ganzen Stadion die Handy-Lichter an, Gänsehaut pur. „You know, it´s not the same, as it was“, Harry Styles melancholisch-poppiger Track über Liebe, Einsamkeit und Verlust, sein bisher größter Hit aus seinem aktuellen Album „Harry´s House“ (mit 15 Wochen auf Platz in den Staaten), verwandelt das Stadion in einen kreischenden Hexenkessel. Den Schlusspunkt setzen Styles und seine großartige Band mit dem Indie-Kracher „Kiwi“. Ohne Tortenschlacht wie im Video, aber mit lächelnden, glücklichen Gesichtern der Fans. Rock´ Roll will never die. Das gilt nicht nur für die jungen Römer…

Regenbogenparade 2023: LGBTIQ-Community fordert vollen Diskriminierungsschutz!

„Sunshine, Peace, Happiness“ – So kann man die Stimmung auf der 27. Regenbogenparade in Wien bezeichnen, die mit 98 Teilnehmergruppen und mehr als 300.000 Besuchern zu der zweitmeistfrequentierten Parade aller Zeiten zählt. Die erste Regenbogenparade fand 1996 zwischen Oper und Universität Wien statt, mit gerade einmal 25.000 Besuchern. Als Vorbild diente laut Mitbegründer Andreas Brunner New York, dort wo auch der Christopher Street Day seinen Ursprung hatte. Am 27. Juni 1969 leisteten Homosexuelle und Transgender im Lokal Stonewall Inn erstmals Widerstand gegen die Polizeigewalt und die grassierenden Diskriminierungen. Daraus resultierten weltweite Demonstrationen der LGBTIQ-Bewegungen am sogenannten „Christopher Street Day“, in Österreich hat sich die Trademark „Regenbogenparade“ durchgesetzt, die eben nicht nur Party, Tanzen und Lebensfreude widerspiegelt, sondern auch eine politische Demonstration ist.

 

„Together we rise“ war das Motto der diesjährigen Parade, die wie immer – andersrum – entgegen der Fahrtrichtung der 5,2 km langen Ringstraße führte und eine breite Palette an unterschiedlichen Teilnehmergruppen enthielt: Von den LGBTIQ-Protagonisten (wie der Hosi Wien, der Türkis Rosa Lila Villa, dem Gay & Fetisch-Verein LMC Vienna, der Queer Base, der Aids Hilfe Wien oder der Szene-Ikone Conchita „Spreading Happiness“), politischen Parteien und Interessensvertretungen (wie der SoHo, den Grünen Andersrum, den Neos, dem ÖGB oder dem ÖAMTC), Wiener Clubs (wie dem Why Not gemeinsam mit der Felixx Bar, dem Techno-Epizentrum Exil, dem O-Club als Veranstalter der offiziellen Pride Night oder dem Werk) bis hin zu Banken, Softwareunternehmen, Getränke- und Schokoladefirmen, die die Parade augenscheinlich auch als Promotion für ihre Produkte verwenden. Ob dort die Firmenpolitik tatsächlich so divers, tolerant und anti-diskriminierend geführt wird oder die Identifikation mit der LGBTIQ-Bewegung nur der Umsatzsteigerung dient, das sei dahingestellt. Der linksgerichtete Verein Funke dürfte ebenfalls seine Zweifel haben. Deren Motto bei der Parade: „Gegen Pinkwashing – Für den Sturz des Kapitalismus!“

 

Im Mittelpunkt der politischen Message des Pride Month und der Parade steht der volle Diskriminierungsschutz für die LGBTIQ-Community. Laut einer europäischen Studie aus dem Jahr 2020 erfuhren 43 Prozent aller Befragten persönlich Diskriminierung oder Belästigung wegen ihrer sexuellen Orientierung, 21 Prozent fühlten sich am Arbeitsplatz trotz des EU-weiten Schutzes diskriminiert, 11 Prozent der Homosexuellen wurden sogar innerhalb der letzten 5 Jahre körperlich oder verbal angegriffen.

 

Österreich ist dabei keinesfalls Vorreiter, sondern liegt aufgrund des fehlenden Diskriminierungsschutzes nur auf Platz 20 (!) des Länderrankings der Ilga Europe. Während die Bürger im Bereich der Arbeitswelt aufgrund von sechs Diskriminierungsgründen (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion bzw. Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung) geschützt sind, existiert im Privatleben KEINEN Schutz aufgrund der sexuellen Orientierung, der Religion und Weltanschauung bzw. des Alters. Hauptanwendungsbereich ist der „Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum“. Heißt fallspezifisch, dass Lokalbesitzer Homosexuelle aufgrund ihrer sexuellen Orientierung aus ihrem Wirtshaus oder Beisl schmeißen dürfen oder Vermieter offen Schwule, Lesben oder Transgender als Mieter ablehnen dürfen, ohne rechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Skurrile Fälle nennt das von der Hosi Wien publizierte Positionspapier „Levelling Up“. So ist ein Kellner als Arbeitnehmer in einem Lokal geschützt vor der Homophobie des Besitzers, nicht dagegen die Gäste. Eine HTL-Schülerin ist geschützt, da die HTL als Berufsausbildung gilt, nicht dagegen eine Gymnasiastin, da Bundesschulen nicht unter den Diskriminierungsschutz fallen. Eine weitere Kuriosität in diesem Zusammenhang: Die Gleichbehandlungsgesetze der neun Bundesländer enthalten alle einen vollen Diskriminierungsschutz, dieser gilt aber natürlich nur für deren Kompetenzbereiche.

 

Die LGBITQ-Community fordert daher – neben der Erweiterung des Schutzgrundes „Geschlecht“ um Geschlechtsidentität, Geschlechtsmerkmale und Geschlechtsausdruck – ein bundesweit einheitliches Gleichbehandlungsgesetz, das einen vollen Diskriminierungsschutz für queere Personen enthält. Zuletzt wurde dies von der ÖVP 2015 – trotz einer fertigen rot-schwarzen Regierungsvorlage – abgelehnt. Eine rechtliche Situation, die für Schwule, Lesben und Transgender untragbar ist. Man darf gespannt sein, ob sich nach der nächsten Nationalratswahl neue Mehrheiten ergeben. Ein #Schutzfüralle – so der Hashtag – ist längst fällig…

„The Future is Now“: Peter Fox live in der ausverkauften Wiener Arena!

„Alle malen schwarz, ich seh' die Zukunft pink: Wenn du mich fragst, wird alles gut, mein Kind. Mach dein Ding, aber such' keinen Sinn. Und was nicht da ist, musst du erfinden.“ – Diese lässig-euphorischen Reime laufen seit Oktober 2022 auf allen Radiostationen, in allen Clubs und bei allen Privatparties. Pierre Baigorry aka Peter Fox is back, und das mit Turbogeschwindigkeit auf Platz 1 in den Charts. Spontaner musikalischer Aktivismus gegen die depressiven Gemüter, das dachten viele, denn seit seines vielumjubelten Debüt-Albums „Stadtaffe“ von 2008 (!) erschienen keine Solo-Releases von Peter Fox mehr. „Diese pure, auf meine Person gerichtete Aufmerksamkeit finde ich nicht so geil. Dieses Solo-Popstar-Sein ist echt nicht mein Ding“, so Fox in einem aktuellen „Spiegel-Interview“.

 

Die Kreativität und ein nicht realisiertes Album mit dem deutschen Rapper Trettmann allerdings motivierten Fox zu seinem zweiten Solo-Werk, „Love Songs“, das Ende Mai veröffentlicht wurde. Inklusive zahlreicher Live-Auftritte bei Festivals, die innerhalb kürzester Zeit organisiert wurden. Die Wiener Arena zählte zu den ersten Locations der Comeback-Tour, sie war nach wenigen Tagen ausverkauft. Mit dabei hatte Fox die Support-Rapper Ola und Willy Will und die M.I.K.-Family („Monsters in Krump“), eine multikulturelle Streetdance-Gruppe aus Berlin. 

 

„Wir spielen Songs vom neuem Album, vom ersten Album und von Seeed, eine schöne Mischung“, das prophezeite Fox zu Beginn des Konzerts, lässig mit weiten Hosen und Sonnenbrillen. Die 51 Jahre merkt man dem in Berlin-Kreuzberg aufgewachsenen Musiker nicht an, der 1998 die Reggae-Dancehall-Combo Seeed („Dickes B“) gründete und mit dieser genauso wie mit seinem Album „Stadtaffe“ das Berliner Lebensgefühl der 2000er widerspiegelte. 

 

Guten Morgen Berlin. Du kannst so hässlich sein. So dreckig und grau. Du kannst so schön schrecklich sein. Deine Nächte fressen mich auf. Es wird für mich wohl das Beste sein. Ich geh nach Hause und schlaf mich aus. Und während ich durch die Straßen laufe. Wird langsam schwarz zu blau“ – Die legendären Zeilen aus Peter Fox´ ambivalenter Liebeserklärung an die deutsche Bundeshauptstadt dürfen die Fans bereits in der ersten Hälfte des flotten Konzerts genießen und kräftig mitsingen. Und zwar nach einer Palette von neuen Tracks wie „Vergessen Wie“ (Die City Lebt – man darf also auch noch als 50er auf die Piste gehen ), „Ein Auge blau“, „Weiße Fahnen“ (einem Appell an Mäßigung innerhalb von Liebesbeziehungen und Freundschaften) und der subtilen Ballade „Kein Regen in Dubai“.

 

Es dauert nicht lange, bis die Akteure auf der Bühne durch Wiener Fans erweitert werden, die auf einer höher platzierten Plattform mit der M.I.K. Family tanzen und feiern. Im Vordergrund der Schriftzug „The Future is Now“. Hat natürlich eine gewisse Analogie zum coolen Video „Zukunft Pink“. Bis dieser Superhit die rund 3000 Fans endgültig zum Ausflippen bringt, präsentiert Peter Fox noch einige neuere Seeed-Hits (wie „Ticket“, „Lass sie gehn“ und „Hale-Bopp), die neue Single „Tuff Cookie“ (eine Liebeserklärung an den Partner mit coolen Zeilen wie „Winter in Berlin mit dir wie'n warmer Sommer“) und den Body Positivity-Klassiker „Schüttel deinen Speck“.

 

Im Zugabenblock rockt Fox dann die Crowd mit „Alles Neu“ und überrascht mit einer soften Version von „Haus am See“. Diesen Song wollte Fox eigentlich gar nicht mehr live spielen. „Es gibt zwar so eine klassische Sehnsucht nach Familie und Zuhause, aber inzwischen weiß ich: Man kommt nicht an, und dann ist alles toll“, so Fox im „Spiegel-Interview“. 

 

Im Gegensatz zu seiner Show in der Wiener Arena, die alle mitgerissen hat. Inklusive der Abschluss-Nummer von den „Toscana Fanboys“, aufgenommen im Original mit der 85jährigen Italo Pop-Legende Adriano Celentano. Die wird man garantiert im Sommer auch auf den Stränden von Rimini, Lignano und Jesolo hören. 

Junge Römer rocken cooler als die anderen: Maneskin live in der Wiener Stadthalle!

2016 spielten Damiano David, Victoria de Angelis, Thomas Raggi und Ethan Torchio noch in der römischen Via del Corso als junge Straßenmusiker, sieben Jahre später haben sie – nicht nur als Vorgruppe der Rolling Stones – den Rock-Olymp erobert. Den Band-Namen gab es allerdings schon damals: Maneskin, das dänische Wort für „Moonlight“,auserkoren von der Halb-Dänin und Bassistin Victoria.

 

Das corona-bedingt verschobene „Konzert in der Wiener Stadthalle war bereits seit Monaten ausverkauft und sorgte von Beginn an für einen Hexenkessel. Eine kilometerlange Menschenschlange mit rund 80 Prozent Girls im Regenguss vor der Halle, drinnen vor allem in den vorderen Reihen Schweißattacken. Trademark: „Loud Kids Tour gets louder!“ Der rote Vorhang fällt – und mit dem neuen Uptempo-Hit „Don´t wanna sleep“ startet eine 120 Minuten-Power-Show (fast) ohne Verschnaufpause.

 

„The Biggest Rock Band to emerge in years“, so das US-Magazin „Variety“. Im Mittelpunkt der charismatische, kurz geschorene Sänger Damiano David, Idol der weiblichen Fans, der bereits nach einigen Songs die Hüllen fallen lässt und seine zahlreichen Tattoos am nackten Oberkörper präsentiert. Die vier jungen Römer wurden mit gerade einmal 17 Zweite beim italienischen Musik-Wettbewerb „X-Factor“ und stürmten dann mit ihrem ersten, rein italienischen Album „Il Ballo della Vita“ auf Platz 1 der Charts. Auf der Setlist der aktuellen Tour standen – trotz hoher Qualität – leider keine Songs ihres Debüt-Albums. Im Gegensatz zu ihrem internationalen Break-Through-Hit „Zitti E Buoni“, der bereits als 3. Track des Abends für Massenhysterie sorgte. 2021 gewannen Maneskin damit zuerst das San Remo-Festival und danach den Eurovision Songcontest in Rotterdam, (falsche) Drogenvorwürfe gegen Sänger Damiano bei der Siegesfeier inklusive. Was besseres kann nicht passieren. 

 

Seitdem ist das sexy Quartett Liebling der Musik-, Fashion- und Lifestylemagazine. Bassistin Victoria de Angelis lässt auch gerne mal den Busen blitzen, beim Wien-Konzert glänzte sie modisch – wie Gitarrist Thomas Raggi – im schicken Pepita-Look. Drummer Ethan Torchio liefert die exzessiven Drum Beats zum Pop-, Glam- und Alternative Rock-Sound der Band. Schrille Light-Effects, Feuerfontänen und schnell geschnittene Screen-Aufnahmen dürfen nicht fehlen.

 

Romantische Stimmung kommt erstmals bei der auf italienisch gesungenen Gothic-Rock-Ballade „Coraline“ aus dem zweiten Album „Teatro d´Ira“ auf, Sänger Damiano mit schwarzen Sunglasses, bevor er sich beim Rock-Burner „Bla Bla“ erstmals in die Fan-Crowd wirft. Mit „You Fucking love this song“ kündigt er dann den ersten Nr. 1-Hit von Maneskin in Österreich an, „Beggin“, das Four Seasons-Cover, das die Band erstmals im Teenager-Alter (neben Tracks der Killers und Franz Ferdinand) beim X-Factor-Wettbewerb präsentierte und mit dem die Italiener sogar auf Platz 13 in den US-Charts landeten.

 

Nach weiteren Tracks aus dem im Jänner 2023 erschienenen dritten Album „Rush“ (wie „Gasoline“ und „Timezone“) verdunkelt sich die Main Stage, kurze Zeit später taucht Damiano mit Gitarrist Raggi auf einer gegenüber errichteten kleinen Bühne auf und erzeugt dort Gänsehautstimmung mit den Akustik-Versionen von „Vent´anni“ und „If Not for you“. Victoria und Ethan liefern danach ein rockiges Intermezzo, bis Maneskin dann in voller Besetzung den – mit Iggy Pop aufgenommenen – Mega-Hit „I wanna be your Slave“ (übrigens der erste UK-Top-Ten-Hit einer italienischen Band) in die Mikros schmettern. Mit kräftiger Unterstützung der kreischenden Menge. 

 

Ob vorher ausgemacht oder nicht, bei „Mamma Mia“ schmeißt Sänger Damiano der Bassistin Victoria eine große Portion Schlagobers ins Gesicht. Nicht ohne Grund: It was Vic´s 23rd Birthday, den die Band am Vorabend u.a. im Wiener Prater und in einer Karaoke-Bar feierte. Im Stil von Jared Leto dürfen am Ende der Main Show auch die Fans auf der Bühne tanzen und feiern. Der kongeniale Punk-Track dazu: „Kool Kids“, ein Favourite Track der Band.

 

Im Zugabenteil: Die brillante Abschieds-Ballade „(Tonight is gonna be) The Loneliest“, Oktober 2022 Nr. 1 in den Charts (supported durch ein grandioses Funeral-Video mit „Gucci“-Look), und danach noch einmal unter tosendem Applaus „I wanna be your slave“. 

 

„Rock and Roll never dies“. Wie recht doch Damiano bereits nach dem ESC-Triumph hatte…

„Now is the Time“: Retrospektive von Kiki Kogelnik im Wiener Kunstforum

„She´s undoubtely the girl of the future“: Das schrieb einst im Jahr 1966 die US-Modezeitschrift Women´s Wear Daily über die damals 31jährige österreichische Künstlerin Kiki Kogelnik, die sich damals im New Yorker Dunstkreis von Andy Warhol, Roy Liechtenstein, Robert Rauschenberg, Claes Oldenburg und Carolee Schneemann bewegte. Das Fashion-Magazine hatte nicht ganz unrecht. 25 Jahre nach ihrem Tod aufgrund einer Krebserkrankung (1997) war Kogelnik mit ihren Mensch-Maschinen-Hybriden Teil der Venediger Biennale. Und das Wiener Kunstforum widmet Kogelnik, die bereits 2013 in der Kunsthalle Krems mit einer Sonderausstellung vertreten war, die bisher größte Retrospektive. Bezeichnender Titel: „Now is the Time“.

 

Die Kuratorin Lisa Ortner-Kreil hat nach einer dreijährigen Vorbereitungszeit – in Zusammenarbeit mit der Kiki Kogelnik Foundation – das Werk Kogelniks chronologisch angeordnet. Empfangen werden die Besucher allerdings von einem ihrer bekanntesten Werke, dem „Painter“ aus dem Jahr 1975, das eines ihrer künstlerischen USP´s zeigt, das Ausschneiden ihrer (bzw. anderer) körperlicher Umrisse, die dann für die weitere Gestaltung ihrer Kreationen verwendet werden. 

 

Galerie St. Stephan

 

Kogelnik stammt ursprünglich aus dem kärntnerischen Bleiburg und studierte ab Herbst 1955 Malerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Dabei schloss sie Bekanntschaft mit der Avantgarde-Gruppe rund um die Galerie St. Stephan (der u.a. Mäzen Otto Mauer, Arnulf Rainer oder Hans Hollein angehörten). Obwohl Männerdomäne, präsentierte sie dort 1961 ihre erste Einzelausstellung, die von abstrakten Malereien geprägt war. Tatsächlich zog es sie damals schon in das Art-Epizentrum New York („challenging“), wo die Kosmopolitin ein eigenes Atelier bezog und ihren eigenen Stil entwickelte. 

 

Szene New York

 

„Kiki is an original. Her Style is part bohemian, part film star, part intellectual“, so der Kunstkritiker Robert Fulford im Toronto Daily Star. Kogelnik erlangte Popularität in der Szene nicht nur durch ihre grellen Kunstwerke (wie „Fly me to the Moon“, 1963), sondern auch durch ihren schrillen Fashion-Look, ihre lebenslustige Art und ihre Performances. So fabrizierte sie aus ihren körperlichen Umrissen Schaumstofffiguren und trug diese in New York und in Wien durch die City-Streets. In der wilden Sixties-Dekade entstanden ebenso die – im Hauptraum positionierten - knallbunten „Bombs in Love“ und die auf Kleiderbügeln platzierten „Hangings“, die – aus Vinyl bestehend – ebenfalls auf den Umrissen Kogelniks basieren. Der Kleiderbügel steht dabei nicht nur als Symbol für weibliche Rollenklischees, sondern auch für illegale Abtreibungen. 

 

Space Art

 

Ein Sonderraum der Ausstellung widmet sich einem besonderen Faible Kogelniks, der Space Art. In der Mitte steht der rekonstruierte „Lover Boy“ (1963), ein überlebensgroßer Roboter, der aus Backformen (!) und Rohren besteht. Zu sehen sind auch Ausschnitte des legendären „Moonhappenings“ in der Galerie nächst St. Stephan. Kogelnik veranstaltete dort ein Public Viewing der ersten Mondlandung am 21. Juli 1969 und erstellte dazu parallel Siebdrucke mit Datum und genauer Uhrzeit. 

 

Frauenbilder

 

In den 70er Jahren setzte Kogelnik feministische Akzente, indem sie die Rolle der Frau in der patriarchalen Gesellschaft hinterfragte. Weltberühmt ist ihr Sujet „Women´s Lib“ aus dem Jahr 1971, das Kogelnik mit ihrem „Lieblingswerkzeug“, der Schere, und ausgeschnittenen Körpersilhouetten zeigt. Zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen die bunten, lebensgroßen „Frauenbilder“, bei denen Kogelnik Hochglanz-Fashion-Magazine als Vorlage verwendet. „My paintings are about woman, about illusions woman have about themselves“, so Kogelnik, die die ästhetisch wunderschönen Frauenkörper mit geisterhaften, blassen Gesichtern und subtil-ironischen Elementen kombinierte. Beim Gemälde „Superserpent“ (1974) trägt die Frau einen Medusa-Schlangenkranz auf dem Kopf und eine Schlange in der Hand. Im Jahr 2019 wurde dieses Meisterwerk – bei einem Schätzwert von 20.000 Euro – um 162.500 Euro versteigert. Eine verspätete (postmortale) Genugtuung für Kogelnik, die damals laut ihrer privaten Tagebuchaufzeichnungen an der Akzeptanz ihrer Kunst zweifelte („I´m only the Doctor´s wife cooking. My Social standard is wrong“).

 

Spätwerk

 

Kogelnik war zeit ihres Lebens stets für neue Techniken und Stilgattungen aufgeschlossen. Sie besuchte an der New Yorker University einen Filmkurs und drehte danach im Jahr 1978 einen Kurzfilm über den Underground-Punk-Club „CBGB“, u.a. mit dem Schriftsteller Jim Carroll, Blondie und den Ramones. In der Retrospektive sind natürlich auch ihre Keramik-Arbeiten und ihre Glasköpfe (die „Venetian Heads“) zu sehen. Bei den weltweit ausgestellten „Expansions“ vermischte Kogelnik die Keramik mit der Malerei, das Verhältnis zwischen Leben und Tod steht immer mehr im Mittelpunkt ihres Spätwerks. Eines der Highlights der winkende, lachende Tod mit einem „Hi“ auf der Stirn und drei Keramik-Gesichtern über dem Gemälde. Ein ironisch, aber auch bitter anmutendes Kunstwerk Kogelniks, die am 1. Februar 1997 im Alter von 62 viel zu früh gestorben ist.

 

Mit ihren Themen ist Kogelnik 26 Jahre später am Puls der Zeit. Und der Hype um die österreichische Weltbürgerin wird so schnell nicht abreißen: „Now is the Time“ wandert nach dem Wiener Kunstforum ins Kunsthaus Zürich und danach in das Kunstmuseum Brandts in Odense. New York Calling nicht ausgeschlossen.

„Love Sux“-Tour: Avril Lavigne nach 18 Jahren wieder live in Wien!

„I pretty much feel the same other than I definitely can´t drink as much as I used to“, scherzhaft Avril Lavigne kürzlich in einem Interview. 2002 stürmte die damals erst 17jährige kanadische Sängerin mit ihrer ersten Single „Complicated“ die internationalen Charts, eroberte die Herzen der gleichaltrigen, seelenverwandten Teenager und wurde bei den MTV Video Awards als beste neue Künstlerin ausgezeichnet. 

 

21 Jahre später ist die nunmehr 38jährige wieder auf einer – durch die Corona-Pandemie – dreimal verschobenen Welttournee, nach 18 Jahren auch wieder in Österreich, wo sie zuletzt 2005 im Wiener Gasometer rockte. Die Begeisterung für Lavigne, die bis dato rund 70 Millionen Tonträger verkaufte und 7 Studioalben veröffentlichte, war trotz einer längeren künstlerischen Pause wegen Krankheit (Borreliose) ungebrochen, und so wurde das Konzert aufgrund des großen Kartenvorverkaufs vom Gasometer in die Wiener Stadthalle verlegt. 2 Euro jeden Tickets wurden dabei an die Avril Lavigne Foundation gespendet, die Personen mit schweren Krankheiten und körperlichen Behinderungen unterstützt (http://www.theavrillavignefoundation.org/).

 

Optisch hat sich Avril Lavigne innerhalb der letzten 20 Jahre kaum verändert, vielleicht etwas kürzere blonde Haare, sexy Rock und eine coole Lederjacke. Privat dürfte Lavigne aber doch einige Narben davongetragen haben, u.a. durch zwei gescheiterte Ehen mit dem Sum 41-Sänger Deryck Whibley und dem Nickelback-Frontmann Chad Kroeger. Dementsprechend heißt das neue Album „Love Sux“, das allerdings betont angriffig und selbstbewusst klingt. Die erste Single „Bite me“ ist auch gleichzeitig Opener der Avril Lavigne-Show in Wien, die ihre gesamte Schaffensperiode abdeckt. Das freut natürlich die rund 13.000 Besucher unterschiedlichen Alters, die vor allem in den vorderen Reihen die Texte der Hits auswendig mitsingen. Mit einer extralangen Introduction und Original-Videoeinspielungen präsentiert Avril Lavigne gleich im ersten Drittel der Show ihren sensationellen Debüt-Hit „Complicated“, es folgen später „Happy Ending“ (aus ihrem zweiten Album „Under my Skin“), ihr einziger Single-Nr.1 Hit „Girlfriend“ (2007) und natürlich die noch immer lässige Jugend-Hymne „Sk8er Boi“. 

 

Gemeinsam mit ihrem ausgezeichneten Support-Act Phem, einer 27jährigen kalifornischen Sängerin (die 2022 mit „Brkdwn“ einen Indie-Hit ablieferte), schlüpft Lavigne in die Rolle der Spice Girls (!) und würzt deren Glitzer-Pop-Smash „Wannabe (my Lover“) mit einer Prise Rock´n Roll. Bei „Love Sux“ setzt sich Lavigne selbst hinter die Drums, bei der Ballade „When you´re gone“ mit einer Gitarre auf einen Hocker. Und bei der neuen Single „I´m a Mess“, die Lavigne gemeinsam mit dem 25jährigen UK-Alternative Star Yungblud aufgenommen hat, stürzt sich Lavigne in die kreischende Menge der Fans. Riesige Luftballons, Pyro-Einlagen und Konfettiregen dürfen natürlich nicht fehlen. 

 

Ruhige Töne dagegen bei den Zugaben „Head Above Water“ (einem persönlichen Song Lavignes nach ihrer Krankheit) und „I´m with you“ (aus ihrem Debüt-Album „Let Go“), bei dem in der gesamten Stadthalle die Handy-Lichter aufleuchten. Die Fans waren – trotz der kurzen 80 Minuten-Show (und nur 4 Tracks aus dem neuen Album) – von der Rückkehr Lavignes nach Wien begeistert. See you next time baby again! 

50. Todestag: Jahrhundert-Künstler Pablo Picasso in der Wiener Albertina

„Alle Kinder sind Künstler. Das Problem ist, ein Künstler zu bleiben, wenn man erwachsen ist“, ein berühmtes Zitat des wohl genialsten Malers des 20. Jahrhunderts, Pablo Picasso (1881-1973). Kunsttempel, Museen und Galerien weltweit zollen dem spanischen Künstler zu seinem 50. Todestag am 8. April Tribut und widmen ihm zahlreiche Sonderausstellungen, so auch die Wiener Albertina mit ihrer insgesamt 3. Picasso-Exhibition („Malen gegen die Zeit“, 2006, „Peace and Freedom“, 2010). Die rund 60 Kunstwerke, die seine gesamte Schaffenszeit umfassen, stammen aus eigenen Beständen, die 14 Gemälde großteils aus der Sammlung Batliner. 

 

Blaue Periode

 

Picasso wurde 1881 im spanischen Malaga geboren. In Barcelona besuchte er bereits mit 14 die Kunstakademie „La Llotja“, wo er die ersten zwei Klassen überspringen durfte. Die katalanische Hauptstadt war gleichzeitig auch Schauplatz seiner ersten Einzelausstellung im Jugendstil-Cafe „Els Quatre Gats“, zum Epizentrum seiner Karriere wurde allerdings Paris, die anfänglich durch eine private Tragödie erschüttert wurde. Sein Freund Carlos Casagemas brachte sich 1901 aus enttäuschter Liebe zu einer Tänzerin um. Der Startschuss für die „Blaue Periode“ des damals in einem verwahrlosten Haus am Montmartre in einer Künstlerkommune wohnenden Picasso. Eines der Hauptwerke, die in der Albertina präsentierte „Schlafende Trinkerin“, die traurig und einsam – in düsteren Blautönen – auf ein Absinthglas starrt. Auch die erste Radierung Picassos, „Das karge Mahl“ stammt aus dieser Ära.

 

Kubismus

 

Gemeinsam mit dem fauvistischen Maler Georges Braque prägte er zwischen 1908 und 1914 die neue Kunstrichtung des „Kubismus“, die durch geometrische Formen, multiple Perspektiven, eine monochromatische Farbpalette und eine abgeflachte Bildebene gekennzeichnet ist. Vertreten in der Albertina durch das aus dem Jahr 1911 stammende, erstmals gezeigte Gemälde „Etagere“ und „Die Frau mit dem grünen Hut“. Das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, 1947 entstandene Bild ist auch ein Zeichen dafür, dass sich Picasso nie auf einen bestimmten Stil zu einer bestimmten Zeit festlegen ließ, sondern nach subjektiver Befindlichkeit und aufgrund äußerer Einflüsse künstlerisch agierte.

 

Krieg

 

Der Spanische Bürgerkrieg und die dadurch resultierende bis 1975 dauernde Diktatur Francos waren der Grund, dass Picasso seit 1936 zeit seines Lebens nie mehr sein Heimatland Spanien betreten hat. Für die Pariser Weltausstellung kreierte er 1937 das damals umstrittene Meisterwerk „Guernica“, das den deutsch-italienischen Bombenangriff auf die urbane Zivilbevölkerung unter Verwendung zahlreicher unterschiedlicher interpretierbarer Figuren, Allegorien und Symbole zeigt. Heute kann man „Guernica“ – nach einem langen Aufenthalt im Museum of Modern Art von New York – im Musea Reina Sofia Madrid bewundern. Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs war Picasso mit der Fotografin und Antifaschistin Dora Maar zusammen und war – nach der Nazi-Besetzung von Paris – mit Ausstellungsverbot belegt. Picasso wohnte damals in einem Atelier nahe der Notre Dame und malte dort u. a. das „Stillleben mit Gitarre“ (1942), das die Ambivalenz zwischen düsterem Krieg und den trotzdem noch existierenden schönen Seiten des Lebens schildert. 

 

Picassos Frauen

 

Inspirieren ließ sich Picasso während seiner gesamten künstlerischen Karriere von Frauen, egal, ob es sich um Ehefrauen, Lebensgefährtinnen, Geliebte, Freundinnen oder Bekannte handelte. Das zeigen auch eindrucksvoll zahlreiche Kunstwerke in der Pfeilerhalle der Albertina. Im surrealistischen Meisterwerk „Femme, sculptures et vase de fleures“ (1929) offenbart Picasso subtil sein Doppelleben zwischen seiner ersten Ehefrau Olga und seiner 17jährigen Geliebten Marie Therese Walter. In der „Mittelmeerlandschaft“ (1952), dem Lieblings-Gemälde des Albertina-Direktors Klaus Albrecht Schröder, erzeugt Picasso eine beengte, labyrinthartige Atmosphäre an der schönen Cote d´Azur und dokumentiert dadurch die konfliktreiche Beziehung zur 40 Jahre jüngeren Jacqueline Gilot (für die er zuvor die in einer Psychiatrie landenden Dora Maar verlassen hat). 

 

In Vallauris direkt an der Mittelmeerküste konzipierte Picasso nicht nur eine Friedenstaube für den Pariser Weltfriedenskongress, sondern malte auch zahlreiche Porträts der 19jährigen Sylvette David und beschäftigte sich mit der traditionellen Kunst des Töpferns. Die Keramikverkäuferin Jacqueline Rogue wurde nach dem Tod seiner ersten Ehefrau Olga seine zweite, Picasso produzierte über 4000 Keramiken und Teller mit antiken Motiven (wie Stieren, Fischen und Eilen). In seinen letzten Lebensjahren beschäftigte er sich immer wieder mit der Vergänglichkeit des Lebens, so wie in dem auch in der Albertina ausgestellten Meisterwerk „Nackte Frau mit Vogel und Flötenspieler“, das aber gleichzeitig auch eine Liebeserklärung an die Verführung und Erotik darstellte. 

 

Picasso starb am 8. April 1973 mit 91 Jahren. Seine über 50.000 Kunstwerke, von denen 3800 als „Erbschaftssteuer“ im Museu Picasso von Paris landeten, werden noch Jahrhunderte für Freude, Kritik und Interpretationen sorgen. Ganz nach dem Geschmack des spanischen Jahrhundertkünstlers. „Es ist nicht Sache des Malers, die Symbole zu definieren. Sonst wäre es besser, wenn er sie in vielen Worten ausdrücken würde. Die Öffentlichkeit, die das Bild betrachtet, muss die Symbole so interpretieren, wie sie sie versteht.“, so Picasso nach Fertigstellung der „Guernica“.

Electro-Pop mit Romantic Touch: Marc Almond live im Wiener Volkstheater!

„It was our way of saying you can put emotion into electronic music“, Marc Almond über seinen größten Hit „Tainted Love“, den er 1981 gemeinsam mit seinem Partner David Ball unter der Trademark „Soft Cell“ produzierte. 42 Jahre später präsentiert der nunmehr 65jährige auf der Bühne des renovierten Wiener Volkstheaters seine Greatest Hits. Ein abwechslungsreiches Potpourri aus düsterem New Wave der 80er, romantischen Schmachtfetzen und eleganten Pop-Chansons, bei dem die Fans voll auf ihre Kosten kamen.

 

Almond & Ball waren eigentlich Kunst-Studenten in Leeds, die die Original-Version von „Tainted Love“ aus den lokalen Clubs kannten. Der Northern Soul-Klassiker aus dem Jahre 1965 stammt von Gloria Jones, die mit dem T.-Rex-Sänger Marc Bolan (einem Jugendidol Almonds) ein Verhältnis hatte und im September 1977 als Lenkerin den Tod Bolans verursachte. Für Almond war das nicht nur subtil gay angehauchte „Tainted Love“ („Verdorbene Liebe“) der Startschuss für ein exzessives Nightlife in den Clubs von New York, wo die Alben von Soft Cell produziert worden. 

 

Almond feierte, aufgeputscht durch Ecstasy- und Speed-Cocktails, bis zum Umfallen, bewegte sich im Dunstkreis von Andy Warhol und Freddie Mercury und gab wie dieser keine Details zu seiner privaten Sexualität ab. Die Zeiten damals waren laut Almond aber besser für Homosexuelle: „We were together. There was more of a shared experience, us against the World. Now I feel gay people are very divided. I hate the way, the LGBT thing has emerged, transgender community, lesbians, all divided.“ Weitere Tracks aus dem Debüt-Album „Non Stop Erotic Cabaret“ stürmten die Charts, „Bedsitter“ (mit den genialen, szene-kompatiblen Lyrics „Dancing laughing, Drinking loving, And now I'm all alone, In bedsit land, My only home“), „Torch“ und „Say Hello Wave Goodbye“, die natürlich auf der Setlist im Volkstheater nicht fehlen durften. 

 

Soft Cell trennten sich 1984: Kurze Reunions sollten folgen. Für Marc Almond begann eine lange Solo-Karriere mit zahlreichen Kollaborationen, Stilwechseln und Releases, die eigentlich nur durch einen schweren Motorrad-Unfall 2004 mit lebensgefährlichen Kopfverletzungen unterbrochen wurden. „The Stars we are“ aus dem Jahr 1988 war sein erfolgreichstes Solo-Album, mit dessen brillantem Titel-Track der Auftritt im Volkstheater startete. Aus diesem Album stammt auch das Duett mit dem Sixties-Sänger Gene Pitney, „Something´s gotten hold of my Heart“, das, sogar erfolgreicher als das 68er-Original, in den europäischen Charts die Spitzenpositionen erklommte. Das erste große Highlight einer Show, die auch zahlreiche Raritäten (wie „Black Heart“ von seiner Zweitband Marc and the Mambas), neue Tracks (wie „Hollywood Forever“ oder „Golden Light“) und Coverversionen von T.-Rex, Rod Mc Kuen bis hin zu David Bowie´s „John I´m only dancing“ enthielt.

 

Pop-Chamäleon David Bowie inspirierte Almond – durch sein Jacques Brel-Cover „Amsterdam“ (1973) – zu seiner Verehrung des 1978 verstorbenen, belgischen Chansonniers, 1989 veröffentlichte er ein eigenes Brel-Cover-Album („Jacques“), der Single-Hit „Jacky, natürlich auf der Setlist des Konzerts im Volkstheater, oszilliert – ebenso wie „Tears run rings“ und „A Lover spurned“ perfekt im Spannungsfeld zwischen „romance“ und „gutter“, Almonds musikalische und seelische Spielwiese. Die Electro-Pop-Hymne „Purple Zone“, 2022 als euphorischer Neustart nach den dunklen Covid-Zeiten mit den Pet Shop Boys aufgenommen („Let's get out of this life. I'm afraid and alone. Paralyzed in the purple zon“) präsentiert Almond minimalistisch mit Klavier-Begleitung.

 

Gegen Ende des Konzerts können sich die Zuschauer nicht mehr auf den Sitzen halten: „The Days of Pearly Spencer“ (sein elegantes UK-Top 5-Cover des David Mc Williams-Klassikers aus dem Jahre 1967), „Tainted Love“ und das schwülstige „Say Hello Wave Goodbye“ als krönender Abschluss, bevor Almond mit Standing Ovations und zahlreichen Rosensträußen frenetisch verabschiedet wird. A Great Night in einer wunderschönen Location…

„The Fest“: Maskenbälle, Techno-Kultur und Party-Demos im Wiener MAK!

„Fight for your Right to Party“, „Fiesta Grande, Fiesta Noche“, „A little party never killed nobody“, „Get the Party started“ – Die Liste an leidenschaftlichen Parolen, den biederen Alltag zu vergessen und sich in das düster-exzessive Party-Nightlife zu werfen, ist endlos. Das MAK (Museum für Angewandte Kunst) hat sich jetzt dieses Themas angenommen und unter der Trademark „The Fest“ einen spannenden Parcours mit über 650 Objekten konzipiert. 600 Jahre Fest- und Partykultur, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

 

Dekadenz im Kaiserreich

 

So wurde auch in der Habsburger-Monarchie gefeiert, allerdings dienten die damaligen Feste, die durch detaillierte Sitzordnungen und Hierarchien gekennzeichnet waren, oftmals einer reinen Machtdemonstration. Zu sehen ist gleich zu Beginn der Ausstellung der „Königskopfschlitten“ (laut Kuratorin Brigitte Felderer der „Bugatti des Rokoko“), mit dem die Fürsten des 18. Jahrhunderts sich dem Volk präsentierten. Die Untertanen selbst durften bei Faschingsumzügen und Karnevalsveranstaltungen ihren Spaß haben. Wie dekadent und verschwenderisch die Monarchen mit ihrem Geld umgingen, zeigt ein prächtiger Aquarellschrank, den Kronprinz Rudolf seiner Braut Stephanie von Belgien geschenkt hat. Der Begriff „Exzessmöbel“ könnte nicht besser gewählt sein. Schick und mondän ist auch ein riesiger Luster, der zu den zeitgenössischen Kunstwerken der Ausstellung zählt. Er stammt vom britischen Künstler Cerith Wyn Evans und kann per Morsecodes und Lichtsignalen mit den Besuchern kommunizieren.

 

Totenkronen (als Zeichen habsburgischer Bestattungsrituale) sind in einem eigenen Raum positioniert zwischen den Porträts von Kaiserin Maria Theresia und Franz Stephan (edel dekoriert und mit Maske in der Hand) und einem modernen „Knochenporträt“ ihrer Tochter Maria Anna von Österreich (1738-1789). Für die japanische Künstlerin Haruko Maeda symbolisieren Knochen die „Ewigkeit und eine geistige Stärke, die das Fleisch überdauert“. Maria Anna war eine zu ihrer Zeit gering geschätzte Kaisertochter, ihre hochwertige Mineraliensammlung ist allerdings heute noch im Naturhistorischen Museum zu betrachten.

 

Un Ballo in Maschera

 

Direkt daneben läuft in einem abgedunkelten Raum das vom britisch-nigerianischen Künstler Yinka Shonibare produzierte Video „Un Ballo in Maschera“ (A Masked Ball). In Anlehnung an ein historisches Faktum und eine Verdi-Oper wird der schwedische König Gustav III. während eines Maskenballs erschossen, steht aber danach wieder auf und tanzt – im Loop – weiter. Shinabare kritisiert hier die finanzielle und personelle Ausbeutung ausländischer Völker, durch Verwendung sogenannter „wax prints“, die nicht aus Europa, sondern aus den niederländischen Kolonien Afrikas stammen. 

 

Ballroom Blitz

 

Ein Gläschen in Ehren, das kann keiner verwehren. Die Scherzgläser, die einst dem Brautpaar vor der Hochzeit überreicht wurden, sind wohl die Ausnahme von der Regel. Eine Vitrine mit den schönsten Champagnengläsern wurde platziert gegenüber den glamourösen Bildern des Venediger Le Bal 1951, einer vom Multimillionär Charlie de Beistegui inszenierten Veranstaltung mit Hocharistokratie, Hollywood-Stars und Modezaren auf der Einladungsliste, die man unter der elitären Trademark „Ball of the Century“ kennt. Spaß hatte man garantiert auch bei den Wiener Festen im Künstlerhaus und der Sezession. Auf den von Gary Keszler von 1993 bis 2019 organisierten Aids-Charity-Life Ball, die U4-Exzesse in den 80ern oder auf die Clubbing Nights Hannes Jagerhofers im Technischen Museum und in den Sofiensälen hat das MAK leider vergessen. Wie eine freakige Party aber jenseits aller Freizügigkeitsgrenzen und Tabus ablaufen könnte, zeigt das großformatige Kunstwerk der österreichischen Aktionskünstler von Gelitin.

 

Berghain

 

Parties ohne Unterbrechung von Samstag nacht bis Montag früh, streng selektierte Party People, Exzesse aller Art on the Dancefloor und in den Dark Rooms. Kein Wunder, dass im Berliner Kult-Club Berghain Film- und Fotoverbot herrscht. Strictly feel the Moment. Im MAK ist ein Kork-Modell des weltberühmten Techno-Clubs von Philip Topolovac zu sehen, dazu eine witzige Zeichnung Sampo Hänninens über die Verteilung der Stammgäste im Berghain und der inkludierten Panorama Bar. Ein Foto („studio party“) von Kult-Szenefotograf Wolfgang Tillmans (von dem einige großformatige Shots im Club hängen) darf natürlich nicht fehlen. 

 

Reclaim the Streets

 

„There are two different forms of dancing, that of entertainment and that of urgency“, so der serbische Künstler Bogomir Doringer, der seit 2014 Clubs aus der Vogelperspektive fotografiert und die Choreographien der Tänzer studiert. In Zeiten von Krisen ist der Tanz eine kollektive Ausdrucksform der Teilnehmer. Bei der Berliner Love Parade mit dem Motto „Friede, Freude, Eierkuchen“ standen mehr der hypnotische Sound, Spaß, Ecstasy und der ultimative Exzess im Mittelpunkt. Anders bei authentischeren politischen Demonstrationen wie „Reclaim the Streets“ (die ihren Ausgangspunkt im Widerstand gegen den „techno-party-feindlichen“ Criminal Justice Act Margaret Thatchers hatten, später sich allerdings auch gegen Kapitalismus, Konsumwahn, Umweltverschmutzung, Autoverkehr und die Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes richteten) oder den global inszenierten „Carnival against Capital“ 1999, der das G8-Treffen in Köln im Visier hatte. Zahlreiche Videos derartiger Protest-Demos sind auf großen Leinwänden im MAK zu sehen. 

 

Maifeiern

 

Ebenso wie alte Filme über die Maifeiern der Sozialdemokraten. Die erste Mai-Kundgebung fand übrigens am 1. Mai 1890 unter dem Motto „888“ (8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Schlaf, 8 Stunden Erholung) statt, mehr als 100.000 Arbeiter versammelten sich damals im Prater, zu dieser Zeit die größte Zusammenkunft in der Habsburger-Monarchie.

 

Sports Banger

 

Aus einem versteckten Kämmerchen dröhnen kontinuerlich progressive UK-Techno- und House-Vibes. Ein Raum zum hedonistischen Abtanzen und zum Look auf die schrillen Fashion-Shows des T-Shirt- und Sportswear Labels Sports Banger. Die Auswahl der Modemarke hätte nicht besser sein können. Denn Boss Jonny Banger gilt schlechthin als Personifikation für den modernen „Fest“-Begriff. Er kreiert nicht nur Mode, ist Gründer eines Musik-Labels (Heras), organisiert Food Banks für hilfsbedürftige Menschen, veranstaltet Club Nights und inszeniert sich als politischer Aktivist (u.a. mit den im Londoner Foundling Museum ausgestellten „Covid-Letters“ Jugendlicher). Motto: „Everything comes back to the spirit of Rave“…

Warhol, Kiefer, Hirst & Co.: Revolution in Printmaking @ Albertina Modern!

Serialität, Monumentalisierung und die Erfindung des Siebdrucks: Das sind die drei Merkmale, die zu einer Revolution in der Druckgrafik nach dem 2. Weltkrieg geführt haben. Die Albertina Modern präsentiert – parallel zur zeitlich vorgelagerten Ausstellung „Von Dürer über Munch zu Miro“ in der Albertina – rund 80 Kunstwerke dieser Zeit, die allesamt aus dem eigenen Bestand stammen.

 

Prominent vertreten sind natürlich die Vertreter der Pop Art, von Andy Warhol, Roy Lichtenstein bis hin zu Robert Rauschenberg. Warhol verglich die Herstellung von Kunstwerken mittels Siebdruckverfahrens mit der Arbeit in einer Fabrik, sein Atelier bezeichnete er daher kongenial als „Factory“. Als Motive wählte er Alltagsgegenstände, Fotos aus der Zeitung und den Medien und Celebrities. Zu sehen sind in der Albertina Modern u.a. seine weltberühmten Foto-Konstellationen von Mao Tse Tung, dem electric chair und den Campbell Soups. 

 

Ein Musterbeispiel für die Monumentalisierung der Druckgrafik sind die Kunstwerke des US-Amerikaners Chuck Close, der mit einem 4 mal 14 Meter großen Bild aus variierten Porträts die gesamte Seitenfront einer Ausstellungshalle besetzt. In bester Gesellschaft befinden sich dabei Werke der deutschen Künstler Anselm Kiefer (mit seinen großformatigen Holzschnitten über die Hermanns-Schlacht und das Rheingold), Jörg Immendorff und Georg Baselitz. 

 

Österreich ist u.a. vertreten durch den 2022 verstorbenen Aktionskünstler Hermann Nitsch („Das letzte Abendmahl“), Arnulf Rainer, Auguste Kronheim (die die Rolle der Frau als Mutter, Köchin und Hausfrau kritisch hinterfragt) und die Grazer Illustratorin Michaela Konrad, die im Rahmen ihres Zyklus „Can this be tomorrow“ mit einer grellen Comic-Serie die „Brave New World“-Utopien Aldous Huxleys aus dem Jahre 1932 mit dem Überwachungsstaat der Gegenwart konfrontiert.

 

Das American Way of Life wird zelebriert durch Kunstwerke von Alex Katz (mit schick-oberflächlichen Frauen-Porträts), Jack Pierson (der Stars wie Marilyn Monroe oder Tony Curtis mit Vintage-Schriftzügen wie „Boy“ oder „Legend“ schmückt), Jim Dine (mit seinen Summer-Holzschnitten) und Kiki Smith, die durch ein Ineinanderfließen von Selbstporträts und Masken eine düstere Atmosphäre erzeugt („Banshee Pearls“).

 

Der britische Superstar Damien Hirst erwartet mit seinem „Last Supper“ die Kunstfreaks beim Ausgang der Ausstellung. Zu sehen sind dort – angelehnt an Jesus und seine 12 Jünger – 13 typische Medikamenten-Verpackungen, die allerdings laut Aufschrift Lebensmittel wie Chips, Sandwich, Salat, Chicken und Mushrooms enthalten. Eine mögliche Interpretation liefert Hirst selbst mit einem Zitat: „Art is like medicine – it can heal. Yet I’ve always been amazed at how many people believe in medicine but don’t believe in art, without questioning either.“

 

Andy Warhol bis Damien Hirst: The Revolution in Printmaking.  24. Februar – 23. Juli 2023…

Mega-Hits mit Freud-Esprit: Robbie Williams live in der Wiener Stadthalle…

Startschuss Ibiza. Das australische Duo Tim Metcalfe und Flynn Francis aka Lufthaus sorgte im August 2022 u.a. im 528 Ibiza und im Ibiza Rocks mit trance-artigen Electro-Tracks für Party-Stimmung. Mit im Gepäck ein Sensationsgast: Robbie Williams, der auch auf ihren Tracks „Sway“, „Soul Seekers“, „To the Light“ und „Unlovable“ zu hören ist. Das beim von Trance-Legende Armin van Buuren mitbegründeten Label Armada Music unter Vertrag stehende Duo wurde kongenial von Robbie Williams als Support-Act für seine „XXV-Tour“ gebucht. Nicht wenige dürften der Annahme gewesen sein, dass Robbie Williams auch bei der Pre-Show auf der Bühne steht, bester Beweis die unendlichen Menschenmassen vor der Wiener Stadthalle um ca. 19 Uhr. Leider ein Fehlalarm, Robbie war noch im Backstage-Bereich, und die Fans trösteten sich mit den tanzbaren Lufthaus-Tracks und einem „Sweet Dreams“-80er-Klassiker der großartigen Eurythmics.

 

Superstar Robbie Williams

 

„This is my band, this is my arse, and I am Robbie Fucking Williams“: So peitschte der „MTV Greatest Superstar“ und „most influential artists of the 90´s die Fans ein, als er mit rotem Fußball-T-Shirt (inkl. Penis-Karikatur) die Bühne betrat. Über 77 Millionen Tonträger hat der am 13. Februar 1974 geborene Robert Peter Williams verkauft, dazu 18 Brit Awards und ein Eintrag im Guinness Buch der Rekorde mit 1,6 Millionen verkaufte Eintrittskarten an einem Tag für seine 2006er-Tour. Nur der Durchbruch in den USA (kein einziger Top 40-Hit) gelang ihm nicht. Dies war allerdings nicht Thema seiner Jubiläums-Tournee, die sich zahlenmäßig auf das erste Solo-Album „Life thru a lens“ (1997) u.a. mit dem Welthit „Angels“ bezieht. Andere berufliche und private Probleme von Williams dagegen standen durchaus im Zenit der mehr als zweistündigen Show, der einst in Wien lebende Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, hätte seine Freude damit gehabt.

 

Take That-Memories

 

Vorerst aber wurde Party gemacht, mit einem Up-Beat-Track, der gleichzeitig Trademark von Robbie Williams ist: „Let me entertain you“. Die Journey durch 33 (!) Jahre Williams-Life mit vielen Ups and Downs konnte beginnen. Kurz nach dem Mauerfall mit dem Jahr 1990, als der erst 16jährige Robbie Williams Teil der fünfköpfigen Boy-Band Take That aus Manchester wurde. „Do what u like“ war die erste (mäßig erfolgreiche) Single der Jungs, das dazu gedrehte Video ließ Williams bei der Stadthallen-Show unter der Bezeichnung „Gay Porn“ einspielen, am Schluss ein Standbild seines nackten Pos. Kurz angestimmt wurde auch der 92er-Hit „Could it be Magic“, der erste Song, bei dem Williams hinter das Mikro treten durfte. Ansonsten war zumeist der Songschreiber Gary Barlow der unumstrittene Vocal-Leader der Band, Selbstzweifel, der Hang zum Alkohol und zu Drogen und die unerträgliche Überwachung des Privatlebens plagten damals schon Williams. Die Lebensbeichte seiner „Teenagerjahre“ erfolgte live minutenlang auf der Bühne. Nach einem Champagner- und Kokainrausch düste Williams Richtung Glastonbury (Juni 1995) und machte dort mit den berühmt-berüchtigten Gallagher-Brothers von Oasis die Nacht zum endlosen Tag. Der Rausschmiss aus der Band erfolgte nur einige Wochen danach am 17. Juli 1995, noch vor der Take-That-Tour (die Williams eigentlich noch absolvieren wollte). 

 

Don´t look back in anger

 

„Take That became a painful distant memory“, so Robbie im Original-Ton. Viel später kam es aber wieder zu einer Annäherung mit der Band („If you can´t beat them, join them“). Den ersten gemeinsamen „Wiedervereinigungs-Song“, „The Flood“, präsentierte Williams in voller Länge. Und danach eines der Show-Highlights: „Don´t look back in anger“: das wunderschöne Oasis-Cover, gleichzeitig cool-lässiges Statement des vom geschniegelten Boyband-Popper zum  schnörkellosen Indie-Rocker mutierten Superstars.

 

Eternity

 

„You were there for Summer Dreaming. And you gave me what I need. And I hope you find your freedom. For Eternity“. Die romantische Ballade aus dem 2000er-Album „Sing when you´re winning“, als Begleitung ein ganzes Orchester im Hintergrund. Robbie Williams widmet diesen speziellen Song dem ehemaligen Spice Girl Geri Halliwell. Trotz seines großen Erfolges fühlte sich Robbie allein, depressiv, war emotional am Ende und schwerst alkoholabhängig. Halliwell fuhr mit ihm auf Urlaub und half ihm bei seinem Weg aus der Sucht. Seitdem hat Williams 23 Jahre lang keinen Alkohol mehr angerührt. 

 

Drugs vs. Family Life

 

„I took Alcohol, Cocaine, Ecstasy (this was great). The Party had to end, but I didn´t know when it should end“, so Williams bei einer späteren Rede vor dem gespannten Publikum. 2007 war Williams zuletzt in einer Reha-Klinik. Zu dieser Zeit lernte er auch seine spätere Frau, die Schauspielerin Ayda Field, kennen. „At the end of the 90´s I had two rules. Never get married. And no children“. Diese Grundsätze haben sich zum Glück geändert. Williams ist seit 2010 mit Ayda verheiratet und hat vier Kinder. „I love my Life“, seine musikalische Liebeserklärung an seine Familie, geschmückt mit Baby- und Kinderspielzeug-Visuals und einem Konfettiregen.

 

Encore

 

„I just wanna feel real love. Feel the home that I live in“. Auf diesen Superhit aus seinem vierten Album „Escapology“ haben bereits alle gewartet, Robbie elegant grün beleuchtet vor blauem Hintergrund. Danach schlüpft eine blonde Background-Sängerin in die Rolle Kylie Minogues, it´s „Kids“-Time. Der disco-lastige „Rock DJ“ sorgt für Dancefloor-Atmosphäre in der mit 15.000 Besuchern ausverkauften Wiener Stadthalle. Als Zugabe das von den Pet Shop Boys produzierte „No Regrets“, „She´s the one“ und als Finale – Handy-Lights inklusive - der Fan-Favourite „Angels“:

 

Die musikalische und psychologische Odyssee durch das Leben von Robbie Williams ist zu Ende, das Publikum ist happy, überglücklich und strahlend auch der Manegenstar. „I hope I´m old before I die“ stand nicht auf der Setlist, das hat ihm vermutlich der Herr Freud geraten...

„My Friend Freddie“: Buchpräsentation von Regisseur Rudi Dolezal im Wiener Thalia

„My Friend Freddie“ ist keine vollständige Biographie, nicht Freddies lückenlos recherchierte Fakten und komplette History, sondern MEINE Geschichte – Die Geschichte eines langhaarigen Hippies, der aus dem 9. Wiener Gemeindebezirk auszog, die Welt als Videoregisseur und Musikfilmer zu erobern.“ Rudi Dolezal, für seine Mercury-Doku „The Untold Story“ bei den Grammys ausgezeichnet, im Vorwort zu seinem Buch über seine Freundschaft und Arbeitsbeziehung zum legendären Queen-Sänger Freddie Mercury, der am 24. November 1991 an den Folgen einer Aids-Infektion starb.

 

In den nächsten Monaten wird Dolezal mit seinem Buch auf einer Lesungs-Tour durch ganz Österreich, Deutschland und der Schweiz unterwegs sein, erste Eindrücke gab es bereits bei einer Buchpräsentation im Thalia Wien-Landstraße. Vor einer großen Menschenaudienz (darunter auch einigen Mitglieder des Queen-Fan-Club) wurden nicht nur Kostproben aus dem Buch serviert, sondern auch interaktive Fragen des Publikums beantwortet. Dolezal erzählte von seinen Anfängen als Video-Regisseur, wie er als knapp 20jähriger bei der Arena-Besetzung „Ohne Maulkorb“-Mitarbeiter kennenlernte und dort die Chance bekam, den Job von der Pike auf zu lernen. Dazu gehörten im Laufe der Zeit auch „Musikfilme“ von Künstlern wie Falco, Trio, Nina Hagen, den Rolling Stones oder Frank Zappa, die erst später zum Genre „Musikvideos“ mutierten. Wien war Anfang der 80er nicht die Stadt, in der die Pop- und Rockstars ein- und ausgingen, auch TV-Reports über die Musikszene waren eher rar gesät. Durch „Ohne Maulkorb“ bekam Dolezal die Möglichkeit, Freddie Mercury in einer Bauernstube des Hilton Hotels von München zu interviewen. Was sein Leben veränderte. 

 

Dolezal und Mercury waren sich von Anfang an sympathisch, das letztes Interview des Tages wurde das beste mit schillernden Zitaten wie „I am just a musical prostitute, my dear“, Wodka Drinks inklusive. Dolezal schickte Mercury den fertigen Beitrag per VHS-Cassette nach London mit dem frech-naiven Zusatz „und wenn du mal einen wirklich guten Video-Regisseur brauchst“. Dieser Mut machte sich bezahlt: Im Jahr 1985 nach dem sensationellen Live-Aid-Auftritt Queens meldete sich das Management, Dolezal und Rossacher bekamen den Zuschlag für das Video „One Vision“, das in München in kürzester Zeit gedreht wurde. Es folgten im Laufe der Zeit 31 weitere Queen-Videos mit Drehorten quer über dem Globus, Mercury und Dolezal wurden „Leibfilmer und Freunde“. „Go for the Impossible“ oder „Never try to be the second Best“, zwei Maxime Mercurys, wurden auch zu Lebensparolen Dolezals.

 

Auf die Frage nach dem „wichtigsten Moment mit Mercury“ offenbarte Dolezal seine Geschichte über den „letzten Take“ im Zusammenhang mit dem letzten Queen-Video „These are the days of our Lives“ am 30. Mai 1991. Mercury, damals schon gesundheitlich schwer gezeichnet, forderte eine Wiederholung der letzten Szene, um – so wie Dolezal es interpretiert – ein Zeichen zu setzen. „Er hauchte in die Kamera „I still love you“, schnippte mit dem Finger und ging aus dem Bild“ (im Sinne einer Verabschiedung vom Leben). Bei einem späteren Nachruf für ein deutsches Musikmagazin war Dolezal vorerst kaum in der Lage, die richtigen Worte zu finden, dann erinnerte er sich an ehemalige Zitate Mercurys, „Ich möchte einfach so viel Spaß im Leben haben wie möglich, in den Jahren, die mir noch bleiben“. „Lebensfreude, Professionalität, Genialität, Dasein für andere“, das war der Spirit, das persönliche Vermächtnis der Queen-Legende. 

 

31 Jahre nach seinem Tod ist das Queen-Fever still alive. 14 Millionen Queen-Fans sind international organisiert, der Film „Bohemian Rhapsody“ wurde – trotz historischer Mängel – ein Kassenschlager, der Hauptdarsteller Rami Malek mit dem Oscar und Golden Globe ausgezeichnet. Der US-Rock-Sänger Adam Lambert schlüpft seit 10 Jahren in die Rolle Mercurys und begeistert mit Brian May und Roger Taylor ein Millionenpublikum. Dolezal sieht dies als einer, der den Original-Mercury miterlebt hat, zwiespältig. „Mit Freddie ist Queen gestorben. It´s as close as you can get, aber es fehlt die Authentizität“. 

 

Lambert sieht dies übrigens nicht anders, „May und Taylor wollen auftreten und ihre Musik spielen, brauchen dafür aber einen Sänger. Ich bin eine Art Dienstleister für sie und das Publikum“, so Lambert in einem Stern-Interview im Juni 2022. So everybody can be happy…

Vienna Facts: Statistiker rechnen mit 2 Millionen Einwohnern im Jahr 2027!

Wien kann sich wieder einmal mit besonderen Lorbeeren schmücken. Laut einer Studie der Beratungsfirma Boston Consulting Group liegt die fünftgrößte Stadt der EU bei den mittelgroßen Metropolen unter 3 Millionen Einwohnern auf dem großartigen zweiten Platz. Nur die „Fahrrad-Hochburg“ Kopenhagen konnte Wien mit 3 Punkten Vorsprung Platz 1 streitig machen.

 

Bevölkerungs-Statistik 2023

 

So ist es kein Wunder, dass die Bevölkerung in Wien immer mehr ansteigt und man 2027 mit dem Überschreiten der 2-Millionen-Einwohner-Grenze rechnet. Am 1. Jänner 2023 zählte Wien 1,98 Millionen Personen mit Hauptwohnsitz, 51.000 mehr als im Jahr 2021. Dieser Wert setzt sich zusammen aus der Geburten- und der Wanderungsbilanz. Die Geburtenbilanz wies aufgrund der höheren Sterblichkeit während der Corona-Pandemie im Vergleich zum Vorjahr (1273) einen geringeren Überhang von 1000 Personen auf (19.000 Lebendgeborene, 18.000 Gestorbene). Die Wanderungsbilanz betrug 51.000 (2021: 9581), großteils verursacht durch die Ukraine-Flüchtlinge.

 

Staatsangehörigkeit

 

Laut Statistik Austria wohnen in Wien mehr Frauen (51,1 %) als Männer (48,9 %). Das Durchschnittsalter beträgt 41 Jahre. 67,8 % der Einwohner Wiens sind Österreicher, 14,1 % aus dem EU-Ausland, 18 % aus Drittstaaten. Was mit anderen Worten bedeutet, dass mangels Staatsbürgerschaft fast ein Drittel der Bürger nicht wahlberechtigt ist. EU-Ausländer dürfen nur bei den Bezirksvertretungswahlen teilnehmen. 

 

Bei den ausländischen Staatsangehörigen sind die Serben mit 4 Prozent führend, danach folgen Deutsche (2,8 %), Türken (2,3 %), Polen (2,3 %) und Rumänen (2,0 %). In den letzten 10 Jahren ergab sich aufgrund der Flüchtlingsentwicklung ein hoher Wanderungssaldo der Syrer (31.251) und der Afghanen (17.817), der immer wieder zu politischen Konfrontationen zwischen der SPÖ-geführten Landesregierung und der blauen Opposition führt. Fakt ist, dass ohne diese Zuwanderung Wien nicht die am stärksten wachsende größere EU-Stadt der letzten 10 Jahre geworden wäre.

 

Fläche und Bevölkerungsdichte

 

Die Fläche Wiens beträgt 414,9 km2, die Donaustadt ist flächenmäßig mit 102,3 km2 der größte, die Josefstadt mit 1,1 km2 der kleinste Bezirk. Die Bevölkerungsdichte betrug am 1.1. 2022 4656 Personen pro km2. Margareten ist Spitzenreiter mit 26.710, Hietzing aufgrund des Wienerwalds und des Lainzer Tiergartens Schlusslicht mit 1431 Personen pro km2. 

 

Höhen und Tiefen

 

Die größte Erhebung Wiens ist der zum Kahlengebirge zählende 543 m hohe Hermannskogel im nördlichen Wienerwald an der Grenze zu Niederösterreich. Der 1964 erbaute Donauturm ist mit 252 Metern das höchste Bauwerk Wiens und Österreichs, dahinter folgt mit knappem Abstand der vom französischen Architekten Dominique Perrault geplante DC Tower in der Donau City mit 250 Metern. Tiefster Punkt in Wien ist die Lobau mit 151 Metern über dem Meeresspiegel, tiefste U-Bahn-Station aktuell die U1-Station Altes Landgut (mit 30 Metern unter dem Straßenniveau). Übertroffen wird sie in Zukunft durch die neue U5-Station Neubaugasse mit 35 Metern unter der Erde. Eröffnet wurde die erste U-Bahn Wiens übrigens am 25. Februar 1978, Bundespräsident Dr. Rudolf Kirchschläger saß bei der ersten U1-Fahrt zwischen Reumannplatz und Karlsplatz im Fahrer-Cockpit.  

 

Bildung

 

Die erste Universität Wiens existiert da schon viel länger, sie wurde 1365 – mit Standorten im Stubenviertel des 1. Bezirks – gegründet und war damit die älteste im deutschen Sprachraum und drittälteste in Mitteleuropa nach der Karls-Universität Prag und der Jagiellonen-Universität in Krakau. Heute gibt es in Wien 23 Hochschulen mit 193.924 ordentlichen Studierenden (davon 159.245 in öffentlichen Universitäten, 19.832 in Fachhochschulen, 8.096 in Privatuniversitäten und 6.751 in Pädagogischen Hochschulen). Wien ist damit knapp hinter Berlin die zweitgrößte Hochschulstadt im deutschsprachigen Raum. 55 Prozent der Studierenden sind Frauen, und das spiegelt sich auch im Akademikeranteil wider. 2020 waren 31 Prozent der Frauen Träger eines Akademikertitels, aber nur 26 Prozent der Männer. 2001 hielten sich beide Geschlechter noch bei 15 Prozent die Waage.

 

Der Akademiker- oder Facharbeiternachwuchs in spe wird in den zahlreichen Schulen Wiens ausgebildet. Insgesamt 247.327 Schüler waren im Schuljahr 2020/21 laut Statistik Austria in Wien gemeldet. In den Kindergärten wurden 2021/22 insgesamt 98.294 Kinder auf den „Ernst des Lebens“ vorbereitet. 89 Prozent aller Kinder besuchten dabei elementarpädagogische Einrichtungen, die ganztägig geöffnet und mit einer Vollzeitbeschäftigung der Eltern vereinbar waren.

 

Bevölkerungsprognosen

 

Die Bevölkerungsprognosen der Statistik Wien gehen davon aus, dass Wien im Jahr 2027 die Zwei Millionen-Einwohnergrenze überschreiten wird. Bis zum Jahr 2036 soll der historische Bevölkerungshöchststand aus dem Jahr 1910 von 2,1 Millionen Einwohnern erreicht werden. Die Zuwanderung aus dem Ausland wird vermutlich zurückgehen, die positive Geburtenbilanz allerdings durch die junge Altersstruktur ansteigen. Unter den Innenstadtbezirken dürfte nur die Bevölkerung der Landstraße deutlich zunehmen, ansonsten sind leichte Zunahmen (Innere Stadt, Alsergrund) Rückgänge (Margareten, Mariahilf, Neubau) und Stagnationen (Wieden, Josefstadt) zu erwarten. In den äußeren Bezirken ist mit einem starken Wachstum bis über 16 % zu rechnen, vor allem in der Brigittenau und Donaustadt.

 

Im Steigen begriffen ist auch der Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre, von aktuell 16,5 % auf 21,6 % in den kommenden drei Jahrzehnten. Eine große Herausforderung vor allem für den Gesundheits- und Pflegesektor, mit der nicht nur die Stadt Wien konfrontiert werden wird…

 

Quellen:  Wien in Zahlen 2022, Statistik Wien

„You definitely had to be there“: Panic at the Disco-Abschiedsgig in der Wiener Stadthalle

Seit dem 2016er-Album „Death of a Bachelor“ handelt es sich bei der 2004 von vier Jugendfreunden aus Las Vegas gegründeten Rock-Band Panic at the Disco um ein Soloprojekt des Sängers Brendon Urie. Insofern ist es verblüffend und witzig zugleich, dass sich beim Startschuss der „Viva Las Vengeance“-Tour in der Wiener Stadthalle 11 Musiker und Musikerinnen auf der Bühne befinden. Vom charismatischen Mastermind Urie, der cool-lässigen Bassistin Nicole Row, dem Leadgitarristen Mike Naran, Drummer Dan Pawlovich bis hin zu klassischen Viola-, Cello- und Violin-Virtuosinnen. Eine bombastische Rock-Opera im Las Vegas-Style mit grell-düsteren Visuals im Juke-Box-, Flowers- und Totenkopf-Style ohne Atempause.

 

Eine riesige Uhr zählt die Sekunden bis zum Showbeginn ab, dann betritt die ausgezeichnete Panic at the Disco-Crew die Bühne mit einem ihrer größten Hits, „Say Amen, Saturday Night“. Das Publikum altersmäßig bunt durchgemischt, immerhin existiert die (Original)-Band seit 2004, die jüngsten Fans lernten Uries Rock-Hymnen vermutlich durch Tik Tok kennen, Stichwort „House of Memories“. Auf der Setlist stehen Tracks aus nahezu allen Alben, vom überraschenden US-Top-Ten-Hit „I write sins not Tragedies“ (aus dem Debüt-Album „A Fever you can´t sweat out“), „Miss Jackson“, „Victorious“, „Nine in the Afternoon“ bis zu allen 12 Songs aus dem letzten 7. Album (wie dem Titeltrack „Viva Las Vengeance“, „Do it to Death“, „God killed Rock´n Roll“ und dem brillanten „Don´t let the Light go out“). Der größte Hit der Band, „High Hopes“ (der bis auf Platz 4 der US-Charts kletterte), beendete die temporeiche Rock-Show in der Stadthalle mit einem Konfettiregen. Und nicht nur diese. Panic at the Disco lösen sich nach dieser Tour am 10. März in Manchester endgültig auf. Offizieller Grund: Brendon Urie und seine Frau bekommen Nachwuchs. Das Motto der Show „You definitely had to be there“ war insofern kein billiger Marketing-Gag.

 

Die Zukunft dagegen gehört dem feministisch-queeren Support-Act, Cari Elise Fletcher aka Fletcher. Die aus New Jersey stammende Künstlerin veröffentlichte nach einigen EP´s 2022 ihr erstes Album „Girl of my Dreams“. Im Mittelpunkt steht dabei ihre verflossene Liebesbeziehung zur You Tuberin und LGBT-Anwältin Shannon Beveridge, bei ihrem größten Hit „Becky´s so hot“ wird sogar deren neue Flamme zum Song-Motiv. Fletcher spielt gekonnt mit Erotik, platziert sich kongenial in der pinken Community und produziert eingängige Rock-Pop-Tracks, die live um einiges härter und energischer klingen als auf dem Debüt-Tonträger. Beim nächsten Vienna-Auftritt garantiert als Headliner unterwegs…

„Portraits“: Star-Fotograf Juergen Teller in der Christine König Galerie

Der 1964 im deutschen Erlangen geborene Juergen Teller trägt – neben dem kürzlich im Mumok mit seiner Ausstellung „Schall ist flüssig“ herausragenden Wolfgang Tillmans – die Trademark „Popstar der zeitgenössischen Fotografie“. Im September 1986 zog er nach London, um der Wehrpflicht zu entgehen, kreierte dort Plattencover für Stars wie Sinead O´Connor, Soul to Soul, Elton John, Neneh Cherry und Morrissey und arbeitete für die Fashion-Lifestyle-Magazine „The Face“, „ID“ und „Arena“. Weltberühmt wurden seine Fotos von Kurt Cobain und Nirvana, die er 1991 auf ihrer „Nevermind-Tour“ – kurz vor ihrem unerwarteten Charts-Durchbruch – begleitete. Teller war auch verantwortlich für die erste Modekampagne der damals 15jährigen Kate Moss und konzipierte die ambivalenten Shots des extrem dürren US-Supermodels Kristen McMenamy. 

 

„Portraits“ internationaler Stars und nationaler Persönlichkeiten von Teller sind bis Anfang März 2023 in der Christine König Galerie in der Schleifmühlgasse 1a (1040 Wien) zu sehen. Die Palette reicht von Punk-Rocker Iggy Pop (im Juli mit den Red Hot Chili Peppers im Wiener Ernst Happel-Stadion), Schachweltmeister Garri Kasparow, Maler Anselm Kiefer bis hin zu teils freizügigen Motiven der kürzlich verstorbenen Fashion-Ikone Vivienne Westwood. Zu den Highlights der Ausstellung zählen auch die Aufnahmen der österreichischen Schriftstellerin Friederike Mayröcker, die sie in ihrer Wiener Dachgeschoßwohnung inmitten eines „Zettelgebirges“ zeigen.

 

Teller arbeitet ohne Retuschierungsprogramme, sondern lichtet die Porträtierten so ab, wie sie sind – mit Narben, Falten und Hautunreinheiten. Ein klarer Abgesang auf die hyperkünstliche Ästhetik anderer Fotografen. Dass er auf Instagram selbst keine Fotos postet, die Plattform aber spannend findet, ist insofern keine Überraschung. Tellers Foto sind allerdings „in der Regel inszeniert“. „Ich prüfe die Räume, in denen ich fotografiere, überlege mir, welche Posen dort infrage kommen. Aber ich lasse den Leuten auch den Spielraum, sich zu positionieren, wie und wo sie sich am wohlsten fühlen“, so Teller kürzlich in einem „Profil“-Interview.

 

Der Kult-Fotograf vergleicht dabei seine Methodik mit der von Ulrich Seidl. Ein Foto des österreichischen Film-Regisseurs findet man auch in der Christine König Galerie, gleich rechts nach dem Eingang…

 

Juergen Teller – Portraits – Galerie Christine König, Schleifmühlgasse 1a, 1040 Wien

Mick Hucknall in Bestform: „Greatest Hits“-Party von Simply Red in der Wiener Stadthalle…

„Red and the Dancing Dead“ und „Just Red“ waren die ersten Band-Namen, bis Leadsänger Mick Hucknall deren spätere lebenslange Trademark auf „Simply Red“ änderte. Der Name basiert nicht nur auf der auffälligen Haarfarbe Hucknalls, sondern auch auf den T-Shirt-Farben seiner Lieblingsfußballmannschaft, Manchester United, „The Reds“. Wir schreiben das Jahr 1985: Hucknall hat gerade seine Punk (!)-Band The Frantic Elevators verlassen und veröffentlicht mit „Simply Red“ das Debüt-Album „Picture Book“, das in den Charts einschlägt wie eine Rakete. Mit Soul-Covers wie „Money´s too tight to mention“ oder der noch aus Punk-Zeiten stammenden Ballade „Holding back the years“, die sogar auf Platz der US-Charts stürmt.

 

37 Jahre später beehren Simply Red im Rahmen ihrer – coronabedingt – verschobenen „Blue Eyed Soul Tour“ die mit rund 12.000 Zuschauern fast ausverkaufte Wiener Stadthalle. Von der Originalformation sind nur mehr Mastermind Mick Hucknall und Saxophonist und Keyboarder Ian Kirkham (seit 1986) mit an Bord, Bassist Steve Levinson ist 1995, Gitarrist Kenji Suzuki 1998 in die Erfolgscombo eingestiegen. 

 

Wer sich einen romantischen Seniorenfloor mit Balladen erwartet hat, der lag auf jeden Fall falsch. „Friday Night, Party Night“, das war das Motto, das der mit bester Stimme und leidenschaftlichem Showesprit ausgestattete Sänger Mick Hucknall gleich von vornherein in den Raum stellte. 12 Alben haben Simply Red bis dato veröffentlicht, ca. rund 50 Millionen Alben verkauft. Die größten Hits standen allesamt auf der mitreißenden Setlist der britischen Band: „Holding back the years“, „A New Flame“, „Stars“, das house-lastige „Sunrise“ (mit dem 80er-Sample von Hall & Oates), „It´s only Love“ oder die Reggae-Kollaboration mit Sly & Robbie, „Night Nurse“, die Hucknall seinem verstorbenen Freund Robbie Shakespeare widmete. Beim 85er-Hit „Come to my Aid“ zeigten Simply Red auf den Videowalls ihre Affinität zur (intakten) Umwelt, zum Kampf gegen die Klimakrise und für eine sozial gerechtere Welt. 

 

Absolutes Party-Feeling dann im Schluss-Teil der Show: „Something got me started“ und der vom lateinamerikanischen Goodmen-„Give it up“-Sample-inspirierte Mega-Hit „Fairground“, die einzige UK-Nr. 1-Single der Band, stehen auf dem Programm. In der Stadthalle tanzen alle Generationen zwischen 20 und 80, vor allem die 90er sind derzeit auch bei den Teenagern wieder en vogue. Als Zugabe wartet noch ein neuer Titel, „Better with you“, den Hucknall gemeinsam mit dem Publikum intoniert, danach geht´s noch einmal zur Sache mit dem lässigen Disco-Funk-Stomper „Money´s too tight too mention“, bis Hucknall mit dem (nicht unkitschigen) Harold Melvin-Cover „If you don´t know me by now“ die Herzen rührt und die Handy-Lichter leuchten lässt. Great Show, until next time!!!

Pretty Reckless im Gasometer: Ex-„Gossip Girl“ Taylor Momsen rockt Vienna!

Der US-Serienhit „Gossip Girl“ war der erste Karriere-Höhepunkt der 1993 in St. Louis geborenen Taylor Momsen. Sie spielte dabei als Teenagerin die aus vergleichsweise ärmlichen Verhältnissen stammende Jenny Humphreys, die bald Teil einer schicken, elitären Clique an der Upper East Side New Yorks wird. Diese Zeiten sind längst vorbei. „Gossip Girl war ein Job, die Musik ist mein Leben“, so Momsen, die noch während der Dreharbeiten 2009 gemeinsam mit Ben Philips (Gitarre), Mark Damon (Bass) und Jamie Perkins (Drums) die Rock-Band „The Pretty Reckless“ gründete.

 

Bereits die erste Single „Make me wanna die“ startete voll durch und landete auf Platz 16 der UK-Charts, das kurz danach erschienene Debüt-Album „Light me up“ konnte sich in allen internationalen Charts platzieren. Nach einem kurzfristig abgesagten Auftritt beim Nova Rock-Festival rockten The Pretty Reckless am 13. November im Rahmen ihrer „Death by Rock´n Roll“-Tour das Wiener Gasometer. Ein durchaus ambivalenter Titel der Tour und des gleichnamigen 4. Albums. Momsen & Co. waren Support-Act für die Band Soundgarden beim letzten Auftritt von Sänger Chris Cornell kurz vor seinem Selbstmord. Zum selben Zeitpunkt verunglückte auch der Pretty Reckless-Produzent Kato Khandwala bei einem Motorradunfall tödlich, Momsen verfiel in tiefe Depressionen, nahm Drogen ohne Rücksicht auf Verluste, schaffte aber den Absprung: „I think I hit a point where I had to make a conscious decision of death or move forward, and I just chose to move forward.“

 

Auf der Bühne des fast ausverkauften Wiener Gasometers erscheint sie als weiß beleuchtete Lichtgestalt, mit schwarzer Lederjacke (die nach dem Opener „Death by Rock´n Roll“ fällt), kurzem Kleid und coolen schwarzen Boots. „Rock´n Roll will never die“, um Maneskin zu zitieren. Musikalische Vorbilder von Momsen sind die Beatles, Oasis, Nirvana und die Rock-Röhre der 80er, Joan Jett („I love Rock´n Roll“). Auf der Setlist stehen Tracks aus allen vier Alben, darunter das mit Soundgarden-Produzent Matt Cameron aufgenommene „Only Love can save me now“, die Party-Hymne „My Medicine“ (die Momsen mit den Worten „Do you have a good time“ anheizt)“, das bombastische „Going to Hell“ und natürlich der erste Hit „Make me wanna die“. Nach „Take me down“ aus dem 3. Album „Who you selling for“ verlassen Pretty Reckless die Bühne, bis zur leider einzigen Zugabe „Fucked Up World“ mit kapitalismuskritischen Zeilen wie „No mountain made of money can buy you a soul“.

 

Das Repertoire von Pretty Reckless inkl. des gerade veröffentlichten Alternative Versions- und Cover-Albums „Other Worlds“ hätte noch für zahlreiche Encores gereicht. Vor allem die melancholisch angehauchten Tracks „Got so High“ und „25“ („At 25, all hope has died. And the glass of my intentions turns to sand. And shatters in my hand.“) fehlten im Programm. Die Rock-Freaks und vielen weiblichen Fans waren trotzdem begeistert vom Auftritt der sexy Frontfrau Taylor Momsen und ihrer ausgezeichneten Band. Und das zu Recht…

Buch Wien 2022: Lange Nacht der Bücher mit Resetarits, Häupl, Holofernes & Rubey

Fünf Tage lang wurde Wien wieder zum Mekka der Literaturfans. Mehr als 470 Aussteller aus 28 Ländern und mehr als 400 Events standen am Programm der Buch Wien in den Messehallen. Gestartet wurde bereits am Mittwoch Abend mit einer Langen Nacht der Bücher, im Rahmen derer Kabarettist und Satiriker Florian Scheuba hochkarätige Gesprächspartner auf der ORF-Bühne interviewte.

 

Lukas Resetarits: Krowod

 

Lukas Resetarits präsentierte gemeinsam mit dem Autor Fritz Schindlecker das Buch „Krowod – Erinnerungen an meine Jugend“, das das turbulente Leben des späteren Kottan-TV- und Kabarettstars bis zum 30. Lebensjahr skizziert. Von mit Tricks bestandenen Prüfungen an der Uni, der Herumgammlerei in München, einer wegen einer Autopanne gescheiterten Karriere als schwedischer Pop-Star bis hin zu Schmankerl seiner Berufstätigkeit als Traffic Officer am Wiener Flughafen. In seinem aktuellen Programm steht die Tagespolitik aufgrund deren „katastrophaler Entwicklung“ nicht mehr im Mittelpunkt. Beim Talk mit Scheuba bekommt aber vor allem die SPÖ vom links angehauchten Künstler ihr Fett ab. Das Heil der Sozialdemokratie sehe er weder in Wien noch im Burgenland, die Roten würden bereits seit Jahren damit scheitern, den Stanglpass zu verwerten (wie man im Fußball so sagt).

 

Michael Häupl: Freundschaft

 

Einer, der das vielleicht besser beherrschen würde, schreitet gleich nach Resetarits auf die Bühne, der ehemalige Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der seine Autographie „Freundschaft“ vorstellt. „Wenn es in einer Partei keine Diskussionen gibt, sind wir tot“, so sein Credo. Das Vorgehen Doskozils bezeichnet er allerdings als „illoyal“. Der stets vehemente Kritiker der FPÖ kommentiert mit scharfer Zunge den intellektuellen Abstieg der Blauen. „Mit Jörg Haider konnte man wenigstens streiten“. Dazu ein – einst vermutlich im Landtag tatsächlich gefallenes – Zitat an HC Strache: „Sie wollen sich geistig mit mir duellieren, sind aber unbewaffnet.“ 

 

Häupl erinnert auch die düsteren Wiener Zeiten Ende der 60er, „zu denen um 10 Uhr die Gehsteige aufgeklappt worden sind“ und das Ökista-Gschnas die wildeste Party war. Nach der Arena-Besetzung (1976) entstand dann eine „Luft voll Politik“ in der Bundeshauptstadt. Der Humor soll aber nie verloren gehen, „Wer Umwelt schützt, muss fröhlich sein“, seine Replik auf die aktuellen Klimaschutz-Aktionen.

 

Judith Holofernes: Die Träume anderer Leute

 

„Guten Tag, guten Tag, ich will mein Leben zurück. Guten Tag, ich gebe zu, ich war am Anfang entzückt. Aber euer Leben zwickt und drückt nur dann nicht, wenn man sich bückt.“ – Diese genialen Wortkreationen stammten von Judith Holofernes, der Sängerin und Texterin der Hamburger Band „Wir sind Helden“. Und sie liefen 2003 auf Dauer-Airplay im österreichischen Indie-Sender FM4, der damit mitverantwortlich war, dass bei den Konzerten im Münchner Raum die Fans in den ausverkauften Locations bereits textsicher mitsangen. 

 

Seit April 2012 pausiert die Band, Sängerin Judith Holofernes schrieb jetzt über die Zeit vor, während und nach der Band ein autobiographisches Buch, „Die Träume anderer Leute“. Es geht um Promotion bis zum Umfallen, ein Familienleben mit 2 Kindern inmitten von Tour und Plattenaufnahmen, Gefallsucht, pathologische Freundlichkeit und ein dunkles Loch, in das die Sängerin nach dem Ende der Band gefallen ist. Erfolg steht in der Hierarchie nicht mehr oben, sie freue sich mehr auf das gemütliche Sofa, so Holofernes (die auch mit gesundheitlichen Problemen wie einer viralen Hirnhautentzündung zu kämpfen hatte) beim Buch Wien-Gespräch mit Florian Scheuba, Musik, Podcast und Blog finanziert sich Holofernes mit dem US-Social Payment Service Patreon, bei dem Fans per Abo-Crowdfunding die kreative Arbeit der Künstlerin unterstützen. Inspiriert wurde sie dabei von Amanda Palmer, die zu ihren ersten Supportern gehört.

 

Manuel Rubey:  Der will nur spielen

 

Manuel Rubey ist ein vielseitiger Künstler: Musiker, Kabarettist („Goldfisch“) und Autor. Wenn er on Tour ist, dann denkt er in den Hotelzimmern über die Welt, sein Leben oder die seiner Zeitgenossen nach. Dokumentiert in seinem neuen Buch „Der will nur spielen“. Im Talk mit Florian Scheuba erzählt er, dass er auch schon in Kinderzimmern übernachtet hat und vertraglich fixiert hat, dass die Veranstalter keine Reden vor seiner Show halten dürfen bzw. die Pause nur 20 Minuten dauern darf. Österreichweit bekannt wurde Rubey durch seine Rolle als Falco im Bio-Drama „Verdammt, wir leben noch“ (2008“), aufgrund derer er von „Fans“ des Falken auch mit Mord- und Gewaltdrohungen konfrontiert wurde. Über 200 Anfragen zu „Falco-Auftritten“ habe er nach dem Film abgelehnt, von Werbespots, Donauinselfest bis hin zu Kirtagen und Mitternachtseinlagen.

 

Rubey schreibt jeden Tag, für ihn ist das Schreiben ein Therapieersatz und eine Alternative, „Dämonen auf Distanz zu halten“. Seine Sprüche und Zitate geben Gelegenheit zum Nachdenken, aber auch zum Perspektivenwechsel. „Vergleich dich nicht mit anderen, sondern mit deinen Möglichkeiten“, ein Aufruf, sich dem Neid zu widersetzen oder „Die Wirklichkeit schaffen durch die Dinge, die uns begegnen“ als Quelle gegen den Negativismus. 

 

Kritisch sieht Rubey die Sozialen Medien, die er zwar selbst zwar (seriös) bedient, bei denen er sich aber auf keinerlei Diskussionen einlässt. Bei Spaziergängen solle man gezielt sein Handy zuhause lassen. Außer hat man habe Orientierungsprobleme bei wichtigen Terminen. Wie den Eingang zur Buch Wien zu finden...

„Up the Bracket“-20th Anniversary Tour: Peter Doherty mit den Libertines in Wien…

„Wer sich mit den Libertines (dt. „Freigeister“) beschäftigt, landet immer wieder bei der Selbstzerstörung“, der deutsche Journalist Christian Buß im November 2002 in der Berliner Zeitung. Wie recht er doch hatte. Gerade war das erste Album der Libertines erschienen, „Up the Bracket“. Ein vom ehemaligen Clash-Gitarristen Mick Jones produziertes Roh-Juwel, auf das die Briten nach einer langen Durststrecke gewartet haben. Noch heute bezeichnet der Musikexpress es als DAS „Debüt-Album der Nullerjahre“.

 

Die Enfant Terribles der Band, Pete Doherty und Carl Barat, lernten sich bereits 1997 durch Dohertys Schwester kennen, brachen ihr Studium an der University of London ab und zogen in das berüchtigte Szene-Areal der Camden Road, um dort eine Band zu gründen. Der Bassist John Hassall und der Drummer Gary Powell komplettierten die Londoner Post Punk-Garage Rock-Indie-Pop-Combo. „Up the Bracket“, veröffentlicht auf dem Kult-Label Rough Trade Records, schlug ein wie eine Bombe, es folgte ein Leben jenseits der Überholspur: Guerilla Gigs, Drogen- und Alkoholexzesse, Polizeieinsätze, Gefängnis. So brach Doherty verwirrt in die Wohnung seines Bandkollegen Barat ein, verkaufte dessen Instrumente für Drogen und wurde deswegen zu 2 Monaten Haft verurteilt. Die Heroin- und Kokainabhängigkeit Dohertys wurde trotz versuchter Entzüge immer schlimmer, und so löste sich die Band – kurz nach der Erscheinung ihres zweiten Albums „The Libertines“ und ihrer größten Hit-Single „Can´t stand me now“ (Nr. 2 UK) – auf.

 

20 Jahre nach dem Erscheinen des Debüt-Albums sind die Libertines wieder live on Stage. Die „Up the Bracket 20th Anniversary Tour“ brachte die Original-Formation – drei Jahre nach einem Doherty-Auftritt im WUK mit den Puta Madres – auch ins Wiener Gasometer. Die exzessiv-ausschweifenden „Jugendjahre“ dürften der Vergangenheit angehören. Bei Peter Doherty (der in der französischen Normandie mit seiner Ehefrau Katia de Vidas drogenfrei auf dem Land lebt) merkt man das auch äußerlich, der „Heroin Chic“ – Doherty führte einst laut eigenen Aussagen zwei Jahre lang eine „selbstzerstörerische Beziehung“ mit Supermodel Kate Moss (die daraufhin in der Entzugsklinik landete) – ist einem Schwabbelbauch gewichen, der schicke Hut ist Trademark geblieben. 

 

An seiner Seite weiterhin Co-Sänger und Gitarrist Carl Barat, mit weißem Rip-Shirt und schwarzer Lederjacke. Und in enger Zweisamkeit, als sie vor der begeisterten Fan-Crowd Indie-Perlen wie „Vertigo“, „Time for Heroes“, „The Boy looked at Johnny“ (dem an das Punk-Manifest von Julie Burchill und Tony Parsons angelehnten Track mit der genialen Textzeile „"New York City's very pretty in the nighttime - but don't you miss Soho?") oder „I get along“ in die Mikros schmettern. Die Punk-Attitüde schimmert auch zwanzig Jahre später noch durch: Roh, unglamourös, lässig, fast im Stile einer spontanen Garagen-Session mitten in der Nacht. Allerdings ohne suchtbedingte Aussetzer, Bühnenabstürze oder frühzeitigen Abbruch.

 

Denn nach einem Live-Furioso des gesamten Debüt-Albums „Up the Bracket“ folgte noch ein zweites Set mit einem „Best Of“ der Tracks danach: „Can´t stand me now“, „What becomes of the Likely Lads“ und „Music when the Lights out“ u.a. aus dem zweiten Album „The Libertines“, das bittersüße „You´re my Waterloo“ und das reggae-angehauchte „Gunga Din“ aus dem 2015 erschienenen Album „Anthems for Doomed Youth“. Die Zeit dazwischen verbrachte Doherty bei den Babyshambles, Barat bei den Dirty Pretty Things. 

 

Als kongenialer Final Track der Show: „Don´t look back into the Sun“. Ein brillanter Song aus dem August 2003, der niemals auf einem Album erschienen ist, aber mit ausschlaggebend war für eine der wichtigsten Auszeichnungen der Libertines, dem „NME Awards für Best Band 2004“…

Lost World Tour: The Cure in der Wiener Marx-Halle

46 Jahre sind The Cure rund um Sänger Robert Smith bereits im Musik-Business, in den ersten Jahren ihrer Karriere Anfang der 80er prägten sie den Begriff des Gothic Rock. Und so durchstreiften auch einige Epigonen der Gruftie-Bewegung, mit schwarzen Lederjacken, (dezent) weiß geschminkt, Nieten und klobigen Boots, die weitverstreuten Marx Hallen in Wien. Der Großteil der älteren Konzert-Besucher hätte modetechnisch auch zu einem Robbie Williams- oder Pink-Konzert gepasst. Und wollte – neben zahlreichen jungen Fans - eigentlich nur eintauchen in die längst vergangenen 80er-Jahre, als The Cure nicht nur den Underground, sondern auch die Charts eroberten.

 

„Lost World“ lautet die Trademark der mehr als 50 Konzerte umfassenden Tour von The Cure. Sie könnte nicht besser gewählt sein. Selbst die ausgezeichnete schottische Support-Band „The Twilight Sad“ kreist ihre Bombast-Hymnen rund um dieses sehnsüchtig-verzweifelte Vokabel („Let´s get lost“). 

 

Ein Album haben The Cure seit 2008 („4:13 Dream“) nicht veröffentlicht, neue – melancholische - Tracks sind allerdings fertig und stehen fix auf der Setlist: Der Opener „Alone“ (im Rahmen dessen Smith mit leicht ergrauten, hoch toupierten Haaren auf die Bühne „schwebt“ und vorerst verträumt ins Publikum blickt), „And Nothing is forever“, „Endsong“ und „I can never say goodbye“. Mit an Bord ist Bassist Simon Gallup, der seit 1979 – mit kurzer Unterbrechung – als kreativer Konterpart von Robert Smith gilt.

 

Andere populäre Bands ihres Formats spielen lieblose Greatest Hits-Shows, The Cure liefern mit greller Light-Show und Top-Vocals des Frontmanns ein über 2,5 Stunden langes, abwechslungsreiches Programm mit neuen Songs, Raritäten (wie dem Crow-Track „Burn“, „Play for Today“ oder „Shake Dog Shake“) und Super-Hits. Die im Hauptteil – mit Ausnahme von „Pictures of you“ und dem seiner Frau gewidmeten „Lovesong“ („I will always love you“), dem größten Cure-Hit in den Staaten - rar gesät sind. 

 

Im 1. Zugaben-Teil brillieren The Cure noch mit dem rockigen „Charlotte Sometimes“ und dem düsteren 80er-Klassiker „A Forest“ („Suddenly I stop. But I know it's too late. I'm lost in a forest. All alone“), mit dem The Cure erstmals 1980 die britischen Single-Charts enterten und Robert Smith 2003 gemeinsam mit dem deutschen Trance-Duo Blank & Jones den Dancefloor eroberte. 

 

Die größten Hits folgen dann im zweiten Encore: „Lullaby“ – „Spiderman is having you for dinner tonight“ – mit einer riesigen Spinne im grünen Netz, der minimalistische Underground-Track „The Walk“, „Friday I´m in Love“ (der meistverkaufteste Hit der Band aus dem 1992er-Album „Wish“), „Close to me“, „In between Days“, „Just like Heaven“ und als Finale der älteste Hit des Abends, „Boys don´t cry“. Ein Paradoxon, trotz ihrer langen Karriere klangen The Cure an diesem Abend so jung wie nie. 

Heidi Horten Collection - Neues Privatmuseum in der Wiener City!

Die aus Wien stammende und zuletzt am Wörthersee lebende Heidi Horten war jahrelang die reichste Österreicherin, ihr Vermögen stammte großteils aus der Erbschaft des veräußerten Kaufhauskonzerns ihres ersten Mannes Helmut Horten. Mit diesem Geld baute sie gemeinsam mit ihrer Freundin Agnes Husslein eine Kunstsammlung auf, die seit dem 3. Juni 2022 in einer neuen Location zu bewundern ist, der Heidi Horten Collection im Hanuschhof gegenüber der Albertina. 

 

„Ich bin stolz, dass ich mit meiner Sammlung und dem Bau des Museums etwas geschaffen habe, das bleibend ist, etwas, das nachfolgende Generationen auch noch erleben werden, wenn sie mein Museum besuchen und sich an der Kunst erfreuen, die mich lange glücklich gemacht hat“, so Heidi Horten, die traurigerweise kurz nach der Eröffnung am 12. Juni starb.

 

Das 1914 erbaute Gebäude hat eine historische Vergangenheit hinter sich und war einst der Kanzleisitz Erzherzog Friedrichs. Das Architektenbüro next ENTERprise hatte die Idee, die Außenfassade aufrechtzuerhalten und zu sanieren, während der Mitteltrakt komplett entkernt wurde. Das Privatmuseum besteht aus drei Ebenen mit einer Ausstellungsfläche von insgesamt 1500 m2, die miteinander durch Freitreppen verbunden sind. Auf dem begrünten Vorplatz empfängt zusätzlich ein Skulpturenpark die Besucher.

 

Die erste Ausstellung trug den Titel „Open“ und enthielt bereits einige Highlights der Kunstsammlung Hortens, von der bereits 2018 rund 150 Werke dem Leopold-Museum unter der Trademark „Wow“ zur Verfügung gestellt wurden: Eine Collaboration von Andy Warhol und Jean-Michel Basquiat, tote Schmetterlinge mit faszinierendem Täuschungseffekt von Damien Hirst („Love, Love, Love“), der „Weise Affe“ Francois-Xavier Lalannes im Erdgeschoß, Henkes Ur Mutter in Form eines violetten Wildschweins, die Video-Installation „Lady to Fox“ der nackt inmitten einer Schafherde herumlaufenden Künstlerin Lili Reynaud-Dewar, dazu Kunstwerke von Young British Artist Marc Quinn, Robert Rauschenberg, Franz West, Erwin Wurm oder der kürzlich verstorbenen Lichtkünstlerin Brigitte Kowanz. 

 

Inkludiert ist ein von Markus Schinwald konzipierter Tea Room, der auf einer Wand nicht nur Kunstwerke hinter Bullaugen zeigt, sondern auch zum Verweilen dient. Extravagant gestaltet sind die Spiegel in den Sanitärräumen, die mit Blumen- und Pflanzenmotiven (u.a. der portugiesischen Nelkenrevolution 1974) belegt sind. Eine Installation des in Wien lebenden deutschen Künstlers Andreas Duscha.

 

Bei der Finissage wurde eines der spannendsten Kunstwerke der ersten Ausstellung zum „musikalischen Leben erweckt“, der „Vibrosauria“ Constantin Lusers. Die 6,22 Meter hohe, bis in den 1. Stock reichende Skulptur besteht aus insgesamt 24 Blasinstrumenten von Tuba, Trompeten bis hin zu Hörnern.

 

Die erste Themenausstellung „Look“, die sich mit dem Wechselspiel von Kunst und Mode beschäftigt, eröffnet bereits am 21. Oktober. Und es sollen noch viele weitere folgen, im Sinne der Glühbirnen-Installation „Forever“ des britischen Duos Tim Noble & Sue Webster. Ein Kunstwerk, das originär eine trostlose Bushaltestelle in der Londoner Tottenham Court Road erhellen sollte, eigentlich aber auf die „ewige Liebe“ Bezug nimmt. Was immer die auch bedeuten mag…

"Roadside"-Tour: Billy Idol mit Classics und New Tracks im Wiener Gasometer!

Seit 45 Jahren steht William Michael Albert Broad aka Billy Idol bereits auf der Bühne. Der in London geborene und nach seiner Punk-Karriere hauptsächlich in den USA lebende Rockstar beehrte im Rahmen seiner „Roadside“-Tour auch das Wiener Gasometer. Das ursprünglich geplante Open-Air-Konzert in der Wiener Arena wurde wegen Krankheits verschoben und verlegt, der Ansturm mit über 3000 Besuchern war trotzdem ungebrochen und schweißüberströmt.

 

Als Support begeisterte die aus US-Nashville stammende Indie-Band „The Foxies“ mit der charismatischen Frontfrau Julia Lauren Bullock. Billy Idol selbst startete mit einem Klassiker aus seiner „Generation X“-Ära, „Dancing with myself“ aus dem Jahr 1980. Das Outfit wie einst in den Eighties:  Blonde, auftoupierte Haare, eine enge Lederjacke und nach einigen Tracks der nackte Oberkörper, Stimme und Bühnenshow altersgemäß etwas gedrosselt. Auf der Bühne neben Idol Kult-Gitarrist Steve Stevens (der mit Idol die meisten Songs komponiert hat) und eine energetisch aufspielende Band mit noch zwei Gitarristen, einem Keyboarder und einem Drummer. 

 

Dass das generationenübergreifende Publikum eng gedrängt auf die 80er-Hits des Musikers wartete, ist keine Überraschung. Und die kamen auch in Extended Versions: „Cradle of Love“, „Flesh for Fantasy“  oder die Ballade „Eyes without a Face“. Auf der Setlist der Show standen aber auch neue Tracks, „The Cage“, „Running from the Ghost“ oder „Bitter Taste“. Steve Stevens präsentierte als Intermezzo sein oscar-prämiertes „Top Gun-Theme“ und ein längeres Gitarren-Solo. Die exzessivste Stimmung erzeugte Idol allerdings mit seinen Rock Classics „Mony Mony“ (ein Sixties-Cover von Tommy James & The Shondells“), „Rebel Yell“ und dem Final Track „White Wedding“.

 

Enttäuschung machte sich allerdings breit, dass die Idol-Show nach 90 Minuten vorbei war, und die Fans vergeblich auf den größten Hit „Sweet Sixteen“, „Hot in the City“ (der Trademark dieses heißen, langen Sommers) oder „To be a Lover“ warteten. Zumindest in dem bald erscheinenden Doku-Film unter der Regie von Jonas Akerlund („Smack by Bitch up“) dürften diese allerdings nicht fehlen. 

10. Buskers Festival: Straßenkünstler-Happening am Wiener Karlsplatz!

Zwei Jahre lang mussten die Buskers wegen der Corona-Maßnahmen pausieren, 2022 war die Zwangspause vorbei, und so tummelten sich bei der 10. Jubiläumsausgabe des Straßenkunst-Festivals am Wiener Karlsplatz zahlreiche Besucher aller Generationen. Das Programm erstreckte sich vom 9.-11. September jeweils von 14 bis 22 Uhr, teils unterbrochen durch temporäre Regenschauer.

 

„Busker“ ist ursprünglich die englische Bezeichnung für Straßenmusikanten, umfasst aber mittlerweile alle Bereiche der Straßenkunst und des Straßentheaters (wie Jonglage, Akrobatik, Clownerie,…). In über 200 Städten finden jährlich Buskers Festivals statt, bei der Wiener Edition bewerben sich jährlich über 600 Gruppen und Einzelakteure aus aller Welt.

 

„Straßenkünstler ist der ehrlichste Job der Welt“, das ist die Diktion des vielleicht bekanntesten Wiener Performancers Abraham Thill aka El Diabolero. Man werde erst – nach Erbringung der Leistung – bezahlt. Und das nur dann, wenn man die Zuschauer begeistert hat. Für den Jonglage-Künstler (und Autodidakten), der nebenbei noch ein Diplom an der Schauspielschule erworben hat und auch in Theateraufführungen zu sehen ist, stellt dies meistens kein Problem dar. 

 

Diabolo-Würfe in 35 Meter Höhe, eine lässige Slapstick-Show als Rahmen und direkte Interaktion mit dem Publikum sorgen für einen vollen Kreis im Resselpark und zahlreiche Videos in den sozialen Medien. Und natürlich für einen Massenauflauf nach der Show, wenn Scheine und Münzen den Hut El Diaboleros prall füllen. Das ist insofern auch das Markenzeichen der Busker Festivals: Die Künstler erhalten von den Veranstaltern Reisekosten, Kost und Logis, Gagen allerdings nur durch das Publikum in Form des „Hutgeldes“.

 

Die auf insgesamt 6 Spots auftretenden Künstler begeisterten im weiten Karlsplatz-Areal mit unterschiedlichen Spielarten der Straßenkunst: Das argentinische „Duo un Pie“ mit akrobatischer Sailor-Clown-Show, Aerial Silk Vienna mitten über dem Wasser des Karlsplatz-„Sees“ mit Vertikaltuchakrobatik, die multikulturellen „Floor LegendZ“ mit einer temporeichen Breakdance-Party, der polnische Straßen-Gitarrist Mariusz Goli u.a. mit einer akustischen Version von Nirvanas „Smell like Teen Spirit“ oder der ungarische Comedian Imre aka „Social Salto“ mit einer interaktiven Show, die bereits vor dem Londoner Covent Garden das Publikum verzückte.

 

Zusätzlich setzt das Wiener Buskers Festival auch zahlreiche gesellschaftspolitische Akzente. Die Proponenten fordern neben der Ausweitung der Rechte der Straßenkünstler mehr Kultur im öffentlichen Raum und – mit Unterstützung von „Asyl in Not“, „SOS Balkanroute“ und dem „Verein Ute Bock“ - die Verbesserung der Menschenrechte. Vegane und vegetarische Speisen werden – ohne lange Lieferwege - direkt aus der unmittelbaren Region angeboten, der Energieaufwand ist (naturgemäß) gering, der Müll wird – in Form eigener Müll-Inseln - in sieben Fraktionen getrennt. 2018 wurde das Buskers Festival wegen seiner Umweltfreundlichkeit sogar in die Hall of Fame der Green Events Österreichs aufgenommen. 

100 Jahre Oskar Werner im Wiener Metro Kinokulturhaus!

„In jeder Rolle findet man etwas von sich selbst, weil wir alle Brüder sind. Aber in Hamlet habe ich einen Zwillingsbruder gefunden.“  Ein Zitat des genialen österreichischen Schauspielers Oskar Werner, der am 13. November seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Grund genug, für das Metro Kinokulturhaus in der Wiener Johannesgasse, dem charismatischen, aber auch egozentrischen Theater- und Filmstar eine Ausstellung über sein Lebenswerk zu widmen. Die Location ist insofern mehr als passend, hatte doch der aus Wien-Gumpendorf stammende Werner in dem ehemaligen Theater seine ersten kleinen Auftritte im Grillparzer-Drama „Das goldene Vließ“.

 

Die Kuratoren Raimund Fritz und Martina Zerovnik konzipierten die Retrospektive im wesentlichen auf zwei Ebenen. Im 1. Stockwerk erhalten die Oskar Werner-Fans einen Einblick in das Privatleben des Schauspielers, mit zahlreichen Fotografien, Zeitungsausschnitten, Zitaten und sogar einem alten Schülerausweis. Die zweite Ebene zeigt das künstlerische Schaffen Oskar Werners, der bereits mit 19 vom Burgtheater engagiert wurde und in insgesamt 71 Theaterstücken mitwirkte. Seine Höhepunkte: „Don Carlos“ (mit seinem Vorbild Werner Krauss als König Philipp) und natürlich „Hamlet“. Seinen ersten Film drehte Oskar Werner 1949 in London: „Der Engel mit der Posaune“, die erste und nicht die letzte Rolle des überzeugten Antifaschisten, die sich mit dem Greuel des Nationalsozialismus befasste. Werner lehnte in seiner Karriere viele Rollen ab, die nicht seinem Weltbild entsprachen („Anpassungsfähigkeit ist eine Eigenschaft, die ich nicht anstrebe“). Die größten Kino-Erfolge feierte er in den 60er-Jahren, mit dem französischen Liebesfilm „Jules & Jim“ (1962) und der Ray Bradbury-Roman-Verfilmung „Fahrenheit 451“ (1966) jeweils unter der Regie Francois Truffauts bzw. mit den Hollywood-Streifen „Das Narrenschiff“ (Oscarnominierung 1965) und „Der Spion, der mich liebte“ (Golden Globe 1966). 

 

Danach ging es mit seiner Karriere bergab. „Das Tragische, das ich sehe, dass er sich irgendwann nicht mehr weiterentwickelte. Er, der Frühvollendete, beharrte auf einem Status, den er dann irgendwann verloren hat“, so die Kuratorin Martina Zerovnik in einer Kurier-Sonderbeilage zur Ausstellung. In den 70ern war der mit Depressionen und Alkoholproblemen kämpfende Werner nur in zwei Rollen zu sehen, in einer TV-Folge des „Columbo“ und in der „Reise der Verdammten“ (1976). Er verdiente – dank seiner unverkennbaren Stimme – großteils sein Geld mit Hörspielen und Lesungen. Im Sommer 1983 scheiterte er kläglich mit seinem Wachaufestival: Von insgesamt 26 geplanten Auftritten fanden nur eine Dichterlesung und die Aufführung des „Prinz Friedrich von Homburg“ im (später abgerissenen) Kremser Brauhofsaal statt. Am 23. Oktober 1984 starb Oskar Werner während einer Rezitationstournee in einem Marburger Hotel an einem Herzinfarkt.

 

Neben seinen zahllosen Filmen erinnert heute noch der Oskar Werner-Platz im 6. Wiener Gemeindebezirk an den großartigen Schauspieler, dessen glanzvolle Karriere leider zu früh endete. 

 

Die Ausstellung „100 Jahre Oskar Werner“ ist von 24. 3. 2022 bis 29.1. 2023 im Metro Kinokulturhaus zu sehen. Und zwar täglich von 14 bis 21 Uhr.

The Return: Heißer Konzert-Frühling mit Franz Ferdinand, Dua Lipa und Green Day!

„Das kommende Jahr wird ein ganz starkes Konzertjahr. Es ist wie früher, und das ist einfach schön.“ – Das waren die positiven Prognosen des Veranstalters Ewald Tatar (Barracuda) vor einigen Monaten, und tatsächlich haben seine Prophezeiungen ins Schwarze getroffen. Seit April findet fast täglich ein Konzert-Highlight in Österreich statt. Das reicht von Konzerten, die nach 2 Jahren Corona-Pandemie endlich nachgeholt werden konnten (wie die zwei fast ausverkauften Wanda-Acts in der Wiener Stadthalle oder den Pet Shop Boys im Gasometer), neu arrangierten Gigs (wie den Imagine Dragons im Ernst Happel-Stadion oder Parov Stelar im klassischen Wiener Konzerthaus) bis hin zum Comeback groß angelegter Festivals (wie dem Nova Rock in Nickelsdorf oder dem Donaufestival in Krems). Die Konzertdichte ist aktuell teilweise so hoch, dass Musik-Freaks auf ein Konzert verzichten müssen (und einen Gutschein in Anspruch nehmen), um zeitgleich ein anderes besuchen zu können. Terminstress nicht nur bei den Künstlern, sondern auch beim Publikum, das nach einer langen Durststrecke endlich wieder – ohne Masken und Corona-Beschränkungen – mit tausenden anderen feiern, trinken und tanzen dürfen.

 

Franz Ferdinand

 

Die Wiener Arena startete die Open Air-Saison mit der Glasgower Band Franz Ferdinand, die vor fast 20 Jahren mit dem Indie-Track „Take me out“ den Durchbruch schaffte. Dieser zählt auch heute noch zu den absoluten Highlights jedes Konzert-Gigs der Band, die sich allerdings in der Zusammensetzung geändert hat. Von den Gründungsmitgliedern sind noch der charismatische Sänger (und Gitarrist) Alex Kapranos und Bassist Robert Hardy mit an Bord, neu im FF-Team sind Gitarrist Dino Bardot, Keyboarder Julian Corrie (beide seit 2017) und die Drummerin Audrey Tait. Die bis dato bei mehreren schottischen Bands und Projekten aktive Schlagzeugerin feierte bei der „Hits to the Head“-Tour ein mehr als gelungenes Debüt.

 

In einem fast zweistündigen Greatest Hits-Furioso präsentierten sich Franz Ferdinand auf dem Arena-Gelände in absoluter Bestform: Smart, sexy, to the Beat und mit Dauer-Euphorie Richtung Fans. „All Killer – No Filler“: Kein Hit wurde ausgelassen: Vom Opener „The Dark of the Matinee“, „Do you want to“, den neuen Tracks „Billy Goodbye“ und „Curious“ bis hin zum Avantgarde-Indie-Track „Ulysses“ und zum Superhit „Take me out“. Eine endlos lange Version von „This Fire is out of Control“ beendete das Hit-Feuerwerk der schottischen Brit-Popper. Out of Control war auch die generationenübergreifende Fan Crowd in der Wiener Arena, endlich wieder Live-Feeling in Vienna.

Dua Lipa

 

Dua Lipa trat im Sommer 2016 noch beim Wiener Donauinselfest auf, als Pre-Act auf der Main Stage unter brütender Sonnenhitze. Heute zählt die in London geborene Kosovarin zu den größten Stars der Pop- und Dance-Szene. „Dua“ ist kein Künstler-Name, sondern der von der Großmutter vorgeschlagene tatsächliche Vorname der Künstlerin, auf deutsch „ich liebe“. Love, Euphorie und Enthusiasmus stehen auch im Mittelpunkt der „Future Nostalgia“-Tour, mit der Dua Lipa auch die österreichischen Fans in der ausverkauften Wiener Stadthalle beehrte. Eine (fast zu) perfekt inszenierte 90 minütige-Show mit Band und 10 Tänzern und Tänzerinnen, deren Namen gleich zu Beginn – im Rahmen des 80er-Openers „Physical“ – auf einer Ebene mit Dua Lipa bekanntgegeben wurden. 

 

Viele der jungen (weiblichen) Fans sangen von Beginn an alle Titel mit, während Dua Lipa mit einem riesigen Lobster (!) flirtete, mit dem auf den Video-Screens eingeblendeten Duett-Partner Elton John den Mega-Hit „Cold Heart“ schmetterte oder – inmitten einer künstlichen Galaxis – im sexy Galliano-Outfit bei „Levitating“ auf einer Plattform durch die Stadthalle schwebte. „Welcome to the Club Future Nostalgia“, das Motto des 3. Akts der schweißtreibenden vierteiligen Dua Lipa-Show. Die Tracks „One Kiss“, „Electricity“ und „Hallucinate“, für viele der rund 13.000 Fans der erste faszinierende Eintritt in die glamouröse Disco-Welt Ibizas, Londons oder New Yorks. Mit der Zugabe „Don´t start now“ endete der Rausch noch lange nicht, die begeisterten Fans tanzten weiter, zum Saalräumer „I wanna dance with somebody“ Whitney Houstons. Music takes u high. Kann es Schöneres geben?

Green Day

 

„It took us 2 years to get here, but we made it!“ schmetterte Green Day-Sänger Billie Joe Armstrong in das prallgefüllte Ernst Happel-Stadion. Die US-Punk-Band, die 1994 mit ihrem Album „Dookie“ kurz nach dem Selbstmord Kurt Cobains den Zeitgeist der adoleszenten Rock Generation traf, ist gemeinsam mit ihren musikalischen Kollegen von Fall Out Boy und Weezer auf einer monatelangen „Hella Mega Tour“ durch Stadien und Konzerthallen. 

 

Armstrong, selbst gerade erst 50 geworden, merkt man sein Alter kaum an. Nach einem „Bohemian Rhapsody“-Intro und einem witzigen „Drunken Bunny“-Auftritt (zum „Blitzbop Krieg“-Sound der Ramones) stürmt Armstrong die Bühne des Happel-Stadions und erobert mit dem Opener „American Idiot“ sofort die Herzen der Besucher. 2 weibliche Fans werden im Rahmen der Show auf die Bühne geholt und dürfen dort vor rund 40.000 Fans mit Armstrong singen und Gitarre spielen, dazu Pyrotechnik, Klamaukeinlagen und zahlreiche aufpeitschende Vocals und Gesten seitens der Band. Die man durchaus auch weglassen hätte können. Denn die mitreißende Setlist von Green Day strotzte nur von Superhits aus der über 30jährigen Karriere der Band: Das bereits erwähnte Bush-kritische „American Idiot“, „Know your Enemy“, „Boulevard of Broken Dreams“ (bei dem das ganze Stadion mit Handy-Lights erleuchtet wurde), „Holiday“, „21 Guns“ und natürlich „Wake me up before September Ends“, ein Tribut an Armstrongs früh verstorbenen Vater, das sich durch den Video-Clip zu einer Anti-Kriegshymne entwickelte. „Rock´n Roll never dies!“

„In Search of Humanity“: Ai Wei Wei-Retrospektive in der Albertina Modern

„1000 Jahre Freud und Leid“ heißt die kürzlich erschienene erste Autobiographie des aus Peking stammenden chinesischen Konzeptkünstlers und Menschenrechtsaktivisten Ai Wei Wei. Mit den Stationen seines Lebens (und damit verbunden dem künstlerischen Werdegang) beschäftigt sich auch die Retrospektive „In Search of Humanity“ in der Albertina Modern. Insgesamt 144 Kunstwerke – von Skulpturen, Installationen, Fotos, Performances, Videos,… - wurden im Erdgeschoß unter der Kuratel von Dieter Buchhart und Elsy Lahner auf einem äußerst spannenden und politisch hochbrisanten Parcours platziert.

 

Safe Sex

 

Diskriminierungen musste Ai Wei Wei bereits in seiner Kindheit erleiden. Gemeinsam mit seinem Vater, einem regimekritischen Dichter, lebte er in einem Erdloch und durfte erst nach dem Tod von Mao nach Peking zurückkehren. Nach einem Studium an der Pekinger Filmakademie wagte er als einer der ersten chinesischen Künstler den Sprung in die USA und lernte dort in den 80ern die Konzeptkunst, die Pop Art und den Minimalismus kennen. Aus dieser Zeit stammt u.a. sein auf die Aids-Epidemie bezogenes Werk „Safe Sex“, bei dem aus einem Regenmantel in Schritthöhe ein Kondom hängt. 

 

China

 

„Dropping a Han Dynasty Urn“ zeigt in drei nacheinander aufgenommenen Schwarz-Weiß-Fotos die Zerstörung einer Urne aus der Han-Dynastie (206 v. Chr. – 220 n. Chr.), die heute als wertvoll gilt, obwohl sie damals nur ein Massenartikel war. Auf dem streng bewachten Platz des Himmlischen Friedens fotografierte Ai Wie Wei – als Protest gegen das Regime – die Künstlerin und damalige Freundin Lu Quin mit nach oben gehobenem Rock. 

 

Readymades

 

Bei einigen Werken in der Ausstellung nimmt Ai Wie Wei Anleihen vom französischen Konzeptkünstler Marcel Duchamp. Er montiert Fahrräder zu einem aus funktionsuntüchtigen Einzelteilen bestehenden Konstrukt (und zieht damit einen Konnex zur chinesischen Bevölkerung), verweist mit einem von Julian Assange 2016 geschenkten Laufband auf die Aussichtslosigkeit einer (illegalen) Haft oder platziert eine Kristallkugel im Mittelpunkt einer Sammlung von Schwimmwesten gestrandeter Flüchtlinge.

Sunflower Seeds

 

„Sunflower Seeds“ nannte sich eine Aktion Ai Wei Weis 2010 in der Londoner Tate Modern. Der Künstler ließ dort in der riesigen ehemaligen Turbinenhalle ca. 100 Millionen aus Porzellan gefertigte Sonnenblumenkerne ausschütten. Der historische Hintergrund: Während der Kulturrevolution wurde Mao Zedong mit der Sonne verglichen, das Volk mit Sonnenblumen. Die Sonnenblumenkerne widerspiegeln die Kritik Ai Wei Weis am Konformismus in China, in dem die Bevölkerung als uniforme Masse betrachtet wird. Ein (kleiner) Sonnenblumenkern-Haufen wurde auch in der Albertina Modern platziert, höchstwahrscheinlich um vieles kleiner als der ebenfalls stark ausgeprägte Konformitätsgrad in Österreich.

 

Erdbeben in Sichuan

 

Nach einer Erdbeben-Katastrophe in der chinesischen Provinz Sichuan recherchierte Ai Wei Wei gemeinsam mit anderen Aktivisten die Hintergründe für den Einsturz von Schulgebäuden und stieß auf Korruption und schwere Baumängel. Insgesamt 5197 Kinder kamen dabei ums Leben. Die Folgen: Die chinesischen Behörden zensurierten und sperrten dann seinen Blog. Es folgte die erste Verhaftung, während dieser Ai Wei Wei ein Selfie anfertigte und dieses später in einer Lego-Adaption publizierte. In der Ausstellung sind unter dem Titel „Forge“ (Schmiede) verbogene Eisenstäbe aus dem Campus der Schulen zu sehen. Ein Mahnmal für das schreckliche Unglück.

 

81 Tage eingesperrt

 

Eine weitere Verhaftung erfolgte am 3. April 2011 wegen angeblicher „Wirtschaftsverbrechen“. Ai Wei Wei wird dabei für 81 Tage bis 22. Mai weggesperrt. Die gesamte Vorgehensweise illustriert der Künstler mit der Installation „S.A.C.R.E.D.“, wo er in 6 Schaukästen mit Puppenfiguren die Rituale seiner Gefangenschaft zeigt. In der Albertina Modern wurde außerdem eine begehbare Zelle in Originalgröße aufgebaut, deren Geschehen im Inneren durch Kameras nach außen projiziert wird.

 

Flüchtlingskrise

 

Erst im Jahre 2015 bekam Ai Wei Wei seinen Reisepass zurück. Er zog nach Berlin, wo er sich vorwiegend mit der Flüchtlingskrise beschäftigte. Auf immense Kritik stieß dabei seine persönliche Nachstellung der am Strand von Bodrum angespülten Leiche des dreijährigen Kindes Aylan Kurdi. Ai Wei Wei verteidigte die Aktion mit einem Appell gegen das „Vergessen durch Gewöhnung“. Zu sehen in diesem separaten Raum weiters Schwimmwesten (die auch Teil seiner Installation F Lotus im Wiener Belvedere 2016 waren), Rettungsringe aus Marmor, die Ladestation eines Flüchtlingslagers und die mit Lego-Steinen dargestellte Navigationsroute des von der Kapitänin Carola Rackete gesteuerten Flüchtlingsboots Sea Watch 3.

 

Mao-Porträts im Warhol-Style, „Fuck“-Mittelfinger gegen Zentren politischer oder kultureller Macht (wie dem Weißen Haus in Washington, der Skyline von Hongkong oder dem Reichstag in Berlin), Panda-Stofftiere als Verstecke geheimer Dokumente, ein in China zensiertes Musik-Video über Ai Wie Weis Inhaftierung („Dumbass“) oder ein riesiger Kreis mit 12 chinesischen Tierkreiszeichen (die die Frage der kulturellen Herkunft aufwerfen) sind weitere Höhepunkte der umfassenden Retrospektive in der Albertina Modern.

 

Coronation

 

Ai Wei Wei selbst wohnt nach einem kurzen Aufenthalt in Cambridge („Campusse sind Orte, gegen die ich allergisch bin“) in der portugiesischen Kleinstadt Montemor-o-Novo. Mit weiteren Skulpturen, Installationen und Aktionen ist zu rechnen. Dies zeigt schon sein entlarvender Film über das chinesische Corona-Management („Coronation“), in dem er die Überwachungsgesellschaft und die soziale Kontrollmaschinerie kritisiert.

 

Ai Wei Wei – In Search of Humanity – 16. März bis 4. September 2022 Albertina Modern Wien...

„Being boring is a Sin!“ – Pet Shop Boys auf „Greatest Hits“-Tour im Wiener Gasometer…

Mehr als 100 Millionen Tonträger haben Neil Tennant und Chris Lowe aka The Pet Shop Boys seit 1985 verkauft: 14 Studio-Alben, 40 Top 20-Singles in Großbritannien (inkl. 4 Nr. 1-Hits) plus Brit Award 2009 für „Outstanding Contribution to British Music“. Für das erfolgreichste Duo der britischen Musikgeschichte war insofern die Selektion das größte programmtechnische „Problem“ ihrer ersten Greatest Hits-Show, mit denen die beiden im Frühjahr und Sommer 2022 die europäischen Konzerthallen und Clubs beehren. Insgesamt 26 Tracks schafften den Sprung in die von Mastermind Tom Scutt konzipierte Show, der zuletzt mit Preisen für das Musical „Cabaret“ im Kit Kat Club überhäuft wurde.

 

Sänger (und Ex-„Smash Hits“-Journalist) Tennant und Keyboarder Lowe, die sich 1981 zufällig in einem Elektronikladen der Londoner King´s Road kennengelernt haben, starten im Wiener Gasometer strikt minimalistisch, mit seltsamen Kopfbedeckungen und schwarz-weißen Lightpanels im Background. Ohne Band und ohne Tänzer. Der Opener das Vorstadt-Epos „Suburbia“ aus den 80ern. Erst nach einigen Tracks (wie dem U2-adaptierten „Where the Streets have no Name“ und dem mit Videosequenzen angereicherten „Rent“) öffnete sich mit „Left to my own devices“ die gesamte Stage-Struktur. Vor dem Hintergrund greller Projektionen sorgten Percussionisten für den treibenden Sound der Londoner Hit Factory.

 

Auf dem Programm standen natürlich die 4 UK-Nr. 1-Hits der Pet Shop Boys, „West End Girls“ (als Zugabe mit Video-Reminiszenz an die schrille Londoner Szene der 80er), „It´s a Sin“, „Heart“ und das Elvis-Cover „Always on my Mind“. Beim melancholischen „You only tell me you love me when you´re drunk“ griff Tennant überraschend zur Akustik-Gitarre, bei den 70er-angehauchten Party-Hymnen „Go West“ (ein Village People-Cover) und „New York City Boy“ tanzten im Gasometer vereint die Pop-Wave-Generationen der letzten 40 Jahre. Band-Mitglied Clare Uchima versetzte sich kurz in die Rolle der 60er-Ikone Dusty Springfield und trällerte gemeinsam mit Neil Tennant das lässige Duett „What have I done to deserve this“. 

 

Dass die Pet Shop Boys auch noch im neuen Millennium modernen Dance-Pop produzieren, zeigen nicht nur die brandneuen in Berlin aufgenommenen Songs „Monkey Business“ und „Dreamland“ (dessen queerer Duett-Partner Olly Alexander gerade als „Years & Years“ durch Europa tourt), sondern auch der aus dem 2013er-Album „Electric“ stammende Track „Vocal“, der mit technoiden Beats und charismatischen Textzeilen („It's in the music. And everything about tonight feels right and so young“) an den Summer of Rave 1989 erinnert.

 

Melancholie und Sehnsucht nach der verlorenen, unbeschwerten, exzessiven Jugend kommen beim Final Track auf, „Being Boring“, der auf Zitaten der US-Autorin Zelda Fitzgerald aus den wilden 20ern beruht. „We were never being bored. Cause we were never being boring.“ Ein kongenialer Abschluss einer Show, die niemand anderer als Neil Tennant besser kommentieren könnte: „In Dreamworld being boring is a Sin“…

 

Masquerade-Beats: Claptone live im Wiener O-Club...

Egal, ob Ibiza, Miami, London oder Vienna. Dort, wo ein DJ mit seiner venezianischen Schnabelmaske und seinen weißen Handschuhen hinter den Turntables residiert, strömen die house-begeisterten Massen und tanzen ekstatisch bis in den Morgengrauen. Am 1. April beehrte der angeblich aus Berlin stammende „Claptone“ wieder einmal den Wiener O-Club in der Albertina-Passage.

 

Die Stimmung war nicht nur aufgrund der liberalisierten Corona-Maßnahmen ausgezeichnet, Maske trug nur der Soundzauberer hinter dem DJ-Pult, und die ohne FFP2-Trademark. Drei Alben hat Claptone bis dato veröffentlicht, sein letztes, „Closer“, enthält zahlreiche Kollaborationen mit Künstlern wie Seal („Just a Ghost“), Dizzy („Queen of Ice“) oder Mayer Hawthorne („Feel this Way“), die Claptone kongenial in seine Sets einbaut. Dazu kommen zahlreiche Remixes für prominente Artists wie Dua Lipa („Physical“), Elton John („Cold Heart“), Gorillaz oder Oden & Fatzo, die zu den absoluten Dancefloor-Hits der Szene zählen. Auf seiner Setlist in Wien stand natürlich auch der „Liquid Spirit“-Remix, der laut dem Magazin „Jazz Line“ den Verkauf der Original-Platten Gregory Porters immens ankurbelte.

 

 

Was Claptone (außer vermutlich der Anonymität) an der Maske so schätzt, sind die verschiedenen Bezugspunkte seiner Maskerade, der schrille Karneval von Venedig, das „golden bling bling hip hop thing“, das Erscheinungsbild eines Vogels oder auch der mysteriöse letzte Kubrick-Film „Eyes wide Shut“. „The Masquerade“ nennt sich übrigens auch die hedonistische Party-Reihe Claptones im legendären Ibiza-Club Pacha, die der DJ – gemeinsam mit Fatboy Slim, LP Giobbi, James Hype & Co. – jeden Samstag von 14. Mai bis 15. Oktober 2022 zelebriert. Flieger und Hotel rechtzeitig buchen!

"Die Wüste lebt" by Oliver Ressler: MQ-Fotoaktivismus gegen die Wiener Stadtstraße!

Junge Klimaaktivisten gegen die „Betonierer“ der Stadt Wien: Dieser Konflikt spitzt sich seit ein paar Monaten im Norden Wiens zu. Im September 2021 blockierten Gegner des Lobautunnels Eingänge zur Baustelle für die 460 Millionen Euro teure vierspurige Stadtstraße (die künftig Aspern mit Hirschstetten und der Südosttangente verbinden soll) und errichteten Protestcamps u.a. in der Hausfeldstraße. Im Epizentrum: Eine dreistöckige Holzpyramide.

 

Obwohl die Umweltministerin Leonore Gewessler dem Lobau-Tunnel aufgrund der Klimakrise eine Absage erteilte, bleibt die Stadt Wien beim Bau der Stadtstraße (die – was von den Demonstranten und anerkannten Verkehrsexperten bezweifelt wird - der Verkehrsentlastung der Seestadt dienen soll). Am 1. Februar 2022 erfolgte die polizeiliche Räumung, 48 Aktivisten wurden verhaftet, die Holzpyramide wurde durch Bagger zertrümmert. Parallel dazu wurden rund 380 Bäume gefällt. Die traurigen Bilder davon erschienen nahezu live auf allen sozialen Medien.

 

Der Künstler und Filmemacher Oliver Ressler, der bereits an über 400 Gruppenausstellungen (u.a. in Madrid, Paris oder Venedig) teilgenommen hat, hat zu diesem Thema in der MQ Art-Box eine Foto-Installation unter dem Titel „Die Wüste lebt“ konzipiert. Kernfrage: „Was wäre, wenn es gelingen würde, das als „Wüste“ bezeichnete Gelände nach den Vorstellungen der Klimaaktivisten umzugestalten?

 

In direktem Kontrast zu den kahlen, deprimierenden Betonflächen hat Ressler rund um die Holzpyramide eine Wald-Wiesen-Seen-Landschaft erstellt, in der sich jeder Mensch wohlfühlen würde: Mit Bio-Gemüsebau, Aufforstungen, selbstorganisierten sozio-ökologischen Initiativen und einem kreativen Kulturzentrum am Rande des Geländes mit Workshops zu ökologischen und sozialen Themen und Kulturprogrammen.

 

In der Foto-Montage ist die Stadtautobahn durch ihre Absenz präsent. „Denn die Siege der Klimagerechtigkeitsbewegung sind schwer zu sehen. Es sind die Autobahnen, die nie gebaut wurden; die Erdölförderanlagen, Kohlekraftwerke, Pipelines und Flughäfen, die diesem Planeten erspart bleiben. Es sind die Wälder, die nicht abgeholzt wurden, die Flüsse und Seen, die nicht vergiftet wurden“, so Oliver Ressler in einem eindrucksvollen Text auf der Fläche des Kunstprojekts.

 

 

Der politische Irrweg geht leider weiter. Am 5. April wurde – im Auftrag des staatlichen Autobahnunternehmens Asfinag – ein weiteres Protestcamp in der Hirschstettnerstraße geräumt. Dort, wo künftig die 3,2 km lange Stadtstraße in die Südosttangente münden soll. „Ein Relikt aus verkehrspolitischer Steinzeit“, so Global 2000 zu den Plänen der Stadt Wien.

Jedermann Remixed: Hochmair & Razelli clubben im Wiener Stadtsaal!

„Was ist das für ein Glockenläuten, mich dünkt, es kann nichts Gut‘s bedeuten!“. Seit dem Jahr 1920 tönen diese knittelformähnlichen Verse am Salzburger Domplatz, wenn der reiche Jedermann wieder einmal seinen letzten Weg antritt. Im März 2022 erobern sie den Club, und zwar den Wiener Stadtsaal, wenn der charismatische Hauptdarsteller Philipp Hochmair mit lauter Stimme nach dem Autor schreit: „Hugo von Hofmansthal, wo bist du?“

 

„Jedermann Remixed“ nennt sich dieses modern-düstere Avantgarde-Stück, das Hochmair gemeinsam mit dem Wiener Mash-Up-Künstler Kurt Razelli entwickelt hat. Eine fast logische Fortsetzung von Hochmairs Abhandlungen mit dem historischen Stoff: „Jedermann Reloaded“ gemeinsam mit der „Elektro Hand Gottes“ in einer Rock-Version, zu sehen u.a. im Burgtheater und im Stephansdom, in der Hochmair ebenfalls alle Rollen spielte, dann der fast kultige Ersatz des wegen Krankheit ausgefallenen Hauptdarstellers Tobias Moretti bei den (bürgerlichen) Salzburger Festspielen 2018. Und jetzt eine auf die wesentlichen Passagen komprimierte Club-Version mit tanzbaren Beats, Loops, Effekten und Soundgeräuschen, live remixed by Razelli, der auf der Bühne stets seine Arnold Schwarzenegger-Maske trägt.

 

Tatsächlich ist eigentlich auch Hofmannsthals „Jedermann“ ein Remix. Die Ursprünge des Spiels vom Sterben des reichen Mannes stammen aus dem Mittelalter und zwar von den englischen Mysterienspielen („Everyman – A Morality Play“) im London des 16. Jahrhunderts, bei denen wie in der späteren Bearbeitung die Figuren Gott, Teufel, Tod, Mammon, Glaube und Werke als Personifikationen auftreten. Hochmair spielt alle diese Rollen mit Intensität und Leidenschaft, den Jedermann selbst als rauchenden, trinkenden Rocker mit Lederjacke und Totenkopf-T-Shirt. Requisiten wie ein Trichterlautsprecher verschaffen den alten Versen noch eine züsätzliche Massivität. Die über 100 Jahre alten Zitate Hofmannsthals haben heute noch mehr Wahrheitsgehalt als damals: „Des Satans Fangnetz in der Welt hat keinen anderen Nam als Geld“, auf dem Video-Screen des Stadtsaals werden dazu parallel die Luxusschiffe und Sportwägen der Superreichen abgebildet.

 

„Ich verlass dich hier. Spiel wird mit nit mehr gefallen“. Nicht nur die Buhlschaft, sondern auch alle anderen Gesellen, Verwandten und Freunde lassen von Jedermann ab und verweigern die Begleitung ins Totenreich. So auch der Mammon ebenfalls in Gestalt von Hochmair mit horriblen Worten „Fährst in die Gruben nackt und bloß. So wie du kamst aus Mutters Schoß“.

 

 

„Eine letzte Stunde Aufschub bekommt Jedermann vom Tod, ein schwingendes Pendel symbolisiert im Hintergrund die unentrinnbare Frist. Die guten Werke und der Glaube retten den Jedermann in letzter Sekunde. Hochmair stirbt mit Totenkopf in der Hand einen triumphalen Tod im Stadtsaal, die Engel singen. Nicht nur in Form der Standing Ovations der begeisterten Zuschauer…

„It´s good to be back!“: Lässiger Indie-Pop von Metronomy im Gasometer!

„It´s good to be back“ – So heißt die neue Single der britischen Band Metronomy. Und passender kann dieser Titel nicht gewählt sein. Nach zwei Jahren öffnet das Wiener Gasometer wieder seine Pforten für heiße Pop- und Rockkonzerte. Und die südenglische Band Metronomy zählt – mit ihrem aus dem März 2020 (!) verschobenen Gig - zu den ersten, die dort wieder für ausgelassene Party-Stimmung und Clapping Hands sorgen. Die österreichischen Musik-Fans haben viel zu lange auf Live-Atmosphäre und Lebensfreude verzichten müssen.

 

Nach einer extravaganten Support-Show des britischen Queer-Künstlers Lynks starten Metronomy mit der lässigen „Love Factory“ aus ihrem brandneuen Album „Small World“. Die Band besteht aktuell aus fünf Mitgliedern. Als Sänger und Songschreiber fungiert Joseph Mount, der die Band bereits 1999 gegründet und unter diesem Namen auch zahlreiche Remixes (u.a. für Gorillaz, Ladytron oder Goldfrapp) veröffentlicht hat. Bassist Gbenga Adelekan ist in bester Spiellaune und peitscht das Publikum zum Tanzen und Klatschen auf. Dazu Keyboarder Oscar Cash, Gitarrist Michael Lovett und die lässige Drummerin Anna Prior, die vor einer bunten Visual-Wand den Metronomy-Sound noch tanzbarer macht.

 

Auf der Tour-Setlist stehen neben Tracks aus dem neuen 7. Album (wie „Right on Time“ und „Things will be fine“, ein weiterer positiver Slogan) Songs aus den letzten 15 Jahren ihrer Karriere: „The Bay“ und „Everything goes my Way“ (aus dem bisher erfolgreichsten Album „The English Riviera“ aus dem Jahr 2011), „Love Letters“ (aus dem gleichnamigen 2014er-Album) oder das an frühe Duran Duran-New-Wave-Hymnen angelehnte „Holiday“ (aus dem zweiten Album „Nights Out“). Nicht fehlen darf natürlich das aus einem Zalando-Werbespot bekannte „Salted Caramel Ice Cream“ aus dem Jahr 2019. Als das Intro zum Superhit „The Look“erklingt, sind die Indie-Pop-Fans im Wiener Gasometer nicht mehr zu halten.

 

 

Letzte Zugabe ein treibender, roher Underground-Track aus den Frühzeiten der Band: „You could easily have me“. Dann gehen die Lichter an. Die Party ist zu Ende, und gleichzeitig hat sie wieder begonnen. 

„We stand with Ukraine“: Benefiz-Konzert für den Frieden im Happel-Stadion!

„Es ist kein Konzert gegen etwas, sondern für den Frieden und die Freiheit und für die Menschen, die unter dem Krieg in der Ukraine leiden.“ Die Jungs von Wanda einige Tage vor dem Benefiz-Konzert „We stand with Ukraine“ im Wiener Ernst Happel-Stadion. Die Initialzündung kam vom Top-Veranstalter Ewald Tatar (Barracuda Music), während er gerade die Nova Rock Hallen in Nickelsdorf als Flüchtlingsquartier vorbereiten ließ. Innerhalb von 14 Tagen wurde ein hochkarätiges Programm mit den größten Stars der österreichischen Musikszene zusammengestellt, der (eigentlich geringe) Ticketpreis betrug 19,91, angelehnt an das Unabhängigkeitsjahr der Ukraine, 1991. Die rund 40.000 Tickets waren binnen weniger Tage restlos ausverkauft, den unmittelbaren Erlös von rund 800.000 Euro überreichte Tatar dem Volkshilfe-Chef Erich Fenninger live auf der Bühne.

 

Bei sonnigem Wetter versammelten sich bereits am frühen Nachmittag zahlreiche Musikfans, die nicht nur Geld für den guten Zweck sammelten, sondern auch sich selbst wieder ein Stück Lebensfreude zurückgaben. Endlich wieder ein Konzert ohne Einschränkungen und ohne Masken (die bei Freilaufveranstaltungen nur empfohlen werden). Und das bei einem sensationellen, bunt gemischten Line Up zwischen internationalem Pop, Hip Hop, Rock und Austro-Hadern.

 

„Darf i singen, dürfen wir feiern? Solange die Welt nicht dieselbe ist? Aber wenn wir schweigen, haben wir unsere Freiheit dann nicht freiwillig verloren an einen alten kleinen Mann?“ so die Sängerin Ina Regen in einer neuen Strophe ihres Lieds „Rot“. Ein Auftritt in einem ausverkauften Stadion sei für sie immer eine Utopie gewesen, zustandegekommen sei dieser Traum durch einen Krieg. Marco Pogo, politisches Aushängeschild der „Bierpartei“ und Sänger der Punk-Formation Turbobier, brachte die nötige Stimmung ins Stadion, um den Bierkonsum (und damit auch die Spendenerlöse) zu erhöhen. Im sexy Outfit präsentierte sich Pop-Sängerin Mathea („2x“), die nach einem Wechsel ins Management-Team von Raf Camora gerade einen Imagewechsel praktiziert. Der neueste Hit „Funke, Flächenbrand“ durfte nicht fehlen.

 

„Ein Leben ohne Grenzen, eine Freedom zu verschenken, eine Freiheit, nicht zu denken“, das wünschten sich Bilderbuch – bei gleichzeitiger Ausstellung eines „EU-Passes“ im Jahre 2019. „Europa 22“ stand – neben ihren Hits „Maschin“ und „Bungalow“ – auch auf der Setlist ihres großartigen Benefiz-Auftritts. Zumindest grenzüberschreitend wird in Europa jetzt geholfen. Das betonte auch Bundespräsident Van der Bellen, der zwischen den Auftritten der Austro-Barden Seiler & Speer und Pizzera & Jaus die Bühne betrat und mit eindringlichen Worten die sofortige Beendigung der Kämpfe forderte: „Präsident Putin: Stoppen Sie diesen Krieg!"

 

Für kräftige Buh-Rufe im ausverkauften Stadion sorgte Marco Michael Wanda, indem er die Besucher zum Ausbuhen des Kriegs animierte. Dann durfte wieder getanzt, gefeiert und gelacht werden, zu den fröhlich-melancholischen Pop-Rock-Hits „Bologna“, „Auseinandergehen ist schwer“, „Columbo“ und dem neuen Gassenhauer „Rocking in Vienna“. Bevor in einem Grande Finale die All Stars dieses Konzertabends unter der Chorleitung von Ina Regen den John Lennon-Klassiker „Imagine“ ins Mikro schmetterten.

 

 

„Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts“: Das berühmte Zitat des ehemaligen sozialdemokratischen Kanzlers Willy Brandt aus dem Jahr 1981 hat auch in Zeiten von Globalisierung, Internet und sozialen Medien nichts an Bedeutung verloren…

Artists for Ukraine: Videos und Bild-Projektionen auf den Fassaden des MQ Wien

Das Museumsquartier Wien setzt politische Akzente und präsentiert unter dem Titel „Artists for Ukraine“ eine künstlerische Solidaritätsaktion für die Ukraine. Verschiedene Künstler aus der Ukraine (Koordination Nikita Kadan), Belarus (Koordination Marina Naprushkina) und Russland zeigen auf der Hauptfassade des MQ Wien und der Fassade des Leopold Museums politische und gesellschaftliche Statements. Mit Hito Steyerl und Clemens von Wedemeyer sind auch zwei renommierte deutsche Videokünstler mit Anti-Kriegs-Botschaften vertreten. Die Beiträge sind bis zu 2 Minuten lang und werden per Loop zwischen 18 und 23 Uhr auf die Mauern des Museumsquartiers projiziert.

 

Unter der stetig steigenden Anzahl von teilnehmenden Künstlern befinden sich auch Kreative, die bereits in den Hallen des Museumsquartiers mit Ausstellungen und Installationen für Furore gesorgt haben. Der in Kiew geborene Nikita Kadan präsentierte beispielsweise im Jahre 2019 seine „Project of Ruins“, jetzt zeigt er im Rahmen seiner Collage „Protection of Plants“ Fotos von zerschossenen Gebäuden, über die Illustrationen von Pflanzen und Gemüsesorten eingefügt werden. Die noch zu Zeiten der Sowjetunion geflüchtete Widerstandskämpferin Anna Jermolaewa publizierte ihre politischen Videos und Installationen bereits im Mumok und in der Kunsthalle Krems, im Rahmen der Aktion „Artists for Ukraine“ zeigt sie einen emotionalen Zusammenschnitt auf die Flüchtlingssituation in der polnischen Grenzstadt Przemysl.

 

„Stop the Violence“ ist die eindeutige Botschaft der weißrussischen Künstlerin Antanina Slabodchykava. Das Wort „Gewalt“ wird dabei in verschiedene Sprachen übersetzt und rigoros durchgestrichen. Weite Verbreitung im Internet fand das Video der weissrussischen Aktivistin Ulyana Nevzorova, die in einer U-Bahn das Plakat mit der Aufschrift „This Poster can be the Reason for my Detention“ trägt. Derartige, nicht genehmigte Einzelkundgebungen werden in Belarus mit einer Geldstrafe von bis zu 50 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von bis zu 15 Tagen bestraft. Psychologisch spannend ist Oleksiy Radinskys 2013 in den Straßen von Moskau gedrehtes Video, das Doppelgänger von Stalin, Lenin und einem am Rand stehenden Putin visualisiert.

 

Die Videos werden ständig erweitert und sind täglich zwischen 18 und 23 Uhr im MQ-Hof zu sehen…

 

 

https://www.mqw.at/artists-for-ukraine

Der Rathausmann trägt eine rote FFP2-Maske – Keine "Freedom Days" in Wien!

„Due to this weekend’s announcement of continued Covid restrictions in Vienna, the Amy Mac Donald show at Gasometer on 11th March cannot happen as planned“. Eine weitere Konzert-Verschiebung in der endlosen Menge an Verlegungen, Verschiebungen und Absagen in der Bundeshauptstadt Wien, die alle etwas gemeinsam haben: Die Corona-Maßnahmen des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig, der seit nunmehr 2 Jahren die Gastro-, Tourismus-, Freizeit- und Eventwirtschaft mit einem sogenannten „Sonderweg“ quält.

 

Gemäß der bundesweiten Covid-19-Basismaßnahmenverordnung (§ 7) hat bei „Zusammenkünften von mehr als 50 Personen“ der Veranstalter einen Covid-19-Beauftragten zu bestellen und ein Covid-19-Präventionskonzept umzusetzen. Ansonsten gelten seit 5. März 2022 keine Einschränkungen mehr.

 

Anders in Wien: Dort gilt zusätzlich der zweizeilige § 8, der gewaltige Auswirkungen auf die Eventbranche hat: „Teilnehmer von Zusammenkünften haben in geschlossenen Räumen eine FFP2-Maske zu tragen!“ Diese Vorschrift gilt für ALLE Veranstaltungen und für ALLE Freizeit- und Kultureinrichtungen, also für Theater, Kinos, Kabaretts, Konzertsäle, Museen, Ausstellungen, Bibliotheken und Büchereien. Allerdings nur in Wien, nicht im gesamten Restösterreich. Hier werden nicht nur die 2 Millionen Wiener mit einer überschießenden Maskenpflicht schikaniert, sondern auch die zahlreichen Unternehmer, Veranstalter und Kulturbetriebe, deren Besucher in spe in die Bundesländer ausweichen und die dortigen Kulturangebote nützen. Eine Wettbewerbsverzerrung in Reinkultur. „Ich würde mir ein Konzert, wo ich die ganze Zeit eine Maske tragen muss, zehnmal überlegen“, so Nova Rock-Veranstalter Ewald Tatar. Dem ist nichts hinzuzufügen.

 

Unterschiedliche Vorschriften gelten auch in der Gastro- und Nachtgastronomie. Während im Rest-Österreich durch den „Freedom Day“ die Vorschriften – ähnlich wie in Schweden, Dänemark oder England – gefallen sind, gilt in Wien die 2 G-Regel. Und auch wenn das erste Wochenende in der Bundeshauptstadt gästemäßig ein großer Erfolg war, wichen viele jugendliche Wiener Nachtschwärmer ins Bar- und Club Life Niederösterreichs aus. Dort, wo tatsächlich wieder „wie damals“ gefeiert, getanzt und geflirtet werden kann. Ohne QR-Code, Grüner Pass und Ausweispflicht.

 

Nicht anders in der Tagesgastronomie. Auch hier gilt in Wien die 2 G-Regel. Mit einem „Luxus-Nachweis-Dessert für die Jüngsten. Während im Rest-Österreich die Altersgrenze für den „Nachweis einer epidemiologischen Gefahr“ bei 12 Jahren beginnt (bundesweit noch vorgeschrieben bei Kranken- und Altersheimen), liegt diese in Wien - ohne wissenschaftliche Evidenz – bei 6 Jahren. Wer als 7jähriger keinen gültigen Test in einem Wiener Restaurant oder Heurigen vorweisen kann, muss das Lokal verlassen. Die Gastro-Umsatzrückgänge der letzten beiden Jahre betrugen ja ohnehin „nur“ zwischen 40 und 60 Prozent (im Vergleich zum Jahr 2019).

 

Einen besonderen Appetizer liefert die rote Stadtregierung – von den „liberalen“ Neos hört man nicht einmal ein (politisches) Sterbenswörtchen – für Hotelgäste. Diese benötigen zwar keinen G-Nachweis, essen dürfen sie im Hotel allerdings nur dann, wenn sie einen 2G-Nachweis haben. Das hat schon kafkaeske Züge.

 

Nicht ungeschoren lässt der Wiener SPÖ-Bürgermeister den Handel. Dort gilt im Gegensatz zum Rest-Österreich weiterhin eine FFP2-Maskenpflicht. Während man im Media Markt Vösendorf oder im H&M der SCS ohne „Fetzen“ shoppen kann, muss man in den Wiener Partnerbetrieben die ganze Zeit die Atemschutzmaske tragen. Die Lust am Shopping wird den Wienern im März vergehen. Zumindest in Wien selbst. Laut diverser Statistiken der Handelskammern drohen bei Maskenpflicht Umsatzrückgänge bis zu 50 Prozent, vor allem im stationären Modehandel. Die Internet-Giganten Amazon, Zalando & Co. wird´s freuen. In der eigenen Wohnung (oder im benachbarten Niederösterreich) muss man beim genussvollen Gustieren der Fashion-Wear keine FFP2-Maske tragen. Und schwitzt auch nicht…

 

Diese nur für Wien geltenden härteren Maßnahmen sind normiert in der nicht nur sperrig klingenden „Wiener Covid-19-Basismaßnahmenbegleitverordnung“, die juristisch auf der bundesweit geltenden Covid-19-BasismaßnahmenVO basiert. Formell beschlossen wird diese von einer einzigen Person, dem Landeshauptmann und Wiener Bürgermeister Michael Ludwig. Eine demokratiepolitisch fragwürdige Lösung, greift diese doch – ohne parlamentarische und damit verbundene öffentliche Diskussion – in die wichtigsten Grund- und Persönlichkeitsrechte der Bürger ein. Eine rechtliche Alternative wäre eine Beschlussfassung in einer Sondersitzung des Landtages, bei der alle Parteien zu Wort kommen und in einer öffentlichen Debatte die verschiedensten Interessen ausgelotet werden. In diesem Zusammenhang wäre auch die Reaktion des SPÖ-Regierungspartners Neos spannend, dessen „liberale Trademark“ während der letzten Monate kaum mehr ersichtlich war.

 

Die SPÖ-Corona-Hardliner Ludwig und Hacker sollten sich mehr darauf besinnen, die Impfraten in der Bundeshauptstadt zu erhöhen anstatt die Bürger mit Tests, Maskenpflicht und Sonderregeln zu traktieren und ein immerwährendes gesellschaftliches Klima der Angst und Panik in der Millionenmetropole aufrechtzuerhalten. Wien ist Schlusslicht bei der Einhaltung der Impfpflicht, 16 Prozent verstoßen mit Stand 7. März gegen das Impfpflichtgesetz. Was aber noch wesentlicher und brisanter ist: Wien ist bei den vulnerablen, älteren Personen klarer Letzter im Bundesländervergleich. Nur 80 Prozent der 65-74jährigen, 87,3 der 75-84jährigen und 81,5 Prozent der über 84jährigen haben ein aktives Impf-Zertifikat. Und gerade diese Altersgruppen setzen sich bei fehlender Immunisierung einem erhöhten Gesundheitsrisiko aus.

 

 

Wien wurde 10mal zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt und ist eine von allen Altersgruppen weltweit geschätzte Tourismus- und Kulturmetropole. Die Trademark der „Stadt der Masken“ ist bereits – in positivem Sinne - an eine andere (Lagunen)-Stadt vergeben. Die SPÖ Wien sollte daher ihren wenig subtilen Widerstand gegen den Kurs der türkis-grünen Bundesregierung aufgeben und die Sonder-Maßnahmen so schnell wie möglich beenden. Tips dazu können Ludwig & Hacker ja von den sozialdemokratischen Regierungschefinnen in Schweden und Dänemark einholen. Stockholm und Kopenhagen sind immer eine Reise wert. Ebenso wie ein Wien ohne FFP2-Maskenpflicht, Teststationen und Zutrittskontrollen.

"Van Gogh Alive": Multimedia-Ausstellung in der Wiener MetaStadt...

„The only Time I feel alive is when I´m painting“ – Ein Zitat des berühmten niederländischen Malers Vincent van Gogh (1853-1890), das alle paar Minuten auf einer der Wände der Ausstellung „Van Gogh Alive“ in der Metastadt aufscheint. Diese tourt bereits seit mehr als 10 Jahren durch die Welt und war in bereits in mehr als 70 Städten zu sehen.

 

Es handelt sich dabei um keine konventionelle Retrospektive eines Künstlers, bei der Originalbilder präsentiert werden, sondern um eine immersive Multimedia-Ausstellung, im Rahmen der rund 3000 Bilder, Animationen und Zitate in einem 1200 Quadratmeter großen Saal auf die Wände projiziert werden. Das Programm dauert ca. 45 Minuten, die Besucher können sich – nach einer kurzen Einführungs-Galerie über die Werke und das Leben van Goghs – frei in den Räumlichkeiten bewegen oder sich auf den seitlich platzierten Sandsäcken und Sesseln niederlassen. Für Selfies eignen sich besonders das eigens produziertes physisches Modell des Schlafzimmers von Arles und ein verspiegeltes Sonnenblumenfeld abseits der Projektionen.

 

Geboten wird – per raumumgreifender Projektionsshow – ein chronologischer Überblick über das – kurze – künstlerische Schaffen des niederländischen Expressionisten zwischen 1880 und 1890. In dieser Zeit schuf Van Gogh ca. 800 Gemälde, zahlreiche Briefe vor allem an seinen Bruder Theo van Gogh deklarieren sein damaliges Kunstverständnis. Der am 30. März 1853 in Groot-Zundert geborene Vincent van Gogh begann seine Karriere als Künstler erst mit 27. Seine ersten Werke zeigten das einfache Leben von Bauern und Arbeitern. In Den Haag wurde er vom bekannten Maler Anton Mauve in die Aquarell- und Ölmalerei eingeführt. Neben Zeichnungen von Minenarbeitern und urbanen Häusern fertigte er erstmals Landschaften in Öl an. Zurück im Elternhaus in Nuenen (1884) malte er innerhalb weniger Monate über 180 Gemälde, darunter „Die Kartoffelesser“ und den „Webstuhl mit Weber“.

 

Leben konnte Van Gogh von seiner Kunst nicht. Nachweislich verkauft hat Van Gogh – zu Lebzeiten – ein einziges Werk, und zwar den „Roten Weinberg von Arles“ um 400 Francs an die impressionistische Malerin Anna Boch. Die berühmtesten Werke des niederländischen Ausnahmekünstlers entstanden in den letzten 3 Jahren vor seinem Tod. Van Gogh lebte zu dieser Zeit in Paris (1886-1888) und in der südlichen Provence, im wunderschönen Arles (1888-1889). In dieser kreativen Ära van Goghs entstanden u.a. die Sonnenblumen-Motive, die „Cafeterrasse am Abend“ und die „Sternennacht über der Rhone“, die mit ihren kräftigen Farben und ihrer Intensität auch das persönliche Glücksgefühl des Künstlers ausdrückten.

 

Dies änderte sich im Dezember 1888, als sich van Gogh nach einem Streit mit seinem Maler-Freund Paul Gauguin im Absinth-Rausch selbst ein Ohr abtrennte. Selbstporträts mit verbundenem Kopf durften nicht fehlen. Nach weiteren psychischen Anfällen folgte eine Einweisung in die Nervenheilanstalt in St. Remy, wo van Gogh u.a. die weltberühmte „Sternennacht“ (18. Juni 1889) erstellte, deren visuelle Kombination mit anderen nächtlichen Landschaftsbildern zu den Highlights der Ausstellung zählt.

 

In den letzten zwei Monaten seines Lebens wohnte van Gogh in Auvers-sur-Oise (30 km von Paris entfernt). Er malte dort – bei gleichzeitiger persönlicher Betreuung durch den Arzt Paul Gachet - innerhalb von 70 Tagen 60 Zeichnungen und 75 Bilder. Leider auch sein letztes: „Weizenfeld mit Raben“ (Juli 1890). Am 27. Juli 1890 schoss sich Van Gogh in einem Feld eine Kugel in die Brust, zwei Tage später starb er.

 

 

Wie zeigt dies die Ausstellung? Mit einem Schuss-Geräusch und panisch wegfliegenden Raben. Das Original-Gemälde hängt im Van Gogh-Museum in Amsterdam. 

"Live" or "Evil"?: Lars Eidinger-Fotoausstellung in der Wiener Alba Gallery!

Kulturelles Universalgenie Lars Eidinger: Der 1976 in West-Berlin geborene Schauspieler ist nicht nur auf zahlreichen Theater-Bühnen (wie kürzlich als „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen oder als „Hamlet“, „Richard III“ und „Tartuffe“ auf der Berliner Schaubühne), in populären TV-Serien (wie in „Babylon Berlin“), in progressiven Videoclips (u.a. von Deichkind) und Kino-Streifen („Alle anderen“, „Mackie Messer“, „Werk ohne Autor“, „Nahschuss“) zu sehen, sondern mixt auch als DJ im Rahmen seines „Autistic Disco“-Konzepts auf, betreibt einen Instagram-Account mit mehr als 87.000 Followern und publiziert – als fließenden Übergang dazu – seine spannendsten Fotos in diversen Ausstellungsräumen. So in der Hamburger Kunsthalle, wo Eidinger gemeinsam mit Stefan Marx unter dem Titel „Klasse Gesellschaft“ niederländische Gemälde des 17. Jahrhunderts in Konnex mit der Gegenwart zieht, oder in der neu eröffneten Alba-Gallery in der Wiener Schleifmühlgasse 3.

 

Die Wiener Exhibition trägt von außen kommend den Titel „EVIL“. Drinnen verweilend liest man auf der Glasscheibe „LIVE“. Ein kongeniales Palindrom, das den kreativen Pfad der Exhibition darstellt. Eidinger will mit seinen durch genaue Beobachtung entstandenen Fotos „die Gesellschaft spiegeln“. Und konterkariert damit auch das Vorurteil, dass Menschen, die dauernd aufs Smartphone starren, die Welt in ihrer Pracht, aber auch ihrer Diversität und Skurrilität nicht mehr erkennen.

 

Da drängt sich eine Touristin neben einem unter einem Zelt lebenden Obdachlosen, damit sie die Kathedrale von Notre Dame fotografieren kann. Zwei Personen betrachten teure Gegenstände einer Luxus-Boutique, während direkt vor ihren Füßen ein armer Mensch sich auf der Straße ausschläft. Eine komplett schwarz vermummte Person, sitzt, vermutlich mittellos, auf einem umgekippten Supermarkt-Wagen, während Eidinger gleichzeitig den Bankomaten im Hintergrund anvisiert. Ein Baum bahnt  sich seinen Weg durch einen Pflasterstein-Boden. Im Louvre steht eine riesige Menschenmenge vor der weltberühmten „Mona Lisa“ und wird – frontal fotografiert – dadurch fast Bestandteil des gegenüberliegenden Veronese-Monumentalgemäldes der „Hochzeit von Kana“. Bei der Jesus einst Wasser in Wein verwandelt hat.

 

Direkt beim Schaufenster platziert ist ein Disco-Würfel mit einer bunten Light-Show. Zumindest hier darf ohne Regeln und ohne Scheu gefeiert werden. Eine Wand-Uhr in Form einer gekreuzigten Jesus-Figur (bei der das Kreuz als Stunden- und Christus als Minutenzeiger agiert) durchläuft zweimal pro Tag den in der Satanisten- und Okkultismusszene verwendeten Status des „umgekehrten Kreuzes“.

 

Bei zahlreichen, auch skurrillen Moment-Aufnahmen macht sich Eidinger scheinbar unsichtbar. „Der Trick ist, dass man mit seiner Umgebung schwingt“, so der Künstler in einem Interview. Der gleichzeitig betont, dass er bereits vor seiner Schauspielerei fotografiert habe. Quod erat demonstrandum: Eines seiner ersten Fotos, ein verschwommener Hamster in einer Klopapierrolle aus dem Jahre 1982.

 

ALBA Gallery

 

(4., Schleifmühlgasse 3)

 

Lars Eidinger, bis 26. März

 

Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr

 

 

Sa.: 12 – 16 Uhr

„Zeitgenosse aus Leidenschaft“: Thomas Maurer im Wiener Stadtsaal!

„An der Zeitgenossenschaft fährt kein Weg vorbei. Und Sachen, an denen man eh nicht vorbeikommt, sollte man mit Leidenschaft erledigen. Dann ist es weniger fad.“  Gesagt, getan. Nach mehr als 20 Programmen und zahlreichen Auszeichnungen (wie dem österreichischen Kabarettistenpreis und dem Deutschen Kleinkunstpreis 2016 für „Der Tolerator“) im Laufe seiner über 30jährigen Karriere präsentierte der Wiener Kabarettist Thomas Maurer im Wiener Stadtsaal sein neuestes Werk unter dem Titel „Zeitgenosse aus Leidenschaft“.

 

Einziges Requisit auf der Bühne: Ein Sessel, auf dem sich der Kabarettist manchmal niederlässst und – eingebettet in eine Alltagshandlung (dem Kauf eines Poolsaugers) – über das Leben und die Gesellschaft philosophiert. Im Mittelpunkt stehen dabei weniger die Corona-Krise („einfach scheiße, blockiert das normale Leben“) oder die politischen Missstände (die werden ohnehin gemeinsam mit den „Staatskünstlern“ Florian Scheuba und Robert Palfrader scharf debattiert), sondern die Auswüchse des modernen Zeitgeistes, garniert mit spannenden Details und hintergründigem Schmäh.

 

Maurer zieht einen fast brutalen historischen Konnex zwischen dem Kannibalismus der Azteken und den 15.000 Toten im Rahmen der Errichtung der Infrastruktur für die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar und ruft zum Boykott der WM auf. Im Kreuzfeuer der Kritik steht auch der US-Amazon-Multimilliardär Jeff Bezos, der mit einer „Penis-Rakete“ Richtung All startet. Oder die reichsten Familien von Florenz, die sich zwischen 1423 und der Gegenwart nicht verändert haben.

 

Zu Beginn des Programms thematisiert Maurer die im urbanen Milieu grassierende „Alles Woke“-Bewegung. Und überlegt sich gleichzeitig, diesen Part am Land wegzulassen. „Die glauben sonst, ich war vorher asiatisch essen“. Die gesamte Show wird fleißig gegendert, „außer bei Arschloch und Nazi“. Denn: „Gegenderte Sätze sind wie Windkraftparks: Nicht schön anzusehen, aber ganz ohne wird es auf Dauer auch nicht gehen.“

 

Ein besonderes Anliegen sind Maurer auch die negativen landschaftlichen und kulturellen Veränderungen in Österreich. „Am Land sind die Menschen konservativ, so ein Art Naturgesetz. Aber was ist am Land konserviert worden? Das Ortsbild oder die dörfliche Kultur?“ Die Landbewohner behaupten zwar, es sei ihnen in der Stadt zu anonym. Tatsächlich aber seien die Dörfer ausgestorben, „kein Greissler, kein Wirtshaus, keine Post“.  Unterwegs seien keine lebenden Menschen, sondern nur die SUV´s, die er als „Werkfahrzeuge vom Todesstern“ metaphorisiert.

 

Bei seiner Autofahrt im Speckgürtel darf natürlich auch die Bodenversiegelung nicht fehlen. Mit Wehmut denkt er an den Süden Wiens von früher, durch den sich Beethoven einst zur „Pastorale“ inspirieren ließ. „So sieht das Anthropozän aus, wenn der Baumeister der Schwager vom Bürgermeister ist“, so seine zynische Bemerkung über ein Shopping Resort außerhalb Wiens, bei dem einstöckige Betonhallen mit Riesenparkplätzen nebeneinander platziert worden sind.

 

Dazu historische Reminiszenzen an Andreas Hofers Kampf gegen die Bayern, unterhaltsame Suchtanalysen („Als freier Künstler brauch ich ka Abhängigkeitsverhältnis“), Gedanken an die eigene Jugend als Ministrant, „böse“ Seitenhiebe auf die „Salonbobos“ und ein humorvoller Blick auf japanische Reisegruppen, die Kunstwerke im Smartphone-Display statt in Echtzeit betrachten. Wie die verspätete Klospülung im Flugzeug.

 

 

Maurers neues Programm: Eine politisch korrekte Magical Mystery Tour durch das 21. Jahrhundert mit vielen intelligenten Denkansätzen, lässigen Aphorismen und subtilen Zeitgeist-Kommentaren. Oder wie es Maurer selbst formuliert: „Sarkasmus ist die Würze der Debatte“… 

„Einsame Menschen“: Neuinszenierung des Hauptmann-Dramas im Wiener Volkstheater!

„All the lonely people. Where do they all come from. All the lonely people. Where do they all belong?“ tönt es fragmentarisch von der Bühne des Wiener Volkstheaters. „Eleanor Rigby“, der Kult-Hit der Beatles, darf in der von Jan Friedrich und Volkstheater-Chef Kay Voges inszenierten modernen Version der „Einsamen Menschen“ nicht fehlen.

 

Der Naturalist und spätere Literaturnobelpreisträger Gerhart Hauptmann hat dieses Werk 1890 – mit 27 Jahren – geschrieben. „Einsame Menschen“ ist nach „Vor Sonnenaufgang“ und „Das Friedensfest“ sein 3. Drama und wurde damals nicht nur in Berlin, sondern auch am Wiener Burgtheater aufgeführt. Die Thematiken – Freiheit, Traditionen, Familienglück, Beziehungsformen – sind trotz anderer gesellschaftlicher Strukturen auch heute noch, mehr als 130 Jahre später, brandaktuell.

 

Im Mittelpunkt steht das junge Ehepaar Johannes und Käthe Vockerat, die – gemeinsam der Mutter von Johannes und dem Künstler und langjährigen Freund Braun – separiert auf einem Landgut außerhalb der Stadt wohnen. Der Akademiker Johannes vertieft sich in philosophische Ergüsse anstatt aufs Geldverdienen, seine Ehefrau Käthe kümmert sich um das gemeinsame Baby. Intellektuell haben sich die beiden nichts zu sagen, was Johannes seiner Ehefrau auch verbal spüren lässt. Käthe, gespielt von Anna Rieser (die wie auch die anderen Darsteller zum neuen ständigen Ensemble des Volkstheaters zählt), wird zu Beginn des Stücks (und auch am Ende) ganz in Dunkel positioniert, umhüllt von Bühnennebel mit Baby in beiden Armen.

 

Ganz im Gegensatz dazu die Studentin Anna Mahr (gespielt von Gitte Reppin), die ihren Jugendfreund Braun auf dem Landgut besucht. In grellgelbem Kleid, sonnenbebrillt und mit geballter Lebenslust bringt sie das bis dahin trostlose Leben der vier Landgutbewohner durcheinander. Johannes verliebt sich in die weltgewandte, junge Frau und wird zum „Sinnerman“. Nina Simones lasziver Track versetzt neben zahllosen Lichteffekten die Handlung auch soundtechnisch in die Gegenwart. Die Stimme der Verantwortung und des Traditionalismus wird verkörpert durch die strengen Worte des Vaters (Stefan Suske), der am Ende des Stückes auftritt. Der egoistisch-verzogene Sohn lässt sich von dessen konservativen Wertvorstellungen nicht mehr beeindrucken, seine vermeintlich neue Liebe allerdings steht immer wieder kurz vor der Abreise, während die biedere Ehefrau versucht, ihre inneren Zwänge abzulegen und sich ebenfalls in eine Femme Fatale zu verwandeln. Ob es gelingt, bleibt abzuwarten.

 

 

Der Vorhang schließt sich auf jeden Fall mit einem Hit des Schockrockers Marilyn Manson: „We are sick, fucked and complicated“. Das hätte auch Hauptmann gefallen…

Last Club Night before Lockdown: Purple Disco Machine im O-Club Vienna!

Es war die letzte Friday Club Night in der Millionen-Metropole Wien, 3 Tage vor dem 4. Lockdown am 22. November 2021. Hunderte junge Party People warteten in einer langen Reihe neben der Staatsoper auf Einlass und auf verpflichtende Impfpass- und PCR-Test-Sicherheitskontrollen. Erst zwei Tage zuvor verhängte der SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig per Verordnung eine 2 G-Plus-Regelung für die Wiener Clubbing-Szene. Der Stimmung tat das keinen Abbruch. Drinks auf offener Straße, fröhliches Gelächter, Wiener, Deutsche, Italienerinnen, Spanierinnen, eine lässige, multikulturelle Crowd, die noch einmal die Nacht zum Tag machen will. Zu einer Zeit, als die Büchse der Pandora bereits geöffnet wurde.

 

Epizentrum des Tanz auf dem Vulkans ist der O-Klub in der Albertina-Passage. Ein neuer Club im Herzen der Stadt Wien, der von den ehemaligen Horst-Betreibern im Dezember 2019 eröffnet wurde und – ähnlich dem Vorgängerclub in der Rotgasse - jeden Freitag mit hochkarätigen House- und Techno-Acts für Riesenandrang sorgt. Main Act am 19. November ist der aus Dresden stammende DJ und Produzent Tino Piontek aka Purple Disco Machine. Das Pseudonym resultiert aus einer spontanen Verquickung des Prince-Hits „Purple Rain“ und Gloria Estefans Miami Sound Machine mit dem Genre Disco.

 

PDM, zweitpopulärster Beatport Artists of All Time mit neun Millionen monatlichen Spotify-Hörern, hat parallel neben zahlreichen Remixes (u.a. für Dua Lipa, Calvin Harris oder Elton John) gerade sein zweites Album „Exotica“ veröffentlicht, darin enthalten die Superhits „Hypnotized“ (mit der britischen Indie-Band „Sophie and the Giants“), „Fireworks“ und „Dopamine“, allesamt Teil eines mehr als zweistündigen, schweißtreibenden High Energy-Mixes im prallgefüllten O-Club. Dazu PDM-Remixes des Human League-Klassikers „Don´t you want me“ oder Sophie Ellis Bextors „If this ain´t love“, „Groove is in the Heart“, „Blue Monday“ oder der dirty angehauchte 80´s-Gay-Klassiker „Male Stripper“. Disco-, Funk- und House-Tracks, mit denen PDM nicht nur die O-Crowd, sondern die Dancefloors weltweit zum Kochen bringt. From New York, Rio to Ibiza…

 

Enttäuscht ist der bereits seinen Jugendjahren als DJ tätige Piontek vom Umgang der Politik mit der Entertainment-Branche: „Kultur und gerade die Kleinkunst wird völlig ignoriert. Meine größte Angst ist, dass es gerade die kleinen Clubs und Bars nach der Pandemie nicht mehr geben wird.“

 

 

„Lockdown is temporary, Moments together are forever. We can´t wait to soon dance with you all again. Until then stay healthy!“ postete der O-Club Ende November auf Facebook. Das Wort „temporär“ trägt in Österreich leider eine Endlosschleife. Während in anderen europäischen Staaten (wie England, Serbien oder Spanien) nicht nur zu Silvester exzessiv gefeiert wurde, sind in Österreich Clubs und Nachtgastronomie seit 22. November geschlossen. Von einer Reopening-Strategie seitens der Politik ist nichts bekannt. Wien ist auf dem gefährlichen Weg, wieder eine „tote Stadt“ zu werden. 

„Schall ist flüssig“: Kult-Fotograf Wolfgang Tillmans im Wiener Mumok!

Er gilt als Chronist der britischen Rave Culture und der Berliner Love Parade, als EU-, Anti-Brexit und LGBT-Aktivist, bekam als erster Fotograf und nicht britischer Künstler den Turner Prize (2000) und war mit seinen Motiven, Installationen und Abstraktionen bereits in den renommiertesten Museen der Welt (wie dem Tate Modern London, dem Metropolitan Museum in New York oder dem Moderna Museet in Stockholm) vertreten: Wolfgang Tillmans.

 

„Obwohl ich weiß, dass die Kamera lügt, halte ich doch fest an der Idee von einer fotografischen Wahrheit“, so der Star-Fotograf in einem „Zeit“-Interview. In Österreich konnte man Tillmans Foto-Art vereinzelt in diversen Sammel-Ausstellungen betrachten. Das Mumok im Wiener Museumsquartier widmete dem in Berlin und London lebenden deutschen Künstler im 2. Stock und im Untergeschoß erstmals eine große Solo-Exhibition mit über 250 (!) Werken, kreativ und prägnant zusammengestellt wie eine musikalische Komposition.

 

Großformatige Werke astronomischer Erscheinungen hängen direkt neben kleinen Porträtfotos (unter denen sich auch Pop-Superstars wie Lady Gaga und Nenah Cherry oder persönliche Freunde wie die späteren Szene-Ikonen Lutz und Alex mischen), Foto-Serien (wie der „After Party“ aus der Club Culture der 90er), polit-aktivistische Shots (von Lampedusa, Black Lives Matter-Demos bis hin zu diversen Gay Prides) und fotografischen Meisterleistungen.

 

„Schall ist flüssig“, das den Titel der Ausstellung prägende Foto aus dem Jahre 2021, ist eine davon. Es zeigt einen Tropensturm als Stilleben, die Wassertropfen erscheinen aufgrund der kurzen Belichtungszeit tatsächlich als Punkte und nicht als Striche. Oder „Lüneburg“ (self), das als Tillmans´ kommunikative Analyse der Corona-Pandemie zu interpretieren ist. Man sieht ein I-Phone, das an eine Wasserflasche angelehnt ist. Auf dem Handy-Screen erkennt man rechts oben Tillmans, der von einem Krankenhausbett aus diesen fotografiert, der Empfänger ist nicht erkennbar, nur eine rosa Decke erscheint im Hintergrund. In Zeiten von Ausgangssperren, Lockdowns und sozialer Isolation der einzige Weg, um mit Freunden in Kontakt zu treten.

 

Zu den avantgardistischen Highlights moderner Fotografie zählen die im Berliner Berghain ausgestellten „Freischwimmer“-Motive, die Tillmans mittels künstlicher Lichtquellen auf lichtempfindlichem Fotopapier erzeugt hat, die „paper drops“ (Fotopapier-Bögen in der Gestalt von Tropfen) und die ebenso kameralos produzierte „Silver“-Serie, deren finale Ausgestaltung von der Mechanik der Entwicklermaschine abhängt.

 

In einem verdunkelten Raum präsentiert Tillmans seine erstmals auf der Architekturbiennale Venedig 2014 publizierte Installation „Book for Architects“, die auf 2 Kanälen 450 Fotografien von Häusern, Innenräumen und Außenfassaden zeigt. Tillmans ist einerseits beeindruckt von der modernen Architektur, andererseits kritisiert er die Eitelkeit der Urheber, die sich mit ihren Projekten unwiderruflich in die Lebensrealität der Menschen drängen.

 

Im Untergeschoß des Mumok ist Tillmans nicht nur mit einer undergroundigen Tate Modern-Fotogalerie vertreten, sondern auch mit einer Videoclip-Compilation seines kürzlich erschienenen Debüt-Albums „Moon in Earthlight“, die man lässig chillend im Kinosessel betrachten kann.

 

 

Das Museum of Modern Art New York plant derzeit eine Retrospektive Tillmans. Das Mumok Wien kann stolz darauf sein, diesem Universalgenie bereits vorher attraktive Räume für sein kreatives Schaffen geboten zu haben. Oder wie Tillmans stets in Interviews betont: „Pictures create space“…

The 80´s: Die Kunst der 80er in der Albertina Modern

Die 80er:  Grassierender Neoliberalismus unter Thatcher und Reagan, der Ost-West-Konflikt, Tschernobyl, Yuppies, Waver & Punks, MTV, Digitalisierung, die tödliche Seuche Aids. Themen, die sich auch in der Kunst der 80er widerspiegeln.

 

Stilpluralismus ist insofern das Kennzeichen der Kunstszene der turbulenten 80er. Die Albertina Modern zeigt nach der – „nur“ auf österreichische Künstler bezogenen Ausstellung „The Beginning – 1945 bis 1980 – einen Streifzug durch nationale und internationale Kunstströmungen der Eighties. Die Werke stammen einerseits aus der eigenen Sammlung, andererseits von privaten Leihgebern.

 

Aus Österreich vertreten sind die „Neuen Wilden“ rund um Herbert Brandl, Franz West oder Maria Lassnig, die 1980 die USA verließ und in Wien an der Hochschule für Angewandte Kunst unterrichtete. Brigitte Kowanz präsentiert in einem eigenen Raum ihre damals hypermodernen Artefakte aus Flaschen und Neonröhren.

 

In Amerika entstanden in den 80ern – parallel zur Hip Hop-Bewegung – die Graffiti-Kultur und die Street Art.  Protagonisten von damals, der später an AIDS verstorbene Keith Haring („Subway Drawings“), Jean Michel Basquiat und Kenny Scharf, sind mit ihren kreativen Schöpfungen in der Albertina Modern vertreten. Ebenso die Installationskünstlerin Jenny Holzer, die ihre Messages im öffentlichen Raum verbreitete. Eine Sitzbank beispielsweise zitiert den Spruch „You should limit the number of times you act against your nature. Like sleeping with people you hate“.

 

Viele Künstler lehnten explizit die Moderne ab, sie bezogen sich stattdessen bewusst auf die Werke anderer Künstler und verstanden den Akt des Kopierens und das Resultat selbst als Kunst. Der Sammelbegriff: „Appropriation Art“, zu der u.a. Cindy Sherman mit ihren „History Portraits“, Sherrie Levine oder Robert Longo zählen.

 

Angesagt in den 80ern waren auch grelle, großformatige Malereien im Stile des Neoexpressionismus und der Transavantgarde. Prominente Vertreter: Der Italiener Francesco Clemente (der mit Warhol und Basquiat 15 „Collaborations“ anfertigte), Sandro Chia oder Helmut Middendorf, dessen 1979 entstandenes Bild „Electric Night“ die Nightlife-Subkultur der damaligen Zeit veranschaulicht.

 

Extravagant die Holz-Skulptur „The Bear and the Policeman“ von Jeff Koons, die nur äußerlich niedlich anzusehen ist. Der amerikanische Künstler sieht in dem Plüschtier nur ein Kostüm, hinter dem sich auch eine gefährliche Person mit dunklen Absichten verstecken kann. Ein direkter Konnex zu den fragwürdigen Methoden demokratischer Gesellschaften von heute.

 

 

Grell, divers, bizarr, ambivalent: Die spannende Tour durch die Kunst der 80er ist von 10. Oktober 2021 bis 13. Februar 2022 in der Albertina Modern zu sehen…

"Eine heile Welt!" - Familie Lässig live im Wiener Stadtsaal!

Eine heile Welt, die eine Weile hält“ – Eine knallige Zeile, die in der krisengeschüttelten Gegenwart nicht besser passen könnte. Tatsächlich stammt dieser dichterische Erguss aus einem Schüttelreim Gunkls bei einem Live-Auftritt der Familie Lässig vor einigen Jahren. Jetzt ist er gleichzeitig PR-Album-Teaser, Titel und Refrain des gerade erschienenen zweiten Albums „Eine heile Welt“ und des gleichnamigen Opening Tracks. Jeweils mit Rufzeichen, denn dahinter stehe eine Hoffnung, eine Forderung, so Sänger und Gitarrist Gerald Votava.

 

Die Famile Lässig kann man getrost als Supergroup bezeichnen. Ihre Ursprünge hat sie im Jahr 2014, als sie bei einer Benefizveranstaltung für den Verein „Purple Sheep“ im Wiener Stadtsaal Spenden sammelte. Damals mit kessen Coversongs, die auch heute noch teils zum Repertoire gehören (wie „Blumen im Sand“ von Steffi Werger, „Guten Tag“ von Wir sind Helden“ oder „Alles nur geklaut“ der Prinzen). Chefin der Band ist die Drummerin Catharina Priemer-Humpel, ihre Ehefrau, Clara Lucia, die „Königin“. Dazu 4 Typen – Sänger, Schauspieler und Kabarettist Manuel Rubey, Gerald Votava (aka „Der Mond“), „Jazzpolizei“ Boris Fiala und Satire-Original Gunkl. Besonderes Kennzeichen: Ein Matriarchat in der Familie.

 

Im Wiener Stadtsaal stellte die Familie Lässig jetzt erstmals ihr neues Album „Heile Welt“ vor. Ein Album, das in Kleingruppen produziert wurde und bei alle Familienmitglieder musikalisch zum Zug kommen. Die Themenauswahl weit gestreut: Von boboesken „Besserwissern“ bis hin zu Korruption („Mein Herz ist korrupt“) und Liebessehnsucht („Hund vor deine Dia“), garniert mit poppigem Indie-Rock-Sound. Aus der Kreativfabrik der Sterne bzw. der Berliner Band Britta stammen die Coverversionen „Risikobiographie“ und „Büro Büro“.

 

Bei „Nur nachts sind alle Schaukeln frei“ erinnert sich Rubey live an seine Zeit auf dem Kinderspielplatz mit seinen Töchtern, bei der genialen Mitsinghymne „Irgendwann wird´s wieder Sommer“ freut man sich schon auf die schönste Zeit des Jahres. Ohne Masken und Corona-Schikanen am wunderschönen Meeresstrand.

 

 

Part jeder Show ist das sogenannte „Gunkeln“, bei der der Kabarettist spontane Wortakrobatik auf Anfragen und Inspirationen des Publikums liefert. „Wird alles gut?“ fragte ein Premierengast. Gunkls Antwort: „Das ALLES gut wird, spüt´s ned!“ Ein toller Abend im ausverkauften Stadtsaal war es allerdings trotzdem. Auch ohne - reale - heile Welt!

Neue Juden-Gedenkstätte in Wien: Shoah-Namensmauern im Ostarrichi-Park!

 Bereits im Jahr 2000 hatte der aus Österreich stammende und seit 1948 in Kanada lebende Künstler Kurt Yakov Tutter die Idee, eine Gedenkstätte für die in der Shoah ermordeten jüdischen Österreicher zu errichten. 21 (!) Jahre später ging sein Traum in Erfüllung.

 

Am 9. Oktober 2021, dem Jahrestag der Novemberpogrome 1938, wurden die Shoah Namensmauern im Ostarrichi-Park direkt vor der Nationalbank (9. Bezirk, Alsergrund) eröffnet. In einem Kreis wurden 180 in Italien geschliffene Granitplatten der Sorte Kashmir Gold aufgestellt, die jeweils eine Höhe von zwei Metern und eine Breite von einem Meter aufweisen. Auf diesen wurden die Namen aller 65.000 in der Shoah ermordeten jüdischen Männer, Frauen und Kinder eingraviert. Die Namensliste der Opfer wurde vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands recherchiert.

 

Initiator Tutter selbst flüchtete als Neunjähriger 1939 mit seiner Familie aus Wien nach Belgien. Seine Eltern wurden 1942 aus Brüssel nach Auschwitz deportiert. Jahrelang wurde über Standort und Finanzierung debattiert. Die Kosten von ca. 5,29 Millionen Euro trägt nun großteils der Bund (4,46 Millionen Euro), der Rest stammt von den Bundesländern (600.000 Euro) und einem Fundraising-Dinner der Industriellenvereinigung.

 

Im Jahr 1938 lebten in Österreich 210.000 Juden, von denen 65.000 bei ihrer Flucht scheiterten. 49.000 wurden gewaltsam nach Ost-Europa verschleppt, 14.000 aus Ländern wie Holland, Belgien oder Frankreich deportiert (die nachträglich von den Nazis erobert wurden), 2.000 wurden direkt in Österreich ermordet oder in die KZ´s Dachau und Buchenwald gebracht. Heute leben noch ca. 10.000 Juden in der Bundeshauptstadt Wien.

 

 

Das „Memorial to the Jewish Children, Women and Men of Austria who were murdered in the Shoah“ (so der englische Name) ist nicht die einzige Wiener Gedenkstätte an die im Nationalsozialismus ermordeten Juden. Seit dem Jahr 2000 steht auf dem Judenplatz der Stahlbetonkubus der britischen Künstlerin Rachel Whiteread, konzipiert als nach innen gerichtete Bibliothek („nameless library“), die die Lebensgeschichten der Juden versinnbildlicht.

Buch Wien 2021: Corona, Kurz und andere verschissene Zeiten!

„Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste“, sprach einst Heinrich Heine. Insofern fielen für Bücher-Freaks mit der – nach einem Jahr Pause – wieder stattfindenden Buch Wien einige Feiertage zusammen. Von 10. bis 14. November 2021 präsentierten 323 Aussteller aus 31 Ländern ihre Produkte, insgesamt 513 Autoren stellten in den Messehallen ihre neuesten kreativen Werke vor. Von Sachbüchern, Polit-Analysen, Biographien bis hin zu Romanen, philosophischen Ergüssen und Kinderbüchern. Ein besonderer Schwerpunkt wurde der von der schwedischen Autorin Astrid Lindgren erschaffenen Kult-Figur Pippi Langstrumpf gewidmet, deren erstes Buch vor 75 Jahren publiziert wurde. Als Gastland bei der Buch Wien vertreten war Russland, dessen großer Literat Fjodor Dostojewski dieses Jahr seinen 200. Geburtstag feierte.

 

Liebe in Zeiten des Hasses

 

„Weltgeschichte ist zur Hälfte Liebesgeschichte“ – So promotete der deutsche Autor Florian Illies sein neues Buch „Liebe in Zeiten des Hasses“, das sofort nach Erscheinen auf Platz 1 der Bestsellerlisten schoss. Im Mittelpunkt stehen dabei Liebes-, Sex- und Eifersuchtsgeschichten prominenter Zeitgenossen wie Sartre, Picasso, Brecht, Zweig & Co. während der (noch zügellosen) 30er. Akribisch recherchiert und spannend geschrieben.

 

Corona

 

Die Corona-Pandemie bzw. deren Begleiterscheinungen und das Phänomen Sebastian Kurz waren die Haupt-Themen bei den politischen Sachbüchern. ORF-Wissenschaftsjournalist Günther Mayr präsentierte sein mit Hans Bürger gestaltetes Buch „Entscheidung – Ein Virus diktiert“, Ingrid Brodnig („Einspruch“) gab einen Einblick in die täglich skurriler werdenden Verschwörungstheorien, und Robert Misik skizzierte die „neue Abnormalität“. Ex-Rockstar und Filmregisseur Reinhold Bilgeri verwendete die New Yorker-Lockdown-Atmosphäre als Hintergrund für seinen Roman „Die Liebe im leisen Land“, in dem ein verheiratetes Pärchen (Reporter Thomas Maas und Anwältin Amy Alister) ins emotionale Straucheln gerät.

 

Phänomen Kurz

 

Am 9. Oktober 2021 trat Sebastian Kurz als österreichischer Bundeskanzler zurück. Seine Taktiken und Tricks wurden bei der Buch Wien von Natascha Strobl und Peter Pilz schonungslos analysiert. „Radikaler Konservatismus“, so bezeichnet die Politikwissenschaftlerin Strobl die zuletzt im Zuge von Politikern (wie Trump, Johnson oder eben Kurz) konzipierten, von rechten bis rechtsextremen Parteien kopierten Strategien. Dazu zählen u.a. die Übernahme von Feindbildern (wie „fremdländische Kultur“ oder Feminismus), der Angriff auf Medien, NGO´s oder die Justiz und die tägliche Schlagzeilen-Politik („riding the news cycle“), die nur der eigenen Marke und nicht gesamtstaatlichen Zielen dient. Hinter die Kulissen des System Kurz blickt Peter Pilz mit seinem Buch „Kurz – Ein Regime“. Der türkise Ex-Kanzler sei ein reines Propagandaprodukt, der sich nicht für Politik, sondern nur für seine eigene Macht interessiert, so Pilz vor einer prall gefüllten Audienz in den Wiener Messehallen.

 

Einen anderen Ansatz wählte der 27jährige Wiener Schriftsteller Elias Hirschl, um die oberflächliche Yuppisierung der Politik anzuprangern. „Salonfähig“ heißt sein – unter dem zündenden Slogan „Austrian Psycho“ beworbene – Roman, dessen namenloser Ich-Erzähler Mitglied einer rechtskonservativen Partei („Junge Mitte“) ist. Sein großes Vorbild ist der junge Vorsitzende und künftige österreichische Bundeskanzler Julius Varga, Ähnlichkeiten mit realen Figuren sind natürlich nur rein zufällig.

 

 

Ein anderes politisches Kaliber war einst der sozialdemokratische Bundeskanzler Vranitzky, der auf der ORF-Bühne sein gemeinsam mit der Autorin Margarethe Kopeinig erstelltes Buch „Politik mit Haltung“ präsentierte. Vranitzky verwies dabei auf die Bedeutung des Kompromisses und des sozialen Ausgleiches in der Alltagspolitik und erinnerte an die Abkehr Österreichs von der „Opfertheorie“ in bezug auf die Ereignisse des 2. Weltkriegs durch seine parlamentarische Rede im Juli 1991.

Jugoslawien

 

Barbi Markovic, geboren 1980 in Belgrad, hat in den 90ern den Krieg in Jugoslawien hautnah miterlebt. Ihre Erfahrungen verarbeitet sie in dem flott und modern geschriebenen Roman „Verschissene Zeit“. Im Phil und auf der Standard-Bühne der Buch Wien servierte sie teils deftige Leseproben aus dem Coming of Age-Buch, in dem drei jugendliche Außenseiter per Zeitmaschine nicht durch die Kriegswirren, sondern auch durch ihre Pubertätskrisen driften.

 

Diskutiert wurde in einer Gesprächsrunde unter dem Titel „Mein Vaterland hat keinen Namen mehr“ über das Nachkriegs-Jugoslawien. Die einhellige Meinung: Die Jugend glaubt nicht an die neuen „Splitterstaaten“, man brauche neue Visionen, um die nationalistischen Strömungen zu überwinden.

 

Populismus, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit sind auch Thema in Nick Thorpes Buch „Die weinende Straße vor mir – Entlang der Balkanroute“. Der in Budapest lebende BBC-Korrespondent beschreibt ein realistisches Stimmungsbild über die Flüchtlingskrise in Südosteuropa. Den Erfolg Orbans erklärt er damit, dass die Ungarn aufgrund geringer Erfahrung mit ausländischen Kulturen für patriotische Botschaften („Haus Ungarn“) anfällig sind.

 

„China ist eine klassische Erziehungsdiktatur“, so Ex-Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust auf der ORF-Bühne. Social Credit-Systeme und eine digitale Dauer-Überwachung kennzeichnen das Ursprungsland der Pandemie, in dem alle Bürger eines Stadtbezirks mitten in der Nacht wegen eines Covid-19-Verdachtsfalls zu Tests verpflichtet werden. Aust hat gemeinsam mit dem Journalisten Adrian Geiges eine spannende Biographie über den Staatspräsidenten Chinas geschrieben: „Xi Jinping – Der mächtigste Mann der Welt“.

 

Ausgezeichnet wurden bei der Buch Wien auch die Gewinner des Österreichischen Buchpreises: Raphaela Edelbauer für ihr Science Fiction-Epos „Dave“ und Anna Albinus für ihren Debütroman „Revolver Christi“.

 

Obwohl durch die Corona-Krise die Menschen mehr Zeit haben, um Bücher zu lesen, stehen die Verlage unter finanziellen Schwierigkeiten. Ein Grund sind auch die gestiegenen Rohstoffpreise. Vor allem kleine Verlage haben Probleme, rechtzeitig Nachdrucke ihrer erfolgreichen Publikationen herzustellen.

 

 

Die nächste Buch Wien wurde jedenfalls bereits fixiert, sie findet zwischen 23. und 27. November 2022 statt…

„Göttin schuf Eva“: Margot Pilz-Licht-Installation im Wiener Stadtpark!

„Selbstauslöserin“ heißt die aktuelle Ausstellung der 1936 in Haarlem (Niederlande) geborenen und seit 1954 in Österreich lebenden Künstlerin Margot Pilz in der Kunsthalle Krems.

 

Pilz ist seit den 70ern als Fotografin tätig, gilt als engagierte Feministin und als progressive Pionierin der Medienkunst, die sich genreübergreifend mit Fotografie, Video, digitaler Skulptur, Performance und Installation beschäftigt. Zu den Highlights der noch bis 3. April dauernden Ausstellung zählt eine moderne, durch die Umweltzerstörung beeinträchtigte Version der Installation „Kaorle am Karlsplatz“ (1982, Wiener Festwochen) und das extra für die Ausstellung konzipierte Werk „Die Göttin schuf Eva“ (2021).

 

Die Neonskulptur zeigt eine feministische Neudeutung der Schöpfung, angelehnt an Michelangelos Fresko in der Sixtinischen Kapelle. Diese kann – trotz der corona-bedingten temporären Schließung der Museen – aktuell besichtigt werden, und zwar im Wiener Stadtpark.

 

 

Im Rahmen der Wiener Lichtblicke ist das Werk von Margot Pilz im Form einer Lichtprojektion auf den Wien Fluss zu sehen. Ein heißer Tip für den nächsten nächtlichen Spaziergang durch das schöne Wien!

Street Girls-Shots und Revolutions-Kult: Susan Meiselas-Ausstellung im Kunst Haus Wien!

3 junge Mädchen im New Yorker Little Italy vor einer Häuserfassade, die Spaß daran haben, Kaugummiblasen zu fabrizieren und wieder platzen zu lassen. Ein Bild unbeschwerter Jugend mitten im Großstadtdickicht. Die junge, ursprünglich aus Baltimore stammende Fotografin Susan Meiselas hat Carol, JoJo und Lisa in den 70ern zufällig kennengelernt und hat diese beim Erwachsenwerden visuell begleitet. Die erste Zigarette, die ersten Küsse, der erste Liebeskummer, das unbeschwerte Tanzen am Strand ohne Eltern bis zur Hochzeit und Familiengründung. „Prince Street Girls“ nennt sich diese wunderbare, lebensjahende und melancholische Foto-Serie, die derzeit im Wiener Kunsthaus im Rahmen der Meiselas-Retrospektive „Mediations“ zu sehen ist.

 

Die Teenager-Erinnerungsfotos der drei Mädchen, mit denen Meiselas jetzt noch in Kontakt ist, zählen neben den Studenten-Porträts der „44 Irving Street“ und den „Carnival Strippers“, bei denen die Fotografin Jahrmarkt-Stripperinen und ihr Umfeld (teils begleitet von Audio-Tönen) abgelichtet hat, zu den Frühwerken der späteren New Yorker Magnum-Fotografin. Ende der 70er reiste Meiselas zufällig nach Nicaragua und wurde dort Zeugin einer Revolution. Die sozialistischen Sandinisten putschten gegen den damaligen Präsidenten Anastasio Somoza Debayle, der danach aus dem Land flüchtete. Eines der Fotos von Meiselas ging in die Geschichte ein. Auf dem Bild ein Mann, der Che-Guevara-ähnlich einen Molotov-Cocktail gegen die Soldaten-Armee des Diktators wirft, der „Molotov Man“.

 

„Wenn Bilder einmal in die Welt gesetzt wurden, dann gehören sie nicht mehr nur dir allein“, so Meiselas. Das war – trotz aller rechtlichen Barrieren – vor den sozialen Medien nicht anders. Die Fotografin zeigt in ihrer dreiteiligen Installation „Mediations“ eine Reihe von Originalbildern, den Hintergrund und wie diese Fotos in den verschiedensten Medien verwertet (und teils auch missinterpretiert) wurden. Der „Molotov Man“ selbst wurde zu einem Symbol der Revolution und ist auf Wänden, Streichholzschachteln, Broschüren und T-Shirts abgebildet. Die politische Situation dagegen hat sich nicht verändert. Der einstige Rebellenführer Daniel Ortega wurde selbst zum einem autoritären Herrscher, gegen den die Menschen seit Jahrzehnten auf die Straße gehen. Ein brillantes Facebook-Posting (das als Postkarte in der Ausstellung gratis erhältlich ist), zeigt unter dem Text „40 Years later“ ein frappant ähnliches Doppel-Bild mit dem Molotov Man aus dem Jahr 1978 und einem Widerstandskämpfer des Jahres 2018.

 

Weitere Schwerpunkte der Ausstellung sind häusliche Gewalt und das Leben in Frauenhäusern („A Room of their Own“) bzw. das langfristige Multi-Media-Projekt „Kurdistan“, das mittels Fotografien, Videos, Websites und schriftlichen Unterlagen Genozid und Diaspora der Kurden seit 1991 dokumentiert.

 

 

„Mediations“ ist von 16. September 2021 bis 13. Februar 2022 im Kunst Haus Wien zu sehen.

Hamburger Indie-Pop am Donaukanal: Die Sterne live in der Grellen Forelle!

„Wohin zur Hölle mit den Depressionen? Ich geh in die Disko, ich will da wohnen“ – Ein Song der Sterne aus dem bpm-angehauchten Album „24/7“ im Jahre 2010. 11 Jahre später wurde er Realität. Im Rahmen ihrer Herbst-Tour 2021 statteten Mastermind Frank Spilker und seine Band dem cool-verruchten Techno-Club „Grelle Forelle“ am Donaukanal einen Besuch ab. Und zwar vor Mitternacht, wo der Club auch als Live-Location genutzt wird. Und ohne Depressionen, denn die Band freute sich, geimpft und in bester Spiellaune, auf die Nachholung der durch die Corona-Pandemie verschobenen Termine im Frühjahr 2020.

 

Von den Sternen der sogenannten „Hamburger Schule“ in den 90ern ist „nur“ mehr Sänger und Texter Frank Spilker vertreten, der Rest setzt sich aus bunt zusammengewürfelten Live- und Studiomusikern zusammen: Keyboarderin Dyan Valdes aus Kalifornien, die gerade eine Solo-Single („Fade away“) veröffentlicht hat, die beiden Gitarristen und Bassisten Philipp Tielsch und Max Knoth und der Schlagzeuger Philipp Janzen (gleichzeitig auch Lektor am Institut für Pop Musik der Folkwang Universität der Künste in Essen), der als Produzent den Stil des neuen 12. Albums maßgeblich geprägt hat.

 

Gleich zehn Songs der neuen, ganz lapidar „Die Sterne“ benannten, Platte standen auf dem Programm des zweistündigen Sets in Wien: Vom Opener „Der Palast ist leer“, der ersten Single „Hey Dealer“, dem fröhlichen Indie Pop-Track „Der Sommer in die Stadt wird fahren“ bis zum mehr als 7 Minuten langen, krautrock-ähnlichen Epos „Das Elend kommt (nicht)“, das die gefährlichen Strategien der Rechtspopulisten mit ihren schicken Frisuren, neuen Liedern, bunten Fähnchen und leicht verständlichen Sprachen thematisiert. Amüsant-lässig der mit scheinbar endlosen Textpassagen gestreute Angriff auf die Leistungsgesellschaft, „Du musst gar nix“. Beispiele gefällig: „Du musst nicht raus gehen, nur weil die Sonne scheint. Du musst auch nicht zu Hause bleiben, nur weil es regnet“, „Du musst dich nicht an dem nächstbesten Idioten orientieren, du kannst dich auch einfach so verlaufen“ oder „Du musst nicht verknallt sein, und du musst nicht hassen.“

 

Für einen tanzenden Hexenkessel mit Schlachtgesängen im Techno-Club sorgten die All-Time-Favourites der Hamburger Band: „Die Interessanten“, „Universal Tellerwäscher“, „Wahr ist, was wahr ist“ (dass das, was war, nicht mehr da ist) und „Was hat dich bloss so ruiniert“, in Wiener Hipster-Kreisen arriviert als Soundtrack-Hymne zum gleichnamigen Bobo-Film von Marie Kreutzer. 

 

Zugaben durften natürlich nicht fehlen. Und während die letzten Töne der „besten Demokratien“ erklangen, saß Mastermind Spilker bereits am Merchandising-Stand und signierte die schmucken Vinyl-Exemplare seines neuen Albums. Ein echter Vollprofi, auf dessen nächsten Live-Auftritt wir bereits jetzt sehnsüchtig warten…

Fridays for Future-Demos: Recht auf Klimaschutz in den Verfassungsrang!

Fridays for Future are back on the Streets. Im Rahmen eines weltweiten Klimastreiks protestierten alleine in Wien mehr als 20.000 Demonstranten für Klimaschutz, eine Reduktion der Treibstoffgase, eine CO2-Steuer und im besonderen gegen den Bau der fast eine halbe Milliarden Euro teuren Stadtstraße Aspern und eines Lobautunnels.

 

Trotz der weltweiten Klimakrise sind die rechtlichen Möglichkeiten Einzelner, sich gegen die Klimazerstörung zur Wehr zu setzen, derzeit eher gering. Das Pariser Übereinkommen, das die einzelnen Staaten zur Einhaltung der internationalen Verträge verpflichtet, sieht keine gerichtliche Kontrollinstanz zur Überwachung der Klimaschutzziele vor. In einzelnen Ländern waren Klimaschutzklagen allerdings bereits erfolgreich. Die Umweltorganisation Urgenda beispielsweise klagte 2013 die niederländische Regierung auf eine Anhebung der nationalen Emissionsreduktionsziele (von 17 auf 25 %) und bekam in allen Instanzen Recht.

 

In Österreich klagt aktuell der an Multipler Sklerose erkrankte Mex die Republik auf eine Sicherstellung des Rechts auf Klimaschutz. Der 25jährige, der seinen Fall auch bei der Kundgebung der FFF-Demo am Praterstern schilderte, ist ab einer Temperatur von 25 Grad auf einen Rollstuhl angewiesen. Die per Crowdfunding eingebrachte Klage wird derzeit beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte behandelt.

 

Obwohl die Klimakrise sowohl das Recht auf Leben als auch das Recht auf Gesundheit unmittelbar tangiert, ist nach der derzeitigen Rechtslage eine grundrechtliche Geltendmachung beim Verfassungsgerichtshof nicht möglich. Ein Gutachten des Umweltrechtsexperten Daniel Ennöckl, das kürzlich im Parlament präsentiert wurde, legt allerdings Optionen nahe, die seitens der österreichischen Politik in Angriff genommen werden sollten. Eine individuelle Betroffenheit der Bürger sei insofern auch dadurch gegeben, als laut dem Studienautor bei einem Anstieg der Durchschnittstemperaturen zwischen 1,6 und 4,7 Grad bis ins Jahr 2100 „in Wien ähnliche klimatische Bedingungen herrschen könnten wie heute im senegalesischen Dakar“.

 

Ein Grundrecht auf Klimaschutz ist in drei Varianten denkbar. Der Staat könnte einerseits zu einer konkreten Reduktion der nationalen Treibhausgasemissionen, andererseits zur Klimaneutralität verpflichtet werden. Allgemeiner formuliert könnten auch angemessene Klimaschutzmaßnahmen normiert werden, die bei Nichteinhaltung durch die Bürger geltend gemacht werden können. Verankert werden könnte das Grundrecht auf Klimaschutz im BVG Nachhaltigkeit oder im Klimaschutzgesetz.

 

Es ist (mindestens) 5 Minuten vor 12. Die Bürger haben ein Recht auf einen adäquaten Lebensraum, auf den Schutz der Umwelt und eine gesunde Atmosphäre. Die Politik sollte daher rasch handeln und den Klimaschutz in den Verfassungsrang heben.

"Rock me Amadeus": Falceas-Gewinnerinnen live am Wiener Zentralfriedhof!

„Österreichs Popstar Nr. 1 ist tot“ – Diese Schlagzeile erschütterte am 6. Februar 1998 die gesamte Nation. Hans Hölzel aka Falco verunglückte tödlich bei einem Autounfall in der Dominikanischen Republik. Der in Wien-Margareten geborene Sänger übersah bei der Ausfahrt vom Parkplätz der „Turist Disco“ einen Bus, laut Autopsiebericht unter Einfluss von Alkohol (1,5 Promille), Kokain und THC.

 

Beim öffentlichen Begräbnis auf dem Wiener Zentralfriedhof begleiteten mehr als 4000 Fans den von den Motorradrockern „Outsider Austria“ getragenen Sarg und verabschiedeten sich vom Wiener Exzentriker, dessen Karriere im Wiener Underground bei Drahdiwaberl begann („Ganz Wien ist heut auf Heroin“) und bis in die Chartspitzen von England und Amerika mit seiner Mozart-Adaption „Rock me Amadeus“ führte. Das Grabmal, das aus 3 Bestandteilen (dem drei Meter hohen Obelisken aus rotem, afrikanischem Granit, der Glasplatte mit dem „Nachtflug“-Konterfei und der Stele mit der Inschrift „Hans Hölzel 1957-1998“) besteht, ist seitdem Pilgerstätte für Fans, Freaks und Touristen. Zu finden unter den Ehrengräbern der Gruppe 40, Nr. 64. (Direkt dahinter wurde übrigens das Grab des World-Musikers Kurt Hauenstein aka Supermax platziert.)

 

Im Rahmen der Donauinselfest-Tour 2021 wurden dem Falken und allen anderen „Anrainern“ am Zentralfriedhof (so Moderator Peter Rapp im Original-Ton) eine besondere Ehre zuteil. Die Gewinnerinnen des „Falceas“-Talentewettbewerbs der Falco-Privatstiftung präsentierten auf dem bunten Donauinselfest-Bus direkt vor der Friedhofskirche Falco-Klassiker, Cover-Songs und Eigenkompositionen.

 

 

Die „Falceas“-Siegerin 2021 Laura Tross beeindruckte die zahlreich erschienenen Besucher kongenial mit Songs aus dem Lady Gaga-Film „A Star is born“ („Shallow“, „Always Remember us the Way“), die diesjährige „Starmania“-Finalistin Laura Kozul punktete mit eigenen Songs. Viola Siller und die Geigerin Nina-Sofie Berghammer imponierten mit ihrer kreativen neuen Version des Falco-Superhits „Rock me Amadeus“. Dem Falken hätte dies gefallen, mit einem Whisky-Glaserl in der Hand…

Ewig junge Kabarett-Popstars: 40 Jahre Hektiker-Show auf der Praterbühne!

Es gibt geflügelte Zitate, die sich bei den Menschen im Gedächtnis eingebrannt haben. „Zack Zack Zack“ (We´re going to Ibiza), aber auch „Zack, Bum, In die Gosch´n“. Rene Dattel war jene Person, die diese Worte geprägt hat. „Der Ringer“ die Programm-Nummer einer Kabarettgruppe, die seit 40 Jahren die Comedy- und Satirefans begeistert: Die Hektiker.

 

Es begann alles im Jahre 1981, im Bundesgymnasium Keimgasse in Mödling, als vier Schüler mit 16 ihren ersten Auftritt hatten: Florian Scheuba, Wolfgang Fifi Pissecker, Werner Sobotka und Mini Bydlinski. Ihr nur wenig prickelnder Name: „Theaterkabarett Mödling“. Nach ihrem ersten Programm, „Hektische Zeiten“ (1982), nannten sie sich dann ganz simpel „Die Hektiker“, ihr Name wurde zur Trademark, und das auch noch 40 Jahre später.

 

Tatsächlicher „Geburtstag“ ist der 21. Oktober, die dazugehörige Tour, die großteils Open Air-Bühnen umfasst, findet allerdings bereits im Sommer statt. Dass beim ersten Auftritt auf der Wiener Praterbühne ein derartiger Starkregen einsetzte, dass die Hektiker das mit Ponchos umhüllte Publikum auf die Bühne baten, hätte auch bestens in die Pop-Star-Ära der Kabarettisten Anfang der 90er gepasst. Als das von Alexander Goebel regiegeführte Programm „Nackt“ mehr als 100.000 Besucher (Goldenes Ticket) in die Theater lockte, ihre LP „Endlich“ im Juni 1991 Platz 1 der Alben-Charts belegte und die vier Gagzauberer in zahlreichen Shows (inklusive der Gottschalk-Late Night) zu den Dauergästen zählten.

 

Mini Bydlinski, bekannt geworden durch seine Polster-Parodien („Ich bin ein Fußballer“), wurde 1994 durch den Musicaldarsteller Viktor Gernot ersetzt, der mehr musikalisches Esprit in die Formation brachte. Seit 1. Juli 2021 betreibt Gernot gemeinsam mit Paul Kolarik und dem Casanova Vienna die Praterbühne im Herzen des Vergnügungsparks. Eine ideale Gelegenheit, die Show „40 Jahre Hektik, Gibt´s Fragen“, in das Sommerprogramm zu platzieren. Beim zweitenmal ohne Regen.

 

Im Rahmen einer fast 3stündigen Jam Session (mit einer Pause) erzählten die vier Hektiker Anekdoten aus ihrer langen Karriere, erinnerten mit Videoeinspielungen an die wilden und kitschigen Bad-Taste-80er und 90er und spielten bekannte Sketches aus der Vergangenheit. Absoluter Kult: Fifi Pissecker als „Der Ringer“ im roten Originalkostüm mit Stretch, „Weil ich ein Orschloch bin“ (mit einem „I am from Austria“-Cover Viktor Gernots) oder das Take That-Cover „Ich scheiß dir ins Hirn“, mit den vier Ü50ern lässig am Stehsessel.

 

 

Alle vier Mitglied der Kabarettgruppe haben in den letzten 15 Jahren erfolgreiche Solokarrieren gestartet. Florian Scheuba, der Texter der Formation, als Staatskünstler (mit Maurer und Palfrader), zwei Soloprogrammen („Bilanz mit Frisur“, „Folgen Sie mir auffällig“) oder gemeinsam mit Florian Klenk als analytischer Polit-Satiriker, Werner Sobotka als Regisseur u.a. am Rabenhof oder bei den Seefestspielen in Mörbich, Viktor Gernot mit zahlreichen Kabarettshows und Pissecker mit Solorevues und TV-Auftritten (u.a. in den „Vorstadtweibern“). Der gemeinsame Spirit hat darunter nicht gelitten. Könnte auch an einem Prinzip der Jungs liegen: „Streit ist Energieverschwendung“. Einer weiteren Jubiläumsshow in 10 (?) Jahren steht also nichts im Wege…

„We´re good“: Donauinselfest-Bus-Sommertour startet mit Paenda!

Der Donauinselfest-Bus startet in seine zweite Saison, und das gleich mit einer der coolsten Pop-Sängerinnen Österreichs: Gabriela Horn aka Paenda. Die gebürtige Steirerin hat sich vom Songcontest-Ausscheiden beim Semifinale 2019 in Tel Aviv nicht entmutigen lassen und hat seitdem wieder zahlreiche neue Songs in ihrem Heimstudio und mit eigenem Label (Sick Kick Records) kreiert.

 

Die Fashion-Trademark - die blauen Haaren - unverändert, die Tracks poppiger im Stile von Katy Perry, Ariana Grande oder Jessie J. (die sie 2018 in der Arena supportete). Das geplante Album wurde aufgrund der Corona-Krise und mangelnder Tour-Auftritte verschoben, stattdessen erschienen zwei EP´s u.a. mit der Single „Friend Zone“, die sie neben anderen Tracks (wie „Want me not to want you“) auf dem Donauinselfest-Bus am Siebenbrunnenplatz und am Naschmarkt präsentierte.

 

 

Premiere feierte ihre brandneue Single „We´re good“, die über ein friedliches Auseinandergehen nach einer gescheiterten Beziehung handelt. Der Track wurde von Paenda produziert, die Texte stammen von Lukas Plöchl, der nach der Auflösung seines auch beim Songcontest vertretenen Hip Hop-Projekts Trackshittaz neue Wege geht und Paenda auch als Fotograf bei ihrer Karriere unterstützt. Die neuen Songs von Plöchl unter seinem Pseudonym „Wendja“ (sein chinesischer Name) gibt es am 9. September auf dem DIF-Bus zu hören…

„Mit ana Toschn voi Krems“ in Wien: Alex Miksch & Band live beim Kultursommer!

„Der erste erwirtschaftet´s, der zweite da´holts, beim dritten, da fallts“ – Eine der lyrischen Meisterleistungen des aus Krems stammenden Musikers Alex Miksch, die ein Fragment seiner Familiengeschichte auf den Punkt bringt. Im Mittelpunkt ein Zinshaus in der Kremser Göglstraße 2, das sein Großvater erworben, sein Vater verwaltet hat (und damit auch seine Träume aufgegeben hat) und Miksch als Dritter verkaufen musste, weil durch die denkmalschutzrechtlichen Auflagen die Schulden immer größer wurden.

 

Der in Wien-Meidling lebende Musiker, der bereits 6 CD´s in den letzten 15 Jahren veröffentlicht hat, hat per Crowd-Funding mit einer neuen Band die „Kremser Songs“ in einem Tonstudio im Burgenland aufgenommen und sie das erste Mal beim Kremser Festival „Glatt und Verkehrt“ im Juli 2020 präsentiert. „Mit ana Toschn voi Krems“ der kongeniale Titel der Show, ein Teil der brillanten Texte über persönliche Schicksale, Sehnsüchte und die komplizierten Einfachheiten des Lebens wurden zusätzlich vor der Live-Show von der Schauspielerin Esther Hollosi rezitiert.

 

Im Rahmen des Wiener Kultursommers präsentierte der Musiker seine Kremser Anekdoten bei einem Special-Open Air in Oberlaa. Gemeinsam mit seiner ausgezeichneten Band: Anna Anderluh (Gesang, Autoharp), Jelena Poprzan (Gesang, Bratsche, Maulgeige), Philipp Moosbrugger (Bass) und Andreas Hellweger (Schlagzeug).

 

Im Repertoire die bereits erwähnte „Geschichte vom easchtn“, das bereits aus dem letzten Miksch-Album bekannte „Haus“ (das „erste Kremser Lied“) und zwei Duette („Nosse Schuach“, „Nur a Opfe“) mit der aus Klagenfurt stammenden Klassik- und Jazz-Sängerin Anna Anderluh, die gerade selbst ein Album veröffentlicht hat („Leave me something stupid“) und einen idealen Gegenpart zum autodidaktischen Blues-Rock´n Roller Miksch bietet. Die Geigerin Jelena Poprzan, beim diesjährigen Glatt & Verkehrt mit einem eigenen Quartett vertreten, liefert den balkanesken Folk-Sound, der nach mehr Lebenslust und Euphorie schreit.

 

Bei „Spanplattn zan“ erzählt Miksch von den 90ern, als er Spanplatten in die neu erbaute Kunsthalle Krems schleppte, die traurig-melancholische Ballade „Hinter robenschwoaze hoar“ widmete er dem verstorbenen Musikförderers und Eventveranstalters Hans Kulisch, der einst die Zusammenarbeit von Miksch und Anderluh eingefädelt hat.

 

 

„Der Letzte, der geht, der Letzte an der Bar“ swingt Miksch lässig vor der langsam sinkenden Sonne im Süden Wiens. Ehrlich und authentisch. Nach dem Finale „Die Welt is nur a Opfe“ ein langer Schlussapplaus für Miksch und seine großartige Band. Mehr als verdient.  

"True Lies" - Mysteriöse Frauen-Power von Xenia Hausner in der Wiener Albertina!

„Meine Welt ist weiblich. Frauen sind komplexer, widersprüchlicher und sind für die Kunst die interessanteren Figuren.“ Die österreichische Künstlerin Xenia Hausner, die kürzlich ihren 70. Geburtstag feierte und deren Werke im Rahmen einer Retrospektive in der Wiener Albertina zu sehen sind.

 

Großformatige, grellfarbige Frauenporträts stehen insofern auch im Mittelpunkt ihrer Werkschau, allerdings nicht auf die Art und Weise, wie man es erwartet. Bereits der Titel ihrer Ausstellung, „True Lies“, weist daraufhin. „Wir leben alle mit unseren jeweiligen Annahmen der Wirklichkeit. Über die Fiktion der Kunst lernen wir die Welt besser verstehen. Ich male erfundene Geschichten, die der Betrachter mit seinem eigenen Leben zur Deckung bringen kann“, so die Künstlerin.

 

Die Themen: Flucht (im brillanten, mehrteiligen Zyklus „Exiles“), Verteilungskampf (dargestellt durch drei bös schauende Mädchen mit Baseballschläger und Hammer in einem Zugabteil), die Spannungen zwischen West und Ost (im Bild „Look Left – Look Right“, bei dem der Diktator Kim Jong-Un drei westlich gekleideten Frauen gegenübergestellt wird) oder der „Clash of Cultures“.

 

Viele Bilder Hausners zeigen fragmentierte Ausschnitte mysteriöser und geheimnisvoller Sachverhalte, die vom Betrachter selbst gedeutet und interpretiert werden sollen. Ein Kunstwerk mit zwei sexy, spärlich gekleideten Frauen trägt den Titel „Twin Peaks“, man hätte die gesamte Ausstellung so nennen können. 

 

Spannend sind auch die Entstehungsgeschichten der Bilder. Für das Gemälde „Das blinde Geschehen“ kaufte Hausner ein Autowrack, platzierte darin die beteiligten Personen und verwendete die Fotografien als Vorlage für ihre malerischen Variationen. Ein ÖBB-Zugabteil vom Schrottplatz diente als visuelle Inspiration für die „Exiles“. Für das gesellschaftskritische Meisterwerk „Cage People“ ließ die Künstlerin, die vor ihrer Tätigkeit als Malerin jahrelang erfolgreich als internationale Bühnenausstatterin tätig war, in ihrem Studio den beengten Wohnraum einer Asiatin und einer Europäerin nachbauen, Hausner selbst ließ sich bei der Konzeption der Vorlagefotos von einem Gerüst aus abseilen. 

 

Xenia Hausner, „True Lies“, 30. April bis 8. August 2021 in der Wiener Albertina.

Wiener Regenbogenparade 2021 - Ein Restart der Lebenslust!

„Homophobie, Ungleichbehandlung, Korruption und Fucking Corona wegputzen“ – Das waren die starken Worte der als Putzfrau verkleideten Drag Queen und Moderatorin Tommy Mascara bei der Abschlusskundgebung der 25. Regenbogenparade in Wien. Und tatsächlich war die seit 1996 stattfindende politische Demonstration nicht nur ein Statement für eine freie Gesellschaft, Gleichheit und Toleranz, sondern hatte auch einen Symbolcharakter für einen Restart der Lebenslust.

 

Zehntausende Menschen bewegten sich mit Start vom regenbogenbeflaggten Burgtheater den Ring andersrum über Staatsoper, Stubenring, Schwedenplatz, Universität Wien zurück zum Rathausplatz. Bunt und schrill gekleidet, fröhlich feiernd, tanzend zur Musik aus kleinen, mitgeschleppten Boxes – Soundtrucks wurden dieses Jahr nicht zugelassen – mit Dosenbier in der Hand, viel nacktem Fleisch und politischen Messages wie „Teach LGBT“ (mit Reaktion auf das ungarische Verbot von Aufklärungskampagnen in den Schulen) oder „The First Pride was a Riot“ (als Reminiszenz an die Stonewall Riots 1969). 

 

Vor der Universität Wien tanzten die Jugendlichen zu Nenas Klassiker „99 Luftballons“, im Rathauspark wurde geschmust, geflirtet und gechillt, einige wagten sogar ein Bad im Springbrunnen, der Rathausplatz voll von exzessiv feiernden Party People zu heißen Beats von Britney Spears, Lady Gaga und den Black Eyed Beas. Ibiza Tempo Fiesta in einer Stadt, in der 15 Monate lang durch die Corona-Pandemie die Party-Szene lahmgelegt wurde und die Jugendlichen in engen Wohnungen, in dunklen Kellern oder in öffentlichen Freiräumen (wie dem Karlsplatz oder dem Donaukanal) ihre analogen sozialen Kontakten pflegten.

 

Die diesjährige Regenbogenparade, die wie üblich das Finale der Vienna Pride (mit zahllosen Events, Lesungen, Führungen, der Virtual Pride Stage,...) darstellte, stand unter dem Motto „Stay Safe, Stay Proud“. Während allerdings die Corona-Pandemie durch die steigende Durchimpfungsrate (vermutlich) dem Ende entgegengeht, kann von einer Gleichstellung und Gleichbehandlung der LGBTIQ-Community bei weitem nicht gesprochen werden. 

 

Bis 1971 war Homosexualität in Österreich sogar ein gerichtlicher Straftatbestand, der erst durch die Kreisky-Regierung gestrichen wurde. Die meisten Diskriminierungen (wie beispielsweise das unterschiedliche Schutzalter für Homosexuelle, das Adoptionsverbot oder das Verbot der Ehe für homosexuelle Paare) wurden erst durch Urteile des VfGH und des EGMR beseitigt. Der Grund liegt darin, dass sich seit über 30 Jahren in der österreichischen Bundesregierung eine erzkonservative Partei, die ÖVP, befindet, die alle gesellschaftlichen, progressiven Änderungen ablehnt. 

 

Das Zitat „Mitgefangen, mitgehangen“ müssen sich leider die Grünen gefallen lassen, die bei dieser Regenbogenparade u.a. mit Vizekanzler Kogler, Gesundheitsminister Mückstein, Justizministerin Zadic und der Nationalratsabgeordneten Dziedzic (als Rednerin bei der Abschlusskundgebung) zwar prominent vertreten waren, bei entscheidenden Abstimmungen im Parlament aber ihre eigenen Prinzipien verraten haben.

 

Zu den wichtigsten Forderungen der Pride Community zählen aktuell eine Erweiterung des Diskriminierungsschutzes (der wie in den meisten europäischen Staaten nicht nur das Arbeitsleben, sondern auch die sonstigen Dienstleistungen wie die Miete einer Wohnung oder den Besuch eines Lokals umfasst), das Verbot von Konversionstherapien, das Verbot medizinisch unnötiger Operationen an intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen, die freie Personenstandswahl ohne bürokratische Hürden und die diskriminierungsfreie Blutspende für Homo- und Bisexuelle. 

 

Die pinken Mühlen mahlen in der Politik leider langsam. Mit der Planung der 26. Regenbogenparade 2022 kann daher daher bereits wieder begonnen werden. Wer vorher ein Zeichen für die Rechte der LGBTIQ-Community setzen will, kann ja ein Flug- oder Bahn-Ticket nach Kopenhagen buchen. In der dänischen Hauptstadt findet zwischen 12. und 22. August die Europride 2021 statt… 

A Trip to „Wonderland“: Dritte Ausstellung der Albertina Modern!

„We are all mad here. You must be mad, (too), or you wouldn´t have come here“ – So umschmeichelt die Grinsekatze die kleine Alice, die sich ins verzaubernde Wunderland verirrt hat. In ein buntes, schrilles, aber auch bedrohliches und düsteres Wunderland der Künste lädt derzeit die Albertina Modern mit ihrer extravaganten Ausstellung „Wonderland“. Als titelprägend fungiert dabei nicht nur der Roman des britischen Schriftstellers Lewis Carroll, sondern auch das farbenprächtige Bild der zu den Young British Artists zählenden Künstlerin Fiona Rae, das unmittelbar beim Eingang zu bewundern ist.

 

„Die Utopie eines gelungenen Lebens voller Glück trifft auf dystopische kahle Landschaften, in denen Isolation und Einsamkeit, Melancholie, Grausamkeit und Tod herrschen“, so Direktor Klaus Albrecht Schröder über die aus rund 110 Werken bestehenden dritte Ausstellung der im Mai 2020 eröffneten Albertina Modern.

 

De facto handelt es sich bei „Wonderland“ um „eine Ausstellung von mehreren Ausstellungen, die sich aufeinander beziehen, aber dennoch unabhängig voneinander existieren können. Die aus der Sammlung der Albertina stammenden Kunstwerke wurden dabei in sieben Kapitel gegliedert. 

 

Links neben dem Eingang fasziniert die „Boy-Band“ Gelitin unter dem Motto „Anarchy of Art“ mit ihren Plastillin-Collagen „Guernica“ und „Mona Lisa“. Der Pop Art-Floor zeigt nicht nur bekannte Werke von Andy Warhol, Roy Lichtenstein oder Tom Wesselmann, sondern auch extravagante Kreationen jüngerer Künstler. Alex Katz lässt mit seinen „Cutouts“ im Badekostüm Sommernostalgie aufkommen, Aufbruchsstimmung vermittelt das riesige Streichholz-Gemälde Harold Ancarts mit dem typischen Hard Edge Painting-Style. Dass der Mensch von der Geburt bis zum Tod fremdgesteuert von seiner Sexualität und seinen Genen ist, zeigt der Londoner Künstler Marc Quinn mit seinen kopulierenden Skeletten direkt in der Mitte des Raumes. 

 

Ein großer Teil der Ausstellung widmet sich den deutschen Individualisten rund um Jörg Immendorff, Markus Lüpertz, Penck und Anselm Kiefer, die den Besucher auch mit düsteren Themen wie dem Nationalsozialismus oder dem Kalten Krieg konfrontieren. Die Werke von Gottfried Baselitz, der gerne seine Motive (wie einen afrikanischen Nomaden) auf den Kopf stellt, um den Blickwinkel auf andere Faktoren zu richten, wurden neben Werken der österreichischen Malerin Maria Lassnig platziert. In der Abteilung „Abstrakte Expression“ brilliert vor allem das sexuell aufgeladene Kunstwerk „Cherries and Pearls“ der britischen Malerin Cecily Brown, die mit ihrer zwischen Figuration und Abstraktion befindlichen Technik den Betrachter auf eine visuelle Entdeckungsreise schickt.

 

 „The Face and the Mask“ zeigt großformatige Black & White-Fotografien von Gottfried Helnwein. Die Motive: Schillernde Stars der Pop- und Kunstszene von Andy Warhol, Keith Haring, Mick Jagger, Keith Richards bis Michael Jackson. Melancholie, Isolation und Einsamkeit, versteckt hinter ästhetisch glänzenden Gesichtern wie aus Lifestyle-Magazinen, vermitteln die Bilder des Künstlerduos Markus Muntean und Adi Rosenblum. Die während des Millenniums-Wechsels entstandenen Gemälde, ergänzt mit passenden Aphorismen, sind der Corona-Realität so nahe, dass einem ein wehmütiger Schauer über den Rücken läuft. „There are Times when Life seems not so great but better than anything else and when you´re happy to be alive, though not exactly ecstatic“. Jugendkultur Sommer 2021…

 

Albertina Modern – „Wonderland“ – 7. Mai bis 19. September 2021

„Haltung und Pose“: Elfie Semotan-Werkschau im Kunst Haus Wien…

„Strike a Pose – Vogue“ überschallte Anfang der 90er die Dance- und Fashionfloors der Welt. Die in Wels geborene Elfie Semotan war ein Teil davon. Nach Absolvierung der Modeschule Hetzendorf übersiedelte die 20jährige nach Paris, arbeitete einige Jahre als Mannequin und wurde - mit Unterstützung ihres damaligen Partners John Cook – selbst Fotografin.

 

In Österreich wurde sie bekannt durch die Werbekampagnen für Palmers und Römerquelle, ab Mitte der 80er arbeitete sie auch für internationale Modemagazine wie Vogue, Harper´s Bazaar oder Elle, für die sie Supermodels wie Naomi Campbell, Claudia Schiffer oder Cordula Reyer ablichtete. Reyer, die Falco-Fans aus dem Clip „Brillantin Brutal“ kennen, ist natürlich auch in ihrer neuen Ausstellung im Kunst Haus Wien zu sehen, und zwar im Rahmen ihrer Foto-Serie „Puszta“, die 1990 kurz nach dem Mauerfall und dem Niedergang des Kommunismus entstanden ist. 

 

„Haltung und Pose“ ist die erste große Wiener Ausstellung Elfie Semotans, zu Ehren ihres 80. Geburtstages im Juli. Zuletzt waren ihre Werke in der Kunsthalle Krems (2013) und im C/O Berlin (Contradiction, 2019) zu bewundern.

 

„Es kann nur etwas entstehen, wenn man die Person von sich selbst, von ihrem Bedürfnis nach Selbstdarstellung ablenkt“, das ist die berufliche Philosophie von Semotan, von der beispielsweise auch Helmut Lang angetan war, mit dem Semotan jahrelang in New York zusammengearbeitet hat. 

 

Inspiration holt Semotan sich gerne aus der Kunstgeschichte, der Malerei und aus der historischen Fotografie. Die „Madonna mit Hunden“ gleich beim Eingang der Ausstellung hat ihren Ursprung in der Renaissance, die weltberühmte Fotoserie „Präraffealiten“ basiert auf einer britischen Künstlervereinigung des 19. Jahrhunderts, die vor allem die italienische, extrem realitätsbezogene Malerei des Mittelalters verherrlicht hat. Ikonische Fotografien von Diana Arbus, Robert Frank oder Irving Penn standen Pate für die in Wien fotografierte Serie „Americana“ (2018). Dass die grelle Blondine mit dem Rossschwanz an Roy Lichtensteins Pop-Art-Culture angelehnt ist, ist auch schwer von der Hand zu weisen.

 

Modeshootings macht Semotan heute kaum mehr. „Werbung soll verkaufen und nicht der Kunst Konkurrenz machen. Das verhindert Experimente“, so die Fotografin in einem Interview der „Zeit“.  Vor vielen Jahren hat eine Modelagentur sogar die Veröffentlichung eines Fotos des russischen Models Natalia Wodianova verhindert. Die extravagante Ablichtung des schreienden Models passe nicht dessen Vermarktungsimage, eine Aufnahme dieser Serie „Bad Seed“ ist im Kunst Haus zu sehen. 

 

Zum Repertoire Semotans zählten zuletzt vor allem Landschaftsbilder, Stillleben und Porträtfotos. Letzere umfassen das Who is Who der nationalen und internationalen Promi-Szene. Von Hollywood-Stars wie William Dafoe oder Benicio del Toro, Hip Hop Stars wie Missy Elliott bis Autorin Elfriede Jelinek oder der ehemaligen Frauenministerin Dohnal. Ein Corner ist auch dem Maler und Performance-Künstler Martin Kippenberger gewidmet, der kurze Zeit - bis zu seinem frühen Tod 1997- mit Elfie Semotan verheiratet war.

 

Wie die Fotografin ihre Shootings plant, organisiert und durchführt, kann man auch auf einer Videoleinwand im 4. Stock des Museums beobachten. Dort läuft die erst 2019 publizierte Doku „Elfie Semotan, Photographer“ des Regisseurs Joerg Burger. Noch bis Ende August im Hundertwasserhaus…

Zum 100. Geburtstag des Aktionskünstlers: Beuys-Retrospektive im Belvedere 21!

„Jeder Mensch ist ein Künstler“ – Das ist einer der Standardaussagen von Joseph Beuys, der selbst zu einem der größten Künstler des 20. Jahrhunderts wurde. In den Jahren 1979 und 1980 belegte der deutsche Aktionskünstler, Bildhauer und Zeichner Platz 1 im „Kunstkompass“, einer Weltrangliste der 100 bedeutendsten Gegenwartskünstler, und zwar vor Robert Rauschenberg und Andy Warhol (!).

 

Beuys wurde am 12. Mai 1921 in Krefeld geboren. Zu seinem 100. Geburtstag widmet ihm das Belvedere 21 eine Sonderausstellung unter dem Titel „Joseph Beuys – Denken, Handeln, Vermitteln!“, die einen spannenden Überblick über seine künstlerischen, gesellschaftlichen und politischen Aktivitäten bietet. 

 

Tartarenlegende

 

Der Aktionskünstler war stets einheitlich gekleidet mit Jeans, weißem Hemd, Anglerweste und Filzhut. Der in der Ausstellung aufgehängte Filzanzug dagegen gilt nicht als Kleidungsstück, sondern als Symbol für Wärme und Energie. „Sie rieben meinen Körper mit Fett ein, damit die Wärme zurückkehrte, und wickelten mich in Filz ein, weil Filz die Wärme hält.“ Die sogenannte „Tartarenlegende“ über seine Rettung nach einem Flugzeugabsturz auf der Krim während des 2. Weltkrieges war tatsächlich eine. Aber eine perfekt inszenierte Bio-Fabel über seine Lieblingsmaterialien Fett und Filz.

 

Professor Beuys

 

Beuys studierte nach dem Krieg an der Düsseldorfer Kunstakademie und wurde 1961 dort selbst auch Professor für monumentale Bildhauerei. Er setzte sich stets für einen freien Studienzugang ein und nahm Anfang der 70er alle abgewiesenen Studenten in seine Klasse auf, die dann aus insgesamt 400 Studenten bestand. Nach einer wiederholten Besetzung des Sekretariats wurde Beuys fristlos entlassen, sein Atelier und den Professorentitel durfte er behalten.

 

Soziale Plastik

 

„Eine Gesellschaftsordnung wie eine (soziale) Plastik formen, das ist meine und Aufgabe der Kunst“, so Beuys. Jeder Mensch solle dabei seine kreativen Potentiale entwickeln und diese im Sinne des Gemeinwohls einsetzen. Auch politisch forderte der Künstler die Mitbestimmung des Volkes in Form von direkter Demokratie.

 

Eine seiner bekanntesten Installationen war die „Honigpumpe zum Arbeitsplatz“ (1977). Dabei wurden 150 kg Honig durch eine elektrische Lebensmittelpumpe 18 Meter in die Höhe und wieder zurück in einen Edelstahlkessel befördert. Die transparenten Kunststoffschläuche führten dabei auch durch das temporäre Büro des Künstlers, in dem Beuys mit den Besuchern diskutierte. Laut Diktion von Beuys „im Blutkreislauf der Gesellschaft“. Die Ausstellung im Belvedere 21 zeigt die einzelnen Bestandteile, Videoausschnitte und Fotos der damals aufsehenerregenden Aktion. Wer Beuys´ Redeschwall beim ORF-Club 2 im Jahre 1983 miterleben will, kann es sich vor einem TV-Schirm bequem machen.

 

Vienna Calling

 

Einen Schwerpunkt legt die im Untergeschoß platzierte Ausstellung auf dessen Aktivitäten in Wien. 1966 präsentierte Beuys erstmals seine Zeichnungen in der Galerie nächst St. Stephan, ein Jahr später sorgte er ebenfalls dort für Nervenkitzel mit seiner Aktion „Eurasienstab 82“, deren Ablauf – in Verbindung mit der Orgelmusik des Komponisten Henning Christiansen – keineswegs spontan, sondern minutiös durchgeplant war.

 

Teil der Ausstellung ist auch die Installation „Basisraum Nasse Wäsche“ (1979), die - als Kritik auf die Übersiedlung des Museums moderner Kunst in das noble Palais Liechtenstein – in der Galerie nächst St. Stephan entstanden ist. Beuys, 1980 Gastdozent an der Hochschule für angewandte Kunst (mit deren Rektor Oswald Oberhuber er zahlreiche Veranstaltungen, Aktionen und Vorträge organisierte), war damals auch im Gespräch als Professor für Gestaltungslehre Ein Angebot, das er allerdings letztendlich ausschlug.

 

Grün-Protagonist

 

Beuys war Unterstützer der Grünen und trat 1979 auch als Kandidat fürs Europaparlament an. Seine politischen Aktivitäten waren allerdings aufgrund mangelnder interner Unterstützung erfolgloser als seine öffentlichkeitswirksamen Aktionen. „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ lautete das Motto für seine Aktion „7000 Eichen“, die er im Rahmen der documenta 7 für Kassel konzipierte. Beuys ließ 7000 Basaltstelen auf dem Friedrichsplatz aufhäufen. Eine einzelne Spende von 500 DM (ca. 260 Euro) hatte zur Folge, dass eine Stele entfernt wird und gleichzeitig das Recht erworben wird, eine Eiche zu pflanzen. Die Aktion fand erst nach dem Tode Beuys im Jahre 1987 ihr Ende. 

 

Als Tribut an den großen Künstler wurde am 3. März im Skulpturengarten des Wiener Belvedere 21 eine Stieleiche eingepflanzt. Ein wichtiges Zeichen für eine Millionenstadt wie Wien, sich grüner Werte zu besinnen und eine „Zurück zur Natur“-Revolution einzuläuten. Beuys hätte es gefallen, Greta Thunberg natürlich auch…

„Little Japan“: Frühlingserwachen im Wiener Setagaya-Park!

„Almost Kyoto“ – So bezeichnete der Publizist und Autor Wojciech Czaja den Setagaya Park in seiner Open Air-Ausstellung (vor dem Wien Museum) und seinem Buch „Almost Wiener Weltreisen“. Tatsächlich ist der Konnex dieses wunderschönen über 4000 Quadratmeter großen Döblinger Gartens zu Japan sogar höher als nur der äußere Anschein. 

 

Entstanden ist der Japanische Garten Anfang der 90er im Rahmen eines Freundschafts- und Kulturabkommens zwischen Döbling und Setagaya, dem 19. Bezirk von Tokio, das unter Bürgermeister Helmut Zilk abgeschlossen wurde. Errichtet wurde er nach Plänen des japanischen Gartengestalters Ken Nakajima (1914-2000). Der Park beinhaltet traditionelle japanische Garten-Elemente wie Quelle, Wasserfall, Teich, Pagode, Steinlaterne, Teehaus, Pflanzen und Steine. Der ansteigende Pfad symbolisiert dabei den Lebensweg, der bis zum Paradies (der Himmelslaube) reicht.

 

In den ersten April-Wochen erblühen außerdem die Kirschblüten („Sakura“), die in Japan für Schönheit und Aufbruch stehen. Zahlreiche Wiener ließen trotz der Corona-Maßnahmen am Osterwochenende die Gelegenheit nicht aus, den Setagaya-Park zu besuchen. 

 

Zahlreiche Selfies und Familienfotos wurden inmitten der Kirschblüten und der Magnolien geschossen, einige Sonnenanbeter setzten sich auf mitgebrachte Decken und betrachteten die im Teich vor dem Teehaus schwimmenden Schildkröten und Fische, andere wiederum ließen sich spirituell inspirieren vom japanischen Flair des verschlungenen Garten-Pfads, der über Holzbrücken, kleine Wasserläufe mit Kaskaden bzw. entlang japanischer Bauwerke (wie der Pagode und der Steinlaterne) und exotischer Pflanzen führt. Der Psyche und der Motivation können solche Ausflüge nur gut tun.

"Ablaufdatum": NHM-Ausstellung über Lebensmittelverschwendung!

4 Prozent der Treibhausgas-Emissionen der EU-28 entstehen durch Lebensmittelabfälle. 1/3 der Lebensmittel, die zur menschlichen Ernährung produziert werden, gehen im Laufe der Wertschöpfungskette verloren. In Europa landen 20 Prozent aller Lebensmittel, die für den menschlichen Verkehr erzeugt werden, im Müll. Diese rund 88 Millionen Tonnen entsprechen einem Wert von rund 143 Milliarden Euro. Jeder österreichische Haushalt wirft jährlich durchschnittlich 43 Kilogramm genießbare Lebensmittel in den Müll, auf das ganze Land bezogen 206.000 Tonnen. Am häufigsten werden dabei Brot, Backwaren, Obst und Gemüse entsorgt. Mit der Menge an Brot, die in Wien jeden Tag vernichtet wird, könnte ganz Graz versorgt werden.

 

Das sind nur einige der horriblen Daten, mit denen die Besucher der Ausstellung „Ablaufdatum“ gleich beim Eingang konfrontiert werden. „Die Verschwendung der Zahlen“ nennt sich die kreative Installation im Naturhistorischen Museum, bei der Papierrollen mit Fakten, Statistiken und Grafiken in sechs offenen Müllcontainern platziert wurden und in Dauerrotation eine erschütternde Einführung über die globale und nationale Lebensmittelverschwendung vermitteln.

 

Der Titel der Ausstellung, „Ablaufdatum“, eine umgangssprachliche Bezeichnung für eine Überschreitung der Haltbarkeitsfrist auf der Verpackung, bezeichnet einen der Hauptgründe für die enormen Lebensmittelverluste. So wird der Terminus „Mindesthaltbarkeitsdatum“ von vielen Konsumenten falsch ausgelegt. Darunter versteht man die Garantie des Herstellers, dass bis zu einem definierten Zeitpunkt Produkteigenschaften wie Geruch, Geschmack oder Konsistenz erhalten bleiben. Die  Lebensmittel können aber auch nach Ablauf dieser Frist noch gegessen werden. De facto landen aber viele dieser Waren im Haushalts-Müll. Verwechselt wird das MHD zumeist mit dem Verbrauchsdatum, das für leicht verderbliche Lebensmittel (wie Fleisch, Fisch oder Rohmilch) vorgeschrieben ist. Ein Verzehr von Waren nach dessen Überschreitung kann eine Gesundheitsgefährdung nach sich ziehen.

 

„Die Täuschung im Supermarkt hat System – Das Treiben der Nahrungsmittelkonzerne grenzt an Körperverletzung durch Irreführung“ – Dieses Zitat von Thilo Bode, Gründer und Leiter der Verbraucherrechtsorganisation Foodwatch International, prangt unter einer Stellage von Limonaden, Joghurts und Müsli-Riegel-Packungen. Dort wird auch gleich aufgeräumt mit einigen Ernährungs-Legenden: Lightprodukte (die kalorienreich und zu viel Zucker und Salz enthalten); Kinderlimonaden, die kaum echte Früchte, aber mit künstlichen Aromen und mit der für Kinderzähne schädliche Zitronensäure E330 versetzt sind, Energy Drinks mit bis zu 7 Stück Würfelzücker pro Glas, die als Hauptursache für Fettleibigkeit gelten.

 

Im Raum nebenan steht doppelstöckig eine Reihe von Supermarktwägen, in denen Videoscreens platziert wurden. Diese weisen mit ihren Kurz-Filmen auf gesellschafts- und umweltpolitische Probleme unserer Zeit hin, auf die Zerstörung des Regenwalds, die Überfischung durch industrielle Fischfangflotter, die Ausbeutung von Arbeitnehmern in den Entwicklungsländern, die grausame Massentierhaltung der Hühner oder die Schweinezucht auf Vollspaltenböden. 

 

Auf der anderen Seite der Konstruktion blickt der Besucher auf ein riesiges Supermarktregal mit den unterschiedlichsten Produkten von Brot, Fisch, Obst, Tomaten bis hin zu Bananen und Tiefkühlware. Basierend auf Produktionsbedingungen, Transport oder Zusammensetzung des Produkts werden Tips und Empfehlungen gegeben, wie sich der Konsument bei der Auswahl der Waren entscheiden soll. 

 

Links platziert ist eine durchsichtige Box, vollgefüllt mit 2 m3 Kunststoff-Müll. Das ist genau jener Wert, den eine sechsköpfige Familie pro Jahr produziert. 2015 lag der Kunststoff-Bedarf in Ö über einer Million Tonnen, ein Drittel davon für Verpackungen und Plastiksackerl. Derzeit werden nur 28 Prozent des Plastikmülls wiederverwertet.  

 

Im Zentrum der Kritik steht auch die industrielle Landwirtschaft, die ein Drittel der Treibhausgase produziert. „Wir essen Erdöl“, ein Zitat des britischen Ökonomen Schumacher, weist darauf hin, dass der Energieverbrauch für die Produktion der Nahrung immer mehr ansteigt. Für eine Tonne Stickstoffdünger sind zwei Tonnen Erdöl erforderlich. Problematisch ist auch der dramatische Bodenverlust in Österreich. 2019 wurden 45 m2 fruchtbarer Boden verbaut und mit Beton und Asphalt versiegelt. Dies entspricht der Fläche von Eisenstadt.

 

Präsentiert werden in der Ausstellung auch Initiativen, die sich gegen die Lebensmittelverschwendung einsetzen: Die in Berlin entstandene Community „Foodsharing“, die Wiener Tafel und die per App agierende Organisation „TooGood to Go“. Die Kehrseite des Konsums symbolisieren die sogenannten „Dumpsterer“, die – in einer rechtlichen Grauzone – in Mülltonnen der Supermärkte nach genießbaren Lebensmitteln tauchen. Schätzungen zufolge handelt es sich dabei um 500-600 Tonnen pro Jahr und pro Markt.

 

Laut dem Regierungsprogramm 2020-2024 ist das „Verbot des Entsorgens von genusstauglichen Lebensmitteln aus dem Lebensmitteleinzelhandel“ geplant. Dass die aktuelle türkis-grüne Koalition dies umsetzen wird, scheint aufgrund der zahlreichen internen Konflikte fast ausgeschlossen.

Moria-Kritik: "Kanzler ohne Herz"-Karikatur Haderers am Naschmarkt!

"Achtung Kältewelle! Das fehlende Herz des Sebastian Kurz. Auf der Linken Wienzeile hängt ab sofort dieses 230 m2 Plakat, gezeichnet von Gerhard Haderer. Es ist unser stiller Protest gegen die kaltherzige Politik der türkisen Regierung und ihre unterlassene Hilfeleistung in Moria".

 

Dieses Posting setzte die Initiative "Courage-Mut zur Menschlichkeit" (der u.a. die Schauspieler Katharina Stemberger und Cornelius Obonya angehören) in den sozialen Medien, während das riesige Plakat auf der "Art Communication"-Feuermauer direkt neben dem Naschmarkt platziert wurde. Erstellt wurde die Zeichnung vom bekannten österreichischen Cartoonisten Gerhard Haderer, der kürzlich seine neue Ausstellung "Volltreffer" im Karikaturmuseum Krems eröffnet hat. Das Bild zeigt den Kanzler mit schwarzem Sakko, dessen linker Ärmel angehoben wird. Das Herz darunter: Nicht rot, sondern eiskalt gefärbt.

 

"Es gibt unzählige Menschen in Österreich, die hier helfen wollen und können, aber Bundeskanzler Kurz verhindert jede Form der Rettung. Man kann dies eigentlich nur mehr als vorsätzlich unterlassene Hilfeleistung bezeichnen", so Haderer, der das Bild der Initiative Courage unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat. 

 

Die Aktion zielt zeitgenau auf ein trauriges Ereignis der Vergangenheit ab, denn genau vor 6 Monaten, in der Nacht vom 8. auf den 9. September 2020, brannte das Flüchtlingslager in Moria nieder. "Statt Familien aus den Elendslagern zu retten, hat die Regierung Hilfe vor Ort versprochen, die aber immer noch nicht angekommen ist", so Katharina Stemberger.

 

Sollte sich die türkise Politik nicht ändern, dürften weitere Aktionen auf dem Programm stehen. Für Kurz derzeit eine Lose-Lose-Situation: Einerseits wird ihm soziale Kälte vorgeworfen, andererseits verliert er durch die Corona-Maßnahmen auch noch die Wähler vom rechten Spektrum, die er durch seine rigide Fremden- und Asylpolitik ködern will. Es ist Zeit für eine politische Veränderung!

"My Generation": Schillernde 80er-Kunstwerke der Sammlung Jablonka in der Albertina!

Eine Zeit ohne Hunger, ohne Gefahren, ohne Pandemie, eine freie Welt bis zum Ausbruch von Aids, das waren die 80er. So der Galerist Rafael Jablonka, dessen gesammelte Werke von 14 verschiedenen Künstlern jetzt unter dem Titel „My Generation“ in der Albertina zu sehen sind.

 

Der 1952 in Polen geborene Jablonka war ursprünglich Ingenieur, studierte dann später Kunstgeschichte und organisierte Ausstellungen (u.a. auch gegen das Kriegsrecht in Polen und als Assistent von Kasper König). Im Jahr 1988 gründete er selbst eine Galerie in Köln, die er fast 30 Jahre lang führte und in der er innovative Künstler wie Damien Hirst, Mike Kelley, Andreas Slominski oder Sherrie Levine in Kontinentaleuropa präsentierte. Im Juli 2019 übergab er über 400 Werke der 80er als Stiftung an die Albertina Wien. Und kuratierte selbst – von Direktor Klaus Albrecht Schröder mit einer „Carte Blanche“ ausgestattet – die erste Ausstellung aus seiner Sammlung.

 

In insgesamt 12 Räumen, verteilt auf 2 Geschossen, eröffnet sich dem Besucher eine bunte, kreative Mixtur aus großformatigen Malereien, Siebdrucken, Installationen und Skulpturen, die gleichzeitig auch verschiedene Komponenten der selektierten Künstler zeigen sollen. So wird man gleich nach der Rolltreppen-Abfahrt empfangen von den imposanten Keramik-Konstrukten des spanischen Künstlers Miquel Barcelo, die eine Variation der Jesus-Parabel von der „wundersamen Vermehrung von Brot und Fischen“ darstellen soll. Der deutsche Künstler Andreas Slominski arbeitet mit subtilen Vogelfallen in Kinderwägen, ambivalenten Fahrrad-Collagen und mit scheinbar harmlosen Windmühl-Modellen, die allerdings einen schaurigen Hintergrund veranschaulichen. Sie symbolisieren den Wind, der zur Zeit des Nationalsozialismus von den Verbrennungsöfen im KZ Buchenwald in das nahe gelegene Weimar geweht hat.

 

Der aus New York stammende Philip Taafe ist mit großformatigen abstrakten Bildern vertreten, sein Landsmann Eric Fischl mit knalligen Bildern über die scheinbar perfekte Welt der Middle Class, die gleichzeitig aber Leere, Langeweile und Einsamkeit ausdrücken. Dazu zählt auch ein Bild des „Krefeld Projekts“, im Rahmen dessen sich Fischl durch „Szenen einer Beziehung“ eines Schauspielerpaares inspirieren ließ. 

 

In einem separaten Raum platzierte Jablonka „spontan“ eine Parade extravaganter Skulpturen und Installationen. Damien Hirst, der britische Konzeptkünstler, lässt hier Tischtennisbälle durch Wasserfontänen aus Schläuchen schweben und thematisiert im „letzten Abendmahl“ die Abhängigkeit der Menschheit von schädlichen Medikamenten und Fast Food. Daneben thront Sherrie Levines´s Körpermaske aus hochpolierter Bronze, die die Silhouette einer schwangeren Frau repräsentiert. Da werden zwei Hühnereier vom Sammler selbst als Slominski-Remake an die Wand geworfen, während auf dem Boden eine aus Stoffpuppen zusammengenähte, fragmentierte „Frankenstein“-Figur liegt. Der Schöpfer: Mike Kelley, dessen Werke 1989 zum ersten Mal von Jablonka in Deutschland publiziert wurden und der in einem speziell abgedunkelten Raum der Albertina mit seiner „Kandor“-Rauminstallation und den „strukturalistischen Pantomimen“ die Besucher erstaunen lässt.

 

Die imposanteste, fast schiffsgroße Skulptur ist im letzten Raum der faszinierenden Ausstellung zu sehen. Die bizarre Konstruktion des Londoner Künstlers Richard Deacon aus Edelstahl und gebogenem Eichenholz lässt viele Interpretationen und Phantasien offen. Ganz im Sinne Jablonkas: „Ich ermutige dazu, zu schauen, die Nase in die Bilder zu stecken. Ein Künstler stirbt, aber ein Kunstwerk lebt, solange es betrachtet wird.“

 

Vertretene KünstlerInnen:

 

Miquel Barceló | Ross Bleckner | Francesco Clemente | Richard Deacon | Eric Fischl | Damien Hirst | Roni Horn | Mike Kelley | Sherrie Levine | Cady Noland | Thomas Schütte | Andreas Slominski | Philip Taaffe | Terry Winters

 

Die Ausstellung ist von 2. Oktober 2020 bis 5. April 2021 in der Albertina zu sehen.

Kampf gegen Reptilienleder-Produkte: Tigerpython in neuer Vitrine des NHM Wien!

Schlangen wirken auf viele Menschen bedrohlich, leben aber selbst gefährlich. Obwohl die meisten Schlangenarten streng geschützt sind, werden viele meist wildgefangene Schlangen zur Gewinnung von Leder verwendet. Die Tiere werden dabei auf grausamste Art und Weise bei lebendigem Leib mit Wasser gefüllt, um die Haut besser abziehen zu können, und danach lebend gehäutet.

 

Eine neu dekorierte Vitrine im 1. Stock des Wiener Naturhistorischen Museums (Saal 27) will auf den Artenschutz von Schlangen hinweisen. Zu sehen ist darin ein 5 Meter langer, dunkler Tigerpython (Python bivattatus) aus Java, der sich schon seit 1900 in der Sammlung befindet. Umringt ist das Reptil von Produkten aus Schlangenleder wie Stiefeln, Hosen, Gürteln, Taschen und Geldbörsen. Auf dem Vitrinenglas wurden künstliche Blutspritzer platziert.

 

"Alle in der Vitrine ausgestellten Produkte wurden vom österreichischen Zoll beschlagnahmt oder stammen aus Nachlässen", so die Kuratorin Dr. Silke Schweiger, Leiterin der Herpetologischen Sammlung. 

 

Der vor allem in Südostasien lebende Tigerpython unterliegt Exportbeschränkungen und gilt als gefährdet und schutzbedürftig. Insofern also keine Reptilienleder-Produkte kaufen, um nicht die Nachfrage anzuheizen und den Artenbestand der Tiere zu schützen...

Almost - Wiener Weltreisen 1873/2020: Czaja-Fotoserie vor dem Wien Museum!

„Was macht ein Reisender, wenn er nicht reisen kann? Er reist trotzdem.“  Frustriert über die Corona-Ausgangsbeschränkungen und Reiseverbote setzte sich der aus Polen stammende und in Wien lebende Buchautor Wojciech Czaja im Frühjahr 2020 auf seine Vespa und fotografierte großteils unbekannte Gebäude, Straßen und Gassen in Wien. Während dieser urbanen Fotosafaris erkannte der weitgereiste Architekturjournalist, dass ihn viele Wiener Orte an andere Länder und Metropolen erinnerten. Die Idee für „Almost“ war geboren.

 

„All Perception of truth ist the detection of an analogy“ („Jede Wahrnehmung der Wahrheit ist die Entdeckung einer Analogie“) fabulierte einst der amerikanische Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau. Czajas Fotoserie umfasst aktuell bereits mehr als 150 assoziative Bilder: Berliner Street Art in der Mauthausgasse, Frankfurts Business Tower in der Marxergasse, die Japanischen Gärten in der Hohen Warte, der Orientexpress im Böhmischen Prater, die verlassenen Fabriksgebäude in der Moselgasse als „Detroit“-Verschnitt, der Goldengel am Universitätsring als Techno-Love Parade-Siegessäule Berlins oder die „Costa Brava“-Bauten in der Mozartgasse. Die (fiktiv überflutete) Zelinkagasse mit Blick vom Palais Schottenring vergleicht Czaja mit den Kanälen von Sankt Petersburg, den Badesee in Aspern mit dem kroatischen Urlaubsort Mali Losinj.

 

„Manchmal ist es ein bestimmter, mitunter manipulativer Blickwinkel, der auf einmal Fremdes zu offenbaren vermag, manchmal sind es ganz banale, emotionale Komponenten wie etwa Licht, Farbe, Form, Proportion oder eine feinstoffliche Stimmung“, so der Autor, der seine Fotos zuerst auf Facebook und dann aufgrund der zahlreichen „Likes“ in einem Buch („Almost. 100 Städte in Wien“) publiziert hat.  

 

Als „Kunst im öffentlichen Raum“ wurden die Fotos jetzt auf dem Bauzaun vor dem Wien Museum platziert. Und zwar gemeinsam mit alten-Souvenir-Fotos von der Wiener Weltausstellung des Jahres 1873. Damals wurden im Prater verschiedenste Gebäude aus aller Welt (wie Rotunden, Pavillons, Chinesische Zimmer, Kunsthallen, Triumphbögen,…) temporär aufgestellt, die zwar jeder Wiener kannte, die man aufgrund fehlender Mobilität bzw. hoher Kosten nicht besuchen konnte. 2020 war die Corona-Pandemie schuld an den Reisebeschränkungen. „Imaginäres Reisen“ sozusagen im Doppelpack.

 

Die spannende Ausstellung unter dem Titel „Almost – Wiener Weltreisen 1873/2020“ kann man bis 28. März täglich besuchen, 7 Tage, 24 Stunden lang und bei jeder Witterung. Reisefieber und Hoffnung nach einem schnellen Tourismus-Restart steigen dadurch umso mehr… 

Klimanotstand weltweit: "Nach uns die Sintflut" im Kunsthaus Wien!

Knapp zwei Drittel der Menschen fürchten sich vor einem weltweiten Klimanotstand. Diese Feststellungen basieren auf einer Umfrage des UN-Entwicklungsprogramms UNEP und der britischen Oxford University, an der 1,2 Millionen Bürger aus 50 Ländern teilgenommen haben. Besorgt sind nicht nur die durch Bewegungen wie Fridays for Future inspirierten Jugendlichen, sondern auch ältere Menschen.

 

Das Kunsthaus Wien (mit seinem USP als „erstes grünes Museum“) präsentiert dazu kongenial seine Ausstellung „Nach uns die Sintflut“, die sich mit den Auswirkungen der Klimakrise auf die unterschiedlichsten Kontinente, Landschaften und Populationen unserer bunten Welt beschäftigt. Der Ausstellungstitel stammt aus dem ersten Band von „Das Kapital“. Der Philosoph und Gesellschaftstheoretiker Karl Marx hat bereits vor 150 Jahren die menschliche Intervention als faktische Umweltzerstörung erkannt und ein Verhalten kritisiert, das nur auf den eigenen Profit bedacht ist und die Folgen auf das gesamte Ökosystem ignoriert.

 

Insgesamt 21 nationale und internationale Künstler zeigen im 3. und 4. Stock des Kunsthauses eindrucksvolle Fotografien, Collagen, Filme und Videoinstallationen, die die dramatischen Folgen der klimatischen Veränderungen auf unsere Lebenswelten, die Wirtschaft und die sozialen Verhältnisse veranschaulichen. Zentraler Anknüpfungspunkt ist laut der Direktorin Bettina Leidl „die An- und Abwesenheit des Wassers, das sich in schmelzenden Polkappen, einem Anstieg des Meeresspiegels, Dürren und dem Abschmelzen der alpinen Gletscher“ widerspiegelt.

 

Gleich beim Eintritt zur Ausstellung provoziert der aus New York stammende Künstler Justin Brice Guariglia mit dem riesigen Aufdruck „The End“. Daneben zieht die Schweizerin Ursula Biemann in ihrem Video-Film „Deep Weather“ einen Konnex zwischen der Ausbeutung natürlicher Ressourcen im Globalen Norden (wie bei der Teersandförderung in Kanada) und den negativen Folgen im Globalen Süden. Beispiel: Die Überschwemmungen in Bangladesh aufgrund der Erderwärmung und des Anstiegs des Meeresspiegels.

 

Der steirische Künstler Michael Goldgruber erstellte aus 420 Einzelaufnahmen die zehn Meter lange Wandinstallation „Talschluss“, die unterschiedlichste Ausprägungen des Gepatschferner, eines der am schnellsten schmelzenden Gletscher, zeigt. Die Wienerin Verena Dengler konzipierte nach einer Reise ins norwegische Spitzbergen (wo die Durchschnittstemperatur seit 1971 um 4 Grad gestiegen ist) eine Wandcollage mit dem ominösen Titel „Dr. Envy Nordpol (ihr Pseudonym) besucht das nördlichste Sushi-Restaurant der Welt. Der Berliner Benedikt Partenheimer macht mit seinen „Methane Experiments“ das Entweichen von Treibhausgasen in Folge des Auftauens der Permafrostböden sichtbar. Seine in Alaska abgelichteten „drunken trees“ bezeichnet der Berliner „as a perfect symbol for a world that has lost ist balance“.

 

Ein Sinnbild für eine aus den Fugen geratene turbokapitalistische Welt stellt auch das künstlich geschaffene Insel-Archipel „The World“ vor der Küste Dubais statt. Die österreichische Fotografin Genoveva Kriechbaum projiziert kongenial ihre futuristischen Landschaftsaufnahmen auf Stahlplatten, untermalt durch Musik des Komponisten Hassam Mahmoud. 

 

28 Minuten lang schlägt eine dunkel gekleidete Person mit der Hacke auf eine gefrorene Eisschicht ein, bis das Videobild erlischt und man nur mehr ein Krachen und einen Schrei hört. Eine metaphorische Untergangs-Installation der beiden Wiener Nicole Six und Paul Petritsch mit dem Titel „Räumliche Maßnahme“.

 

Die niederländische Künstlerin Anouk Kruithof ist im Kunsthaus Wien vertreten mit ihrer Video-Collage „Ice Cry Baby“, die aus zusammengeschnittenen You Tube-Videos von schmelzenden Gletschern besteht, und mit ihrer auf Beinprothesen stehenden Installation „Folly“, deren Körper sich aus einer Gesteinsattrappe mit Luftaufnahmen der Erdoberfläche zusammensetzt. Dahinter hängt die ästhetisch hochwertige Bilder-Serie „Flood Zone“ der in Miami lebenden Fotografin Anastasia Samoylova, die subtil die durch den Klimawandel verursachten Probleme der Urlaubsmetropole (wie Sturmfluten, überlastete Kanalisation und Klima-Gentrifizierung) thematisiert.

 

Der Videofilm „Tuvalu“ beschäftigt sich mit dem Leben der Bewohner des gleichnamigen Inselstaates im Südpazifik, die aufgrund des geringen Unterschieds zum Meeresniveau mit dem Verschwinden ihrer Heimat konfrontiert sind. Solmaz Daryani zeigt in „The Eyes of Earth“ Aufnahmen des ausgetrockneten Urmiasees, der einst der sechstgrößte Salzsee im Iran war. Einen besonders traurigen Beigeschmack erhalten diese Bilder dann, wenn man im beigelegten Album die privaten Fotografien aus der Vergangenheit dieser einstigen Urlaubsregion betrachtet. 

 

Die US-Amerikanerin Christina Seely finalisiert den Reigen der Umweltimpressionen mit einem faszinierenden, audiovisuellen Ausgleich zwischen dem arktischen und dem tropischen Ökosystem („Terra Systema. Tempo“). Ein emotionell-optimistischer Abschluss im Vergleich zur apokalyptischen „The End“-Eingangspforte.

 

Ob Kunst die Klimakrise verbessern kann, das ist natürlich fraglich. Sarker Protick, in „Nach mir die Sintflut“ mit Fotos seines Heimatlandes Bangladesh und dem Videofilm „Monsoon“ vertreten, sieht Kunst zumindest als Initialzündung: „Art can question the things and address the things that needs to be changed.“ Zumindest beim Klimanotstand braucht es dazu keines Beweisverfahrens…

 

Nach uns die Sintflut – 16. September 2020 bis 5. April 2021

"Lumen" by Johannes Rass: Eine Stehlampen-Installation in der MQ Art Box!

Düster und dunkel ist es (nicht nur in Wien) geworden. Gastronomie, Kultur und Tourismus aufgrund (unverhältnismäßiger) Maßnahmen von Türkis-Grün-Rot geschlossen, nach Sonnenuntergang nur wenige Menschen auf den Straßen, Gassen und Plätzen der lebenswertesten Stadt der Welt, zumeist mit traurigem Blick und verhüllt in Einheits-Masken, die ein Symbol des Ausnahmezustandes darstellen. Auch im Haupthof des Museumsquartiers (dessen Gallionsschiffe, die Museen, frühestens am 8. Februar wieder öffnen) nur wenige Menschen, die sich mit lässigem 16er-Blech und inspirierender Kommunikation bei Laune halten. Doch hier ist tatsächlich Licht am Ende des Tunnels.

 

"Lumen" (lat. Licht, Fenster) heißt die faszinierende Kunst-Installation des Wiener Fotografen und Performance-Künstlers Johannes Rass, die vom 13. Jänner bis 10. März in der MQ Art Box (neben dem Leopold Museum) für eine Aufhellung der trüb-melancholischen Stimmung sorgen soll. Rass hat dort 112 Stehlampen mit modernen LED´s platziert, 15 davon stammen aus einer Erbschaft, der Rest wurde projektorientiert von der MA 48 gesammelt.

 

Mit Einbruch der Dunkelheit, ab ca. 16.30 Uhr bis 20.30 Uhr, verwandelt sich das bunt zusammengewürfelte Konglomerat aus Lampen in ein Schauspiel aus Licht und Ton. Insgesamt 18 Sequenzen zu je 10 Minuten hat Rass gemeinsam mit Sound- und Light-Technikern konzipiert, die Zuschauer geraten durch diese wechselseitige Abfolge von Licht, Dunkelheit und mystischen Ambient-Geräuschen "in einen Sog von Assoziationen, in denen sich kollektives Wissen mit individuellen Erfahrungen vermischt". Beim nächsten Spaziergang durch das schöne Wien unbedingt einplanen!

 

"Andy Warhol Exhibits - A Glittering Alternative" im Mumok !

„In the Future, everyone will be famous for 15 minutes“ – Ein berühmtes, visionäres Zitat von Andy Warhol, das der Begründer der „Pop Art“ 1968 lakonisch in die Menge geworfen hat und das später – durchaus kontroversiell – tatsächlich Realität geworden ist. Warhol selbst wurde seine künstlerische Karriere nicht in die Wiege gelegt, der jüngste von drei Söhnen einer armen, slowakischen Migrantenfamilie (Warhola), machte zwar einen Abschluss in Malerei und Design auf der Universität in Pittsburgh, arbeitete aber zuerst in einer New Yorker Schuhfabrik und dann in den 50ern als Werbegrafiker und Schaufensterdekorateur in diversen Gelegenheitsjobs. Das Wiener Mumok zeigt jetzt unter der Trademark „Andy Warhol Exhibits – A Glittering Alternative“ sein bis dato unter Verschluss gehaltenes Frühwerk und sein Renommee als Inszenierer von Ausstellungen.

 

„Wer alles von Andy Warhol wissen will, braucht nur die Oberfläche anzusehen, die meiner Bilder und Filme und von mir, und das bin ich, Da ist nichts dahinter.“ Homoerotische Zeichnungen und Illustrationen dürften in das Konzept des „Pop Art“-Genies nicht gepasst haben. Die Kuratorin der Ausstellung, Marianne Dobner, platzierte die ansehnlich-lasziven Porträts seiner Lover („Studies for a Boys Book“) in schlichte Vitrinen des Erdgeschosses. Dazu singuläre Geschlechtsteil-Motive, kesse Zeichnungen von Drag Queens und Friseuren oder extravagante Schuhdesigns, mit denen Warhol in den 50ern kommerziell sehr erfolgreich war.

 

In der 1. Etage treffen die Besucher im Eingangsbereich auf einen weißen Raum mit der Siebdruck-Serie „Cow Wallpaper“ und auf die „Silver Clouds“, einer Rauminstallation Warhols mit Helium gefüllten Luftballons in Kissenform, die aufgrund physikalischer Wirkung in Interaktion stehen. Eine Rekonstruktion einer 66er-Warhol-Ausstellung in der New Yorker Galerie von Leo Castelli.

 

„Andy Warhol exhibits“ widmet sich im speziellen auch den Filmen und Videoinstallationen Warhols, deren Screens wie einst in den 60ern unmittelbar neben den Bildern angeordnet wurden. Im Mittelpunkt standen zumeist die kreativen Szene- und Party People der New Yorker „Factory“, deren Protagonisten von Warhol frontal mit einer Bolex-16mm-Kamera gefilmt wurden. Daraus entstanden Undergroundfilme wie „Blow Job“, „Eat“, das 8 Stunden lange „Empire“ oder der berühmte Split Screen-Film „Chelsea Girls“, auf Polstern leger im Mumok visierbar. Die in einem quadratischen Raum positionierte Multimedia-Installation „Exploding Plastic Inevitable“ torpediert die Besucher direkt mitten in die exzessiven, sexuell freizügigen Sixties. Die Hauptdarsteller in dem von Licht- und Stroboskopeffekten aufgeheizten Raum: Die Kult-Band „The Velvet Underground“ rund um Lou Reed und Nico, die anfänglich auch von Warhol produziert wurde, und die ausgeflippten, drogenberauschten „Factory“-Paradiesvögel.

 

Andy Warhol konzipierte allerdings auch Ausstellungen für Kinder, beispielsweise 1983 in Zürich, wo er Bilder von Tieren und Spielzeugen in Augenhöhe der jungen Besucher hängte. In den Eighties hatte Warhol bei seinen Streifzügen durch die Szene immer eine Kamera bei sich. Die danach zusammengenähten „Sewn Portraits“ (u.a. mit Mick Jagger, Romy Schneider oder dem Studio 54-Gründer Steve Rubell) sind im Mumok in einer langen Schwarz-Weiß-Foto-Galerie zu bewundern.

 

Pop Art – nicht nur von Andy Warhol – gibt es auch in der Ausstellung „Misfitting Together“ im Untergeschoß zu sehen. Und natürlich im Außenbereich des Museumsquartiers, auf der Hauptstiege zum Mumok, die mit den farbenprächtigen „Flowers“-Motiven des 1987 gestorbenen Künstlers geschmückt ist. Go for it!

 

Noch bis 7. März 2021…

"The Essl Collection": Ein Streifzug durch die neue Ausstellung der Albertina Modern!

Performance und Fotomontagen bei gleichzeitig offenem Umgang mit Nacktheit, Sexualität und Körpersubstanzen, das sind die Markenzeichen des im Londoner Eastend ansässigen Künstlerpaares Gilbert & George. Das zeigen sie progressiv und schamlos mit ihrem aus 90 Tafeln bestehenden Werk „Bloody People“ im ersten Hauptraum der Albertina Modern. Die Künstler dreimal nackt mit Posen im Stile der japanischen Affen („Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“) vor dem Hintergrund mikroskopisch vergrößerter Bluttropfen, die auf die dramatische AIDS-Krise der 80er und 90er hinweisen. 

 

Nur eines von 130 Werken der zweiten Ausstellung in der Albertina Modern, die am 7. Dezember unter dem Titel „The Essl Collection“ eröffnet wurde. Die Albertina Modern befindet sich im Künstlerhaus am Karlsplatz, das in den letzten Jahren vom Unternehmer Hans Peter Haselsteiner restauriert und erweitert wurde. Die aktuelle Ausstellung besteht einerseits aus Kunstwerken der im Jahr 2019 erfolgten Schenkung der Familie Essl an die Albertina, andererseits aus der Dauerleihgabe der Familiensammlung Haselsteiner. 

 

Während sich die erste Ausstellung „The Beginning“ auf österreichische Kunst zwischen 1945 und 1980 konzentrierte, werden bei dieser Exhibition – mit einigen Ausnahmen – die Akzente auf die letzten 40 Jahre gesetzt. Rund ein Drittel der Sammlung Essl umfasst internationale Kunst, zwei Drittel der Werke kommen aus Österreich. 

 

Das Ehepaar Karlheinz und Agnes Essl ist seit dem Beginn ihrer Sammlertätigkeit dafür bekannt, dass sie enge Freundschaften mit den Künstlern pflegen und diese auf ihren Karrierewegen begleiten. In der Ausstellung selbst erfolgen keine Einteilungen, weder nach Nationalität, noch nach Entstehungsjahr oder Kunstrichtung. Und so befindet man sich in den geräumigen Hallen der Albertina auf einer Magical Mystery Art Tour zwischen Pop Art eines Alex Katz, Klorollen-Skulpturen des Kärntners Heimo Zobernig, expressiven Gemälden eines Georg Baselitz oder Plastillin-Collagen des österreichischen Künstlerkollektivs „Gelitin“, die an der nicht mehr so blauen Donau einst die „Wachauer Nase“ kreiert haben.

 

Daniel Richter erinnert mit seinem großformatigen Ölbild „Flash“ an die Flüchtlingskrise, Jonathan Meese mit seiner Bronzeskulptur „Dr. Pounddaddy“ an die römische Wolfssaga rund um Romulus und Remus. Annette Messager installiert 28 am Boden liegende Formen aus Fallschirmseide, die sich nach dem Aufblasen in Organe und Extremitäten verwandeln. 

 

Neo Rauch fabriziert auf einem fünf Meter breiten Bild eine rätselhafte Revolution, die vielleicht bereits wieder vorbei ist. Farbprächtige Gemälde des chinesischen Realisten Fang Lijun demonstrieren subtile Bedrohlichkeit unter dem Deckmantel eines Liebespaares. Daneben die überlebensgroßen Skulpturen der ehemaligen Päpste Benedikt und Johannes Paul II., die – aufeinander gebückt - vom rumänischen Künstler Virgilius Moldovan alt, rauh und zerschunden konzipiert wurden. 

 

Ein bunter Stil-Mix erwartet auch die Besucher des Untergeschosses, in dem Fotografien der Essl Collection gezeigt werden. Vertreten sind dort u.a. Cindy Sherman mit ihren legendären „Clowns“, Gregory Crewdson, die auch als Regisseurin („Nowhere Boy“, „Fifty Shades of Grey“) arrivierte Fotografin Sam Taylor Johnson mit ihrem kunstvoll arrangierten „Bram Stoker´s Chair“ oder den Amerikaner Philip-Lorcia diCorcia, der mit Hilfe einer an einem Baugerüst montierten Blitzlichtanlage Passanten am New Yorker Times Square anonym fotografierte. 

 

Ein besonderes Augenmerk richtet die Ausstellung auf die Absolventen der Becher-Schule, die an der Düsseldorfer Kunstakademie von Bernd Becher ausgebildet wurden und zu den Koryphäen zeitgenössischer Fotografie zählen: Thomas Ruff, Thomas Struth, der auf Landschaften spezialisierte Axel Hütte, Candida Höfer oder der „Toten Hosen“-Cover-Fotograf Andreas Gursky. Letzterer ist in der Albertina Modern mit einer Luftaufnahme auf die mit Party People überquillenden Berliner Love Parade vertreten. In (temporären) Zeiten von Social Distancing, Tanz- und Clubverboten ein Kulturschock, der - verhüllt unter der dunklen Face Mask - am schmerzhaftesten in die offenen Wunden brennt…

Terroranschlag im Wiener Bermuda-Dreieck: IS-Anhänger erschießt 4 Menschen!

Tatort Wiener Bermudadreieck in der Nähe des Schwedenplatzes. Trinken, Tanzen, Flirten bis zum Umfallen. Und das seit Anfang der 80er, als umtriebige Gastronomen das ehemalige jüdische Textilviertel zur Party-Meile der Stadt machten. Die ersten Lokale, Krah Krah am Rabensteig, das Kaktus in der Seitenstettengasse (gegenüber dem Stadttempel, der seit einem Anschlag eines palästinenischen Terrorkommandos im Jahr 1981 stets von einem patroullierenden Sicherheitsmann bewacht wird), der für seine heißen Live-Konzerte berühmt-berüchtigte Rote Engel oder das vom Architekten Hermann Czech konzipierte Salzamt gegenüber der Ruprechtskirche, die älteste noch erhaltene Kirche Wiens, die die meist harmlosen "Sünden" der Teens und Twens mit einem "Glockenzwinkern" lässig toleriert.

 

Genau hier befand sich einst das römische Legionslager Vindobona, seit den 80ern tanzen hier die "Jungen Römer" - Die Nacht ist jung wie ihr. Die erste große Liebe, der erste feucht-fröhliche Absturz ins Koma, gefährliche Liebschaften, Eifersuchtskämpfe um die heißesten Prinzen und Prinzessinnen der Nacht, einsame Gespräche mit dem Barkeeper bis in den Morgengrauen oder toxisches Vorglühen für Disco- und Clubnights, die scheinbar niemals enden.

 

Das Bermuda-Dreieck ist seit 40 Jahren - trotz mancher Anrainerbeschwerden und nächtlicher Polizeieinsätze wegen Lärmerregung oder Trinkexzessen - Anziehungspunkt für Junge und Junggebliebene, die dem öden Berufs- und Schulalltag entfliehen wollen und die unerträgliche Leichtigkeit des Seins zelebrieren wollen. Und das gilt nicht nur für die Wiener, sondern auch für Touristen oder für Jugendliche aus der Provinz, die das wilde, rauhe, zügellose Wien zum ersten Mal hier im Ruprechtsviertel erleben wollen. Falls sie sich am nächsten Tag noch daran erinnern können.

 

Ausnahmesituation herrschte auch am 2. November. Um ca. 20 Uhr, 4 Stunden vor dem "zweiten Lockdown" (der die Gastronomie - trotz kaum vorhandener Infektionszahlen - zu einer erneuten Schließung zwingt), flanierten an diesem milden Herbsttag zahlreiche Menschen über Schwedenplatz, Rotenturmstraße und Franz Josefs-Kai. Viele nützten die "letzten Stunden Freiheit" für Essen, Drinks und Shots in den Schanigärten des Bermuda-Dreiecks, die Stimmung war trotz der drohenden Corona-Maßnahmen heiter, positiv und beschwingt wie immer. Bis ein 20jähriger IS-Fanatiker, ein Österreicher mit nordmazedonischen Wurzeln (der seit seiner Geburt in Wien lebt), die friedliche Stimmung der anbrechenden Nacht wie mit einem Donnerschlag zerstört. 

 

Bewaffnet mit einer vollautomatischen Kalaschnikow und einer Machete zieht der Terrorist eine Blutspur durch das Party-Epizentrum Wiens. Vor der Jerusalemstiege auf dem Fleischmarkt ermordet der Terrorist den 21jährigen begeisterten Fußball-Sportler Nexhip V. aus Korneuburg, der wie der Täter nordmazedonische Wurzeln hat. Danach schießt er auf dem Ruprechtsplatz wahllos in Richtung Schanigärten und trifft dabei eine 24jährige "Salzamt"-Kellnerin aus Deutschland tödlich, die sich neben ihrem Studium an der Universität für Angewandte Kunst ihr Geld verdiente. Danach rennt der Täter die Seitenstettengasse auf und ab, um vermutlich von der dort platzierten Überwachungskamera gefilmt zu werden, und erschießt dabei eine 44jährige City-Angestellte, die im Bermuda Dreieck After Work genießen wollte. Vor einem chinesischen Lokal am Rabensteig, an der Eingangsschneise zur Beislszene, ermordet der Täter einen 39jährigen Österreicher mit chinesischer Abstammung, der sich schwer verletzt noch zum Franz Josefs Kai schleppt und dort stirbt.

 

Bei dem Terroranschlag im Herzen Wiens, wurden mindestens weitere 22 Menschen (teils) schwer verletzt, bis zwei WEGA-Polizisten den Täter unterhalb der Ruprechtskirche durch einen tödlichen Schuss stoppten.

 

Tränen, Schock, Entsetzen, Angst prägten das Bild (nicht nur) der Wiener in den Tagen und Nächten nach dem Anschlag. Vor zahlreichen errichteten Gedenkstätten, übersät mit Kränzen, Kerzen und Sprüchen (wie "Religion is our Love" und dem durch einen Augenzeugen typisch wienerisch kreierten "Schleich di, du Oaschloch"), trauern die Menschen mit verweinten Augen um die Opfer des schrecklichen Attentats. In einem Areal, in dem ansonsten das pulsierende Leben tobt und auf das es der Täter - ähnlich wie im Pariser Bataclan, in den Ramblas von Barcelona oder am Berliner Breitscheidplatz - auch abgesehen hatte.

 

Wir dürfen uns von derartig schrecklichen Ereignissen nicht einschüchtern und spalten lassen. Dann hätten nämlich die Attentäter gewonnen, und unsere offene, tolerante und multikulturelle Gesellschaft wäre am Ende. Parties, Happenings und lange Barnächte sollen und werden - trotz anfänglicher Wehmut - im Bermudadreieck wieder steigen. Das kostbarste Gut des Menschen, die Freiheit, darf sich niemals der totalen Sicherheit unterordnen...

 

 

"Zerstreuen über euch": Culk präsentieren im WUK ihr zweites Album!

"Zerstreuen über euch" - So heißt das zweite Album der Wiener Indie-Band Culk, das noch rechtzeitig - vor dem zweiten "Lockdown" - im Wiener WUK präsentiert wurde.

 

Der düstere Sound-Teppich in der Bandbreite zwischen The Cure, Joy Division und britischen Art-Pop, die kunstvoll-minimalistischen deutschen Texte und der kühl-hypnotisierende Auftritt der Sängerin und Multiinstrumentalistin Sophie Löw (die manchmal auch an die Humpe-Sisters der deutschen New Wave-Ära erinnert), das passt irgendwie zur Grundstimmung der aura-limitierten Corona-Zeit, der man im WUK unter dem Titel "The Bad Seated" Tribut zollt: Masken- und Sitzpflicht, Drinks nur an der Outside Bar. Der Stimmung tat dies keinen Abbruch.

 

"Begierde/Scham", das war 2018 jener phänomenale Song, mit dem Sophie Löw, Johannes Blindhofer (Gitarre), Benjamin Steiger (Bass) und Christoph Kuhn (Schlagzeug) mit FM4-Support erstmals Szene-Luft schnupperten und beim Waves Vienna im WUK einen ihren ersten großen Auftritte hatten. Das erste Album "Culk" folgte, das ebenso wie das neue auch bei den Kritikern höchste Lorbeeren genießt.

 

"Zerstreuen über euch" wurde Anfang Oktober zum "Spiegel"-Album der Woche gekürt, die teils schon aus den sozialen Medien bekannten, visualisierten Tracks wurden jetzt erstmals vor Publikum vorgestellt, darunter der Opener "Nacht" (der über die Angst der Frauen, in der Nacht alleine heimzugehen, handelt), "Ruinen" oder "Bronzeguss". Im Mittelpunkt der Texte steht auch der mangelnde Respekt vor Frauen: "Ich bin kein Dichter, doch ich schreibe Gedichte" singt Löw, und moniert, dass "auf Menschen vergessen wird, wenn sie in der Sprache nicht repräsentiert werden".

 

Als finale Zugabe zelebrieren Culk vor ausverkaufter WUK-Halle die beiden - von Goethe inhaltlich unabhängigen - "Faust"-Songs aus dem Debüt-Album, die mit einem langen Instrumental-Part enden. Der mystische Übergang in eine Lockdown-Phase ohne Konzerte, Kultur und Kunst. Die Karriere von Culk wird der lästige Virus aber garantiert nicht stoppen...

The Art of Banksy: UK-Graffiti-Kult in den Wiener Sofiensälen

„Show me the Monet“ brachte den britischen Street-Art-Künstler Banksy kürzlich in die Schlagzeilen. Die an das Monet-Gemälde angelehnte Neuinterpretation der „Japanischen Brücke“, deren Seerosenteich mit Müll und einem Verkehrskegel beschmutzt ist, erzielte mit 8,4 Millionen Euro den – nach den britischen Unterhaus-Affen („Devolved Parliament“) – zweithöchsten Versteigerungserlöses eines Banksy-Werkes.

 

Banksy soll aus Bristol stammen und im Jahre 1974 geboren sein. Außer wenigen Eingeweihten kennt keiner seine Identität, manche vermuten hinter dem Schablonen-Graffiti-Artist und politischen Aktivisten auch ein Künstlerkollektiv. Diverse Ausstellungen über sein umfangreiches Ouevre haben immer einen Schönheitsfehler, sie sind vom Schöpfer persönlich nicht autorisiert. Was allerdings nicht unbedingt den Wertvorstellungen Banksys widerspricht. Stichwort „Copyright is for losers“.

 

„The Art of Banksy“, eine Wanderausstellung, die u.a. bereits in Berlin, Budapest, Amsterdam, Paris und Melbourne leicht variiert zu sehen war, zeigt nun erstmals Banksy-Werke in Wien, und zwar im ehemaligen Clubbing-Tempel der nach einem Brand neu restaurierten Sofiensäle. Die Kritiken sind angesichts der billigen Reproduktionen, kaum vorhandener Originale und ambivalenter Installationen zwar eher negativ ausgefallen. Dies sollte aber niemanden davon abhalten, sich die gegen Rassismus, Polizeigewalt und staatliche Autoritäten gerichteten Motive der Street Art-Ikone anzusehen und sich politisch inspirieren und beeinflussen zu lassen. So frei nach dem Motto: „If Graffiti changed anything, it would be illegal“.

 

Im Mittelpunkt der Banksy-Galerien stehen Frühwerke des Künstlers, deren Hintergründe kurzweilig erläutert werden. Darunter „Girl with a Balloon“, „Pulp Fiction“ (mit dem Bananen- statt Colt-ziehenden John Travolta), „Laugh Now“, „Bomb Hugger“ (das großformatig auf den Wänden platziert wurde) oder die „Monkey Queen“. In einem Nebenraum wird Banksy als Warhol des 21. Jahrhunderts positioniert, mit Kate Moss-Motiven im Marilyn Monroe-Style.

 

Eine Video-Dokumentation zeigt einen kurzen Film über das Wirken Banksys, im Vordergrund der Lounge sieht man einen vermummten Sprayer in einem Studio, der bei einer ähnlichen Ausstellung in Lissabon („Banksy - Genius or Vandal“) durch eine Verdunkelung des Show Rooms mysterischer in Szene gesetzt wurde.

 

Im Foyer zeigt die Ausstellung eine Installation eines Straßenstandes mit mehreren Gemälden, die Banksy 2018 auf dem Markusplatz von Venedig aufgebaut hat. Die Bilder ergeben zusammengefügt einen Luxusfrachter vor der Kulisse Venedigs, der Titel „Venice in Oil“ verweist auf die Umweltverschmutzung durch die Kreuzschiffahrtsindustrie.

 

Nicht fehlen darf die Bathroom-Installation, die Banksy während des Corona-Lockdowns in seiner Home-Office konzipiert hat. Mit Ratten, die im Badezimmer tanzen, offene Zahnpastatuben bespringen und ins WC urinieren. Eine auf einen Spiegel projizierte Ratte macht – wie ein Häftling eines Gefängnisses – Stricherl, die Tage der Quarantäne. Auf eine Fortsetzung dieses Banksy-Artefakts können wir alle getrost verzichten…

 

 

The Art of Banksy – 23. Juli bis 8. November 2020 in den Sofiensälen.

Wiener GR-Wahlen 2020: Nicht Wahlberechtigte vor Nichtwählern und Wahlsieger!

Die "Mutter aller Wahlschlachten" ist geschlagen. Im Gegensatz zu dem von den Medien und diversen Umfragen hochstilisierten Duell Häupl gegen Strache im Jahr 2015 waren die Wiener Gemeinderatswahlen 2020 von einem souveränen Start-Ziel-Sieg von SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig geprägt. Der Rathausmann erstrahlt weiterhin in Rot, hat sich allerdings auch telegen in Orange geschmückt. Als Ludwig einen Tag in die Rolle eines populären 48er schlüpfte.

 

Die SPÖ erreichte bei den Landtagswahlen 41,62 Prozent, ein Plus von 2,03 % gegenüber 2015. In Stimmen sind dies allerdings nur 301.967, davon später mehr. Die ehemalige Nr. 2, die Freiheitlichen, schlitterten durch Ibiza-Video, Spesen-Affäre und den Dauerstreit mit dem ehemaligen Parteiobmann HC Strache in eine katastrophale Niederlage. Nur mehr 7,11  % (minus 23,67 %) und somit nur mehr 8 Mandate im Landtag. Laut Wählerstromanalyse wanderten 101.000 blaue Stimmen ins Lager der Nichtwähler. Vor allem bei Lehrlingen, Arbeitern und Pensionisten fielen die Prozente der „sozialen Heimatpartei“ ins Bodenlose. Dieser Absturz hat natürlich seine Ursache in den freiheitlichen Querelen des Spitzenpersonals. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass die Maskenpflicht und die rigiden Sicherheitsbestimmungen in den Wahllokalen (die vor allem von den corona-skeptischen FPÖ-Fans abgelehnt werden) bzw. die traditionell geringere Inanspruchnahme von Wahlkarten zum schlechten Ergebnis beigetragen haben,

 

ÖVP und Grüne feierten das Ergebnis der Wiener Gemeinderatswahl auch als Belohnung für die Regierungsarbeit auf Bundesebene. Tatsächlich lag die ÖVP, die in der Gestalt von Finanzminister Blümel mit fremdenfeindlichen Parolen FPÖ-Stimmen ködern wollte (was gerade einmal 43.000 zusätzliche Wähler brachte), mit 20,43 Prozent (plus 11,19 %) um mehr als 4 Prozent unter dem Nationalratswahlergebnis von 2019. Bei den Grünen betrug die Differenz – bei einem GR-Wahlergebnis von 14,62 % - sogar 6 Prozent. Die Neos gewinnen mit 7,47 % leicht dazu. Die wirtschafts- und linksliberale Partei gilt unter dem neuen Parteiobmann Christoph Wiederkehr als heimlicher Favorit für die künftige Regierungskoalition.

 

"Nur" in den "Bezirksparlamenten" vertreten sind das FPÖ-Splitterteam von HC Strache (der als FPÖ-Spitzenkandidat 2015 noch mehr als 31 Prozent erreichte), die Liste Links (2,06 %), die mit sozialen, antikapitalistischen und grundrechtlichen Themen großes Potential für die Zukunft hat, und die witzig-kreative Bierpartei des Arztes und Künstlers Marco Pogo. Die Bezirksvorsteher in den einzelnen Bezirken werden - im Gegensatz zu den Bürgermeistern - von der stimmenstärksten Partei nominiert und - demokratiepolitisch bedenklich - nicht von der Bezirksvertretung gewählt. In 17 Bezirken stellt die SPÖ den Bezirksvorsteher, Simmering wurde von den Blauen, die Leopoldstadt von den Grünen zurückgewonnen. Die Grünen dagegen sind jetzt die Nr. 1 in der bürgerlichen Josefstadt, ebenso wie in Neubau und Währing. Der konservativen ÖVP bleiben die Innere Stadt, Hietzing und Döbling.

 

Die Wahlbeteiligung bei der Gemeinderatswahl 2020 betrug - inklusive Wahlkarten - nur 65,27 %. Wie SOS Mitmensch recherchierte, lag damit die reale Wahlbeteiligung erstmals deutlich unter der 50 Prozent-Marke. Von den 1,6 Millionen Einwohnern im Wahlalter gaben nur 739.486 ihre Stimme ab. Über 30 Prozent, rund 480.000 Wiener, durften aufgrund fehlender österreichischer Staatsbürgerschaft keine Stimme abgeben und wurden damit bezüglich ihrer Wünsche, Werte und Visionen bei den jeweiligen Wahlprogrammen kaum berücksichtigt.

 

Betrachtet man damit die gesamte Bevölkerung Wiens, belegen somit jene Menschen Platz 1, die nicht wählen durften, dann folgen jene, die freiwillig nicht gewählt haben, und erst auf Platz 3 die stärkste Partei, die SPÖ, mit knapp über 300.000 Stimmen.

 

 

Ein repräsentativ bedenkliches Wahlergebnis. Aufgrund einer notwendigen Zweidrittelmehrheit auf Bundesebene ist es rechtlich derzeit schwierig, das Wahlrecht an den Aufenthaltsstatus (beispielsweise 5jähriger Hauptwohnsitz in Wien) zu knüpfen. Per einfaches Gesetz könnten die Einbürgerungshürden gesenkt und ein Rechtsanspruch für hier geborene oder lange hier lebende Menschen konstituiert werden. Das Land Wien als zuständige Vollzugsinstanz selbst könnte die Verleihung der Staatsbürgerschaft schneller und weniger restriktiv handhaben bzw. etwaige Landesabgaben senken. Ob dies in der nächsten Legislaturperiode gelingen wird, bleibt allerdings offen.

Mitzi, Staatskünstler, Maschek & Co. - Der Rabenhof hat wieder Saison!

Der Rabenhof, das Gemeindebautheater im 3., hat wieder Saison. Mit allen Größen der Kabarett- und Satireszene und einem ausgeklügelten Covid-19-Präventionskonzept, das jeweils an die geltenden gesetzlichen Vorschriften angepasst wird. Und das "shortly without von delay". Jener Spruch des Jahres der ehemaligen ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter, der den Satiriker Klaus Oppitz und den Profil-Wirtschaftsjournalisten Michael Nikbakhsh zu ihrem ersten Programm "Niemand nennt uns Mitzi" inspirierte.

 

Kurz vor der Wien-Wahl präsentierten die beiden im Rabenhof eine (letzte) Sonderausgabe ihres Programms, das witzige, peinlich und entlarvende Zitate von Spitzenpolitikern enthält, die im Rahmen eines Publikumsquiz den "Verbalakrobaten" zugeordnet wird. Mit dabei Kapazunder wie Kurz, Strache, Grasser oder Ex-Kanzler Faymann, dessen Wortspende bei einer Diskussionssendung zwar voller Selbstvertrauen, aber ohne Sinn in die Audienz geschleudert wurde.

 

Was dieses Mal anders war: Die Besucher mussten im gesamten Theater, auch am Sitzplatz, eine Schutzmaske tragen, ein Sitz blieb zwischen den Besuchergruppen frei. Dazu als besondere Vorsichtsmaßnahme Fiebermessen vor dem Eintritt. Außerdem gab es keine Pause. Die Bar wurde vor dem rot erleuchteten Theater ins Freie versetzt, wo Drinks sowohl vor als auch nach der Vorstellung ausgeschenkt wurden. Der Stimmung tat dies keinen Abbruch. 

 

Rabenhof-Direktor Thomas Gratzer bedankte sich bei den Besuchern fürs Kommen. Sowohl vor der Mitzi-Show, als auch zwei Tage später vor dem Auftritt der Staatskünstler Florian Scheuba, Robert Palfrader und Thomas Maurer, die ihr Programm "Jetzt erst recht" mit politischen Updates adaptieren. Koste es, was es wolle. Schonungslos dekonstruiert werden die Marketing-Tricks der türkisen Message Controller, das legendäre Ibiza-Video erlebt ein NS-Revival mit Palfrader als Hitler, HC Strache (Maurer) trifft mit Eigenurin-Amulett auf seinen Vorgänger  Jörg Haider (Scheuba), und die Corona-Verschwörungstheoretiker versammeln sich unter dem Mantra des Hulapalu.

 

Stermann/Grissemann, Maschek, Andi Vitasek als Herr Karl, Ernst Molden oder 50 Jahre Austropop mit Katharina Straßer sind nur einige der Höhepunkte der nächsten Wochen im Rabenhof. Und natürlich das brandneue 2. Programm von Oppitz & Nikbakhsh, "Wählt uns (weil´s schon wurscht ist"). Vielleicht gibt es ja danach wieder eine Torte von der Managerin :-)

"Lady Bluetooth": Hedy Lamarr-Sonderausstellung im Jüdischen Museum Wien!

Hedy Lamarr, Film-Star und Celebrity der 40er, deren Biographie fast spannender ist als der Plot ihrer Hollywood-Blockbusters. Das Jüdische Museum am Wiener Judenplatz widmet der als Hedwig Kiesler 1914 in Wien geborenen Tochter eines jüdischen Bankiers und einer Konzertpianistin eine Sonderausstellung, die bis 8. November in drei Räumen besucht werden kann.

 

Kiesler wurde von Max Reinhard für das Theater entdeckt, bekannt wurde sie allerdings durch eine Nackt- und Orgasmusszene in dem tschechoslowakischen Kunstfilm "Ekstase" 1933, dessen Filmplakat zentral in den Räumlichkeiten der Ausstellung platziert wurde. Kiesler heiratete den Waffenproduzenten Fritz Mandl, der sie von den Dienstboten einsperren und bewachen ließ. Auf der Flucht Richtung Amerika nahm sie im September 1937 auf dem Luxusdampfer Normandie ein Angebot des Filmproduzenten Louis B. Mayer ein, auf dessen Rat sie ihren Namen in Hedy Lamarr ändern ließ. Der erste US-Film der bildhübschen, dunkelhaarigen Schauspielerin, "Algiers", wurde bereits ein Riesenhit. In der Ausstellung sind zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotos Lamarr aus den 30er und 40ern zu sehen, u.a. mit den damaligen Filmstars Clark Gable, Robert Taylor, Lana Turner oder mit "Over the Rainbow"-Ikone Judy Garland, mit der sie nicht nur den Film "Ziegfeld Girl" drehte, sondern auch die US-Soldaten im Kampf gegen die Nazis unterstützte. 

 

Während dieser Zeit entwickelte sie gemeinsam mit dem Avantgarde-Komponisten George Antheil eine Funkfernsteuerung für Torpedos. Das sogenannte Frequenzsprungverfahren wird heute in der Kommunikationstechnik bei Bluetooth verwendet, daher auch die beifügende Ausstellungstrademark "Lady Bluetooth". Spät, aber doch erhielt Lamarr dafür den Electronic Frontier Foundation Pioneer Award. Seit 2018 wird in Wien der mit 10.000 Euro dotierte "Hedy Lamarr-Preis für innovative Frauen in der IT" verliehen, zuletzt an die Computertechnikerin Laura Nenzi für die Analyse komplexer Computersysteme.

 

Nach dem 2. Weltkrieg landete Lamarr zwar noch einen großen Film-Hit mit dem Historiendrama "Samson & Delilah", war aber ansonsten eher in den Klatschspalten mit ihren insgesamt sechs Ehen und Schönheitsoperationen vertreten. Nach einem Ladendiebstahl widmete Andy Warhol ihr seinen Film "Shoplifter". Warum Lamarr außer einem kleinen Besuch im Jahr 1955 niemals nach Wien zurückkehrte, begründete ihr Sohn Anthony in einem TV-Interview mit der Direktorin des Jüdischen Museums, Danielle Spera, damit, dass sie in ihrer Heimat als wunderschöne Actress in Erinnerung bleiben wollte und nicht als alternde Frau. 

 

In einem speziellen Raum der Ausstellung, auf dessen Wand eine Nachbildung des 1960 am Hollywood Boulevard eingravierten Sterns platziert wurde, thematisieren die Kuratoren Lamarrs Einfluss auf die Nachwelt. Die ehemals schönste Frau der Welt war u.a. Inspiration für die Figur der Replikantin Rachael im Ridley Scott-Klassiker "Blade Runner" und für die Catwoman in "Batman". Dazu Dokus (wie "Calling Hedy Lamarr"), Kunstinstallationen, Graphic Novels, Briefmarken, das Peter Turrini-Theaterstück "Sieben Sekunden Ewigkeit" in der Josefstadt (mit Sandra Cervik in der Titelrolle),...

 

Hedy Lamarr selbst zog sich nach ihrer Hollywood-Karriere aus der Öffentlichkeit zurück und lebte zuletzt in Florida, wo sie im Jänner 2000 starb. Ihre Asche wurde gemäß ihres letzten Willens von ihren beiden Kindern Anthony und Deedee im Wienerwald verstreut. Zu ihrem 100. Geburtstag erhielt Lamarr ein Ehrengrab der Stadt Wien am Wiener Zentralfriedhof...

Club Future: Das Werk Wien erstellt innovatives Corona-Präventionskonzept!

Es sind Zahlen, die erst in Zeiten einer Notlage bewusst machen, wie wichtig gewisse Branchen für die Wirtschaft, den Tourismus und die Kultur eines Landes sind. Die Veranstaltungsbranche erzielt - bei über 140.000 Arbeitsplätzen - eine jährliche Wertschöpfung von 8,9 Milliarden Euro, die Nachtwirtschaft laut einer Studie der KMU-Forschung alleine 440 Millionen Euro.

 

Unabhängig von den wirtschaftlichen Kennzahlen hat die Clubkultur insbesondere eine kulturelle und soziale Relevanz für eine Metropole wie Wien, als Sprungbrett für musikalische Karrieren (egal ob im Rock-, Indie- oder Dance-Genre) und Initialzündung Musik-Labels, als Treffpunkt für Teens, Twens und Junggebliebene, die beim Nachtflug, auf Konzerten und bei Parties dem öden Alltag entfliehen wollen, aber auch als Safe Spaces für marginalisierte und diskriminierte Gruppen (wie aus dem LGBTIQ- oder Migrantenbereich). Insofern ist es verwunderlich, dass die in einer Machtposition befindlichen Politiker die Bedeutung dieser Kultur nicht erkennen und nach 7 Monaten Corona-Pandemie noch immer durch restriktive Verordnungen de facto ein Berufsverbot für die Veranstaltungs- und Clubbranche konstituieren.

 

Laut der "Covid-19-Maßnahmenverordnung" (die die leicht zynisch benannte "Lockerungsverordnung" ersetzt) sind Veranstaltungen ohne zugewiesene Sitzplätze mit mehr als 10 (!) Personen in geschlossenen Räumen untersagt. Alleine diese zahlenmäßige Begrenzung macht Dance Nights (auch wenn sie nur bis zur aktuellen Sperrstunde von 1 Uhr dauern) technisch und wirtschaftlich unmöglich. Dazu noch ein Mindestabstand von einem Meter, Schutzmaskenpflicht und ein Gastronomie-Bereich nur mit Sitzzuweisung und Sitzzwang.

 

Veranstaltungen mit zugewiesenen Sitzplätzen sind in geschlossenen Räumen bis zu 1500 Personen zulässig. Dabei muss zwischen den Sitzplätzen ein Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter garantiert werden, ansonsten muss auch auf dem Sitzplatz selbst eine Schutzmaske getragen werden. Diese Regelung zielt vorwiegend auf größere (Hoch)-Kulturevents im Klassik- und Theaterbereich ab, da diese Kapazitäten von kleineren Clubs logischerweise nicht ausgeschöpft werden können. Bereits ab 50 Personen muss der Veranstalter allerdings einen Covid-19-Beauftragten bestellen und ein Covid-19-Präventionskonzept vorlegen, ab 250 Personen muss im vorhinein die Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde eingeholt werden.

 

Das Werk Wien bezeichnet die bisherigen politischen Maßnahmen für die Nachtwirtschaft als mangelhaft und kontraproduktiv und hat, unterstützt von der Vienna Club Commission, ein Covid-19 Präventionskonzept 2.0 erstellt, das die Zukunft der Clubkultur in den nächsten Monaten sichern soll. Im Eingangsbereich der Clubs sollen Schnelltests durch fachlich ausgebildetes Personal durchgeführt werden. Die explizit genannten Tests der Firma Fujirebio versprechen eine hundertprozentige Detektierung von Superspreadern und Personen mit hoher Virenlast (CT-Werten unter 26) bzw. eine über 90prozentige Detektionsrate bei Personen mit geringerer Virenlast und asyptomatisch Erkrankten. Die Daten der Besucher werden zwecks Contact Tracing per Vorverkauf erhoben. Als Gästeanzahl schlägt das Werk vorerst eine Halbierung des im Bescheid zugelassenen Fassungsvermögens vor.

 

Im Club selbst werden alle Lüftungen mit einer neuen Technologie der Firma CB Chemie GmbH ausgestattet, die mittels aktivierten Sauerstoffs alle Viren in der Raumluft abtötet. Ein Mund- und Nasenschutz muss nicht mehr getragen werden. Die Ionisierungsanlage hat alle österreichischen Hygienerichtlinien bestanden, wird im Werk Wien installiert und wartet auf die offizielle Inbetriebnahme.

 

Man darf gespannt sein, wie Politik und Medien auf dieses ausgeklügelte Konzept reagieren und ob sich die Party People bald wieder auf Club Nights freuen dürfen. Zwar (noch) unter der Einhaltung rigider Sicherheitsmaßnahmen, aber eine restriktive Party ist besser als gar keine...

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Schiller Rave: Philipp Hochmair und "Die Elektrohand Gottes" im Wiener Musikverein!

"Die Bürgschaft", "Der Taucher" oder die endlos lange "Glocke": Das sind Gedichte Friedrich Schillers, mit denen sich Schüler bis weit nach Mitternacht plagen, um sie am nächsten Tag in der Deutschstunde textlich und (halbwegs) rhetorisch vorzutragen. Was nicht immer gelingt. Philipp Hochmair, seines Zeichens Meisterschüler von Klaus Maria Brandauer und Ex-Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater und am Hamburger Thalia Theater, beherrscht das im Effeff. Die Dresdner Band "Elektrohand Gottes" mixt seine Verbalakrobatik mit elektronischen Beats, die auch für die Kids die Welt bedeuten.

 

"Schiller Rave" nennt sich dementsprechend das Projekt von Hochmair, Gitarrist Tobias Herzz Hallbauer, Ex-Punk und Elektronik-Mastermind Jörg Schittkowski und Schlagzeuger Alvin Weber und ist nicht die erste Zusammenarbeit der Künstler. Seit 2013 touren die vier mit ihrem Projekt "Jedermann Reloaded" durch die Lande, das u.a. auch im Wiener Burgtheater und im Stephansdom (als Aids-Charity-Event für ein südafrikanisches Hospiz) aufgeführt wurde. Hochmair, dem TV-Publikum als schlitzohriger Minister Schnitzler aus den Vorstadtweibern" bekannt, verhalf dessen Hofmannsthal-Textkenntnis zu einem überraschend schnell Ersatzauftritt im Original-"Jedermann" der Salzburger Festspiele, als Hauptdarsteller Tobias Moretti plötzlich erkrankte.

 

In einer club- und partylosen Corona-Zeit, in der Raves nur illegal in Kellern, auf Wiesen, an verlassenen Teichen oder sonstigen Freiräumen stattfinden, lud der Wiener Musikverein zum (legalen) "Schiller Rave". (Sauerstoff)-Masken wurden immerhinn damals auch in der Hochzeit der UK-Raves getragen, Hochmair selbst schlüpfte in die Rolle eines orange gekleideten Bauarbeiters mit Helm, Metallstange und Zangen, der die eleganten lyrischen Texte des Dichterfürsten Schiller per Mikro, aber auch per Megaphon wie ein Rapper in die Menge brüllte. "Die Elektrohand Gottes" residiert, schlicht gekleidet, hinter dem exzentrischen Solisten. "Die Band reagiert auf mich, auf meine Verse, Arabesken, Spracheskapaden - und ich auf die Beats der Band. Dieses Duett ist jedes Mal ein Experiment", so Hochmair in einem Interview.

 

Der Sound: Techno, Trance, Ambient. Es blubbert so herrlich, wenn sich "der Taucher" inmitten von blauen Lichtprojektionen in die Tiefe stürzt. Die Texte der Schiller-Balladen - inklusive dem Goethe-Bonus vom "Erlkönig" (der "so spät reitet durch Nacht und Wind") - bleiben übrigens unverändert. Der progressiv-exzessive Vortragsstil Hochmairs dürfte manch ältere Literaturpuristen schockieren, aber das ist ja auch die Absicht: Die (scheinbar) verstaubten Schiller-Texte des 18. Jahrhunderts per Zeitreise in die Gegenwart zu beamen.

 

Für Hochmair haben "die Balladen einen zeitlosen Kern. Die Bürgschaft handelt von Freundschaft und Treue, im Taucher geht es um Risikobereitschaft, die Glocke spiegelt die Kultur des damaligen Lebens wieder." Aus 425 Zeilen besteht das 1799 entstandene Lied von der Glocke, die letzte "Friede sei ihr erst Geläute" beendet Hochmair mit einem freudvollen Juchzer " Das war die gesamte Glocke". Experiment "Schiller Rave" vollendet, jetzt dröhnt nur mehr der Applaus des begeisterten Publikums...

"The Beginning": Österreichische Kunst von 1945 bis 1980 in der Albertina Modern

"The Beginning" nennt sich die erste Ausstellung der Albertina Modern im neuen Künstlerhaus am Karlsplatz, das von Hans Peter Haselsteiner um 57 Millionen Euro restauriert wurde.

 

Im Epizentrum steht dabei die Kunst in Österreich von 1945 bis 1980, die von reaktionären Kreisen bis in die 70er noch als "entartet" bezeichnet wurde. Das Künstlerhaus bietet dabei den idealen Standort, war doch dieser die letzte Station der Ausstellung "Entartete Kunst" im Dritten Reich. Zurückgegriffen wird dabei auf Werke der Sammlung Essl, der Albertina, internationaler Museen und Privatsammlungen.

 

Auf einer Fläche von rund 2000 Quadratmetern werden Artefakte von rund 70 Künstlern verschiedener Genres gezeigt, die in 13 Kapiteln einen überblickshaften Einstieg in die österreichische Kunst der Nachkriegszeit liefern. Dazu zählen Strömungen wie der Phantastische Realismus, der Wiener Aktionismus, Pop Art Made in Austria, abstrakte Malerei oder die Feministische Avantgarde. Das Gemeinsame der unterschiedlichen Künstler liegt laut den Kuratoren vor allem in der radikalen Auflehnung gegen Autorität und Hierarchie und der Kritik an der Verdrängung vergangener Schuld.

 

Inspirationen holten sich die österreichischen Künstler vor allem im Ausland, in Paris, Mailand oder in New York, wo sich Kiki Kogelnik im Warhol-Dunstkreis mit Konsum- und Massenkultur beschäftigte oder Maria Lassnig ihren "Body Awareness"-Stil entwickelte. Die Pop Art-Künstler bildeten in Österreich keine homogene Gruppe wie in anderen Ländern. Zu den prominentesten Vertretern zählten Christian Ludwig Attersee, Kiki Kogelnik, Cornelius Kolig und der früh verstorbene niederösterreichische Künstler Robert Klemmer, der mit seinen knallig bunt angezogenen, laufenden Männern die Promotion-Teaser der Ausstellung bildet.

 

Im Gegensatz zur Pop Art stand in den 60ern der Wiener Aktionismus, der auf die Farbwelt der Dinge vollkommen verzichtete und der die Fotografien und Filmaufnahmen der Aktionen als eigenständige Kunstwerke betrachtete. Hauptprotagonisten dieser teils umstrittenen Kunstrichtung sind Otto Mühl, Rudolf Schwarzkogler, Günter Brus und Hermann Nitsch, dessen "Orgien Mysterien-Theater" auf einem TV-Schirm betrachtet werden kann.

 

International arrivierte Künstler wie Gottfried Helnwein (dessen "Beautiful Victims" auf grausame Therapiemethoden in der psychiatrischen Klinik "Am Steinhof" hinweisen), Friedensreich Hundertwasser, Arnulf Rainer oder Franz West dürfen natürlich nicht fehlen. Ein eigener Abschnitt ist auch der Feministischen Avantgarde gewidmet, deren Protagonistin Valie Export sich als Kritik an der fehlenden Anerkennung von Künstlerinnen nach einer Zigarettenmarke und ihrem Kosenamen benannte und mit Aktionen wie dem "Tastkino" oder "Aktionshose Genitalpanik" die konservativen Zirkel schockierte.

 

In Planung ist eine Fortsetzung der attraktiven "The Beginning"-Ausstellung, die sich mit der Periode der 80er beschäftigt:  "The Eighties", Vernissage vermutlich 2021...

"Face it" - 18 Masken-Porträts vor dem Wien Museum!

Das Wien Museum am Karlsplatz wird derzeit saniert und um einen zweigeschoßigen Aufbau erweitert. Eine hochaktuelle Ausstellung gibt es trotzdem zu sehen, und das sogar ohne Maskenpflicht. Denn die Fotoexhibition "Face it" befindet sich im Freien auf dem Bauzaun vor dem Wien Museum. Der Clou: Alle 18 Porträtierten sind verhüllt mit einer Maske.

 

Die Idee zu dieser Freilichtausstellung entstand bereits während des Lockdowns Ende März. Abgelichtet wurden 18 Personen von der Fotografin Elodie Grethen, Kurator Peter Stuiber führte zusätzlich Interviews über die Erfahrungen, Ängste und Hoffnungen der Porträtierten, die neben den großformatigen Fotos in deutscher und englischer Sprache platziert wurden. 

 

So erzählt ein seit 12 Jahre in Österreich lebender Augustin-Verkäufer von seiner Quarantäne und dem Krankenhausaufenthalt. Eine Buslenkerin der Wiener Linien öffnet nach jedem Stopp beide Türen, um durch Lüften die Corona-Ansteckungsgefahr zu reduzieren. Die hippe Modedesignerin Romana aus Neubau eröffnete einen Online-Shop für Masken. Eine Alleinerzieherin aus Favoriten, die mit acht Personen in einer Wohnung lebt und mit zwei Kindern abgebildet ist, schildert ihre Angst über die Pandemie. Ihr Motto: "Es ist besser nicht rauszugehen". Eine Spar-Verkäuferin aus Währing, die erst im März ihren Job begonnen hat, schüttelt den Kopf über die Hamsterkäufe der Kunden, die sich mit massenhaft Klo-Papier und Nudeln Mitte März eingdeckt haben (obwohl nie von einer Schließung der Lebensmittelgeschäfte die Rede war).

 

Viele weitere Anekdoten aus der Zeit zwischen April und Juni 2020 eröffnen sich den Betrachtern auf der Foto-Allee vor dem Wien-Museum, von einer Ärztin, einem Polizisten, einem Notfallsanitäter, einem Friseur, einer Heimhilfe des Samariterbundes, einem Polier, einem Lehrer, einem Fahrradkurier und der Kulturproduzentin Tonica, die mit einer "Black Lives Matter"-Maske fotografiert wurde. Auch in Zeiten eines Lockdowns darf man nie auf seine Werte und Visionen vergessen.

Rock the Bus: Female Power auf dem Wiener Donauinselfest-Bus!

Bis zu 3 Millionen Menschen besuchten die letzten Jahre das Wiener Donauinselfest, das - seit 1984 - ein dreitägiges Party-Spektakel mit großen Musikbühnen, DJ-Lines, Kabarett-Entertainment und Gastro ohne Ende bietet. Dieses Jahr musste das Donauinselfest aufgrund der Corona-Maßnahmen in seiner ursprünglichen Art abgesagt werden, stattdessen tourt seit 1. Juli ein bunt gefärbter Bus durch "ganz Wien". Dort, wo üblicherweise Leute sitzen, wurde eine Bühne platziert, wo Künstler verschiedenen Genres ihre Show abliefern. Genauer Termin und Open Air-Location werden per App eine Stunde vor dem Gig bekanntgegeben, für die einen also ein Pop-Up-Überraschungs-Konzert, für die Fans eine turbulente Groupie-Jagd quer durch Wien...

 

Gleichberechtigung im Sinne von annähernd gleich vielen männlichen und weiblichen Acts ist bei Musik- (aber auch bei Kabarett-Events) noch lange nicht state of art. Umso erfreulicher ist es, dass bei den DIF-Ersatzevents zahlreiche hochkarätige weibliche Künstler, Newcomer und Shooting Stars gebucht wurden.

 

Ankathie Koi, die eigentlich aus Bayern stammende und in Wien lebende Sängerin, begeisterte bereits Ende Juli vor "vollem Haus" beim Kultursommer in Oberlaa. Mit schrillem, sexy Outfit und roter Perücke präsentierte sie mit ihrer Band Tracks aus ihren beiden Alben "I hate the way you chew" und "Prominent Libido". Die secret Bus-Tour führte sie u.a. zum Siebenbrunnenplatz und zum Naschmarkt.

 

Wahlwienerinnen sind auch die Balkan-Ladies von Madame Baheux. Jelena Poprzan aus Serbien, Ljubinka Jokic aus Bosnien, die von der Wiener Tschuschenkapelle bekannte Maria Petrova und die beim DIF-Trip verhinderte Lina Neuner aus Wien zelebrieren einen groovigen Stilmix aus Balkan-Pop, Folk, Jazz und Rock und brachten die Fans auch bei ihren Gigs im Währinger Park und im Stadtpark zum Tanzen. Das 10-Jahres-Band-Jubiläum wird im Dezember im Porgy & Bess gefeiert.

 

Ihre ersten großen Auftritte hatten Viktoria Winter und Mario Wienerroither aka Dramas beim Popfest und beim FM4-Fest in der Ottakringer Brauerei. Strictly in Red verschlug es die Wiener Elektro-Popper auf den Platz der Menschenrechte vor dem Museumsquartier. Mit dabei Tracks aus ihrem Debüt-Album "Nothing is permanent", "Flatline" (mit der faszinierenden Textzeile "So happy I could die") und ihre beiden neuen Songs "Perfect Silence" und "Undercover Dreamer". Ein Sound, der kongenial auf internationale Festivals a la Eurosonic, Cruilla oder Rock en Seine passen würde, sollten sie nächstes Jahr wieder stattfinden.

 

Pop auf deutsch in allen Spielarten, das fabriziert die Wiener Musikerin und Schauspielerin Pippa, die mit ihrem ersten Album "Superland" einen Überraschungserfolg gelandet hat. Release Nr. 2, "Idiotenparadies", ist gerade erschienen und wird Ende September im Porgy & Bess offiziell präsentiert. Darunter auch ein Titel namens "Dystopia", der allerdings vor dem Angriff der Corona-Viren geschrieben wurde. Dazu Elektro-Tracks wie die neue Single "Tagada", Hip-Hop-Kollaborationen a la "Egal" mit Kritik an der Gleichgültigkeit der Gesellschaft, romantische Balladen ("Warte wieder") oder "Wien, du machst mich verrückt"-Feel-Good-Pop. Das Styling Pippas (inklusiver peppiger Sonnenbrillen) erinnert etwas an die NDW-Ikonen der 80er, die Zuschauer auf dem weiträumigen Rothschildplatz auf dem Bank Austria Campus nahe dem Praterstern waren begeistert.

 

"Ich habe meine Karriere zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt gestartet", so die junge Oska bei ihrem abendlichen Gig auf dem legendären Naschmarkt. Kurz vor dem Lockdown war sie noch FM4-Soundpark Act des Monats Februar. Die Waldviertlerin, die sich nach ihrem ältesten Bruder (ohne r) benannt hat und damit ihre Familienverbundenheit demonstriert, bewegt sich mit ihren lässigen Folk-Songs in einer schwebenden Bandbreite zwischen Melancholie und Fröhlichkeit. Vor allem bei dem wunderschönen "Honeymoon Phase", einem Lied über die Phase des Verliebt-Seins, lauschten die zahlreichen Musikfans andächtig den zarten Tönen. Die Zukunft kann beginnen, hoffentlich bald wieder auf normalen Konzert-Bühnen auf Festivals, in Clubs und Bars.

Dialekt-Chansons am Naschmarkt: Sigrid Horn live beim Wiener Kultursommer!

Eine düster-melancholische Abendstimmung hängt über dem Wiener Naschmarkt, leichte Regentropfen und dunkle Wolken verdecken die August-Sonne. Eigentlich ein ideales Szenario für den Auftritt der österreichischen Liedermacherin Sigrid Horn, deren nachdenkliche Songs in diese Atmosphäre passen.

 

Die aus dem niederösterreichischen Mostviertel (Neuhofen/Ybbs) stammende Sängerin, die sich als Vocalistin des Quartetts "wosisig" und als Poetry Slammerin Giga Ritsch (auch bei Donnerstagsdemos) einen Namen gemacht hat, hat im März 2020 ihr zweites Album "I bleib do" veröffentlicht. Vorgestellt hat sie das von Ernst Molden co-produziertes Werk u.a. im Rabenhof-Theater und in der Elbphilharmonie Hamburg, bis die Corona-Krise ihre Träume von einer Promotion-Tour durch Europa beendete. Jetzt, nach 6 Monaten, wird der Gig-Kalender wieder voller. Nach einem Auftritt in Tirol düste Horn per Auto zum Wiener Naschmarkt, wo sie im Rahmen des Kultursommers einige ihrer Lieder aus ihren bisher erschienenen Alben "Sog I bin weg" (2018) und "I bleib do" (2020) präsentierte.

 

Gekleidet ist die seit dem letztjährigen Popfest hochgefeierte Liedermacherin stets in schwarz, die Augen beim Singen geschlossen, konzentriert, authentisch - eine Sängerin, der man nicht nur bei ihren Liedern, sondern auch bei ihren Erzählungen dazwischen gerne zuhört. Musikalisch begleitet sich Horn bei diesem Auftritt selbst mittels Ukulele und Keyboard, ansonsten tritt sie auch im Trio (wie am 2. September im Museumsquartier) auf.

 

Die Themen der in Dialekt vorgetragenen Songs drehen sich um Familiengeschichten, Umwelt, Gedanken über das Leben und die Zukunft oder um emotionale Liebesgefühle. Mit "Baun", einer Anklage gegen die Zersiedelung der österreichischen Landschaft, gewann Horn 2019 den FM4-Protestsongcontest. "Daham" reflektiert den Heimatbegriff, der in einer multikulturellen Gesellschaft nur schwer eruierbar ist. Ein Wink auf ihre eigene Historie, der Vater ist ein in Chile aufgewachsener Bildhauer. Die erste Single "Radl" aus ihrem neuen Album widmete Horn ihren Großeltern, die seit über 60 Jahren glücklich miteinander verheiratet sind und ihre Karriere gefördert haben. 

 

"Kassandra" (nicht zufällig namensgleich mit der Seherin aus der griechischen Mythologie"), "Heazn", "Frühling" "Ripm" und "Zombies" sind weitere Songs aus dem Repertoire, die das Publikum am Naschmarkt bezaubern, bis sich stärkerer Regen in die Performance der jungen Sängerin einmischt. Man kann aber getrost behaupten, dass trotz der teils düsteren Texte die Sonne für Sigrid Horn steil aufsteigt...

https://www.sigridhorn.at/

 

"Save the Rave"-Demo in der Wiener Innenstadt für die Erhaltung der Clubkultur!

Gemeinderatswahlen 2020: Mehr als 30 Prozent der Wiener dürfen nicht wählen!

Am 11. Oktober 2020 wird in Wien gewählt, und zwar sowohl der Gemeinderat als auch die jeweiligen Bezirksvertretungen. Das heißt aber noch lange nicht, dass am Wahltag jeder in Wien lebende Bürger zur Wahlurne schreiten darf und jene Partei wählen kann, die seine politischen Wertvorstellungen und Lebensbedürfnisse vertritt.

 

Denn aufgrund der aktuellen gesetzlichen Bestimmungen darf in Wien fast ein Drittel der Bürger nicht wählen. Laut Statistik Austria lebten am 1. Jänner 2020 in der Bundeshauptstadt insgesamt 1.615.475 Personen im wahlberechtigten Alter. Davon sind – aufgrund mangelnder österreichischer Staatsbürgerschaft – 486.659 Wiener nicht teilnahmeberechtigt, das sind insgesamt 30,1 Prozent. Einzig allein EU-Bürger mit Hauptwohnsitz in Wien dürfen aufgrund des Vertrags von Maastricht (1992) an den Bezirksvertretungswahlen teilnehmen.

 

Die Situation hat sich so weit verschärft, dass trotz eines Anstiegs der Wiener Bevölkerung um mehr als ein Viertel seit 1990 und einer Senkung des Wahlalters von 18 auf 16 im Jahr 2007 sich die Anzahl der Wahlberechtigten in Wien sogar reduziert hat. Bei der letzten Gemeinderatswahll betrug die Wahlbeteiligung 74,8 Prozent, real allerdings nur knapp 56 Prozent.

 

Der Verein SOS Mitmensch, der auch dieses Jahr wieder eine Pass Egal-Wahl durchführen wird, fordert in diesem Zusammenhang ein volles nationales und kommunales Wahlrecht spätestens nach drei Jahren Lebensmittelpunkt in Österreich. Als Vorbild gilt hier insbesondere Neuseeland, wo Menschen bereits nach einem Jahr ununterbrochenem Aufenthalt auf allen Ebenen wählen dürfen. Zahlreiche EU-Länder (wie Dänemark, Spanien, Schweden, Portugal, Ungarn oder Großbritannien) sehen ein Wahlrecht für Drittstaatsangehörige bei Kommunalwahlen vor.

 

In Österreich dürfte die Umsetzung allerdings schwierig sein, da für eine Änderung des Wahlrechts eine Verfassungsänderung per 2/3-Mehrheit beschlossen werden muss und sich die mehrheitlich rechtskonservativen Parteien der ÖVP und FPÖ strikt gegen ein Ausländerwahlrecht aussprechen.

 

Eine Alternative wäre eine (einfachgesetzliche) Änderung des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechts, das zu den restriktivsten der Welt zählt. Im Jahr 2018 wurden nur 4121 Ausländer eingebürgert, eine Rate von 0,67 Prozent. Um österreichischer Staatsbürger zu werden, müssen nicht nur zahlreiche Hürden (wie jahrelange, ununterbrochene Wartefristen und qualifizierte Sprachkenntnisse) absolviert und hohe Gebühren bezahlt, sondern auch ein „hinreichend gesicherter Lebensunterhalt“ (im Sinne eines Mindesteinkommens oder Mindestpension) nachgewiesen werden. Ältere Personen, Teilzeitarbeitskräfte, prekär Beschäftigte und überproportional Frauen können aufgrund dieser Grenzwerte nicht Staatsbürger werden, obwohl sie bereits jahrzehntelang in Österreich leben. Auch Kinder, die in Österreich geboren sind, werden nicht ex lege zu österreichischen Staatsbürgern. Im Gegensatz zu Deutschland, wo Kinder die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen, wenn ein Elternteil seit 8 Jahren im Staatsgebiet lebt. Rechtlich unzulässig sind auch Doppelstaatsbürgerschaften, was vor allem traditionell geprägtere Migranten davon abhält, Österreicher zu werden.

 

Der Wahlausschluss von mehr als 30 Prozent der Wiener hat auch seine gefährlichen Komponenten. Rechte Parteien schüren im Wahlkampf zumeist mit Unterstützung diverser Boulevardmedien den Ausländerhass und spalten die Wiener Bevölkerung, die eigentlich eine verschworene Gemeinschaft unabhängig von Herkunft und Religion darstellen sollte. Und auch integre Parteien zielen „wahleffizient“ mehr auf die Wünsche und Interessen der tatsächlich Wahlberechtigten ab als auf jene, die sich nicht am Wahltag mit einer Stimme bedanken können.

 

 

Es ist daher 5 Minuten vor 12. Damit Wahlen künftig weiterhin repräsentativ sind und die gesamte Bevölkerung Einfluss auf die politische Richtung des Landes nehmen kann, müssen die Rahmenbedingungen im Sinne eines weltoffenen, progressiven Wahlrechts und schnellerer Einbürgerungen verändert werden. Die Pass Egal-Wahl von SOS Mitmensch darf nur der erste Schritt sein…

"Achtung, Klatschsaft": Ankathie Koi rockt beim Wiener Kultursommer in Oberlaa!

Fünf Monate nach dem Ausbruch der Corona-Krise befindet sich Österreich trotz geringer Infektionszahlen, vor allem geringer Hospitalisierungszahlen, veranstaltungstechnisch noch immer im Tiefschlaf: Stadthalle, Gasometer und die meisten aller Locations sind geschlossen, durchgeführt werden derzeit nur vereinzelt Sitzplatzkonzerte mit wenigen Gästen wie im Fluc oder im Chelsea. Während die Klassikfestivals zwar dezimiert, aber zumindest stattfinden (bei den Salzburger Festspielen alleine 110 Einzelaufführungen mit fast 90.000 Plätzen), fällt der gesamte Pop-, Rock-Dance-Zirkus den Corona-Restriktionen zum Opfer.

 

Die Sperrstunde in der Gastronomie wurde mit 1 Uhr nachts festgelegt, die Clubs dürfen trotz durchdachter Konzepte nicht öffnen und bangen um ihr Überleben. Stattdessen feiern die Kids und Party People auf dem Karlsplatz, dem Donaukanal und auf zahlreichen illegalen Rave Parties, bei denen auf Physical Distancing  eher wenig Wert gelegt wird. Wohl nicht im Sinne der Corona-"Oberlehrer", die Zahlen steigen aber - ebenso wie nach Großdemonstrationen - trotzdem nicht.

 

Als legalen Ersatz für die vielen abgesagten oder verschobenen Konzerte, Auftritte und Aufführungen hat die Stadt Wien den sogenannten "Wiener Kultursommer" organisiert. Unter der Mithilfe von zehn Experten, darunter so klingende Namen wie Mira Lou Kovacs, Fritz Ostermayer oder Tina Leisch, werden bis Ende August ca. 2000 Künstler und Künstlerinnen auf 25 verschiedenen Spielstätten in Wien auftreten. Die Besucher sind verpflichtet, beim Eingang Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse anzugeben, damit im Falle eines Corona-Verdachtsfalles die Gesundheitsbehörden potentielle Infektionsketten mittels "Contact Tracing" eruieren können. Da die Veranstaltungen alle im Freien stattfinden, geht die Wahrscheinlichkeit einer Infektion bei gleichzeitiger Einhaltung eines obligatorischen Sicherheitsabstandes allerdings ohnehin gegen Null. 

 

Eine, die ansonsten auf Abstände und Limitierungen überhaupt keinen Wert legt und sich auch gerne in die Zuschauermenge wirft, stand Samstag Abend auf der Main Stage in Oberlaa: Ankathie Koi, die ursprünglich aus Oberbayern stammende, in Wien lebende extravagante Performerin, die kürzlich ihr zweites Album "Prominent Libido" veröffentlicht hat. Wie üblich mit pinken Haaren und sexy Outfit, die Band im trashigen 80´s-Style. Auf der Setlist ihre Hits "Little Hell" und "Royal Boy", ihren über sechsminütigen Burner "Strong like a Hurricane" oder ihre phänomenalen Woman-Tracks "Viktoria", "Adriana" und "Shanghai mazes". Bei letzterem handelt es sich laut Ankathie um ihr einziges Liebeslied, auch wenn die verschmähte Frau am Ende dem Mann den Kopf abschneidet. 

 

Was allerdings anders ist: Die Fans der freakigen Künstlerin stehen nicht schweißüberströmt und kreischend vor der Bühne, sondern sitzen wie in einem dystopischen Science Fiction-Thriller jeweils mit Sicherheitsabstand zu anderen Besuchergruppen auf pinken Strandsesseln. Getanzt wird nicht, ein bisschen geswingt und ausgezuckt aber beim Weg zwischen Bierstand und Beach Chair. Das stört auch die mit Schutzmasken ausgestatteten Securities nicht.

 

Auch für Ankathie Koi eine Premiere. Sie hat zum ersten Mal das Publikum gebeten, auf keinen Fall mitzusingen. Die gefährlichen Aerosole. Außerdem warnte sie vor dem "Klatschsaft" und forderte die Fans auf, "die Hände hohl aufeinander bouncen zu lassen". Das erzeuge weniger Schweiß. Das mehr als einstündige Konzert hat trotz all dieser Skurrilitäten allen Spaß gemacht. Gleichzeitig warten aber alle bereits auf Konzerte wie in den "guten, alten, exzessiven Pre-Corona-Zeiten". Die Menschen wollen tanzen, singen, ausflippen, nicht nur, aber auch zu den elektropoppigen Beats Ankathie Kois...

 

Das Kultursommer-Programm auf: https://kultursommerwien.at/

Szene-Porträts und Wiener Aufbruch: Michael Horowitz-Fotografien in der Albertina!

Mit 18 Jahren besuchte der junge Fotograf Michael Horowitz die aus Kärnten stammende Kiki Kogelnik in New York, die sich dort im Dunstkreis von Andy Warhol einen Namen als gesellschaftskritische Künstlerin gemacht hat. Eines der imposanten Bilder: Kiki mit Bomben aus Plastik, fotografiert auf einem Dach eines Gebäudes in der Lower East Side.

 

Viele weitere großartige Bilder des 1950 in Wien geborenen Fotografen, Schriftstellers, Journalisten und Verlegers Horowitz sind noch bis 6. September in der Wiener Albertina zu bewundern. Im Mittelpunkt stehen vor allem Aufnahmen aus den 1960er- bis 1980ern, als Horowitz als freier Fotograf arbeitete und Porträts zu seiner Lieblingsdisziplin zählten. Sein persönlicher Freund Qualtinger, Arnold Schwarzenegger, der ansonsten eher scheue Thomas Bernhard, Klaus Maria Brandauer, Helmut Berger & Sydney Rome, Oskar Werner, Udo Proksch, Erika Pluhar, Senta Berger, "Ostbahn Kurti" Willi Resetarits, Legenden des österreichischen Kultur-, Theater- und Gesellschaftslebens, die alle vor der Linse von Horowitz landeten. 

 

Zu sehen sind in der in der Basteihalle der Albertina platzierten Ausstellung allerdings auch Pop-Heroes wie Mick Jagger (beim Konzert der Rolling Stones in Wien 1967), John Lennon und Yoko One, die deutsche Chanson-Legende Hildegard Knef oder Andy Warhol, den Horowitz bei einer privaten Fotosession mit der Hans Dichand-Tochter Johanna porträtierte.

 

Die ersten eindrucksvollen Fotos publizierte Horowitz bereits im zarten Alter von 15, als er linke Aktivisten in den Straßen Wiens ablichtete, die gegen rechtsextreme Umtriebe auf den Universitäten und den Ernst Kirchweger-Mord demonstrierten. Für den Spiegel fotografierte er 1977 am burgenländischen Friedrichshof die umstrittene Otto Mühl-Kommune. Zu seinen Motiven gehörten auch die Gugginger Künstler Johann Hauser oder Ernst Herbeck, deren Werke 1970 erstmals in der Galerie nächst St. Stephan ausgestellt wurden. Den gesellschaftlichen Aufbruch Wiens zu einer liberalen, weltoffenen Stadt veranschaulicht Horowitz, der 1989 das Kurier-Magazin "Freizeit" gründete, durch pointierte Alltagsszenen der Sixties, als transparente Blusen noch zu einem "Tumult in Vienna" führten. 

 

"Michael Horowitz" - Von 28. Februar bis 6. September 2020 in der Galerie der Basteihalle der Wiener Albertina...